Drucksache 18 / 12 659 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Maik Penn (CDU) vom 09. November 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. November 2017) zum Thema: Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) in Berlin und Antwort vom 27. November 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Nov. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Herrn Abgeordneten Maik Penn (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12659 vom 09. November 2017 über Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) in Berlin ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Das Land Berlin ist zuständig für das Angebot anderer Leistungsanbieter im Arbeitsbereich. Wie und in welchem Umfang sollen die Anforderungen an andere Leistungsanbieter definiert werden und wie erfolgt die Abgrenzung zum Arbeitsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen (nachfolgend WfbM)? Welches Verfahren zur Zulassung von anderen Leistungsanbietern ist geplant? Zu 1.: Die Vorschriften für Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) gelten auch für andere Leistungsanbieter unter Berücksichtigung der in § 60 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) neue Fassung (n.F.) genannten Maßgaben. Von daher kann die „Leistungsbeschreibung des Arbeitsbereiches der Werkstätten für behinderte Menschen in Berlin vom 01.07.2011“, unter Berücksichtigung der in § 60 Abs. 2 SGB IX genannten Maßgaben, grundsätzlich auch als Arbeitsgrundlage für die Leistungsbeschreibung bzw. Anforderungen bei den anderen Leistungsanbietern herangezogen werden. Auf der o. g. Grundlage hat die Berliner Vertragskommission Soziales (KO75) mit Kommissionsbeschluss 6/2017 „Arbeitsauftrag an die UAG 5“ die Unterarbeitsgruppe 5 „Teilstationäre Einrichtungen für Menschen mit geistigen u./o. körperlichen Behinderungen (UAG 5)“ beauftragt der KO75 eine abgestimmte Leistungsbeschreibung bis zum 31.12.2017 für den Arbeitsbereich der anderen Leistungsanbieter vorzulegen. Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales hat daraufhin einen Arbeitsentwurf der Leistungsbeschreibung für die anderen Leistungsanbieter in die UAG 5 eingebracht, der gemeinsam überarbeitet wird. Die Leistungsbeschreibung ist verbindlich, wenn die KO75 der Leistungsbeschreibung durch Beschluss zugestimmt hat. Erst danach können andere Leistungsanbieter eine 2 Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung auf Grundlage der Leistungsbeschreibung mit dem Land Berlin vereinbaren. Unabhängig hiervon können der Träger der Unfallversicherung und der Träger der Kriegsopferfürsorge auch Leistungen zur Beschäftigung bei einem anderen Leistungsanbieter erbringen. Die oben genannten Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung ist für die Leistungserbringung durch diese beiden Rehabilitationsträger nicht erforderlich. Für die WfbM ist ein gesondertes Anerkennungsverfahren durch die Bundesagentur für Arbeit in § 142 SGB IX geregelt. Für die anderen Leistungsanbieter sind keine gesetzlichen Regelungen für die Anerkennung vorgesehen. Hierzu muss eine Aussage in der noch zu erarbeitenden Leistungsbeschreibung getroffen werden. 2. Grundsätzlich ist der gleiche Personenkreis der dauerhaft erwerbsgeminderten Menschen mit Behinderung anspruchsberechtigt zur Teilhabe am Arbeitsleben bei einem anderen Leistungsanbieter, wie bisher in den WfbM. Plant das Land Berlin die Kapazitäten im Arbeitsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen zu Gunsten anderer Leistungsanbieter zu reduzieren oder geht es davon aus, dass bisher unversorgte, anspruchsberechtigte Personen, die keine Teilhabe in den Werkstätten in Anspruch nehmen, das neue Angebot wahrnehmen werden? Zu 2.: Der Senat hat in der Vergangenheit eine ausreichende Versorgung mit Plätzen in WfbM vorgehalten und plant nicht, die Kapazitäten im Arbeitsbereich der WfbM zu Gunsten anderer Leistungsanbieter zu reduzieren. Er geht davon aus, dass dieses Angebot insbesondere für Menschen mit seelischen Behinderungen, die bereits heute dem Grunde nach anspruchsberechtigt sind, aber nicht in der WfbM arbeiten wollen, attraktiv sein kann. Des Weiteren können dauerhaft voll erwerbsgeminderte Jugendliche mit Behinderung nach ihrer beruflichen Bildung ein Budget für Arbeit in Anspruch nehmen, wenn Sie keinen regulären Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erhalten. Selbstverständlich können auch Werkstattbeschäftigte von den neuen Leistungen profitieren. 3. Anders als in anderen Bundesländern gibt es bisher im Land Berlin keine Erfahrungen mit dem Budget für Arbeit nach § 61 BTHG. Wird das Land Berlin zum 01.01.2018 dieses Angebot einführen und den Menschen mit Behinderung somit weitere Vielfalt der Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen? Zu 3.: Das Angebot wird zum 01.01.2018 eingeführt. Der anspruchsberechtigte Personenkreis (vergleiche § 58 SGB IX n.F.) hat einen Rechtsanspruch auf ein Budget für Arbeit, wenn die in § 61 SGB IX n.F. genannten Voraussetzungen erfüllt sind. 4. Wie wird das Budget für Arbeit im Land Berlin ausgestattet und ausgestaltet sein? Wie hoch wird konkret der Lohnkostenzuschuss zum Ausgleich der Leistungsminderung für die Arbeitgeber sein und nach welchen Kriterien wird er bemessen? 5. Wie hoch wird der finanzielle Ausgleich der wegen der Behinderung notwendigen Anleitung und Begleitung sein? Wer ist berechtigt, die notwendige Anleitung und Begleitung anzubieten? Zu 4. und 5.: Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales erarbeitet zurzeit ein Rundschreiben zum Budget für Arbeit. Das Rundschreiben ist noch nicht mit allen Beteiligten abgestimmt. Daher kann der Senat zurzeit auch noch keine Aussagen zur Höhe des Lohnkostenzuschusses zum Ausgleich der Minderleistungen an die Arbeitgeberin bzw. den Arbeitgeber und zu der Höhe des finanziellen Ausgleiches der wegen der Behinderung erforderlichen Anleitung und Begleitung machen. 3 6. Leistungsberechtigte für das Budget für Arbeit sind in der Regel Beschäftigte im Arbeitsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen. Wird im Rahmen des Budgets für Arbeit im Land Berlin ein Anreizoder Prämiensystem für WfbM vorgesehen, um den Übergang in besonderem Maße zu fördern und zu unterstützen? Zu 6.: Der Senat beabsichtigt kein Anreiz- oder Prämiensystem für Werkstattträger einzuführen, wenn Beschäftigte aus einer WfbM in ein Arbeitsverhältnis auf den allgemeinen Arbeitsmarkt mit einem Budget für Arbeit wechseln. Zu den Aufgaben einer WfbM gehört es nach § 5 Abs. 2 der Werkstättenverordnung (WVO), den Übergang von behinderten Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen zu fördern. Hierzu werden bereits Praktika auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durchgeführt oder ausgelagerte Arbeitsplätze eingerichtet. Im Zusammenhang mit dem Budget für Arbeit wird es darauf ankommen, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bereit sind, diese Beschäftigungsmöglichkeiten anzubieten. 7. Mit welchen Zielstellungen plant das Land Berlin für das Budget für Arbeit? Wie viele Übergänge aus WfbM sind für die Jahre 2018 bis 2020 angestrebt, wie sollen diese erreicht werden und was bedeutet das aus Sicht des Landes Berlin für die Kapazitätsentwicklung in den Werkstätten? Gibt es hierzu konkrete Überlegungen und Planungen? Zu 7.: Das Budget für Arbeit soll allen anspruchsberechtigten Menschen mit Behinderung eine Möglichkeit bieten, trotz dauerhafter voller Erwerbsminderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten. Hierzu zählen nicht nur Menschen mit Behinderung, die von einer WfbM in ein Budget für Arbeit wechseln, sondern auch Menschen mit seelischen Behinderungen, die bereits heute dem Grunde nach Anspruch auf einen Werkstattplatz hätten, aber nicht in einer WfbM arbeiten wollen. Des Weiteren können dauerhaft voll erwerbsgeminderte Jugendliche mit Behinderung nach ihrer beruflichen Bildung ein Budget für Arbeit in Anspruch nehmen. In der Vergangenheit sind jährlich ca. 40 Menschen mit Behinderung von einer WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt übergegangen. Für den Übergang sind die ausgelagerten Arbeitsplätze der Werkstatt, an denen das Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erprobt werden kann, sehr hilfreich. Der Senat geht davon aus, dass es weiterhin vorrangiges Ziel sein muss, die Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne ein Budget für Arbeit zu vermitteln. Die Gefahr besteht aber, dass das Budget für Arbeit für Arbeitgeber so attraktiv ist, dass die Zahl der „echten“ sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse (einschließlich Arbeitslosenversicherung) zu Gunsten des Budgets für Arbeit zurückgeht. Bislang liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, in welchem Umfang das Budget für Arbeit in Anspruch genommen wird. Schätzungen wären somit rein spekulativ. Es wird künftig darauf ankommen, weitere bedarfsgerechte Angebote in WfbM zu entwickeln. Dabei müssen die Auswirkungen des Budgets für Arbeit und die der anderen Leistungsanbieter berücksichtigt werden. 8. Neben der Einführung von anderen Leistungsanbietern und dem Budget für Arbeit werden auch in Zukunft WfbM fester Bestandteil der beruflichen Rehabilitation und Teilhabe am Arbeitsleben sein. Was plant das Land Berlin, um auch dieses Angebot gemeinsam mit den Werkstätten weiterzuentwickeln? Welche Verbesserungen sind für die Menschen mit Behinderungen in Bezug auf ihre berufliche Bildung und deren Entlohnung geplant? Zu 8.: Die Interessen der Berliner Werkstattträger werden über die Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e. V. (LAG WfbM) gebündelt und vertreten. Es finden regelmäßige Jour Fixe mit dem Vorstand der LAG WfbM und den verantwortlichen Vertreterinnen und Vertretern der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales statt. In der laufenden Legislaturperiode sind zudem 4 vier jährliche Treffen mit dem Vorstand der LAG WfbM und Frau Senatorin Elke Breitenbach vereinbart, um sich u. a. über Anpassungserfordernisse oder die Weiterentwicklung der Berliner Werkstättenlandschaft zu verständigen und in die Umsetzung zu bringen. Für die derzeitige Kommunikationsstruktur wird kein Änderungsbedarf gesehen, da mit dieser eine gemeinsame Weiterentwicklung des Werkstattangebotes mit Anbietern und Politik bzw. Verwaltung im Land Berlin sichergestellt ist und sich bewährt hat. Die fachlichen Anforderungen an das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich sind in den §§ 3 und 4 der Werkstättenverordnung (WVO) definiert. Die Bundesagentur für Arbeit hat unter Beteiligung der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (BAGüS) und der Bundesarbeitsgemeinschaft der WfbM (BAG WfbM) zur einheitlichen Aufgabenerledigung/Zusammenarbeit ein Konzept für das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich entwickelt, das weiterhin angewendet wird. Menschen mit Behinderung im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbildungsbereich erhalten nach § 122 Abs. 3 SGB III ein Ausbildungsgeld, sofern kein Anspruch auf Übergangsgeld besteht. 9. Wird sich das Land Berlin für die konkreten Anliegen der Berliner Werkstatträte nach beruflicher Bildung in Berufsschulen und „Lohn aus einer Hand“ einsetzen und diese Forderungen umsetzen? Welche weiteren Schritte sind hierzu konkret geplant? Zu 9.: Menschen mit Behinderung, die eine berufliche Bildung in einer WfbM in Anspruch nehmen, haben keine Berufsschulpflicht. Nach den „10 Behindertenpolitischen Leitlinien des Landes Berlin zur nachhaltigen Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention bis zum Jahr 2020“ zum Punkt Bildung, wurde festgelegt, bei Berufsbildungsmaßnahmen in WfbM das Recht auf Berufsbildung auch in Berufsschulen zu prüfen. Dieses setzt der Senat durch die besondere Form der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme (BvB) für Menschen mit Autismus-Spektrum- Störungen an der Annedore-Leber-Berufsschule um. Bisher gibt es keine formale Regelung für weitere Entwicklungsschritte, insbesondere weil die Vorgaben des § 66 Berufsbildungsgesetzes (BBiG) für die meisten Werkstattteilnehmerinnen und Werkstattteilnehmer zu hochschwellig sind. Es gab Sondierungsgespräche zwischen den beruflichen Schulen und den Werkstätten, um für das Thema Umsetzungsformen zu erörtern. Ergebnisse liegen aber noch nicht vor. Der Fachbereich für Inklusion bei der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie wird dazu entsprechende Empfehlungen erarbeiten. Auf Bundesebene gibt es hinsichtlich nötiger Anpassungen des BBiG´s keinerlei Signale. In der Berliner Werkstätten für Menschen mit Behinderung GmbH Westhafen (BWB) gibt es derzeit ein Projekt des Europäischen Sozialfonds (ESF) in dem Beschäftigte im Berufsbildungsbereich Unterricht erhalten. Die Rückmeldungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind nach Aussage der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundeagentur für Arbeit sehr positiv. Das Thema „Lohn aus einer Hand“ wurde bereits mehrfach auf Bundesebene angesprochen, letztmalig im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum Bundesteilhabegesetz (BTHG), ohne dass bisher ein Lösungsansatz im Interesse der Berliner Werkstatträte verwirklicht worden ist. Wie gegenüber den Berliner Werkstatträten seitens des Staatssekretärs für Arbeit und Soziales, Herrn Alexander Fischer, bei einer Zusammenkunft am 11.09.2017 in den Räumlichkeiten der Union 5 Sozialer Einrichtungen (USE) am Standort Oranienstr. 26 erklärt, wird der Senat die Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter der Menschen mit Behinderung bei einem Vorstoß auf Bundesebene gern unterstützen und im Falle neuer bundesgesetzlicher Regelungen zu „Lohn aus einer Hand“ selbstverständlich diese dann auch umsetzen. 10. Wie ist der Sachstand in den anderen Bundesländern zur Umsetzung der §§ 60, 61 des BTHG? Gibt es zu den jeweiligen Überlegungen Abstimmungen, ggf. in welchen Gremien und wie erfolgt insbesondere die Abstimmung zwischen Berlin und Brandenburg? Zu 10.: Das Land Niedersachsen hat bereits zum 01.07.2017 sein Landesprogramm zum Budget für Arbeit weiterentwickelt und den neuen gesetzlichen Regelungen des § 61 SGB IX n.F. angepasst. Ein Austausch zur Umsetzung der §§ 60 und 61 SGB IX n.F. mit den anderen Bundesländern findet auf verschiedenen Ebenen statt. Hierzu zählt z. B. der Austausch im Fachausschuss II der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (BAGüS). Mit dem Land Brandenburg findet ein regelmäßiger Austausch auf Arbeitsebene statt. Berlin, den 27. November 2017 In Vertretung Alexander F i s c h e r _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales S18-12659 S18-12659