Drucksache 18 / 12 684 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Stefan Gelbhaar (GRÜNE) vom 14. November 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. November 2017) zum Thema: Wie steht es um die Pressefreiheit in Berlin? und Antwort vom 01. Dezember 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Dez. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Stefan Gelbhaar (Bündnis 90/Die Grünen) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12 684 vom 14. November 2017 über Wie steht es um die Pressefreiheit in Berlin? -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele tätliche Angriffe, Drohungen und Einschüchterungsversuche gegenüber Journalisten sind dem Senat in den Jahren 2014, 2015 und 2016 bekannt geworden? Bitte nach Jahren sowie nach Möglichkeit mit Datum, konkreter Art der Behinderung der journalistischen Arbeit, Anzahl der betroffenen Journalist *innen und Hintergrund der Angreifer*innen aufschlüsseln. Zu 1.: Grundlage für die nachstehende tabellarische Beantwortung dieser Frage bildet der „Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD- PMK), bei der es sich entgegen der „Polizeilichen Kriminalstatistik“ (PKS) um eine Eingangsstatistik handelt. Die Fallzählung erfolgt dabei tatzeitbezogen, unabhängig davon, wann das Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurde. Die folgenden statistischen Angaben stellen keine Einzelstraftaten der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) dar. Bei der Darstellung handelt es sich um Fallzahlen. Ein Fall bezeichnet jeweils einen Lebenssachverhalt in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit identischer oder ähnlicher Motivlage, unabhängig von der Zahl der Tatverdächtigen, Tathandlungen, Anzahl der verletzten Rechtsnormen oder der eingeleiteten Ermittlungsverfahren. Die Fälle der PMK unterliegen bis zum Abschluss der Ermittlungen - gegebenenfalls bis zum rechtskräftigen Gerichtsurteil - einer Bewertung gemäß der angenommenen Tätermotivation . Darüber hinaus können Fälle der PMK erst nach dem Statistikschluss bekannt und entsprechend gezählt werden. Deshalb kommt es sowohl unter- als auch überjährig immer wieder zu Fallzahlenänderungen. Es werden nur die Fälle gezählt, die gemäß den bundesweit verbindlichen Verfahrensregeln zur Erhebung von Fallzahlen im Rahmen des KPMD-PMK für Berlin statistisch zu zählen sind. 2 Die Beantwortung der Frage ist nur für das Jahr 2016 möglich, da das Erfassungsmerkmal „gegen Medien“ erst zum 1. Januar 2016 bundesweit verbindlich eingeführt wurde. Es sind gemäß der Fragestellung ausschließlich die Fälle berücksichtigt, bei denen Personen durch eine strafbare Handlung geschädigt wurden. Fälle, die sich gegen Medieneinrichtungen richteten, sind nicht aufgeführt. Nr. Delikt Tatzeit Sachverhalt Phäno nomen - bereich 1 § 111 StGB (Strafgesetzbuch ) öffentliche Aufforderung zu Straftaten 08.01.2016 14:49:00 Unter einem Beitrag auf Facebook, der auch ein Foto der geschädigten Journalistin enthielt, wurde ein rassistischer Kommentar veröffentlicht. PMK - rechts 2 § 249 StGB Raub 06.02.2016 18:00:00 Während der Demonstration „Für Freiräume" machte die geschädigte Journalistin Tonaufnahmen vom Aufzug . Plötzlich kam eine dunkel gekleidete Person auf sie zu und entriss ihr gewaltsam das Mikrofon. PMK - links 3 § 185 StGB Beleidigung 09.02.2016 10:36:00 Ein Facebook-Nutzer verfasste einen beleidigenden Kommentar unter einem Beitrag der Geschädigten bezüglich ihrer Auszeichnung mit der Goldenen Kamera . PMK - rechts 4 KUG (Kunsturhebergesetz 09.02.2016 11:23:00 Der Beschuldigte verbreitete über seinem Twitter- Account ein vom Geschädigten gemachtes Foto unter Missachtung des Urheberrechts und bezeichnete diesen als „Nazifotograf“. PMK - links 5 § 185 StGB 27.03.2016 20:00:00 Unbekannte Täter brachten an die Hauseingangstür einen linksorientierten Schriftzug an. Zusätzlich war das Klingelschild mit dem Namen des Geschädigten geschwärzt, so dass erkennbar war, dass sich dieser Schriftzug auf ihn bezog. Der Geschädigte ist als Fotograf für BÄRGIDA bekannt. PMK - links 6 KUG 11.04.2016 16:31:00 Auf Facebook wurde ein „Steckbrief" mit 20 Personendaten und Fotos von vermeintlichen „Antifa- Fotografen“ veröffentlicht. PMK - rechts 7 § 113 StGB Widerstand gegen Vollstreckungs - beamte 01.05.2016 10:31:00 Teilnehmer der Kundgebung „Asylflut stoppen" versuchten , eine Pressevertreterin an ihrer Arbeit zu hindern . Bei den sich anschließenden polizeilichen Maßnahmen leisteten sie Widerstand. PMK - rechts 8 § 223 StGB Körperverletzung 07.05.2016 16:55:00 Der Beschuldigte griff den Geschädigten an, weil er ihn für einen „Antifa-Fotografen" hielt. PMK - rechts 3 9 § 185 StGB 22.05.2016 20:20:00 Unbekannte Täter brachten an das Klingeltableau einen linksorientierten Schriftzug an und schwärzten den Namen des Geschädigten, so dass erkennbar war, dass sich dieser Schriftzug auf ihn bezog. Der Geschädigte ist als Fotograf für BÄRGIDA bekannt. PMK - links 10 § 224 StGB gefährliche Körperverletzung 09.07.2016 22:30:00 Während einer Kiezdemo fotografierte der Geschädigte den Demonstrationszug, als gezielt ein pyrotechnischer Gegenstand in seine Richtung geworfen wurde und vor ihm explodierte. PMK - links 11 § 240 StGB Nötigung 11.08.2016 14:50:00 Ein Twitter-Nutzer bedrohte einen Journalisten. PMK - nicht zuzuordnen 12 § 185 StGB 21.10.2016 21:22:00 Ein Facebook-Nutzer veröffentlichte zu einem Video einer Journalistin einen beleidigenden Kommentar. PMK - rechts 13 § 185 StGB 21.10.2016 21:56:00 Ein Youtube-Nutzer veröffentlichte zu einem Video einer Journalistin einen beleidigenden Kommentar. PMK - rechts 14 § 185 StGB 21.10.2016 22:14:00 Ein Facebook-Nutzer veröffentlichte zu einem Video einer Journalistin einen beleidigenden Kommentar. PMK - rechts 15 § 185 StGB 22.10.2016 Auf Youtube veröffentlichte ein Nutzer zu einem Video einer Journalistin einen antisemitischen Kommentar , der sich auf diese bezog. PMK - rechts 16 § 185 StGB 22.10.2016 Ein Youtube-Nutzer veröffentlichte zu einem Video einer Journalistin einen beleidigenden Kommentar. PMK - rechts 17 § 185 StGB 22.10.2016 Ein Youtube-Nutzer veröffentlichte zu einem Video einer Journalistin einen beleidigenden Kommentar. PMK - rechts 18 § 185 StGB 22.10.2016 Ein Youtube-Nutzer veröffentlichte zu einem Video einer Journalistin einen beleidigenden Kommentar. PMK - rechts 19 § 185 StGB 22.10.2016 Ein Youtube-Nutzer veröffentlichte zu einem Video einer Journalistin einen beleidigenden Kommentar. PMK - rechts 20 § 185 StGB 22.10.2016 Ein Youtube-Nutzer veröffentlichte zu einem Video einer Journalistin einen beleidigenden Kommentar. PMK - rechts 21 § 185 StGB 22.10.2016 Ein Facebook-Nutzer veröffentlichte zu einem Video einer Journalistin einen beleidigenden Kommentar. PMK - rechts 22 § 185 StGB 22.10.2016 Ein Youtube-Nutzer veröffentlichte zu einem Video einer Journalistin einen beleidigenden Kommentar. PMK - rechts 23 § 185 StGB 22.10.2016 Ein Youtube-Nutzer veröffentlichte zu einem Video einer Journalistin einen beleidigenden Kommentar. PMK - rechts 24 § 185 StGB 22.10.2016 Ein Youtube-Nutzer veröffentlichte zu einem Video einer Journalistin einen beleidigenden Kommentar. PMK - rechts 25 § 185 StGB 22.10.2016 13:21:00 Ein Facebook-Nutzer veröffentlichte zu einem Video einer Journalistin einen beleidigenden und antisemitischen Kommentar. PMK - rechts 26 § 185 StGB 23.10.2016 Ein Facebook-Nutzer veröffentlichte zu einem Video einer Journalistin einen beleidigenden Kommentar. PMK - rechts 27 § 185 StGB 24.10.2016 15:51:00 Ein Facebook-Nutzer veröffentlichte zu einem Video einer Journalistin einen beleidigenden Kommentar. PMK - rechts 4 28 § 224 StGB 11.12.2016 20:45:00 Die geschädigten Journalisten begleiteten einen Aufzug mit Themenbezug zur PKK und kommentierten diesen live auf Facebook. Dabei bezeichneten sie die Teilnehmer u. a. als „Terroristen". Drei vermummte Täter lösten sich aus dem Aufzug. Der Erste spuckte einen der Geschädigten an, der Zweite hielt ihm ein Klappmesser entgegen. Der Dritte warf eine Bierflasche auf die Geschädigten, ohne diese zu treffen. PMAK (Politisch motivierte Ausländerkrimi - nalität) 29 § 241 StGB Bedrohung 25.12.2016 21:26:00 Ein Journalist erhielt zwei E-Mails mit beleidigendem Inhalt. PMK - nicht zuzuordnen Bei der Staatsanwaltschaft Berlin hingegen wird keine Statistik zu Ermittlungsverfahren, in denen Journalistinnen und Journalisten Geschädigte tätlicher Angriffe, von Drohungen oder Einschüchterungsversuchen sind, geführt. Eine nichtbehördliche Erfassung von Angriffen auf Journalistinnen und Journalisten findet bei der über die Landesstelle für Gleichbehandlung - gegen Diskriminierung finanzierten Opferberatungsstelle „ReachOut“ in Trägerschaft des Vereins Ariba e. V. seit dem Jahr 2015 statt. Die Summenzahlen (2015:10; 2016:2), die nach Angabe der Beratungsstelle auch nichtangezeigte Vorfälle beinhalten können, sind im Internet unter https://www.reachoutberlin.de/sites/default/files/ReachOut-Angriffe-2008-2016.pdf veröffentlicht . 2. Wie oft sind Journalist*innen (auch ganze Redaktionen) in Berlin Betroffene von Durchsuchungen ihrer Wohnungen und Büroräume (bitte getrennt aufführen) in den Jahren 2014, 2015 und 2016 geworden? Was war jeweils der Hintergrund? Zu 2.: Durchsuchungsmaßnahmen, die sich auf Wohnungen und Diensträume von Journalistinnen und Journalisten beziehen, werden bei den Berliner Strafverfolgungsbehörden nicht gesondert erfasst. Erkenntnisse hierzu, die sich auf die genannten Jahre beziehen , liegen auch ansonsten nicht vor. 3. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden gegen Journalist*innen in Berlin in den Jahren 2014, 2015, und 2016 eröffnet, was waren die Tatvorwürfe, wie endeten die Verfahren? Zu 3.: Im Aktenverwaltungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Berlin werden die Ermittlungsverfahren nicht danach erfasst, ob sie sich gegen Journalistinnen oder Journalisten richten und einen inhaltlichen Zusammenhang zu dieser Berufstätigkeit aufweisen. Soweit Erkenntnisse zu Verfahren vorliegen, die sich gegen Journalistinnen und Journalisten richteten, handelt es sich um solche wegen Volksverhetzung, die jeweils gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung eingestellt wurden. Insgesamt können belastbare Daten zu entsprechenden Verfahren nicht mitgeteilt werden. 4. Welche weiteren Faktoren und Umstände welche die Arbeit von Journalist*innen in Berlin konkret behindern oder erschweren könnten sind dem Senat bekannt? 5 Zu 4.: Der Berliner Senat entnimmt einer Studie des Instituts für interdisziplinäre Konfliktund Gewaltforschung an der Universität Bielefeld (https://mediendienstintegration .de/fileadmin/Dateien/Studie-hatespeech.pdf), dass Journalistinnen und Journalisten in Deutschland in einem hohen Ausmaß Anfeindungen in Form von Hassrede und persönlichen Angriffen ausgesetzt sind. Aus der Studie geht hervor, dass nach der Einschätzung der betroffenen Personen Anfeindungen und Angriffe eine erhebliche Einschränkung der journalistischen Freiheit darstellen können. Spezifische Untersuchungen für Berlin liegen nicht vor. Bereits die unter Frage 1 geschilderten Fälle aus der Kriminalpolizeilichen Meldedienst-Statistik könnten ein Indiz sein, dass auch in Berlin von einer Problemlage ausgegangen werden muss. 5. Was unternimmt der Senat, um die durch das Grundgesetz und die Berliner Verfassung garantierte Meinungs - und Pressefreiheit zu gewährleisten? Zu 5.: Von Hassrede und menschenverachtenden Angriffen betroffene Journalistinnen und Journalisten können sich an die „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus“ (MBR) des Trägers VDK e.V. wenden. Die MBR unterstützt bei der Problemanalyse und entwickelt gemeinsam mit den Betroffenen individuelle Handlungsmöglichkeiten. Opfer rechtsextremer Angriffe können sich außerdem an die Opferberatung des Projekts „ReachOut“ wenden. „ReachOut" bietet Beratung und emotionale Unterstützung nach einem Angriff sowie Entscheidungshilfen zum weiteren Vorgehen. Die Angebote der MBR und von „ReachOut" werden aus dem Berliner Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus finanziert. Berlin, den 1. Dezember 2017 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung S18-12684 S18-12684