Drucksache 18 / 12 737 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sebastian Czaja (FDP) vom 20. November 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. November 2017) zum Thema: Antwortpflicht bei der Beantwortung von Anfragen der Opposition und Antwort vom 30. November 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Dez. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 2 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Sebastian Czaja (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12 737 vom 20. November 2017 über Antwortpflicht bei der Beantwortung von Anfragen der Opposition --------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 07.11.2017 (BVerfG, Urt. v. 07.11.2017 - 2 BvE 2/11) dem Grundsatz nach? 2. Welche Rückschlüsse zieht der Senat – unter Beachtung der gleichlaufenden Sachlage der Regelungen in Berlin – hinsichtlich der Auswirkungen auf die parlamentarischen Rechte von einzelnen Abgeordneten/ von Fraktionen des Abgeordnetenhauses von Berlin gegenüber dem Senat? 3. Welche Konsequenzen zieht der Senat aus dem vorbezeichneten Urteil konkret für Auskünfte über landeseigene Betriebe bzw. mehrheitlich oder vollständig in der Hand des Landes befindlicher Unternehmen in Privatrechtsform, die dem Verantwortungsbereich des Senats unterliegen? Zu 1. bis 3.: Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Senats, Urteile des Bundesverfassungsgerichts oder sonstiger Gerichte in Verfahren, in denen das Land weder Partei noch in anderer Weise beteiligt war, zu kommentieren. Insoweit wird lediglich angemerkt, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 2017 – 2 BvE 2/11 – die Rechtsprechung des Gerichts zum Fragerecht Abgeordneter einerseits und zur Geltung der Grundrechte für so genannte beherrschte Unternehmen in Privatrechtsform andererseits fortentwickelt. Es fügt sich in die Linie verfassungsgerichtlicher Entscheidungen aus den Bundesländern zum parlamentarischen Fragerecht ein. Wie außerdem anzumerken ist, bestätigt das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil unter anderem, dass das fiskalische Interesse des Staates am Schutz vertraulicher Informationen seiner (Beteiligungs-)Unternehmen einen verfassungsrechtlichen Staatswohlbelang darstellt, der im Einzelfall erforderlichenfalls mit dem Gewicht des parlamentarischen Fragerechts abgewogen werden muss und eine Einschränkung des Fragerechts rechtfertigen kann. Auch wenn privatrechtlich organisierte Un- Seite 2 von 2 ternehmen, die sich ganz oder mehrheitlich in öffentlicher Hand befinden, keinen Grundrechtsschutz genössen, bestünde doch zumindest ein auch verfassungsrechtlich anerkennenswertes öffentliches Interesse daran, dass deren Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geschützt würden. Andernfalls könne der Staat nicht über solche Gesellschaften mit dem Ziel wirtschaftlich erfolgreichen Handelns am Markt teilnehmen , was das Grundgesetz aber vorsehe (siehe Randnummern 281 und 282 des Urteilsumdrucks). Dieser Gesichtspunkt kann auch Geltung für parlamentarische Auskunftsbegehren über landeseigene Betriebe in öffentlich-rechtlicher Organisationsform beanspruchen. Soweit es sich auf die Verfassungsrechtslage Berlins übertragen lässt, wird das Urteil des Bundesverfassungsgerichts als Entscheidung ohne förmliche Bindungswirkung vom Senat im Rahmen der Anwendung von Artikel 45 Absatz 1 der Verfassung von Berlin berücksichtigt. In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen , dass die Verfassung von Berlin – anders als das Grundgesetz – in Artikel 49a spezifische Regelungen für parlamentarische Auskunftsbegehren gegenüber den Vertreterinnen und Vertretern des Landes Berlin in Aufsichts- und Kontrollorganen landeseigener Betriebe und beherrschter Unternehmen enthält. 4. Für welche konkreten Themenbereiche (bitte um Aufgliederung nach den betroffenen Beteiligungen / landeseigenen Betrieben und konkretem Informationsbereichen/ Unterlagen und tabellarische Darstellung) besteht aus der Sicht des Landes Berlin ein Geheimhaltungsinteresse gegenüber einzelnen Abgeordneten/ Fraktionen bei denen sodann eine Beantwortung nur unter Hinzuziehung der Geheimschutzordnung ergehen würde? Zu 4.: Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 7. November 2017 in Übereinstimmung mit der insoweit gefestigten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung in den Ländern wiederholt, kann eine Entscheidung über die Beantwortung einer Individualanfrage Abgeordneter verfassungskonform nur auf der Grundlage einer Einzelfallbetrachtung getroffen werden (siehe insbesondere Randnummer 333 des Urteilsumdrucks ). Nur in einem konkreten Fragekontext – nicht jedoch abstrakt und für eine Vielzahl naturgemäß von vornherein nicht feststehender Situationen – lässt sich belastbar beurteilen, ob eine Schriftliche Anfrage im Sinne der Fragestellung die verfassungsimmanenten Grenzen des Fragerechts berührt und ob (und wie) widerstreitende Verfassungsrechtsgüter erforderlichenfalls in einen schonenden Ausgleich gebracht werden können. Bezieht sich eine Anfrage beispielsweise auf – gegebenenfalls sensible – personenbezogene Daten oder Angaben und Verhältnisse, die dem Steuergeheimnis unterliegen, so wird eine Abwägung im Einzelfall zu treffen sein, die gegebenenfalls zur Feststellung einer Einschränkung des Fragerechts führen kann. Vom Einzelfall losgelöst lässt sich die Frage daher nicht beantworten. Berlin, den 30. November 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-12737 S18-12737