Drucksache 18 / 12 775 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tino Schopf (SPD) vom 20. November 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. November 2017) zum Thema: Ordnungswidrigkeiten im Verkehr und Verwaltungskosten und Antwort vom 06. Dezember 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Dez. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Tino Schopf (SPD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12775 vom 20. November 2017 über Ordnungswidrigkeiten im Verkehr und Verwaltungskosten Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Der Veröffentlichung der Senatsfinanzverwaltung „Was kostet wo wieviel in Berlin“ (Stand 2015) kann man entnehmen, dass ein einfaches „Knöllchen“ also eine Verkehrsordnungswidrigkeit wie z.B. falsches Parken mehr Verwaltungskosten erzeugt, als das einfache Verwarnungsgeld (häufig nur 10 €) einbringt. Warum wird für die Verwaltungstätigkeit zur Bearbeitung eines Verwarnungsgeldes keine Verwaltungsgebühr erhoben und wie bewertet der Senat diese Regelung aus haushälterischer Sicht? Antwort zu 1: Das Verwarnungsgeldverfahren ist auf einfache und rasche Erledigung ausgerichtet, was bei den massenhaft vorkommenden Fällen dieser Art im Bagatellbereich unausweichlich ist. Das Wesen eines Verwarnungsverfahrens besteht nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) darin, dass dem Täter einer geringfügigen Ordnungswidrigkeit dessen Fehlverhalten nur vorgehalten wird, ohne darüber zu entscheiden, indem ihm mit seinem Einverständnis nach Belehrung über das Weigerungsrecht ein Denkzettel in Form einer geringfügigen Vermögenseinbuße erteilt wird (Verwarnungsgeld). § 56 Abs. 3 OWiG bestimmt, dass im Verwarnungsverfahren Kosten (Gebühren und Auslagen) nicht erhoben werden. Eine Bewertung der Regelung aus der haushälterischen Sicht des Landes Berlin erübrigt sich damit, die gesetzlichen Vorschriften des Bundes sind anzuwenden. Im hier betrachteten Sachverhalt werden die Kostenträger der Bezirke und Hauptverwaltung für die Überwachung des ruhenden Verkehrs ohne Überwachung der Parkraumbewirtschaftung zusammenfassend herangezogen. Zählgröße ist die Anzahl der Anzeigen. 2 Der abgebildete durchschnittliche Aufwand für die Bearbeitung eines „Knöllchens“ umfasst daher nicht nur die Erteilung von Verwarnungen mit oder ohne Verwarnungsgeld - die zunächst in der Zuständigkeit der Bezirke - sondern auch die weitere Bearbeitung durch die Bußgeldstelle bis hin zur Erteilung eines Bußgeldbescheides im Falle einer Ablehnung des angebotenen Verwarnungsgeldes. Da bei der Anzeige einer Ordnungswidrigkeit nie vorausgesagt werden kann, ob das Verfahren mit der Erteilung einer Verwarnung und deren Anerkennung endet oder ob sich die Bearbeitung bis hin zu einem Bußgeldverfahren fortsetzen wird, können die Kosten insgesamt nur als Durchschnittskosten je Fall ermittelt werden. Der im Einzelfall betriebene Aufwand für ein „Knöllchen“ kann sich deshalb jeweils stark unterscheiden. Im Jahr 2015 entstanden auf den betrachteten Produkten der Bezirke und der Hauptverwaltung insgesamt Kosten in Höhe von 18,18 Millionen Euro. Dem standen Erträge in Höhe von 48,58 Millionen Euro gegenüber. Frage 2: Bei der in Frage 1 erwähnten Veröffentlichung fällt auf, dass der deutlich überwiegende Teil der Verwaltungskosten (2015 6,49 € von durchschnittlich 10,38 €) im Bereich der Innenverwaltung anfällt, während die bezirklichen Ordnungskräfte oder Polizeikräfte, die die Ordnungswidrigkeit vor Ort aufnehmen, dokumentieren und digitalisieren nur gut ein Drittel der Verwaltungskosten erzeugen. Durch welche Tätigkeiten im Umkreis der zentralen Bußgeldstelle werden die fast doppelt so hohen Verwaltungskosten auf Landesebene begründet? Antwort zu 2: In besagter Veröffentlichung wird hier Bezug genommen auf das Produkt „Ruhender Verkehr“ (KTR 79804). Nach dem derzeitigen Verfahren werden die bei der Bußgeldstelle aufgrund der Überwachungsaktivitäten der bezirklichen Ordnungsämter vereinnahmten Beträge in voller Höhe an die Bezirke überwiesen. Eine Beteiligung der Bezirke an den Kosten der Bußgeldstelle erfolgt nicht. Die gesamten Kosten der Vorgangsbearbeitung (Vorverarbeitung des eingehenden Schriftgutes, Bearbeitung von Einwendungen, Durchführung notwendiger Ermittlungen, Treffen weiterer Verfahrensentscheidungen mit entsprechender Bescheiderteilung, Druck- und Portokosten, Veranlassung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bei ausbleibender Forderungsbegleichung) gehen somit ausschließlich zu Lasten des Polizeihaushaltes. Hinzu kamen bei der Berechnung die vom Gemeinkostenträger auf das Einzelprodukt KTR 79804 umzulegenden Gemein-, Infrastruktur-, Abteilungs- und Amtskosten, z. B. für die extern beauftragte Vorverarbeitung des eingehenden Schriftgutes und das Fachverfahren BOWI 21. Darüber hinaus sind in den Wert der Vollkosten je Produkt (6,49 € pro Verkehrsordnungswidrigkeitenanzeige) Verrechnungskosten eingeflossen, die aus beauftragten Vollstreckungsversuchen durch die Finanzämter resultierten. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um Kosten, die einen tatsächlichen Geldfluss (an die im Rahmen der Kosten- und Leistungsrechnung verrechnenden Finanzämter) zur Folge haben. In Anbetracht der Höhe stellen sie jedoch einen maßgeblichen Faktor für die Wertbildung der Produktkosten dar. Die Bußgeldstelle der Polizei ist dem Ressort Inneres und Sport zugeordnet. Insofern entsprechen die Kosten der Bußgeldstelle den Gesamtkosten Inneres und Sport für dieses Produkt. Weitere Kosten fallen bei Inneres und Sport nicht an. 3 Frage 3: Sofern eine schriftliche Verwarnung - auch mit Anhörung und Beweismitteln - in ein Bußgeldverfahren umgewandelt wird, werden zusätzliche Verwaltungsgebühren erhoben (25 €) und Auslagen (3,50€) geltend gemacht, welche oft die festgesetzte Geldbuße übersteigen. Werden hier zusätzliche Verwaltungskosten erhoben, die bei Verwarnungen nicht eingefordert werden können? Antwort zu 3: Ja, denn im Zusammenhang mit Verwarnungsgeldern werden gemäß § 56 Absatz 3 OWiG keine Gebühren und Auslagen erhoben. Frage 4: Ist es z.B. sachlich begründbar, dass eine Verwarnung wg. Geschwindigkeitsüberschreitung von z.B. 11 km/h innerorts trotz Messgeräteeinsatz und Frontfoto mit einem Verwarnungsgeld von 25 € abgegolten wird, der damit verbundene Bußgeldbescheid nach einer positiven Online-Rückäußerung (Personalien + Schuldeingeständnis) aber mit 25€ Bußgeld zuzüglich 28,50€ Verwaltungskosten (Verfahrensgebühr plus Auslagen) geahndet wird? Antwort zu 4: Ja. Der Bußgeldbescheid wäre in diesem Beispielfall die Folge einer nicht erfolgten Einverständniserklärung für die Verwarnung. Das Verwarnungsverfahren ist auf eine schnelle Erledigung ausgerichtet und setzt das Einverständnis von Betroffenen (durch entsprechende Zahlung) voraus. Der Verwaltungsaufwand ist in diesen Fällen gering. Wird die Verwarnung nicht unmittelbar akzeptiert, muss die Verwaltungsbehörde zur Einleitung eines Bußgeldverfahrens den jeweils notwendigen Ermittlungsaufwand betreiben. Es ist sachgerecht und gesetzlich vorgesehen, den Erlass eines Bußgeldbescheides mit Gebühren zu verbinden (§§ 105, 107 Absatz 1, 3 OWiG i. V. m. §§ 464 Absatz 1, 465 StPO). Frage 5: Mit welcher Verwaltungsgebühr wird z.B. ein Verwarnungsgeld für kurzzeitiges falsches Parken ohne Behinderung (10 €) belegt, wenn der/die Verwarnte Einwendungen erhebt oder wg. Nachfragen zum Vorgang die Wochenfrist nicht einhält und welcher zusätzliche Verwaltungsaufwand steht dieser Verwaltungsgebühr gegenüber? Antwort zu 5: Wie bereits zu Frage 4 ausgeführt, werden Verwarnungen nur bei vorbehaltloser Zahlung – also Zustimmung der Betroffenen – wirksam, andernfalls muss ein Bußgeldverfahren eingeleitet werden. Die Festsetzung der Gebühren bemisst sich dann nach Höhe der Geldbuße, diese entspricht dem Betrag des zunächst angebotenen Verwarnungsgeldes. Als Gebühr werden bei der Festsetzung einer Geldbuße 5 % des Betrages der festgesetzten Geldbuße erhoben, mindestens jedoch 25 €. Die Auslagen für jede Zustellung mit Zustellurkunde der Verwaltungsbehörde betragen pauschal 3,50 €. Werden bei Verstößen im ruhenden Verkehr Fahrzeugführende nicht ermittelt, so kann auch keine Geldbuße festgesetzt werden. Es greift dann die Kostentragungspflicht der Fahrzeugverantwortlichen gemäß § 25a StVG. Diese müssen dann für die Verfahrenskosten (20 €) und die Auslagen (3,50 €) aufkommen (§ 107 Absatz 2 OWiG). 4 Frage 6: Wie werden Fahrzeughalter ermittelt bzw. wie wird auf Fahrzeughalter reagiert, die mehrfach (z.B. durchschnittlich mehr als 4x im Monat) durch regelwidriges Parken ihres Fahrzeuges auffällig werden? Frage 7: Wird nach solchen Fahrzeughaltern in der zentralen Bußgeldstelle oder an anderem Ort recherchiert und ab welcher Wiederholungsfrequenz werden welche zusätzlichen Maßnahmen eingeleitet oder erhöhte Geldbußen gefordert? Antwort zu 6 und 7: Eine automatisierte Abfrage nach solchen „Wiederholungstäterinnen und -tätern“ erfolgt aus rechtlichen Gründen nicht. Sollten allerdings im Einzelfall - z. B. durch Hinweise der Überwachungskräfte - Auffälligkeiten erkannt werden, erfolgt eine Information an die Fahrerlaubnisbehörde, wenn ein Durchschnittswert von 56 Verstößen pro Jahr erreicht wird. Die Fahrerlaubnisbehörde kann das Notwendige veranlassen, um die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sachverständig zu überprüfen. Parallel werden Mehrfachverstöße bei den Verfahrensentscheidungen der Bußgeldstelle bereits angemessen gewürdigt. Dabei kommt neben der Erhöhung von Geldbußen auch die Anordnung von Fahrverboten in Betracht. Entscheidungen werden nach pflichtgemäßem Ermessen getroffen. Für die Bearbeitung der Vorgänge auffälliger Mehrfachtäterinnen und -täter ist innerhalb der Bußgeldstelle ein gesondertes Sachgebiet zuständig. Frage 8: Wie viele Fälle wurden 2016 bzw. im ersten Halbjahr 2017 gemäß Frage 7 verfolgt (Bitte nach Bezirken aufschlüsseln)? Antwort zu 8: Eine valide statistische Recherche ist dazu nicht möglich. Frage 9: Wie häufig wird z.B. beim Parken von Fahrzeugen auf Radspuren, Radwegen und Radschutzstreifen, die grundsätzlich eine Behinderung und i.d.R. auch eine Gefährdung der dann zum Ausweichen in den fließenden Verkehr bzw. auf den Fußweg genötigten Radfahrer, verursachen, nur ein einfaches Verwarnungsgeld von 20 € (Nr. 52a bzw. 54a Bußgeldkatalog) erhoben und auf zusätzliche Bewertung der Behinderung, der Dauer oder Gefährdung verzichtet? Antwort zu 9: Eine valide statistische Recherche zu dieser Frage ist nicht möglich. Die Bewertung und Entscheidung, welcher Tatbestand zur Anzeige gebracht wird, obliegt den Überwachungskräften nach fachlicher Einschätzung der jeweiligen Einzelfallumstände. Frage 10: Wer entscheidet unter welchen Rahmenbedingungen, ob ein Fahrzeug was auf einem Radschutzstreifen mit Behinderung und Gefährdung abgestellt wurde, umgesetzt werden soll und gibt es für die Kräfte von Polizei und Ordnungsamt für diese Entscheidung entsprechende Anleitungen oder Informationsblätter? 5 Antwort zu 10: Die Überwachungskräfte treffen die Entscheidung nach Bewertung der jeweiligen Einzelfallumstände auf Grundlage der einschlägigen polizeilichen Geschäftsanweisung über das Umsetzen von Fahrzeugen (GA PPr Stab Nr. 15/2014). Frage 11: In wie vielen Fällen wurde 2016 bzw. im ersten Halbjahr 2017 ein Verwarnungsgeld nach Nr. 52.a, 54.a bzw. 58 Bußgeldkatalog verhängt und in wie vielen Fällen wurden zusätzliche Kriterien (z.B. 52.a1, a2, a2.1; 54.a1, a2 bzw. 58.1 usw.) geahndet? Antwort zu 11: Die Anzahl der zu den einzelnen Tatbeständen jeweils gefertigten Verkehrsordnungswidrigkeitenanzeigen ist der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen: Tatbestandsnummer im Bußgeldkatalog Verkehrsordnungswidrigkeitenanzeigen Polizei und Ordnungsämter 2016 1. Halbjahr 2017 Nr. 52a Parken auf Geh-/Radwegen 208.417 112.767 Nr. 52a.1 mit Behinderung 15.678 9.048 Nr. 52a.2 länger als 1 Stunde 3.797 2.131 Nr. 52a.2.1 mit Behinderung 655 291 Nr. 54a Parken auf Radschutzstreifen 6.074 3.268 Nr. 54a.1 mit Behinderung 11.708 6.928 Nr. 54a.2 länger als 3 Stunden 11 6 Nr. 54a.2.1 mit Behinderung 38 9 Nr. 58 Parken in zweite Reihe 18.950 9.700 Nr. 58.1 mit Behinderung 29.549 16.349 (Quelle: BOWI 21, 29. November 2017) Frage 12: Wie häufig wurde 2016 bzw. im ersten Halbjahr 2017 ein Fahrzeug unter den aufgeführten Bedingungen in Frage 12 in Berlin umgesetzt (bitte tabellarisch nach Bezirken angeben)? Antwort zu 12: Die Anzahl der Fahrzeugumsetzungen wegen des Parkens auf Geh-/Radwegen, auf Radschutzstreifen und in zweiter Reihe wegen verursachter Behinderungen Anderer ist der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen: Bezirk Fahrzeugumsetzungen Polizei und Ordnungsämter 2016 1. Halbjahr 2017 Charlottenburg-Wilmersdorf 231 130 Friedrichshain-Kreuzberg 589 503 Lichtenberg 31 16 Marzahn-Hellersdorf 3 1 Mitte 272 303 6 Neukölln 248 135 Pankow 36 22 Reinickendorf 49 52 Spandau 25 13 Steglitz-Zehlendorf 34 16 Tempelhof-Schöneberg 139 104 Treptow-Köpenick 127 40 Gesamt 1.784 1.335 (Quelle: BOWI 21, 29. November 2017) Berlin, den 6. Dezember 2017 In Vertretung J e n s – H o l g e r K i r c h n e r ................................ Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz S18-12775 S18-12775