Drucksache 18 / 12 829 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Niklas Schrader (LINKE) vom 28. November 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. November 2017) zum Thema: Die Rote Hilfe und der Berliner Verfassungsschutz und Antwort vom 12. Dezember 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Dez. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Niklas Schrader (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12 829 vom 28. November 2017 über Die Rote Hilfe und der Berliner Verfassungsschutz ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat die über Jahrhunderte erfolgte Entwicklung des privaten Rechtsschutzes von Gilden und Zünften hin zu Interessenverbänden und Schutzvereinen, die ihren Mitgliedern unter anderem Rechtsrat wie Rechtshilfe ermöglichen? Zu 1.: Der Senat sieht die Entwicklung als positiv an. Sie trägt dazu bei, dass möglichst breite Kreise eine Rechtsberatung erhalten können, was sowohl die Durchsetzung des Rechts verbessern als auch das Verständnis für das Recht zu steigern vermag. Die Grenzen der Rechtsberatungsbefugnisse werden im Wesentlichen durch das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) gezogen. 2. Wie bewertet der Senat dahingehend die Arbeit der Schutz- und Solidaritätsorganisation Rote Hilfe e.V.? Zu 2.: Aus Sicht des Senats steht der Verein Rote Hilfe (RH) nicht in der unter Frage 1 formulierten Tradition von Gilden und Zünften als Interessenverbände und Schutzvereine . Die RH gründete sich 1975 und verortet sich in direkter Tradition zur „Rote[n] Hilfe Deutschlands“ (RHD).1 Die RHD konstituierte sich 1924 und stand der marxistisch-leninistisch ausgerichteten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) nahe. 1 Vgl. Rote Hilf (Hrsg.): Vorwärts und nicht vergessen! 70/20 Jahre Rote Hilfe. Die Geschichte der Roten Hilfe von der Weimarer Republik bis zur Wiedergründung in den Siebziger Jahren, Kiel 1996. Ebd auf hans-litten-archiv.de/web/images//archive-documents/Text%20Broschure%2070- 20%20Jahre.pdf, abgerufen am 05.12.2017. Seite 2 von 4 3. Im Verfassungsschutzbericht Berlin 2016 wird die Berliner Ortsgruppe der Roten Hilfe als linksextremistische Organisation bezeichnet. Welche tatsächlichen Anhaltspunkte liegen dem Senat im Einzelnen für diese Einschätzung vor? 4. Im Verfassungsschutzbericht Berlin 2016 wird angeführt, die Berliner Ortsgruppe der Roten Hilfe habe verfassungsfeindliche Zielsetzungen. Welche tatsächlichen Anhaltspunkte liegen dem Senat im Einzelnen für diese Einschätzung vor? 5. Wie groß ist nach Auffassung des Senats der Anteil der Mitglieder der Rote Hilfe e.V., die verfassungsfeindliche Zielsetzungen verfolgen, und wie groß der Anteil der Mitglieder, die dies nicht tun? 6. Im Verfassungsschutzbericht Berlin 2016 wird angeführt, die „an Statuten und Aktivitäten erkennbaren Bestrebungen der Organisation und ihrer Entscheidungsträger“ führen zur Beobachtung der Berliner Ortsgruppe der Roten Hilfe durch den Verfassungsschutz. Welche Belege liegen dem Senat im Einzelnen, insbesondere bezugnehmend auf die Statuten der Roten Hilfe, vor? 7. Welche Aktivitäten der Berliner Ortsgruppe der Roten Hilfe sind dem Senat bekannt, die eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz rechtfertigen würden? (Bitte einzeln auflisten nach Datum, Ort, Teilnehmendenzahl und Art sowie Inhalt der Aktivität) Zu 3. bis 7.: Die RH ist eine bundesweite Organisation und nach eigenen Angaben in 51 Städten bzw. Regionen mit Ortsgruppen vertreten.2 Die 2016 rund 1.300 Mitglieder umfassende Berliner Ortsgruppe entsendet wie alle Orts- und Regionalgruppen Vertreterinnen und Vertreter auf die Bundesdelegiertenkonferenz der RH. Hier wird über die Zusammensetzung des Bundesvorstandes sowie alle weiteren, die RH als Gesamtgruppe betreffenden Angelegenheiten entschieden. Die Berliner Gruppe ist hiernach aufgefordert, die entsprechenden Beschlüsse umzusetzen. Alle Mitglieder der Ortsgruppe unterstützen die RH nachdrücklich mindestens in der Form der Entrichtung von Mitgliedsbeiträgen. Die RH bekennt sich ohne jede Einschränkung zu ihrer kommunistischen Tradition und dazu, dass sich ihre Mitglieder unter anderem aus kommunistischen, sozialistischen und anarchistischen Zusammenhängen rekrutieren.3 Gemäß Satzung versteht sie sich vordergründig als parteiunabhängige, strömungsübergreifende „linke Schutz- und Solidaritätsorganisation“ für alle, die aufgrund ihrer politischen Betätigung verfolgt würden.4 Sie suggeriert eine systematische Unterdrückung linken politischen Protests durch „staatliche Repressionsorgane“ und spricht in Bezug auf verurteilte Straf- und Gewalttäter von „politischen Gefangenen“. Ihre Unterstützungsleistungen in Form von Rechtsberatung und Prozesskostenhilfen oder auch Solidaritätskampagnen werden in der Regel nur demjenigen zuteil, der nicht mit Polizei und Justiz kooperiert – auch wenn dies zu dessen eigenen materiellen Schaden gereicht. Die RH bekennt offen, dass es ihr darum geht, einen Beitrag für die Stärkung der – nicht näher definierten – „Bewegung“ zu leisten und deren Aktivisten zum „Weiterkämpfen“ zu ermutigen. In der Praxis grenzt sie diese „Bewegung“ nicht von Linksextremisten ab, sondern integriert diese als zentralen Fokus ihrer Aktivitäten. Sie richtet Konten ein, um auch gewaltbereiten Autonomen die Sammlung von Spenden zur Prozessunterstützung zu ermöglichen.5 Nicht von ungefähr weisen zahlreiche einschlägige Gruppierungen der 2 Vgl. Orts- und Regionalgruppen auf rote-hilfe.de/ueber-uns/adressen, abgerufen am 05.12.2017. 3 Vgl. Rote Hilfe (Hrsg.): Jetzt Mitglied werden in der Roten Hilfe auf rotehilfe .de/downloads/category/1-flyer-rote-hilfe-e-v-mitglied-werden, abgerufen am 05.12.2017. 4 Vgl. Satzung auf rote-hilfe.de/ueber-uns/satzung, abgerufen am 05.12.2017. 5 Vgl. Soli-Aufruf zu „Block IB“ Am 17.Juni im Wedding auf berlin.rote-hilfe.de/soli-aufruf-zu-block-ibam -17-juni-im-wedding vom 27.07.2017, abgerufen am 05.12.2017. Seite 3 von 4 Hauptstadt auf die Internetseite der RH Berlin. Sie solidarisiert sich mit anderen linksextremistischen Gruppierungen gegen das Verbot von linksunten.indymedia.org – wobei das Verbot selbst als politischer Angriff auf die gesamte Linke gewertet wird.6 Sie beteiligt sich an Solidaritätskampagnen zugunsten von Personen, die im Verdacht stehen, im Rahmen des G20-Gipfels 2017 Gewalt ausgeübt zu haben.7 Darüber hinaus wirbt die RH Berlin für die Unterstützung von Personen, die terroristisch motivierte Sachbeschädigungen geplant oder die Begehung dieser beabsichtigten hätten.8 Und in der Vergangenheit übte die RH Solidarität mit dem nach wie vor flüchtigen Trio der ehemaligen Rote Armee Fraktion (RAF).9 8. Nach welchen Kriterien wird durch den Verfassungsschutz die Einordnung einer Organisation als „gewaltorientiert“ oder "nicht-gewaltorientiert" bzw. „gewaltbereit“ oder „nicht-gewaltbereit“ vorgenommen? 9. Wie hat der Berliner Verfassungsschutz die Rote Hilfe e.V. in den letzten zehn Jahren im Hinblick auf die in Frage 8 genannten Kategorien eingestuft (bitte einzeln nach Jahren angeben)? Zu 8. und 9.: Der Verfassungsschutz Berlin verwendet in Bezug auf die RH keine der o.g. Kategorien. Diese sind für die Beobachtung unerheblich, weil Bestrebungen im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 1 VSG Bln politisch motivierte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen oder Betätigungen gegen die in § 5 Abs. 2 genannten Schutzgüter sind. Auf eine Gewaltbereitschaft oder Gewaltorientierung kommt es daher nicht an. Nach Einschätzung des Senats übernimmt die RH jedoch eine strukturstabilisierende Funktion für das gewaltbereite linksextremistische Spektrum der Hauptstadt. 10. Seit dem Berliner Verfassungsschutzbericht 2013 erfolgte, bis auf die Mitgliederzahlen, keine Anpassung des Inhalts über die Berliner Ortsgruppe der Roten Hilfe. Wie oft werden die veröffentlichten Ergebnisse vergangener Jahre in den nachfolgenden Verfassungsschutzberichten auf ihre Aktualität und damit Rechtmäßigkeit hin überprüft? 11. Verwenden die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern aktuell eine bundesweit einheitliche Definition, daraus resultierende Erkenntnisse und Bewertungen in Bezug auf bestimmte Gruppierungen? 12. Ist die verfassungsschutzseitige Einordnung der Roten Hilfe bundesweit einheitlich geregelt, und wenn nein: Inwiefern weicht Berlin von den bundesweiten Einschätzungen ab? Zu 10. bis 12.: Die Angaben zur Berliner Ortsgruppe der RH werden jährlich auf Aktualität und Rechtmäßigkeit geprüft. Nach Ansicht des Verfassungsschutzes Berlin ergeben sich keine hinreichenden Gründe, die bisherige Bewertung zu revidieren. Die grundlegende Ausrichtung der Gruppierung hat sich nicht verändert. Der Verfassungsschutz Berlin analysiert und bewertet extremistische Phänomene nach eigenem Erkenntnisaufkommen. Da nach Art. 73 GG i.V.m. Art. 30 GG der Verfassungsschutz Angelegenheit der Länder ist, sind für Verständnis und Einordnung extremistischer Phänomene vor allem die hiesigen lokalen und regionalen Gegebenheiten von Bedeutung. 6 Vgl. Gegen die Kriminalisierung linker Medien auf berlin.rote-hilfe.de/gegen-die-kriminalisierunglinker -medien vom 28.09.2017, abgerufen am 05.12.2017. 7 Vgl. Link „United we stand!” auf berlin.rote-hilfe.de, abgerufen am 05.12.2017. 8 Vgl. Kundgebung: Keine Auslieferung! Freiheit für Inigo und Mikel! auf berlin.rote-hilfe.de, abgerufen am 05.12.2017. 9 Vgl. Rote Hilfe (Hrsg.): Editorial in Die Rote Hilfe H. 3/2016. Seite 4 von 4 Berlin, den 12. Dezember 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-12829 S18-12829