Drucksache 18 / 12 833 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Stefan Evers (CDU) vom 29. November 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. November 2017) zum Thema: Geldverschwendung und Machtmissbrauch: Rechtswidrige Öffentlichkeitsarbeit des Senats im Vorfeld des Tegel-Volksentscheids? und Antwort vom 16. Dezember 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Dez. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Der Regierende Bürgermeister von Berlin - Senatskanzlei - Herrn Abgeordneten Stefan Evers (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12833 vom 29.11.2017 über „Geldverschwendung und Machtmissbrauch: Rechtswidrige Öffentlichkeitsarbeit des Senats im Vorfeld des Tegel-Volksentscheids?“ ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Ich frage den Senat: 1. Wie hoch waren die Ausgaben des Senats in Zusammenhang mit seiner Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld des Tegel-Volksentscheids? Zu 1.: Die Information der Öffentlichkeit durch eine Briefsendung kostete 431.035,02 Euro. 2. Wie hoch hat der Senat anfangs die Kosten für den Versand eines Werbebriefs in eigener Sache an alle Berliner Haushalte geschätzt, wie hoch waren die Kosten zum Zeitpunkt der Beauftragung tatsächlich? Zu 2.: Es wurden unterschiedliche Möglichkeiten geprüft. Der Kostenrahmen der Alternativen reichte etwa von 250.000 bis 485.000 EUR. Gewählt wurde eine Variante, bei der die Briefe unter Inanspruchnahme des IT-Dienstleistungszentrums Berlin versandt wurden, das eine Einrichtung des Landes Berlin ist. Siehe zu den tatsächlichen Kosten des Versands des Tegel-Briefs die Antwort auf Frage 1. 3. Welche Erkenntnisse hat der Senat über den Mitteleinsatz der Trägerin des Volksbegehrens im Vorfeld des Tegel-Volksentscheids, wie hoch war insbesondere ihr Mitteleinsatz im Zeitraum zwischen dem Erfolg der zweiten Stufe des Volksbegehrens und der Durchführung des Volksentscheids? Zu 3.: - - 2 Der Landesabstimmungsleiterin wurde mit Schreiben vom 8. August 2017 mitgeteilt, dass die Trägerin des Volksbegehrens seit der Einleitung des Volksbegehrens im Jahr 2015 bis Juli 2017 Mittel in Höhe von 145.362,74 EUR zuzüglich nicht bezifferter Sachmittel in Gestalt von Personaleinsatz und der Überlassung von Räumlichkeiten eingesetzt habe. Mit E-Mail vom 6. August 2017 wurde darüber hinaus mitgeteilt, dass der Marktwert der mit der Trägerin abgestimmten Werbekampagne von Ryanair auf 30.000 EUR geschätzt werde . Darüber hinaus ging der Senat davon aus, dass die Trägerin des Volksbegehrens in den Monaten August und September 2017 weitere Mittel für ihre Öffentlichkeitsarbeit einsetzen werde. 4. Ist der Senat sich bewusst, dass die Öffentlichkeitsarbeit einer Landesregierung vor der Durchführung von Wahlen und Abstimmungen strengen verfassungsmäßigen Restriktionen unterliegt, im Vorfeld eines Volksentscheids insbesondere dem Gebot der "Sachlichkeit" und der "Angemessenheit" des Einsatzes öffentlicher Mittel? Zu 4.: Ja, der Senat hat seine Entscheidung auf Grundlage des § 40d Abstimmungsgesetz und der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld von Volksentscheiden getroffen. 5. Trifft es zu, dass die Rechtsabteilung der Senatskanzlei bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Versands besagten Werbebriefs davon ausgegangen ist, dass die eingesetzten öffentlichen Mittel sich der Höhe nach an den von der Trägerin des Volksentscheids eingesetzten Mittel zu orientieren haben, um dem Gebot der "Angemessenheit" zu entsprechen? Zu 5.: Die Höhe der von der Trägerin des Volksentscheids eingesetzten Mittel ist lediglich ein Kriterium zur Bewertung der Angemessenheit der eingesetzten Mittel. Es gab daneben weitere Aspekte, die im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit zu berücksichtigen waren . Wesentlich war insbesondere die amtliche Schätzung der Kosten einer Offenhaltung Tegels. Ferner war beispielsweise der Umstand zu berücksichtigen, dass der Tegel- Volksentscheid nicht nur das Land Berlin, sondern - insbesondere aufgrund ihrer Gesellschafterstellung bei der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH - auch den Bund und das Land Brandenburg betrifft. 6. Von welchem Mitteleinsatz sowohl des Senats als auch der Trägerin des Volksentscheids ist die Rechtsabteilung der Senatskanzlei ausgegangen, als sie zu dem Schluss gelangt ist, dass der Versand des Werbebriefs rechtmäßig ist? Zu 6.: Siehe Antworten auf die Fragen 1 und 3. 7. Trifft es zu, dass als Vergleichsmaßstab zur Beurteilung der Angemessenheit des eigenen Mitteleinsatzes die gesamten finanziellen Aufwendungen der Trägerin des Volksbegehrens seit 2015 herangezogen wurde und wenn ja, wieso hat man sich nicht lediglich auf den Mitteleinsatz zwischen dem Erfolg der zweiten Stufe des Volksbegehrens und der Durchführung des Volksentscheids bezogen? Zu 7.: Vgl. zunächst die Antwort auf Frage 5. Ein Volksentscheid setzt das Zustandekommen eines Volksbegehrens voraus (§ 29 Abs. 1 AbstG), „baut“ also auf ihm auf. Eine vollständige Trennung der beiden „Stufen“ entspricht daher nicht dem Gesetz. Dementsprechend können bei der Berechnung des zulässigen Mitteleinsatzes sowohl Volksbegehren als - - 3 auch Volksentscheid gemeinsam betrachtet werden. Darüber hinaus rechtfertigte der von der Trägerin des Volksentscheids über einen längeren Zeitraum betriebene große Werbeaufwand es, dass der Senat den Bürgerinnen und Bürgern seinen Standpunkt in einer sachlich gehaltenen Informationspost darlegt, da hierdurch das gebotene argumentative Gleichgewicht hergestellt wurde. 8. Trifft es weiterhin zu, dass die von der Trägerin des Volksbegehrens im Vorfeld des Volksentscheids eingesetzten Mittel nicht einmal halb so hoch waren wie die tatsächlichen Kosten des Senats für eine (!) Werbeaktion in Form des Werbebriefs an alle Berliner Haushalte bzw. wie stellt sich das Verhältnis aus der Sicht des Senats dar? Zu 8.: Siehe zunächst die Antworten auf die Fragen 1, 3 und 5. Nach Einschätzung des Senats ergeben sich aus der Höhe der von der Trägerin des Volksentscheids eingesetzten Mittel keine Bedenken gegen die Angemessenheit der Ausgaben des Senats für den Tegel- Brief. Diese Rechtsauffassung wurde vom Verwaltungsgericht Berlin bestätigt, das in Kenntnis aller Umstände im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht an der Angemessenheit der vom Senat aufgewendeten Mittel zweifelte. Siehe hierzu auch noch die Antwort auf die Fragen 12. bis 14. 9. Trifft es zu, dass dem Chef der Senatskanzlei bei der Freigabe des Auftrags zum Versand der Werbebriefe die rechtliche Einschätzung des eigenen Hauses vorlag, der zufolge ein angemessener Einsatz öffentlicher Mittel sich an der Höhe der von der Volksinitiative eingesetzten Mittel zu orientieren hat? Zu 9.: Nein, dem Chef der Senatskanzlei lag eine Bewertung aller maßgeblichen Kriterien vor, beispielsweise auch der Höhe der Kosten einer Offenhaltung Tegels. Vgl. hierzu auch die Antwort auf die Frage 5. 10. Trifft es zu, dass der gleiche Vermerk nach wie vor von einer viel zu gering angesetzten Kostenschätzung für den Versand des Werbebriefs ausgegangen ist? Zu 10.: Nein, zusammen mit dem Vermerk wurde dem Chef der Senatskanzlei der Entwurf der Schutzschrift vorgelegt. Diese enthielt eine aktualisierte Kostenschätzung und eine auf diesen Schätzwert bezogene verfassungsrechtliche Prüfung. 11. Wenn 10. ja, wie ist es dann zu erklären, dass der Chef der Senatskanzlei den Auftrag zum Versand des Werbebriefs erteilt hat, obwohl er aus der ihm Vorliegenden Rechtseinschätzung des eigenen Hauses hätte erkennen müssen, dass die Kosten der Aktion den Rahmen eines "angemessenen Einsatzes öffentlicher Mittel" im Sinne von § 40 d S.2 AbstG deutlich sprengen und sein Handeln damit mutmaßlich rechtswidrig war? Zu 11.: Vgl. die Antwort auf Frage 10. 12. Wenn die Kosten für den Versand des Werbebriefs erkennbar nicht "angemessen" im Sinne von § 40 d S. 2 AbstG und damit rechtswidrig waren, erfüllt dann die Beauftragung durch den Chef der Senatskanzlei nicht den Tatbestand des § 266 StGB (Untreue)? 13. Wenn 12. nein, warum nicht? 14. Trifft es zu, dass die von der Trägerin des Volksbegehrens im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes angerufenen Verwaltungsgerichte nicht in der Sache entschieden haben, sondern den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten zuständigkeitshalber für nicht eröffnet befunden haben? - - 4 Zu 12. bis 14.: Die Kosten für Druck und Versand des Tegel-Briefs waren angemessen. Diese Rechtsauffassung des Senats hat das Verwaltungsgericht Berlin bestätigt, das den Eilantrag der Trägerin des Volksbegehrens für unzulässig und unbegründet erklärte (Beschluss vom 5.9.2017, Az.: VG 2 L 148.17). Im Beschluss wurde wörtlich ausgeführt: „Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass die für die Versendung des Informationsschreibens des Senats aufzuwendenden Haushaltsmittel in Höhe von ca. 431.000 Euro nicht angemessen im Sinne des § 40d Satz 2 AbstG sind.“ Das Verwaltungsgericht ging hierbei davon aus, dass die Trägerin des Volksentscheids von 2015 bis 2017 über Mittel im Umfang von ca. 175.000 Euro zuzüglich nicht bezifferter Sachmittel in Gestalt von Personaleinsatz und der Überlassung von Räumlichkeiten verfügt hat. 15. Wie bewertet der Senat diese Einschätzung, insbesondere da er im Vorfeld ja selbst sogenannte "Schutzschriften" bei den Verwaltungsgerichten eingereicht hatte, um sich gegen das Unterlassungsbegehren der Trägerin des Volksbegehrens zu verteidigen? Zu 15.: Die Anfertigung einer sog. Schutzschrift ist ein übliches prozessuales Mittel, das sicherstellt , dass rechtmäßige Entscheidungen der Verwaltung innerhalb eines angemessenen Zeitraums umgesetzt werden können. Die Hinterlegung der (einer) Schutzschrift beim Verwaltungsgericht Berlin folgte diesem Ansinnen, da der Rechtsstreit mit der Trägerin des Volksbegehrens nach lediglich 4 Tagen erfolgreich beendet wurde. 16. Teilt der Senat das große Bedauern des Fragestellers, dass der Sachverhalt aufgrund der Zurückweisung durch die Verwaltungsgerichte nicht ausgeurteilt wurde? Zu 16.: Nein, der Senat teilt die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts. Der Sachverhalt ist nicht aufgrund der Zurückweisung der Verwaltungsgerichte nicht weiter „ausgeurteilt“ worden , sondern weil die Trägerin des Volksbegehrens nicht den Rechtsweg zum Verfassungsgericht beschritten hat. 17. Beabsichtigt der Senat, seine Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld von Volksentscheiden auch in Zukunft ohne jede Rücksicht auf die finanziellen Möglichkeiten einer Volksinitiative auszugestalten und wenn nein, wieso hat er es diesmal getan? Zu 17.: Der Senat wird sich auch in Zukunft wie schon bei der Versendung des Tegel-Briefs an Recht und Gesetz halten. Insbesondere beachtet er die § 40d Abstimmungsgesetz zu entnehmenden Vorgaben. Berlin, den 16. Dezember 2017 Der Regierende Bürgermeister In Vertretung Björn Böhning Chef der Senatskanzlei S18-12833 S18-12833