Drucksache 18 / 12 874 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Sebastian Schlüsselburg und Carsten Schatz (LINKE) vom 30. November 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Dezember 2017) zum Thema: Entwicklung der sogenannten Transsexuellenverfahren beim Amtsgericht Schöneberg und Antwort vom 20. Dezember 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Dez. 2017) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Sebastian Schlüsselburg (Die Linke) und Herrn Abgeordneten Carsten Schatz (Die Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12 874 vom 30. November 2017 über Entwicklung der sogenannten Transsexuellenverfahren beim Amtsgericht Schöneberg ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Anträge auf Änderung des Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit von Personen, die sich aufgrund ihrer sexuellen Identität nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen, sondern einem anderen Geschlecht als zugehörig empfinden, sind seit 2007 beim zuständigen Amtsgericht Schöneberg gestellt worden (bitte aufschlüsseln nach Jahren sowie Art der beantragten Geschlechtsänderung)? Zu 1.: Vor dem Amtsgericht Schöneberg wurden seit dem Jahr 2007 folgende Anträge auf Verfahren nach dem Transsexuellengesetz gestellt: 2007 102 2008 78 2009 103 2010 126 2011 221 2012 134 2013 138 2014 133 2015 167 2016 185 2017 (I. bis III. Quartal) 162 Statistische Informationen über die Art der beantragten Geschlechtsänderungen liegen nicht vor. 2 2. Wie viele dieser Anträge hatten eine Änderung von a) männlich auf weiblich, b) weiblich auf männlich, c) männlich auf inter bzw. divers, d) weiblich auf inter bzw. divers oder e) sonstige Kategorien zum Gegenstand? 3. Wie viele dieser Anträge wurden positiv bzw. negativ beschieden? Zu 2. und 3.: Statistische Erhebungen liegen hierzu nicht vor. 4. Wie viele dieser Verfahren sind per 1.12.2017 noch nicht abgeschlossen? Zu 4.: In 135 Verfahren sind bisher noch keine Entscheidungen ergangen. 5. Wie lange betrug die durchschnittliche Verfahrensdauer seit 2007 vom Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung? Zu 5.: Statistische Erhebungen über die Verfahrensdauer werden nicht durchgeführt. In der Regel beträgt diese sechs bis acht Monate und ist maßgeblich dadurch beeinflusst, wie lange die Einholung der erforderlichen Gutachten dauert. 6. Wie haben sich seit 2007 die durchschnittlichen Verfahrenskosten pro Verfahren entwickelt (bitte aufschlüsseln nach Durchschnittskosten pro Verfahren und Jahren)? Zu 6.: Die durchschnittlichen Gesamtverfahrenskosten betragen derzeit ca. 1.650,- EUR und sind in den letzten Jahren im Wesentlichen unverändert geblieben. 7. Wie haben sich seit 2007 die durchschnittlichen Gerichtsgebühren der Antragsteller für die vorbezeichneten Verfahren entwickelt (bitte aufschlüsseln nach Durchschnittsgebühren pro Verfahren und Jahren)? Zu 7.: Die Gerichtsgebühren betragen aktuell 149,50 EUR (146,- EUR Gerichtskosten gemäß §§ 34, 36 Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) - Kostenverzeichnisnummer (KV) 15210 und 3,50 EUR Zustellungsauslagen - KV 31002). Vor der Einführung des Gerichts- und Notarkostengesetzes zum 1. August 2013 entstanden Gerichtsgebühren von 55,50 EUR. 8. Wie viele Richterstellen jeweils welcher Besoldungsgruppe stehen seit 2007 für die vorbezeichneten Verfahren zur Verfügung? Zu 8.: Mit der Bearbeitung der Transsexuellenverfahren ist eine R-1-Richterstelle mit einem anteiligen Pensum von 0,35 (in Arbeitskraftanteilen) eingesetzt. In den Vorjahren war es ein Richterpensum von 0,3 (in Arbeitskraftanteilen). 9. Inwieweit ist der Senat der Auffassung, dass es für den Bereich der sogenannten Transsexuellenverfahren beim Amtsgericht Schöneberg einer Aufstockung des richterlichen Personals bedarf, um die Verfahren zu beschleunigen? Zu 9.: Unter Berücksichtigung der Entwicklung der Eingangszahlen hält der Senat die personelle Ausstattung zur Bearbeitung von Transsexuellenverfahren am Amtsgericht Schöneberg für auskömmlich. 3 10. Wie bewertet der Senat für diesen speziellen Rechtsbereich die aktuelle Personalgewinnungssituation beim richterlichen Personal und mit welchen Maßnahmen (z.B. Fortbildungsangeboten etc.) wird dieser Situation in welcher Art und Weise begegnet? Zu 10.: Richterinnen und Richter werden nicht für spezielle Rechtsgebiete eingestellt. Vielmehr wird von den Bewerberinnen und Bewerbern die Bereitschaft und Flexibilität erwartet, in den verschiedenen Gerichtsbarkeiten und der Staatsanwaltschaft zum Einsatz zu kommen. Im Falle eines Bedarfs wäre eine Fortbildung selbstverständlich denkbar. 11. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in sechs Urteilen Einzelbestimmungen des Transexuellengesetzes für verfassungswidrig bzw. für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt und zuletzt mit Beschluss vom 10.10.2017 (1 BvR 2019/16) dem Gesetzgeber bis zum 31.12.2018 eine Frist zur Änderung von § 22 Abs. 3 Personenstandsgesetz zur Einführung einer dritten Geschlechtskategorie gesetzt. Mit ggf. welchen Mitteln (z.B. Bundesratsinitiativen, Agieren in der Justizministerkonferenz etc.) wird der Senat tätig werden, um die entsprechende Gesetzesänderung zu unterstützen? Zu 11.: Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber zur Änderung des § 22 Abs. 3 des Personenstandsgesetzes eine Frist gesetzt. Der Senat prüft derzeit eine Bundesratsinitiative für die Ersetzung des Transsexuellengesetzes, die auf der Entschließung des Bundesrates zur Aufhebung des Transsexuellengesetzes sowie zur Erarbeitung eines Gesetzes zur rechtlichen Anerkennung der Geschlechtsidentität und zum Schutz der Selbstbestimmung bei der Geschlechterzuordnung aufbaut. Der Senat beabsichtigt , das Anliegen begleitend auf Ministerinnen- und Ministerkonferenzen zu thematisieren und dabei an den Beschluss der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen- und Ministerkonferenz zur rechtlichen Absicherung der selbstbestimmten Geschlechtsidentität und an die Folgebefassung der Justizministerkonferenz, der Jugend- und Familienministerkonferenz , der Gesundheitsministerkonferenz und der Innenministerkonferenz anzuknüpfen . 12. Welchen Reformbedarf sieht der Senat insgesamt im Hinblick auf das Transsexuellen- und Geschlechterrecht einschließlich des Personenstandsrechts und des Antidiskriminierungsrechtes? Zu 12.: Der Reformbedarf wird derzeit zwischen den zuständigen Senatsverwaltungen auf der Grundlage der von der Bundesregierung vorgelegten Gutachten abgestimmt. 13. Welche Maßnahmen plant der Senat auf Landesebene und welche auf Bundesebene zur Stärkung der Rechte von LBTTIQ*-Menschen? Zu 13.: Der Senat plant, sich für Maßnahmen gemäß den Richtlinien der Regierungspolitik vom 10. Januar 2017 (Drs. 18/0073; S. 37) auf Bundesebene einzusetzen. Dies sind u. a.: verbesserte rechtliche Rahmenbedingungen für Regenbogenfamilien und Mehrelternschaft , die Erweiterung des Artikel 3 Grundgesetz, die Nachbesserung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), die Umsetzung der 5. EU-Antidiskriminierungsrichtlinie und für die Verbesserung der Rechtslage in Bezug auf trans- und intergeschlechtliche Menschen. 4 Im Landesrecht plant der Senat mit der Vorlage eines Landesantidiskriminierungsgesetzes unter anderem auch den Schutz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen vor Diskriminierungen zu stärken. Rechtliche Folgebedarfe , die sich aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017 unmittelbar für das Land ergeben, werden derzeit geprüft. Berlin, den 20. Dezember 2017 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung S18-12874 S18-12874