Drucksache 18 / 12 953 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Andreas Statzkowski (CDU) vom 08. Dezember 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Dezember 2017) zum Thema: Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes durch den Berliner Senat und Antwort vom 29. Dezember 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Jan. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. -1- Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Herrn Abgeordneten Andreas Statzkowski (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12953 vom 8. Dezember 2017 über Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes durch den Berliner Senat ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Maßnahmen hat die Senatsverwaltung zur Umsetzung der zweiten Stufe des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) unternommen, das am 1.1.2018 in Kraft tritt, um alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Anwendung des zukünftigen Instruments ICF zu schulen, damit es ab dem 01.01.2018 eingesetzt werden kann? Zu 1.: Mit der Reform der Eingliederungshilfe soll insbesondere auch die Abkehr von einer Einrichtungs- hin zu einer Personenzentrierung befördert werden. Hierfür wird die Charakterisierung von Leistungen in ambulante, teilstationäre und stationäre Maßnahmen der Eingliederungshilfe aufgehoben und die notwendige Unterstützung soll sich „unter ganzheitlicher Perspektive ausschließlich an dem individuellen Bedarf orientieren. Dieser soll gemeinsam mit dem Menschen mit Behinderung ermittelt, das passende ‚Hilfepaket‘ zusammengestellt und im gewohnten oder gewünschten Lebensfeld organisiert werden.“ (BTDrucks. 18/9522, S. 197) Die personenzentrierte Neuausrichtung der Eingliederungshilfe bedarf einer optimierten Gesamtplanung als Grundlage einer bedarfsdeckenden Leistungserbringung. Dabei sollen die Regelungen zur Gesamtplanung an die Regelungen zur Teilhabeplanung anknüpfen. Nach § 13 SGB IX N. F. müssen die Instrumente eine individuelle und funktionsbezogene Bedarfsermittlung gewährleisten und die Dokumentation und Nachprüfbarkeit der Bedarfsermittlung sichern. -2- Die Gesamtplanung der Eingliederungshilfe wurde diesen Anforderungen entsprechend neu gefasst: Hiernach ist ein Verfahren zu installieren, bei dem die Ermittlung des Unterstützungsbedarfs zu trennen ist von der Feststellung der Leistungen und seiner Umsetzung. Ab 1. Januar 2018 wird in § 142 SGB XII bzw. ab 1. Januar 2020 in § 118 SGB IX N. F. ein Instrument zur Feststellung des individuellen Bedarfs vorgeschrieben. Dieses muss sich an der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) orientieren. Die Landesregierungen werden in Absatz 2 des § 142 SGB XII bzw. § 118 SGB IX N. F. ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über das Instrument zur Bedarfsermittlung zu bestimmen. Das Land Berlin beabsichtigt diese Ermächtigung unter Einbeziehung der Leistungsberechtigten und Leistungserbringer wahrzunehmen. Das Instrument zur Ermittlung des individuellen Hilfebedarfs soll den durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) vorgegebenen Paradigmenwechsel der Personenzentrierung unterstützen, d. h. der Bedarf wird nicht aufgrund der Art der Behinderung oder der Wohnform ermittelt, sondern individuell anhand der Wünsche und der Teilhabebeeinträchtigung des Leistungsberechtigten. Dabei sind sowohl die Orientierung an der ICF als auch die Betrachtung der neun Lebensbereiche Lernen und Wissensanwendung, Allgemeine Aufgaben und Anforderungen, Kommunikation, Mobilität, Selbstversorgung, häusliches Leben, interpersonelle Interaktionen und Beziehungen, bedeutende Lebensbereiche und gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben zu berücksichtigen. Dazu erfolgt der Umstellungsprozess auf eine bis zum 1. Januar 2020 an der ICF vollständig ausgerichteten Bedarfsfeststellung stufenweise. Ab 1. Januar 2018 wird in einem ersten Schritt im Rahmen des Gesamtplanverfahrens die Zielplanung die neun Lebensbereiche der ICF abbilden. Anders als bisher soll eine ganzheitliche Betrachtung aller Lebensbereiche auch bei der Bedarfsbemessung erfolgen, d. h. keine unterschiedlichen Instrumente für unterschiedliche Lebensbereiche (z. B. Wohnen, Arbeit oder Tagesstruktur) zum Einsatz kommen. Das neue Instrument soll auch für die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen mit körperlichen und/oder geistigen Behinderungen anwendbar sein und die besonderen Belange dieses Personenkreises abbilden (z. B. über die ICF-CY). Nach den Vorgaben des BTHG ist ein solches Instrument von den Bundesländern (wissenschaftlich) zu entwickeln. -3- Für die Entwicklung eines ICF-orientierten Instruments der personenzentrierten Bedarfsermittlung erfolgt in Berlin zurzeit eine Voruntersuchung unter Inanspruchnahme einer externen Unterstützung (Firma synergon) als Entscheidungsgrundlage. Hierbei soll abschließend im Rahmen eines Abschlussberichtes eine Umsetzungsempfehlung als Entscheidungsgrundlage für die Entwicklung eines Instruments und die nächsten Schritte gegeben werden. Die eigentliche Entwicklung des Instruments zur Bedarfsermittlung sowie die Erprobung und stadtweite Implementation mit den entsprechenden erforderlichen Qualifizierungsmaßnahmen aller betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgt in einem zweiten Schritt und wird Bestandteil einer weiteren Ausschreibung im Frühjahr 2018 sein. Für die Übergangszeit bis 31. Dezember 2019 sieht das BTHG (§ 139 SGB XII) vor, dass bestehende Verträge ihre Gültigkeit behalten. Demgemäß gilt insbesondere für die Leistungstypen Werkstatt für behinderte Menschen (WfBM), Förderbereich (FB) oder dem Angebot zur Beschäftigung, Förderung und Betreuung am Tag (ABFB-T), dass die dort verankerten Bedarfsfeststellungsinstrumente grundsätzlich weiter Anwendung finden. 2. Welche haushälterischen Vorkehrungen hat der Berliner Senat zur Umsetzung des BTHG getroffen und mit Kosten in welcher Höhe ist für das Land Berlin zu rechnen? Zu 2.: Mit dem BTHG wird das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) neu gestaltet, was mit der Herausführung der Eingliederungshilfe aus der Sozialhilfe zu einem grundlegenden Systemwechsel führt, der in Berlin von einem ressortübergreifenden Projekt begleitet wird. Vom Projektcharakter handelt es sich um ein Umstellungs- und Einführungsprojekt: Umstellungsprojekt: Bestehende Strukturen (insbesondere Organisation und Personal), Prozesse, Standards, Instrumente, IT-Systeme, Normen, Verträge sind auf den neuen Rechtsstand umzustellen. Einführungsprojekt: Nach dem neuen Recht neu zu schaffende Strukturen (insbesondere Organisation und Personal), Prozesse, Standards, Instrumente, IT-Systeme, Normen und Verträge sind zu entwickeln und einzuführen. Nach bisheriger Einschätzung erscheinen für das „BTHG-Projekt“ externe Leistungen für folgende Aufgaben sinnvoll und erforderlich: -4- Projektmanagement, Projektorganisation und –support; Durchführung einer Organisationsuntersuchung (insbesondere Analyse des IST- Zustandes, Entwicklung von Soll-Struktur und Soll-Prozessen); Entwicklung eines neuen und einheitlichen Bedarfsbemessungsinstruments für das Land Berlin; Termin- und ergebnisorientierte Verhandlungsmoderation bei Rahmen- und Leistungsverträgen zum BTHG. Für den diesbezüglichen Finanzbedarf (Einführung bzw. Umsetzung des BTHG) hat der Senat im Doppelhaushaltsplan 2018/2019 entsprechende Vorsorge getroffen. Für das Haushaltsjahr 2018 wurde ein Finanzierungsbedarf in Höhe von 537.000 € und für das Haushaltsjahr 2019 ein Finanzierungsbedarf in Höhe von 250.000 € berücksichtigt (1150/54010). Darüber hinaus sind für die begleitende wissenschaftliche Projektevaluation in den Jahren 2018 bzw. 2019 83.000 € bzw. 50.000 € vorgesehen (1150/52610) sowie für die Anpassung der IT-Fachverfahren im Rahmen der BTHG- Umsetzung im Jahr 2019 300.000 € veranschlagt (1150/51185). Zudem werden die Maßnahmen des Bundesteilhabegesetzes mit erheblichen Kostenfolgen auf ihre Haushaltswirksamkeit hin untersucht. Das Bundesteilhabegesetz führt in der Eingliederungshilfe zu erheblichen finanziellen Auswirkungen bei Ländern und Kommunen. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung die Sorge geäußert, dass die finanziellen Auswirkungen von den im Gesetzentwurf dargestellten Prognosen abweichen und es zu Mehrbelastungen kommen könnte. Zu den Maßnahmen mit wesentlichen finanziellen Auswirkungen gehören: die verbesserte Einkommens- und Vermögensanrechnung, die Einführung des Budget für Arbeit und der anderen Leistungsanbieter, die neuen Leistungskataloge für die soziale Teilhabe und die Teilhabe an Bildung, Trennung der Fachleistungen der Eingliederungshilfe von den Leistungen zum Lebensunterhalt, Einführung eines trägerübergreifenden Teilhabeplanverfahrens sowie Einführung von Frauenbeauftragten in den Werkstätten für behinderte Menschen. Grundlage der Untersuchung sollen die in der Bundesstatistik für die Sozialhilfe und die Eingliederungshilfe vorliegenden Daten über die jährlichen Einnahmen und Ausgaben sowie Sondererhebungen zu den Finanzwirkungen der genannten Maßnahmen sein. Bei der Untersuchung soll das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auch die nach Landesrecht unterschiedlich geregelte Kostenverteilung in den Bundesländern berücksichtigen. 3. Inwieweit sind alle erforderlichen Arbeitsprozesse abgeschlossen, um ICF in dem täglichen Arbeitsgebrauch einzugliedern bzw. inwieweit werden im Intranet die entsprechenden Anleitungen und Formulare zur Verfügung gestellt? 4. Inwieweit sind alle betroffenen pädagogischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für das Instrument ICF-CY geschult worden? -5- 5. Welche Form des Case Management hat die Berliner Senatsverwaltung auf den Weg gebracht, um entsprechend des Paragraphen Abs. 1.1 zügig umzusetzen? 6. Welcher Personenkreis im Bereich der Eingliederungshilfe oder Jugendhilfe ist durch die Berliner Senatsverwaltung entsprechend geschult worden, um eine einheitliche Begutachtung durchzuführen? Zu 3. bis 6.: Auf die Antwort zur Frage Nr. 1 wird verwiesen. Berlin, den 29. Dezember 2017 In Vertretung Daniel T i e t z e _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales S18-12953 S18-12953