Drucksache 18 / 12 964 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Kohlmeier (SPD) vom 11. Dezember 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Dezember 2017) zum Thema: Vorzeitige Entlassungen aus dem Strafvollzug: Wo steht Berlin? und Antwort vom 27. Dezember 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Jan. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Sven Kohlmeier (SPD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/12964 vom 11. Dezember 2017 über Vorzeitige Entlassungen aus dem Strafvollzug: Wo steht Berlin? -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Insassen der Berliner Haftanstalten hatten in den Jahren 2014, 2015, und 2016 mindestens Zweidrittel ihrer Haftstrafe im Sinne des § 57 Abs.1 StGB verbüßt? Es wird um Unterteilung nach Jahren und Haftanstalten gebeten. 2. Wie viele Insassen der Berliner Haftanstalten hatten in den Jahren 2014, 2015, und 2016 mindestens die Hälfte ihrer Haftstrafe im Sinne des § 57 Abs. 2 StGB verbüßt? Es wird um Unterteilung nach Jahren und Haftanstalten gebeten. Zu 1. und 2.: Unter den im Berliner Vollzug einsitzenden Gefangenen werden die erfragten Zahlen nicht erfasst. Es werden lediglich die nach §§ 57 Abs. 1 und 2 Strafgesetzbuch (StGB) entlassenen Gefangenen statistisch gezählt. 3. Wie viele dieser Insassen unter 1. und 2. haben in den Jahren 2014, 2015, und 2016 einen Antrag auf Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gestellt? Es wird um Unterteilung nach Jahren, Haftanstalten und den Fällen gemäß § 57 Abs. 1 und Abs. 2 StGB gebeten. 4. Bei wie vielen dieser Insassen erfolgte in 2014, 2015 und 2016 eine Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung von Amts wegen? Es wird um Unterteilung nach Jahren, Haftanstalten und den Fällen gemäß § 57 Abs. 1 und Abs. 2 StGB gebeten. 5. Über wie viele der unter 3. aufgeführten Anträge wurden in den Jahren 2014, 2015, und 2016 mit welchem Ergebnis entschieden? Es wird um Unterteilung nach Jahren Haftanstalten und den Fällen gemäß § 57 Abs. 1 und Abs. 2 StGB gebeten. 6. Wie viele der unter 4. aufgeführten Entscheidungen führten in 2014, 2015 und 2016 zu einer Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung? Es wird um Unterteilung nach Jahren, Haftanstalten und den Fällen gemäß § 57 Abs. 1 und Abs. 2 StGB gebeten. 2 7. In wie vielen Fällen nach 4. haben die Insassen die Einwilligung nach § 57 Abs. 1 Nr. 3 StGB (Aussetzung des Strafrestes bei Einwilligung der verurteilten Person) in 2014, 2015 und 2016 verweigert? Es wird um Unterteilung nach Jahren und Haftanstalten gebeten. Zu 3. bis 7.: Die Fallzahlen zu den Fragen 3. bis 7. werden zahlenmäßig nicht erfasst. 8. Welchen Platz belegt Berlin beim Anteil der vorzeitigen Entlassungen im Bundesvergleich (bitte die verfügbaren Zahlen für alle Bundesländer im Vergleich für die Jahre 2014, 2015, 2016 und 2017 darstellen)? Zu 8.: Die Daten wurden ermittelt, indem auf der Grundlage der Anzahl aller vorzeitigen Entlassungen (§§ 57, 57 a StGB; §§ 88, 89 Jugendgerichtsgesetz - JGG -) in den Monaten März, August und November eines jeden Jahres ein Durchschnittswert gebildet wird. Dieser wird dann ins Verhältnis zu den Durchschnittswerten der übrigen Länder gesetzt. Danach ergibt sich folgendes Bild: (Quelle: Statistisches Bundesamt, Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen Justizvollzugsanstalten nach ihrer Unterbringung auf Haftplätze des geschlossenen und offenen Vollzuges.) 2014 2015 2016 2017* Deutschland insgesamt 16,58% 15,37% 14,56% 14,32% Baden-Württemberg 19,74% 18,89% 15,92% 17,54% Bayern 23,39% 20,25% 20,30% 20,00% Berlin 7,72% 8,59% 7,01% 6,80% Brandenburg 18,05% 21,84% 17,43% 19,92% Bremen 15,84% 10,19% 24,10% 25,20% Hamburg 18,38% 13,78% 13,85% 11,22% Hessen 13,65% 14,15% 11,54% 12,18% Mecklenburg-Vorpommern 17,88% 16,40% 17,91% 12,38% Niedersachsen 18,49% 17,38% 14,56% 14,19% Nordrhein-Westfalen 13,98% 12,57% 11,93% 13,98% Rheinland-Pfalz 14,53% 15,15% 15,82% 12,65% Saarland 23,46% 19,38% 16,25% 24,22% Sachsen 12,47% 13,81% 14,83% 13,41% Sachsen-Anhalt 12,29% 10,60% 10,82% 10,72% Schleswig-Holstein 22,94% 15,07% 17,65% 13,18% Thüringen 19,46% 14,86% 14,92% 14,76% * Es liegen bisher nur Daten vom 31. März und vom 31. August 2017 vor. 9. Welche Bemühungen wurden unternommen, um den Anteil der vorzeitigen Entlassungen zu erhöhen und damit dem gesetzlichen Regelfall des § 57 Abs. 1 StGB näher zu kommen? Zu 9.: Eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gemäß § 57 Abs. 1 StGB setzt neben der Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe und der Einwilligung des Gefangenen voraus, dass die Aussetzung unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Diese Abwägungsentscheidung wird in jedem Einzelfall durch das Gericht getroffen. Somit ist die Frage der vorzeitigen Entlassung eine richterliche Entscheidung, deren Steuerung nur bedingt im Justizvollzug liegt. Die Aufgabe der Berliner Justizvollzugsanstalten besteht unter anderem darin, die Gefangenen auf ihre Entlassung aus der Haft individuell vorzubereiten und diese - im Falle der Eignung zu einer bedingten vorzeitigen 3 Entlassung - zu beraten und zu begleiten. Nach § 3 Berliner Strafvollzugsgesetz (StVollzG Bln) ist der Justizvollzug nunmehr auch gesetzlich verpflichtet, von Beginn des Vollzuges an auf die Eingliederung der Gefangenen in das Leben in Freiheit hinzuwirken. In diesem Zusammenhang müssen der Vollzugs- und Eingliederungsplan und seine Fortschreibungen unter anderem Angaben zum voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt enthalten (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG Bln). Der Entlassungszeitpunkt wird im Wege einer Prognoseentscheidung unter Berücksichtigung einer möglichen Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung festgelegt und gibt den vorläufigen zeitlichen Rahmen für die weitere Vollzugsplanung und die Möglichkeiten ihrer Gestaltung vor. Die Planung soll hierfür aufzeigen , wie die oder der Gefangene bei optimalem Verlauf zum frühestmöglichen Zeitpunkt entlassen werden kann (vgl. Begründung zu § 10 StVollzG Bln). Die regelmäßige Betrachtung des möglichen - vorzeitigen - Entlassungszeitpunktes bei der jeweiligen Vollzugsplanung bzw. Vollzugsplanfortschreibung lässt erwarten, dass Entscheidungen gemäß § 57 bzw. § 75a StGB befördert werden. Vollzugslockerungen und Verlegungen in den offenen Vollzug leisten hierbei einen maßgeblichen Beitrag. Unabhängig von den innervollzuglichen Maßnahmen bedarf es immer auch der Einwilligung der bzw. des Gefangenen in ihre bzw. seine vorzeitige Entlassung mit der zwingenden Folge der Anordnung einer Bewährungszeit. Berlin, den 27. Dezember 2017 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung S18-12964 S18-12964