Drucksache 18 / 13 039 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tino Schopf (SPD) vom 11. Dezember 2017 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Januar 2018) zum Thema: Neue Elektrobusse für Berlin – Kosten und Nutzen und Antwort vom 22. Januar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Jan. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Tino Schopf (SPD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13039 vom 11.12.2017 über Neue Elektrobusse für Berlin – Kosten und Nutzen Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Frage zukommen zu lassen und hat daher die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) um Stellungnahmen gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurden. Sie werden nachfolgend entsprechend gekennzeichnet wiedergegeben. Frage 1 Treffen Pressemeldungen zu, dass die BVG in kürze elektrisch angetriebene Busse anschaffen will und wenn ja, wann und wie viele? Frage 2 Welcher Bustyp soll zunächst beschafft werden (Länge, Reichweite, Sitzplätze) und wo sollen diese eingesetzt werden bzw. in welchem Busdepot werden diese stationiert bzw. aufgeladen? Frage 3 Werden zukünftig auch Doppeldecker- bzw. Gelenkbusse mit elektrischem Antrieb in Berlin angeschafft und wenn nein, warum nicht? Antwort zu 1, 2 und 3: Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz und die BVG AöR haben sich im Dezember 2017 in einer Vereinbarung zur Stärkung des ÖPNV als schadstoffarme und klimaschützende Alternative für die Mobilität der wachsenden Stadt Berlin verständigt. Dies betrifft die Vorbereitung, den Kauf und Einsatz von Elektrobussen an Stelle von Dieselbussen, den Aufbau der dafür notwendigen Elektroinfrastruktur und den Rahmen der dafür notwendigen Finanzierung. 2 Hierzu berichtet die BVG: „Vorbehaltlich der Finanzierungsmöglichkeit plant die BVG die Beschaffung von Elektrobussen. Geplant ist zum einen die Beschaffung zunächst von 30 12m- Eindeckomnibussen in 2018. Diese werden über Nacht auf dem Depot per Stecker geladen. Gemäß Lastenheft werden mind. 28 feste Sitzplätze vorgeschrieben und die geforderte Reichweite liegt bei mind. 150 km (inkl. Nutzung aller Nebenaggregate). Des Weiteren werden 15 18m Gelenkomnibusse mit Gelegenheitsladung (Forschungsprojekt geplant zusammen mit der TU Berlin und dem Reiner Lemoine Institut) den Fuhrpark der BVG verstärken (ab 2019). Gemäß Lastenheft werden min. 41 feste Sitzplätze vorgeschrieben. Die Fahrzeuge werden voraussichtlich auf dem Betriebshof Indira-Gandhi-Straße stationiert werden. Die Linien, auf denen diese Fahrzeuge eingesetzt werden sollen, werden gegenwärtig mit der Senatsverwaltung abgestimmt.“ Elektro-Doppeldecker sind in der in Berlin benötigten Größe derzeit nicht auf dem Markt erhältlich. Frage 4 Welche Kosten pro Fahrzeug bzw. Fahrzeugtyp werden erwartet, bzw. sind nach anderen Ausschreibungen (z.B. Hamburger Hochbahn) zu erwarten (bitte in Anschaffungskosten und Betriebskosten/a ausweisen)? Frage 5 Wie sind dazu im Vergleich die Anschaffungs- bzw. Betriebskosten vergleichbarer Bustypen pro Jahr bei a konventionellen Dieselbussen nach EURO 6 Norm b Bussen mit Erdgasantrieb c Bussen mit Brennstoffzellen Antwort zu 4 und 5: Hierzu berichtet die BVG: „Für Elektro-Eindeckomnibusse sind je nach Ausstattung Anschaffungskosten von bis zu 750 Tsd. Euro/Fahrzeug (Fzg.). in anderen Ausschreibungen bekannt geworden, für Gelenkomnibusse bis zu 1 Mio. EUR/Fahrzeug.“ Für Dieselbusse betragen die Anschaffungskosten nach Auskunft der BVG AöR ca. 250 Tsd. Euro/Fzg für Eindeckomnibusse und ca. 350 Tsd. Euro/Fzg. für Gelenkomnibusse. Die gegenwärtigen Kosten von Bussen mit Erdgas oder Brennstoffzellenantrieb sind ihr nicht bekannt. Betriebskosten sind nach Auskunft der BVG AöR zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch schwer zu verallgemeinern, dies hängt stark vom jeweiligen Betriebskonzept, dem Pilotcharakter vieler bisheriger Projekte usw. ab. Durch die begrenzte Reichweite sei beispielsweise ein gewisser Mehrbedarf an Fahrzeugen, Personal etc. zu berücksichtigen – dieser hänge stark von den effektiv gefahrenen Umläufen und damit von der Linienauswahl bzw. –gestaltung ab. Wie groß ein möglicher Mehrbedarf ist, soll jedoch gerade anhand der Erfahrungen aus diesem Praxiseinsatz ermittelt werden. Grundlegend gilt die Zielstellung aus der Vereinbarung zwischen der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz sowie der BVG AöR, wonach eine Optimierung des E-Bus-Einsatzes bei möglichst geringen Auswirkungen auf die Umlauf- und Betriebsplanung anzustreben ist. 3 Frage 6: Geht der Senat bzw. die BVG davon aus, dass die Elektrobusse ausreichend Ladekapazität für einen vollen Einsatztag haben werden oder wird voraussichtlich eine Zwischenaufladung erforderlich? Antwort zu 6: Die zu beschaffenden Elektro-Eindeckomnibusse (Depotlader) werden eine Reichweite von mind. 150 km haben, was somit ein Auswahlkriterium für das Einsatzgebiet und die Einsatzdauer ist. Da die bei einem Elektrobus eingesetzte Batterietechnologie vom Hersteller in Abhängigkeit u.a. von der beabsichtigten Ladestrategie (Depotladung und Zwischenladung) gewählt wird, gibt es nicht den einen, für verschiedene Einsatzarten geeigneten Elektrobus, sondern je nach Anforderung und technischen Möglichkeiten unterschiedlichste technische Lösungen. Die Reichweite einer auf Depotladung ausgelegten elektrischen Anlage ist daher nicht einfach durch Zwischenladungen zu erweitern, da z.B. Zellentyp, Batteriemanagement, Ladeströme und Ladezeiten anders sind als bei elektrischen Anlagen, die auf schnelle Zwischenladung ausgelegt sind. Bei den Gelenkomnibussen, die als Gelegenheitslader beschafft werden, kann dagegen während des Betriebstages an Schnellladesäulen nachgeladen werden. Theoretisch wäre damit ein Einsatz ähnlich einem Dieselbus möglich. Inwieweit die zwingend im Betriebsablauf zu garantierende Ladezeit jedoch zusätzlichen Mehrbedarf an Fahrzeugen und Personal erzeugt, muss unter Berücksichtigung z.B. des Einsatzprofils und auch der jeweils verwendeten elektrischen Anlage ermittelt werden. Frage 7 An welchen Busdepots müssen für die Aufladung der Busse in welchem Umfang Ladesäulen errichtet werden, um eine regelmäßige Ladung aller Fahrzeuge pro Nacht zu gewährleisten? Antwort zu 7: Hierzu berichtet die BVG: „Die ersten 30 Eindeckomnibusse werden auf dem Betriebshof Indira-Gandhi-Straße stationiert, es wird zunächst eine Ladesäule pro Bus vorgesehen.“ Frage 8 Reichen die vorhandenen Leitungskapazitäten für die Busdepots aus, um die Busse zu laden oder ist ein Ausbau der Stromversorgung der betroffenen Busdepots erforderlich? Antwort zu 8: Für die ersten 30 Busse auf dem o.g. Betriebshof reicht nach Auskunft der BVG die vorhandene Leistungskapazität aus. Auf anderen Betriebshöfen und auch für die Stromversorgung des Betriebshofes Indira-Gandhi-Straße für weitere E-Busse ist jedoch ein Ausbau erforderlich. Frage 9 Welche Busdepots werden mit Ladeeinrichtungen ergänzt bzw. müssen zusätzlich auch leitungsseitig ergänzt werden und welche Kosten werden dafür erwartet (bitte pro Standort beantworten)? Antwort zu 9: Hierzu berichtet die BVG: „Ladeeinrichtungen werden zunächst auf dem Betriebshof Indira-Gandhi-Straße implementiert. Auf Grund des laufenden Ausschreibungsverfahrens muss hier von der Nennung der erwarteten Kosten abgesehen werden.“ 4 Frage 10 Welche Gesamtkosten ergeben sich für Beschaffung der Busse und den Aufbau der erforderlichen Ladeinfrastruktur in den Busdepots und in welchem Umfang wird das Land Berlin dabei durch Bundesund /oder EU-Mittel unterstützt? Antwort zu 10: Hierzu berichtet die BVG: „Auf Grund des laufenden Ausschreibungsverfahrens muss hier von der Nennung der erwarteten Kosten abgesehen werden. Die BVG hat mit dem Land Berlin vereinbart, für die Finanzierung der Fahrzeuge, neuer oder umgerüsteter Betriebsbahnhöfe als auch der Lade- sowie einer neu aufzubauenden, auf die auf die neuen Systeme angepassten Werkstattinfrastruktur Fördermöglichkeiten außerhalb des Landeshaushalts zu ermitteln und in Anspruch zu nehmen. Nach Ausschöpfung der Fördermöglichkeiten verbleibende Mehrkosten (auf Grund von Investitionen und/oder Betrieb von Fahrzeugen oder Infrastruktur) werden der BVG auf Nachweis und nach Prüfung dem Grunde und der Höhe nach durch das Land Berlin ausgeglichen [im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel]. Der Ausgleich erfolgt in Form von zusätzlichen Investitionszuschüssen (Sonderfinanzierung) und/oder zusätzlichen Betriebskostenzuschüssen.“ Da die Förderrichtlinien der entsprechenden Programme jedoch teilweise noch nicht vorliegen oder die Beantragung erst anläuft, lassen sich derzeit keine verbindlichen Aussagen über Förderzusagen und deren Höhe oder Herkunft machen. Frage 11 Welche Umweltentlastungen (CO2, NOx, PM10 Lärm u.a.) erwartet der Senat durch die angekündigte Beschaffung von Elektrobussen gegenüber Dieselbussen (Euro 6 Norm) oder Erdgasbussen vergleichbaren Typs pro Fahrzeug, pro Jahr bzw. pro Fahrgast/km a bei der Nutzung des aktuellen Deutschen (oder Berliner) Strommixes? b beim Einsatz von 100% Ökostrom? Frage 12: Welche zusätzlichen Klimabelastungen- und Ressourcenverbräuche ergeben nach Kenntnis des Senats aus bei der Herstellung und Entsorgung eines Antriebsstrangs für die Elektrobusse (Lebenszyklusanalyse-LCA) gegenüber vergleichbaren Antriebssträngen (pro Fahrzeug/Jahr bzw. pro Fahrgast/km)? a für Diesel-, b Erdgas- oder c Brennstoffzellenbussen Frage 13: Wie stellen sich aus den Ergebnissen zu den Fragen 4 und 9-12 die spezifischen Vermeidungskosten der (Teil)Elektrifizierung von BVG-Bussen in Berlin (bitte jeweils unterschieden in aktuellen Strommix und 100% Ökostrom) im Vergleich zu Dieselbussen (Euro 6) oder Erdgasbussen vergleichbaren Typs dar, a bei CO2 in Euro/Mg? b bei NOx in Euro/Mg? c bei PM10 in Euro/Mg? d bei der Lärmminderung Euro/dB? Antwort zu 11, 12 und 13: Zur Belastung durch Lärm lässt sich feststellen: Das Fahrgeräusch eines Kraftfahrzeuges hängt neben den Antriebsgeräuschen stark von den Rollgeräuschen, verursacht durch den 5 Reifen-/Fahrbahnkontakt, ab. Die Rollgeräusche sind zudem stark geschwindigkeitsabhängig. Daher sind hier nur geringe Lärmminderungen zu erwarten. Ein Elektrobus verursacht aber jedenfalls deutlich geringere Anfahrgeräusche, die von Bewohnern im Nahbereich von Haltestellen oder Kreuzungen als besonders störend empfunden werden. Detaillierte Untersuchungen hierzu liegen aber noch nicht vor. Da noch nicht bekannt ist, welche Elektrobusse zukünftig beschafft werden, liegen auch keine technischen Daten für die Berechnungen der übrigen Umweltentlastungen vor. Frage 14 Wie viele konventionelle Diesel-PKW (Euro 5+6 Norm- Ø 500mg NOx/km und Ø 120g CO2/km im Stadtverkehr) können durch den Austausch eines Dieselbusses (Euro 6) durch einen der geplanten Elektrobusse pro Jahr bzw. pro Fahr-km in ihrer Klimawirkung kompensiert werden? Antwort zu 14: Da die technischen Daten für die zu beschaffenden Elektrobusse und damit auch ihr Energieverbrauch nicht bekannt sind, ist ein Vergleich für CO2 nicht möglich. Ein Vergleich kann nur für die lokal wirksamen Stickstoffoxidemissionen als grobe Schätzung erfolgen. Ein Dieselbus (Eindecker) mit dem Abgasstandard Euro VI emittiert gemäß dem Handbuch für Emissionsfaktoren Version 3.3 im Stadtverkehr im Mittel circa 440 mg NOx pro km. Damit entspricht die Wirkung des Austauschs eines Dieselbusses durch einen Elektrobus pro Fahrkilometer in etwa dem Ausstoß eines Diesel-Pkw. Zudem macht die aktuelle Schadstoffbelastung erhebliche Verbesserungen bei allen Emittenten notwendig. Mithin ist eine Kompensationsrechnung nicht zielführend, die lediglich eine Verbesserung bei den heute noch nicht elektrischen Fahrzeugen des ÖPNV anstreben würde, den vorhandenen Schadstoffausstoß anderer Emittenten aber unverändert beließe. Frage 15 Wie hoch wäre die Umweltentlastung bzw. wie hoch wäre die Anzahl kompensierter Diesel-PKW, wenn alle BVG-Busse auf elektrischen Antrieb umgestellt würden und welche geschätzten Kosten wären dafür aufzubringen? Antwort zu 15: Die aktuellen Emissionsberechnungen für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans ergaben für das Jahr 2015, dass die Linienbusse 916 t NOx pro Jahr emittierten. Das sind rund 16 % der gesamten Stickstoffoxidemissionen des Straßenverkehrs. Für Pkw ergab sich mit einem Ausstoß von 2.854 Tonnen NOx für das Jahr 2015 ein Anteil von ca. 50 % der gesamten Stickstoffoxidemissionen des Straßenverkehrs. Zudem wurden in den vergangenen Jahren mit Unterstützung des Landes Berlin bereits 204 Busse der BVG AöR mit Stickoxidfiltern nachgerüstet, die einen Wirkungsgrad von über 70 % haben. Derzeit folgen die verbleibenden ca. 200 Busse mit Euro 3 oder 4. Der Ersatz aller Dieselbusse durch Elektrobusse entspricht somit weniger als einem Drittel der Pkw-Emissionen, was den Verbesserungsbedarf auch dort verdeutlicht. Zu den Kosten wird auf Frage 10 verwiesen. Frage 16 Welche Schlüsse zieht der Berliner Senat aus der Betrachtung der Kosten/Nutzen-Analyse für den weiteren Ausbau einer umweltfreundlichen ÖPNV-Infrastruktur in Berlin? Antwort zu 16: Die unter Frage 1-3 skizzierten Projekte dienen dem weiteren Erfahrungsaufbau zum Betrieb von Elektrobussen, unter anderem auch der Analyse tatsächlicher Kosten über 6 den gesamten Lebenszyklus der Fahrzeuge. Insbesondere zu Betriebs- und Wartungskosten gibt es derzeit noch nicht ausreichend verlässliche Angaben. Auch sind über die Verwendung reiner Batteriebusse hinaus andere, z.B. energieeffizientere elektrische Antriebs- und Ladekonzepte denkbar, die es auch auf langen und laststarken Linien erlauben, Dieselbusse durch solche mit elektrischem Antrieb zu ersetzen. Daher wird sich der Nahverkehrsplan mit diesem Thema befassen und Schlüsse für den ÖPNV ziehen. Berlin, den 22.01.2018 In Vertretung J e n s – H o l g e r K i r c h n e r ................................ Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz S18-13039 S18-13039