Drucksache 18 / 13 064 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Jürn Jakob Schultze-Berndt (CDU) vom 08. Januar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Januar 2018) zum Thema: Prostituiertenschutzgesetz zur Bekämpfung von Menschenhandel, Ausbeutung und Zwangsprostitution und Antwort vom 25. Januar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Jan. 18) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Herrn Abgeordneten Jürn Jakob Schultze-Berndt (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13064 vom 08. Januar 2018 über Prostituiertenschutzgesetz zur Bekämpfung von Menschenhandel, Ausbeutung und Zwangsprostitution ________________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Trifft es zu, dass nach einer Pflicht-Gesundheitsberatung (beim Gesundheitsamt oder aber einer anderen beauftragten Stelle) nach dem Prostituiertenschutzgesetz, die keine körperliche Untersuchung beinhaltet, ein intensives amtliches Beratungs- und Informationsgespräch erfolgen soll, bei dem die Lebens- und Arbeitsumstände der Antragstellerin erkundet werden sollen, wo man auf diverse Hilfsangebote verweist, soziale Sicherungssysteme vorstellt, steuerliche Pflichten beleuchtet und nach Hinweisen auf Zwangsprostitution und Ausbeutung suchen soll, um möglichen Verdachtsfällen anschließend nachgehen zu können? Zu 1.: Um möglichen Missverständnissen vorzubeugen, sei an dieser Stelle darauf verwiesen, dass das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) die Belange derjenigen klärt, die der Prostitution nachgehen, egal welchem Geschlecht sie angehören. Das Prostituiertenschutzgesetz sieht vor, dass, wer eine Tätigkeit als Prostituierte oder Prostituierter ausüben will, dies vor Aufnahme der Tätigkeit bei einer Behörde anmelden muss. Im Rahmen der Anmeldung schreibt das Gesetz vor, dass ein Informations- und Beratungsgespräch zu führen ist. Als Inhalte, zu denen hier mindestens beraten werden muss, sind im Gesetz aufgeführt: „1. Grundinformationen zur Rechtslage nach diesem Gesetz, nach dem Prostitutionsgesetz sowie zu weiteren zur Prostitution relevanten Vorschriften, die im räumlichen Zuständigkeitsbereich der Behörde für die Prostitutionsausübung gelten, 2. Grundinformationen zur Absicherung im Krankheitsfall und zur sozialen Absicherung im Falle einer Beschäftigung, 3. Informationen zu gesundheitlichen und sozialen Beratungsangeboten einschließlich Beratungsangeboten zur Schwangerschaft, - 2 - 2 4. Informationen zur Erreichbarkeit von Hilfe in Notsituationen und 5. Informationen über die bestehende Steuerpflicht der aufgenommenen Tätigkeit und die in diesem Zusammenhang zu erfüllenden umsatz- und ertragsteuerrechtlichen Pflichten.“ Ein „intensives“ amtliches Gespräch im Sinne einer „Erkundung“ der Lebensumstände mit dem Ziel einer späteren Verfolgung ist von den Regelungen des ProstSchG hingegen nicht vorgesehen. Vielmehr ist Folgendes im Gesetz bestimmt: „Die Anmeldebescheinigung darf nicht erteilt werden, wenn […] Anhaltspunkte dafür vorliegen , dass die Person von Dritten durch Ausnutzung einer Zwangslage, ihrer Hilflosigkeit , die mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist oder ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeit zur Prostitution gebracht wird oder werden soll oder diese Person von Dritten ausgebeutet wird oder werden soll.“ Darüber hinaus hat „die zuständige Behörde […] unverzüglich die zum Schutz der Person erforderlichen Maßnahmen zu veranlassen, wenn sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass […] eine Person von Dritten unter Ausnutzung einer Zwangslage, ihrer Hilflosigkeit, die mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, oder ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeit zur Prostitution gebracht wird oder werden soll oder diese Person von Dritten ausgebeutet wird oder werden soll.“ Es ist klar im Gesetz festgehalten, dass nur bei „konkreten Anhaltspunkten“ Maßnahmen zu ergreifen sind. Neben dem Informations- und Beratungsgespräch (§ 7 ProstSchG) im Rahmen der Anmeldung sieht das Gesetz eine gesundheitliche Beratung (§ 10 ProstSchG) vor. Um sich anmelden zu können, wird u.a. eine Bescheinigung über eine durchgeführte gesundheitliche Beratung benötigt. Diese Beratung ist in vorgegebenen Intervallen zu wiederholen . Das Gesetz bestimmt zur gesundheitlichen Beratung Folgendes: „Die gesundheitliche Beratung erfolgt angepasst an die persönliche Lebenssituation der beratenen Person und soll insbesondere Fragen der Krankheitsverhütung, der Empfängnisregelung, der Schwangerschaft und der Risiken des Alkohol- und Drogengebrauchs einschließen. Die beratene Person ist auf die Vertraulichkeit der Beratung hinzuweisen und erhält Gelegenheit, eine etwaig bestehende Zwangslage oder Notlage zu offenbaren. Dritte können mit Zustimmung der anmeldepflichtigen Person zum Zwecke der Sprachmittlung hinzugezogen werden .“ 2. Trifft es zu, dass die Bescheinigung auch mit Pseudonym („Künstlername“) erhältlich ist, um private Daten zu schützen? Zu 2.: Ja. Auf Wunsch der anmeldepflichtigen Person kann die Behörde nach § 5 Absatz 6 ProstSchG zusätzlich eine pseudonymisierte Anmeldebescheinigung (Aliasbescheinigung) ausstellen. Dies verschafft Prostituierten eine Möglichkeit, ihr Gegenüber ohne Aufgabe der Anonymität über die Tatsache der ordnungsgemäßen Anmeldung als Prostituierte zu informieren, ersetzt jedoch nicht den Pass bzw. den Personalausweis. Gemäß § 10 Absatz 4 Satz 3 ProstSchG kann auf Wunsch auch die Bescheinigung über die gesundheitliche Beratung auf den in einer gültigen Aliasbescheinigung verwendeten Alias ausgestellt werden. - 3 - 3 3. Wie viele Anträge von Personen unter 21 Jahren wurden bisher gestellt bzw. wie viele Bescheinigungen über erfolglose Anmeldeversuche sind je Bezirk herausgereicht worden? 4. Wie viele Anträge von Personen über 21 Jahren wurden bisher gestellt bzw. wie viele Bescheinigungen über erfolglose Anmeldeversuche sind je Bezirk herausgereicht worden? Zu 3. und 4.: Zu den Zahlen der in den Bezirken registrierten Anmeldeversuche wird auf die folgende Tabelle verwiesen. In Anbetracht der derzeit in Berlin geltenden Übergangslösung konnte in der Erhebung nicht dahingehend differenziert werden, ob die Personen zum Zeitpunkt des Anmeldeversuchs bereits das 21. Lebensjahr vollendet hatten. Name des Bezirks (alphabetisch sortiert) Anzahl der bescheinigten Anmeldeversuche Charlottenburg-Wilmersdorf 398 Friedrichshain-Kreuzberg 176 Lichtenberg 29 Marzahn-Hellersdorf 37 Mitte 84 Neukölln 58 Pankow 52 Reinickendorf 54 Spandau 42 Steglitz-Zehlendorf 71 Tempelhof-Schöneberg 220 Treptow-Köpenick 27 Summe: 1248 5. In welchem der Bezirke erfolgt die medizinische Untersuchung durch eigenes Personal? Zu 5.: Da eine „medizinische Untersuchung“ im Gesetz nicht vorgesehen ist, erfolgt eine solche auch nicht. 6. Welche Statistikanforderungen hat die Senatsverwaltung den Bezirken vorgegeben, um die Analyse der Wirksamkeit des Bundesgesetzes vornehmen zu können? Zu 6.: Der Bundesgesetzgeber hat durch § 35 ProstSchG sowie die Prostitutions- Statistikverordnung eine umfassende gesetzliche Grundlage zur Einführung einer Bundesstatistik geschaffen. Der Senat ist nicht ermächtigt, eigene Regelungen zu erlassen. Für die Zwecke der Bundesstatistik dürfen personenbezogene Daten von Prostituierten nur in anonymisierter Form verarbeitet und genutzt werden. - 4 - 4 7. Trifft es zu, dass alle Prostitutionsstätten, worunter der Gesetzgeber grundsätzlich Bordelle, Sexclubs, Laufhäuser, Hostessen-Wohnungen, Love-Mobil-Parks und ähnliches versteht, sowie alle Prostitutionsveranstalter und Prostitutionsvermittler, ab dem 1. Juli 2017 eine behördliche Erlaubnis benötigen, um ihrem Gewerbe weiterhin nachgehen zu können? Zu 7.: Es trifft zu, dass diejenige/derjenige, die/der ein Prostitutionsgewerbe betreiben will, gemäß § 12 Absatz 1 ProstSchG seit dem 1. Juli 2017 der Erlaubnis der zuständigen Behörde bedarf. Das Gesetz sieht in § 37 Absatz 4 ProstSchG eine Übergangsregelung für Bestandsbetriebe vor. Danach gilt die Fortführung eines Prostitutionsgewerbes bis zur Entscheidung über den Erlaubnisantrag als erlaubt, wenn die Betreiberin/der Betreiber das Prostitutionsgewerbe bereits vor dem 1. Juli 2017 betrieben und einen entsprechenden Erlaubnisantrag bis zum 31. Dezember 2017 gestellt hat. 8. Wie viele Anträge zur Erteilung einer behördlichen Erlaubnis wurden bisher je Bezirk gestellt? Zu 8.: Zu den Zahlen der in den Bezirken registrierten Anträge auf Erteilung einer behördlichen Erlaubnis wird auf die folgende Tabelle verwiesen. 9. Trifft es zu, dass die Daten der behördlichen Erlaubnisse auch an das Finanzamt weitergegeben werden? Zu 9.: Gemäß § 35 Absatz 8 ProstSchG hat die zuständige Erlaubnisbehörde das nach § 19 Absatz 1 der Abgabenordnung zuständige Finanzamt unverzüglich, möglichst auf elektronischem Wege über die erstmalige Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb eines Prostitutionsgewerbes nach § 12 ProstSchG unter Mitteilung der Daten nach § 12 Absatz 5 Nummer 3 ProstSchG zu unterrichten. Die Daten nach § 12 Absatz 5 Nummer 3 ProstSchG sind bei natürlichen Personen Name, Geburtsdatum und Anschrift derjenigen Person, für die die Erlaubnis beantragt wird, und bei einer juristischen Person oder Personenvereini- Name des Bezirks (alphabetisch sortiert) Anträge für das Betreiben einer Prostitutionsstätte Anträge für das Bereitstellen eines Prostitutionsfahrzeuges Anträge für die Organisation und Durchführung einer Prostitutionsveranstaltung Anträge für das Betreiben einer Prostitutionsvermittlung Insgesamt Charlottenburg-Wilmersdorf 24 0 0 3 27 Friedrichshain-Kreuzberg 28 0 0 2 30 Lichtenberg 2 0 0 0 2 Marzahn-Hellersdorf 3 0 0 0 3 Mitte 20 0 0 1 21 Neukölln 18 0 0 2 20 Pankow 12 0 0 1 13 Reinickendorf 5 0 0 1 6 Spandau 4 0 0 1 5 Steglitz-Zehlendorf 3 0 0 1 4 Tempelhof-Schöneberg 17 0 0 4 21 Treptow-Köpenick 9 0 0 1 10 Summe: 145 0 0 17 162 - 5 - 5 gung deren Firma, Anschrift, Nummer des Registerblattes im Handelsregister sowie deren Sitz. 10. Erhebt das Land Berlin (so wie andere Länder auch) für die Antragsbearbeitung Gebühren? Zu 10.: Die Erteilung oder Versagung einer Erlaubnis zum Betrieb eines Prostitutionsgewerbes ist als Amtshandlung im Sinne des § 2 Absatz 1 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge (GebBtrG) vom 22. Mai 1957 (GVBl. 1957, Seite 516), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. November 2009 (GVBl. 2009, Seite 674), gebührenpflichtig. Die Bemessung der Gebühr im Einzelfall richtet sich nach den Vorschriften des GebBtrG sowie nach der Verwaltungsgebührenordnung vom 24. November 2009 (GVBl. 2009, Seite 707, 894), zuletzt geändert durch Verordnung vom 10 Oktober 2017 (GVBl. 2017, Seite 549). 11. Welche Dienststellen der Bezirksämter sind für die Kontrolle der Einhaltung der Meldungen zuständig? Sind diese Dienststellen auch für die Kontrolle der Einhaltung der Meldepflicht in den Prostitutionsstätten und bei der Straßenprostitution zuständig? 12. Wer wird künftig die Umsetzung des Gesetzes in den Nachtstunden und am Wochenende kontrollieren? Darf die Polizei hierbei unterstützen? Wie viele Kontrollen haben bisher je Bezirk mit welchem Ergebnis stattgefunden? Zu 11. und 12.: Die Verordnung zur Bestimmung von Zuständigkeiten zur Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes hat zu den Dienststellen der Bezirksämter und zu den ordnungsrechtlichen Aufgaben der zuständigen Behörde nach den §§ 11 und 29 bis 33a ProstSchG keine Regelung getroffen. Die Kontrolle der Prostituierten liegt damit gem. § 2 Absatz 4 Satz 1 des Allgemeinen Sicherheits - und Ordnungsgesetzes (ASOG) in Verbindung mit Nummer 37 des Zuständigkeitskatalogs Ordnungsaufgaben (ZustKatOrd) – Anlage zu § 2 Absatz 4 Satz 1 ASOG in der allgemeinen Zuständigkeit der Bezirksämter. Für die Überwachung der Prostitutionsgewerbe ist gemäß § 2 Absatz 4 Satz 1 ASOG in Verbindung mit Nummer 23 Absatz 6 ZustKatOrd der Polizeipräsident in Berlin zuständig. Unter Maßgabe der personellen Ressourcen finden Überwachungen auch in den Nachtstunden und am Wochenende statt. Da nach § 37 ProstSchG bis zum 31.12.2017 Übergangsregelungen galten, fanden bisher keine Überwachungsmaßnahmen im Sinne dieses Gesetzes seitens des LKA 33 statt. 13. Trifft es zu, die Registrierung als Sexworker grundsätzlich nur für Personen möglich ist, die in Deutschland eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis haben? 14. Trifft es zu, dass bei allen anderen ausländischen Prostituierten außerdem der Nachweis der Berechtigung zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit erforderlich ist, sofern sie nicht freizügigkeitsberechtigt sind? - 6 - 6 Zu 13. und 14.: Eine formale Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis ist nicht in jedem Fall erforderlich, da sich eine Berechtigung zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (je nach Ausgestaltung der Tätigkeit als Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit) auch aus anderen Rechtsvorschriften ergeben kann. So dürfen EU-Bürgerinnen und EU-Bürger eine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen. Bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen können Personen mit Aufenthaltsgestattung oder Duldung eine unselbständige Tätigkeit aufnehmen . Dass eine Erwerbstätigkeit aufgenommen werden darf, ist bei der Anmeldung gemäß § 4 Absatz 2 ProstSchG nachzuweisen. 15. Trifft es zu, dass mit Touristenvisum und Asylpapieren keine Registrierung und folglich auch keine legale Sexarbeit möglich ist? Zu 15.: Es trifft zu, dass im Falle des Visums zu Besuchszwecken keine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit gestattet ist. Bei Inhaberinnen und Inhabern einer Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens kann die unselbständige Erwerbstätigkeit (in der Prostitution) erlaubt werden bzw. erlaubt sein (vgl. § 32 BeschV, § 61 AsylG), so dass legale Sexarbeit möglich ist. 16. Das Bundesgesetz wurde geschaffen, um Menschenhandel, Ausbeutung und Zwangsprostitution zu bekämpfen. Wie ist die Einschätzung der Innenverwaltung über die Auswirkungen des Gesetzes? Zu 16.: Das Gesetz ist am 1. Juli 2017 in Kraft getreten. Die vom Gesetzgeber in § 38 ProstSchG vorgesehene Evaluation „auf wissenschaftlicher Grundlage unter Einbeziehung der Erfahrungen der Anwendungspraxis“ soll erst am 1. Juli 2022 einsetzen, so dass noch keine Einschätzung über die Auswirkungen abgegeben werden kann. 17. Welche juristische oder sonstige Konsequenz hat es für eine Person mit Touristenvisum, wenn sie ohne Bescheinigung tätig ist? Werden auch andere Behörden und das Finanzamt informiert und durch wen? Zu 17.: Ein Touristenvisum berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit, so dass es auf das Vorliegen einer Bescheinigung nicht ankommt. Übt eine Touristin/ein Tourist unerlaubt eine Erwerbstätigkeit – gleich welcher Art – aus, kommt die Aufhebung des Visums nach Art. 34 Abs. 1 oder 2 des Visakodex durch die Ausländerbehörde in Betracht. Die Ausländerin/der Ausländer macht sich strafbar nach § 95 Abs. 1a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) bzw. begeht eine Ordnungswidrigkeit nach § 98 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG. Deshalb ist regelmäßig eine Ausweisung geboten. Für die Ausländerbehörden gibt es bei konkreten Anhaltspunkten für eine Beschäftigung oder Tätigkeit ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel im Einzelfall die Möglichkeit, auf Grundlage des § 90 Abs. 1 AufenthG die zuständigen Verfolgungs- und Leistungsbehörden zu unterrichten. - 7 - 7 18. Welche juristische oder sonstige Konsequenz hat es für eine Person mit laufendem Asylverfahren, wenn sie ohne Bescheinigung tätig ist? Werden auch andere Behörden und das Finanzamt informiert und durch wen? Zu 18.: Die fehlende Anmeldebescheinigung (bzw. in der Übergangszeit „Anmeldeversuchsbescheinigung “) deutet darauf hin, dass keine Anmeldung (bzw. in der Übergangszeit kein „Anmeldeversuch“) nach § 3 Abs. 1 ProstSchG erfolgt ist, was einen Ordnungswidrigkeitstatbestand nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 ProstSchG erfüllt. Auf Ersuchen sind die bekannt gewordenen Umstände der Ausländerbehörde gem. § 87 Absatz 1 AufenthG mitzuteilen. 19. Sieht der Senat die Notwendigkeit für zusätzliche berufliche Fortbildungsmaßnahmen, um ehemaligen Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern den Einstieg in andere Branchen zu ermöglichen? Zu 19.: Das ProstSchG zielt lediglich auf Personen ab, die eine Tätigkeit als Prostituierte oder als Prostituierter ausüben, nicht hingegen auf ehemalige Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter. Diese Frage ist daher unabhängig von der Umsetzung des ProstSchG zu betrachten. Der Senat hält spezifische niedrigschwellige und diskriminierungsfreie Beratungs- und Unterstützungsangebote für Prostituierte, die sich beruflich neu orientieren möchten, für sinnvoll und notwendig. Berlin hat sich bereits von 2010 bis 2014 mit dem Projekt „DIWA – Der individuelle Weg zur Alternative“ an einem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Modellprojekt zur Unterstützung des Ausstiegs aus der Prostitution beteiligt. DIWA wurde von Goldnetz e.V. in Kooperation mit Goldrausch e.V. KONTOUR und Hydra e.V. durchgeführt. Wesentliche Elemente DIWAs waren die psychosoziale und intensive individuelle Beratung und Betreuung im Neuorientierungsprozess, die Vorbereitung auf den Umstieg in andere Tätigkeiten durch spezielle Qualifizierungsmodule und die Sensibilisierung von Institutionen wie Jobcenter, Bildungsträger etc. Während der Modellphase ist es gelungen, eine gute Vernetzung zwischen Fachberatungsstelle , Bildungsträgern und den Jobcentern aufzubauen. Gleichzeitig hat sich gezeigt , dass die Situation der ausstiegsinteressierten Prostituierten individuell so verschieden ist, dass eine gezielte, an den jeweiligen persönlichen Bedarfen orientierte Beratung und Vermittlung in adäquate Maßnahmen zielführender ist als die Bereitstellung von Gruppenangeboten. Daher wurde die im Rahmen von DIWA bei Hydra angebotenen Beratung zur beruflichen Neuorientierung auch nach Auslaufen des Modellprojekts aus Landesmitteln durch die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung weiter finanziert. - 8 - 8 Darüber hinaus bietet auch der von derselben Senatsverwaltung geförderte Frauentreff Olga immer wieder Kurse für ausstiegswillige Prostituierte an. Berlin, den 25. Januar 2018 In Vertretung Boris Velter Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung S18-13064 S18-13064a