Drucksache 18 / 13 069 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) vom 08. Januar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Januar 2018) zum Thema: Wenn Pflegekinder erwachsen werden! und Antwort vom den 23. Januar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Jan. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Frau Abgeordnete Marianne Burkert-Eulitz (Bündnis 90/Die Grünen) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18 / 13 069 vom 08. Januar 2018 über Wenn Pflegekinder erwachsen werden! ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wann müssen heranwachsende Pflegekinder in der Regel ihre Pflegefamilie verlassen? Wann endet im Regelfall der Pflegevertrag? 2. Wie viele junge Menschen sind jährlich davon betroffen, dass mit 18 Jahren oder spätestens mit 21 ihre Hilfe in Form der Vollzeitpflege beendet wird (mit der Bitte um jährliche Aufstellung seit 2012)? Zu 1. und 2.: Der Bedarf eines jungen Menschen nach Hilfe zur Erziehung bzw. Hilfe für junge Volljährige in Vollzeitpflege gemäß § 33 Achtes Sozialgesetzbuch (SGB VIII), der auf der Grundlage eines Pflegevertrages in einer Pflegefamilie lebt, wird im Rahmen der Hilfeplanung gemäß § 36 SGB VIII festgestellt. Die Hilfe endet, wenn ein Hilfebedarf nicht mehr gegeben ist, unabhängig davon, ob der junge Mensch in der Pflegefamilie weiter wohnen bleibt, oder sie verlässt. Einen festgelegten Zeitpunkt, wann ein Pflegekind die Pflegefamilie verlassen muss, gibt es nicht. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Anzahl der Beendigungen der Hilfen für Volljährige in Vollzeitpflege seit 2012: Alter Jahr Summe Beendigungen davon >=18 in % 18 19 20 21 22 23 24 25 2012 730 135 18,5% 55 32 25 19 3 1 2013 671 113 16,8% 57 29 16 9 1 1 2014 758 146 19,3% 64 34 26 18 3 1 2015 673 160 23,8% 31 56 39 20 9 3 2 2016 627 102 16,3% 44 31 14 7 3 3 Quelle: Hilfeplanstatistik - - 2 3. Wie bewertet der Senat, dass in den aktuellen Fachdiskursen die Beendigung der Hilfe mit 18 Jahren als hoch problematisch angesehen wird, weil dies den Lebensrealitäten vieler Pflegekinder entgegensteht? Zu 3.: Die gesetzliche Grundlage für stationäre Unterbringung für junge Volljährige gemäß § 41 Abs. 1 SGB VIII – Hilfe für junge Volljährige, Nachbetreuung, soll einem jungen Volljährigen Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, wenn und solange eine Hilfe aufgrund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist. In Absatz 2 wird darauf hingewiesen, dass die Hilfe in der Regel nur bis zum 21. Lebensjahr gewährt wird; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden. Diese Vorschriften geben den Rahmen für das Handeln der Fachkräfte in den Jugendämtern. Der Senat sieht hier keine weitere Bewertungsnotwendigkeit. 4. Welche Unterstützungsbedarfe haben 18 Jahre alt werdende Pflegekinder immer noch und wie werden diese erfüllt, auch wenn das Pflegeverhältnis bereits beendet wurde? Welche Unterstützungsstrukturen gibt es dazu in Berlin? 5. Welche Unterstützungsbedarfe haben Pflegeeltern über das 18. Lebensjahr ihres Pflegekindes hinaus und wie werden diese in Berlin abgedeckt? Zu 4. und 5.: Gründe bzw. Ziele für eine Fortsetzung der Hilfe in der Pflegefamilie über die Volljährigkeit hinaus können sein: Erreichen eines schulischen bzw. beruflichen Abschlusses Bewältigung der Anforderungen einer selbständigen Lebensführung Ggf. Angst vor dem Alleinwohnen Es kann kein bezahlbarer Wohnraum gefunden werden. Wird ein junger Mensch aus der Jugendhilfe bzw. aus der Pflegefamilie entlassen, besteht auch nach Beendigung der Hilfe ein Anspruch auf Beratung und Unterstützung im notwendigen Umfang (vgl. § 41, Abs. 3 SGB VIII). Junge Menschen haben in dieser Situation je nach Entwicklungstand unterschiedliche Bedarfe an Unterstützung bei der Entlassung in die Selbständigkeit. Die Prüfung dieses Bedarfes ist Bestandteil der Hilfeplanung (vgl. Ausführungsvorschriften für den Prozess der Planung und Durchführung von Hilfe zur Erziehung und Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche und Hilfe für junge Volljährige (AV-Hilfeplanung), vom 31. Januar 2005, Punkt 6.6. Abs. 1, Beendigung der Hilfe). Es kommen insbesondere ambulante Hilfen gemäß § 41 SGB VIII in Verbindung mit § 30 SGB VIII ggf. in Verbindung mit § 35a SGB VIII in Betracht. Wesentlich ist der Prozess der Vorbereitung auf die selbständige Lebensführung im Rahmen der Hilfe, der abhängig ist vom Entwicklungsstand des jungen Menschen. Pflegeeltern erhalten im Rahmen der Beratung der Pflegefamilie Unterstützung und Fortbildung, oder befassen sich in Pflegeelterngruppen mit diesen Themen. Neben der Beratung durch das zuständige Jugendamt, den zuständigen Pflegekinderdienst oder den dafür beauftragten freien Trägern der Jugendhilfe haben junge Menschen, ihre Pflegeeltern und auch die Herkunftseltern bei Schwierigkeiten die Möglichkeit, sich u.a. an folgende Institutionen zu wenden: - - 3 Careleaver e.V.: careleaver.de, careleaver-kompetenznetz.de Ombudschaftliche Beratung in Jugendhilfeangelegenheiten: Berliner Rechtshilfefonds Jugendhilfe e.V. (BRJ), Berliner Beratungs- und Ombudstelle Jugendhilfe BBO, www.brf-berlin.de Bundesnetzwerk Ombudschaft Kinder- und Jugendhilfe: www.ombudschaft-jugendhilfe.de Landesberatungsstelle Berliner Pflegekinderhilfe, Familien für Kinder gGmbH www.pflegekinder-berlin.de 6. Wie wird die Herkunftsfamilie eines Pflegekindes unterstützt? Zu 6.: Herkunftsfamilien haben Anspruch auf Beratung (vgl. § 37 SGB VIII). Diese Unterstützung ist Bestandteil der Hilfeplanung gemäß § 36 SGB VIII. Dazu gehört ggf. auch die Förderung der Rückkehr des Kindes, wenn dies angezeigt ist. Auch die Erziehungs- und Familienberatungsstellen stehen den Herkunftseltern offen. 7. Wie wird das Careleaver Kompetenznetz vom Land Berlin in Zukunft unterstützt? Zu 7.: Von Februar 2015 bis Januar 2018 führte die Familien für Kinder gGmbH das Projekt Careleaver Kompetenznetz durch. Das Projekt wurde von der Aktion Mensch gefördert und von der Stiftung Universität Hildesheim beraten. Zusammen mit jungen Menschen, die kurz vor oder kurz nach der Entlassung in die Selbständigkeit stehen, wurden im Rahmen des Projekts Bedingungen für die Verbesserung der Übergänge aus der Jugendhilfe in die Selbständigkeit erarbeitet. Eine Verstetigung von entsprechenden (Teil-)Angeboten in Berlin wird geprüft. Berlin, den 23. Januar 2018 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie S18-13069 S18-13069a