Drucksache 18 / 13 072 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) vom 08. Januar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Januar 2018) zum Thema: Ankaras langer Arm nach Berlin? und Antwort vom 23. Januar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Jan. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 5 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13 072 vom 08. Januar 2018 über Ankaras langer Arm nach Berlin? ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Kenntnisse hat der Berliner Senat (auch nachrichtendienstliche) über den Umfang der staatlichen bzw. staatsnahen türkischen Einflussnahme auf die öffentliche Meinung in Berlin (durch Aufmärsche, Organisationen, so genannte Informations- und Nachrichtenportale, soziale Netzwerke etc.)? (vgl. Bundestagsdrucksache 19/154) Zu 1.: Es liegen keine Erkenntnisse vor, ob und in welchem Umfang der türkische Staat Einfluss auf die öffentliche Meinung ausübt. 2. Welche Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche) hat der Berliner Senat über Verbindungen und Einflüsse des türkischen Staates, insbesondere auch des Diyanet und/oder der AKP und/oder anderer Parteien oder Gruppierungen zu islamischen bzw. auf islamische Gemeinschaften in Berlin? Zu 2.: Der türkische Staat hat über das Präsidium für Religionsangelegenheiten der Türkei (im Folgenden: Diyanet) Verbindungen zu den DITIB-Gemeinden in Berlin. Diese Verbindung besteht hauptsächlich über die von Diyanet nach Deutschland entsandten Imame, die von Diyanet bezahlt werden und denen gegenüber das Diyanet Weisungsrecht hat. Die institutionelle Verbindung zwischen Diyanet und den im Ausland tätigen Imamen erfolgt, laut Gutachten von Prof. Dr. Mathias Rohe, über die Botschaftsräte für religiöse Angelegenheiten an den jeweiligen Botschaften sowie die Attachés für religiöse Angelegenheiten an den Generalkonsulaten. (Prof. Dr. Mathias Rohe, M.A.: Gutachten zum Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen in Hessen in Kooperation mit DİTİB Landesverband Hessen e.V. nach Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz, veröffentlicht am 5.12.2017) Seite 2 von 5 Auch in der Satzung des DITIB-Landesverbandes Berlin lässt sich diese institutionelle Verbindung ablesen. Dort ist ein Religiöser Beirat vorgesehen. Die Mitglieder dieses Beirates werden vom Religionsrat des DITIB-Bundesverbandes bestimmt. Der Religiöse Beirat des DITIB-Landesverbandes Berlin hat weitreichende Befugnisse. So ist er berechtigt, gegen alle Entscheidungen der Vorstände (d.h. der Vorstände der einzelnen Mitgliedsmoscheen, der Vorstand des Landesverbandes selbst sowie die Vorstände der Landesfachgruppen (Frauen, Jugend, etc.) Einspruch einzulegen und eine Überprüfung des Beschlusses zu beantragen. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage zum Thema „Strukturen und Machtverhältnisse innerhalb der DITIB; geheimdienstliche Aktivitäten von Diyanet und DITIB sowie des türkischen Geheimdienstes MIT“ (Drucksache 18/12470) festgestellt, dass der DITIB-Bundesverband „tatsächlich und gemäß seiner Satzung an das staatliche Präsidium für Religiöse Angelegenheiten der Türkei in Ankara angebunden ist.“ Der Vorstand des Bundesverbandes hat zudem betont, dass die Ausrichtung auf Diyanet als letztentscheidende Referenz in religiösen Fragen weiterhin unverzichtbar sei. Diyanet untersteht direkt dem türkischen Ministerpräsidenten. In der Satzung der DITIB-Sehitlik-Moschee (Columbiadamm) ist darüber hinaus aufgeführt, dass die Gemeinde ausschließlich Ziele verfolgt, die „mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, der Verfassung des Landes Berlin und der Verfassung der Republik Türkei in Einklang stehen.“ a) In welchem Umfang wird Personal aus der Türkei an welche islamischen Organisationen in Berlin von welcher türkischen Stelle entsandt oder aus- und weitergebildet? Zu 2 a): In den 14 Moscheegemeinden des DITIB-Landesverbandes Berlin sind insgesamt 12 Imame hauptamtlich tätig. Diese Imame sind Angestellte des türkischen Staates. Sie werden von Diyanet für die Dauer von etwa drei bis fünf Jahren entsandt. Gemäß Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Konsequenzen aus der DITIB- Diyanet-Spionage-Affäre sowie antisemitischen Vorfällen und antichristlichen Online- Kampagnen von DITIB-Untergliederungen für die Deutsche Islamkonferenz“ (Drucksache 18/11576) üben die „Religionsattachés der Generalkonsulate der Republik Türkei die Dienstaufsicht über die aus der Türkei entsandten und vor allem in DITIB-Gemeinden tätigen Imame des Präsidiums für religiöse Angelegenheiten der Türkei (Diyanet)“ aus. Nach Angaben der Deutschen Islamkonferenz haben diese Imame „in der Regel die religiösen Mittelschulen bzw. religiösen Gymnasien, die so genannten Imam-Hatip- Schulen absolviert (dabei handelt es sich um staatliche Berufsfachgymnasien für die Ausbildung zum Imam (Vorbeter) und Prediger in der Türkei). Seit etwa 2005 bemüht sich das Diyanet, bevorzugt Imame zu entsenden, die auch ein Studium der Theologie an einer der türkischen Hochschulen abgeschlossen haben.“ (Gutachten Prof. Dr. Mathias Rohe, M.A.) Seit 2007 wird in der Türkei ein theologischer Studiengang für türkischstämmige Studierende aus Deutschland angeboten, welche dann die religiöse Versorgung in Deutschland übernehmen sollen. Von den ungefähr 1.000 in Deutschland bei DITIB tätigen Imamen hatten bis 2016 60 diese Ausbildung durchlaufen. Im Jahr 2017 sollten weitere 50 bis 60 hinzukommen, auch künftig soll diese Entwicklung anhalten. (Gutachten Prof. Dr. Mathias Rohe, M.A.) Seite 3 von 5 b) In welchem Umfang wird finanzielle oder anderweitige Unterstützung (bitte jeweils bekannten Umfang angeben) aus der Türkei an welche islamischen Organisationen in Berlin zu jeweils welchen Konditionen von welcher türkischen Stelle geleistet? Zu 2 b): Es ist nicht bekannt, in welchem Umfang finanzielle oder anderweitige Unterstützung aus der Türkei an islamische Organisationen geleistet wird. Prof. Rohe kommt in dem oben genannten Gutachten zu dem Schluss, dass, außer der Finanzierung der Imame, keine sonstigen Finanzflüsse des Diyanet nach Deutschland bekannt seien. 3. Inwieweit hat der Berliner Senat Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche) über Aktivitäten türkischer Geheimdienste wie des MIT in Berlin? (vgl. Hamburg: http://www.deutschlandfunk.de/tuerkischer-geheimdienst-in-deutschland-prozessbeginngegen .1773.de.html?dram:article_id=395287) Zu 3.: Der in der Frage genannte Link verweist auf einen Artikel des Deutschlandfunks. Hierin wird über den Prozessbeginn in Hamburg gegen einen mutmaßlichen Spion des türkischen Geheimdienstes, der in Deutschland einen ranghohen PKK- Funktionär ausspioniert haben soll, berichtet. Gleichartige Fälle sind hier nicht bekannt. 4. Im Jahr 2017 eröffnete die Generalbundesanwaltschaft elf Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit für türkische Geheimdienste (Bundestagsdrucksache 18/13702, Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 1 bis 5 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE.) Inwieweit ist a) die Berliner Generalstaatsanwalt in die Verfahren involviert? Zu 4 a): Der Generalbundesanwalt hat keines der Verfahren wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Tätigkeit an die Generalstaatsanwaltschaft Berlin abgegeben. b) dem Berliner Senat bekannt, dass in den Verfahren auch geheimdienstliche Aktivitäten in Berlin verhandelt werden? Wenn ja, welche sind das? (Bitte nach Fall und Zeitraum aufschlüsseln) Zu 4 b): Die Frage lässt nicht klar erkennen, ob sich „in Berlin“ auf die geheimdienstlichen Aktivitäten oder auf die Verhandlungen bezieht. Da es sich nicht um Verfahren der Berliner Strafverfolgungsbehörden handelt, lässt sich die Frage jedoch in beiden Auslegungsvarianten von hier aus nicht beantworten. 5. Inwieweit sind dem Berliner Senat Aktivitäten des rockerähnlichen Clubs „Osmanen Germania“ in Berlin bekannt (auch nachrichtendienstliche Kenntnisse)? Wenn ja, welche sind das? Zu 5.: Nach Erkenntnissen der Polizei Berlin haben sich Angehörige der rockerähnlichen Gruppierung „Osmanen Germania“ im November 2015 zu einem (bundesweiten) Treffen in Berlin-Spandau, Altonaer Straße zusammengefunden. Gesicherte Erkenntnisse, dass es zu der im Internet und auf „Facebook“ erklärten Gründung eines Ortsverbandes (Chapter) der „Osmanen Germania“ in Berlin gekommen ist, konnten nicht gewonnen werden. Von den bis zu 80 Personen, die den „Osmanen Seite 4 von 5 Germania Berlin“ angehören sollen, konnte im Rahmen von Kontrollmaßnahmen der Polizei Berlin lediglich acht Personen namhaft gemacht werden, die mit Lederwesten dieser rockerähnlichen Gruppierung angetroffen wurden. Ein Clubhaus in Berlin konnte nicht ermittelt werden. Alle hier bekannten Aktivitäten, einschließlich Informationen über die Auflösung des Charters „Osmanen Germania Berlin“ im August 2016 sowie Übertritte zu anderen Gruppierungen, konnten nur über Veröffentlichungen der „Osmanen Germania“ selbst gewonnen werden. Öffentliche Auftritte einzelner Personen oder einer Gruppe mit Vereinsinsignien in Berlin sind, außer dem genannten Treffen in Spandau, nicht bekannt geworden. Darüber hinaus gehende Erkenntnisse liegen nicht vor. 6. Sind dem Senat Verbindungen zwischen den Osmanen in Berlin und dem türkischen Geheimdienst MIT bekannt? Wenn ja, welcher Art sind diese? (https://www.morgenpost.de/politik/article212273559/Tuerkei-soll-mit-Rockern-der-Osmanen- Germania-kooperieren.html) Zu 6.: Dazu liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. 7. Ausländische Geheimdienste sind auch in Berlin aktiv (https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2017/12/entfuehrung-berlin-trinh-xuan-thanh-vietnamgeheimdienst -.html) : Inwieweit werden politische Aktivisten und politische Flüchtlinge in Berlin vor dem Zugriff ausländischer Geheimdienste geschützt? a) Welche Schutzangebote gibt es? Zu 7 a): Die Schutzangebote der Polizei Berlin reichen von einem Gespräch mit Verhaltensempfehlungen über eine sicherungstechnische Beratung zu Objektschutzmaßnahmen an den Aufenthaltsorten bis hin zu Personenschutzmaßnahmen bzw. einer Kombination mehrerer Maßnahmen in unterschiedlicher Ausprägung. Die konkrete Ausgestaltung der polizeilichen Schutzmaßnahmen richtet sich nach Art und Umfang der Gefährdung und wird in jedem Einzelfall individuell festgelegt. b) Wie viele Personen profitieren aktuell von Schutzangeboten und jeweils von welchen? Zu 7 b): Aus polizeitaktischen Gründen wird weder über die Anzahl der zu schützenden Personen noch über die Schutzmaßnahmen Auskunft erteilt, weil dies die Gefährdung der Personen erhöhen könnte. 8. Inwieweit gab es in den letzten zwei Jahren Hackerangriffe aus der Türkei ähnlich der DDoS- Attacke auf die Webseite des österreichischen Außenministeriums (derstandard.at/2000061121693/Cyberattacke-auf-Aussenministerium-abgewehrt) auf Berliner Landesbehörden (bitte entsprechend der Jahre auflisten)? Zu 8.: Es sind keine Hackerangriffe aus der Türkei bekannt, bzw. wurden seit der Einführung der Meldepflicht für Behörden gemäß Artikel 1 § 23 Abs. 23 E- Government-Gesetz Berlin (EGovG Bln) keine sicherheitsrelevanten Vorfälle an das Berlin-CERT (Computer Emergency Response Team) des ITDZ (IT- Dienstleistungszentrum) Berlin gemeldet. Darüber hinaus liegen keine Erkenntnisse vor. Seite 5 von 5 9. Sofern es Hackerangriffe entsprechend der vorherigen Frage gegeben hat, welche Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche) hat der Berlin Senat darüber, a) wie die Urheber des „Hackerangriffs“ vorgingen, und welche Werkzeuge sie dabei benutzten, b) welche Schäden oder Datenabflüsse entstanden sind (bitte auch die abgeflossene Datenmenge benennen), c) von wem der „Hackerangriff“ untersucht wurde (bitte auch etwaige externe Experten benennen)? Zu 9.: Entfällt. Siehe Antwort zu Frage 8. Berlin, den 23. Januar 2018 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-13072 S18-13072