Drucksache 18 / 13 073 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Paul Fresdorf (FDP) vom 09. Januar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Januar 2018) zum Thema: Besuche der NS-Gedenkstätten von Schulklassen und Antwort vom 24. Januar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. Jan. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Paul Fresdorf (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13073 vom 09. Januar 2018 über Besuche der NS-Gedenkstätten von Schulklassen ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Sind die Besuche von außerschulischen Lernorten in den Rahmenlehrplänen für Berlin und Brandenburg für die Sekundarstufe II in Grund- und Leistungskursen verbindlich vorgesehen und wenn ja in welchen Kursen und wenn nicht, warum nicht? Zu 1.: In allen vier Semestern der gymnasialen Oberstufe ist ein Besuch eines außerschulischen Lernortes für Grund- wie für Leistungskurse im Rahmenlehrplan als Pflichtteil verankert. 2. Falls ja, warum bezieht sich die Verbindlichkeit nur auf die Sekundarstufe II? Zu 2.: Im Rahmenlehrplan für die Sekundarstufe I ist in den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern Geschichte, Politische Bildung und Geografie verbindlich geregelt, dass in jeder Doppeljahrgangsstufe mindestens zwei außerschulische Lernorte besucht werden. 3. Wie sind die außerschulischen Lernorte definiert bzw. welche außerschulischen Lernorte sind genau gemeint ? Zu 3.: Der Begriff „Außerschulischer Lernort“ ist nicht eindeutig definiert und wird in der Regel für alle Orte verwendet, an denen außerhalb von Schulgebäuden Lernprozesse organisiert, - - 2 meist auch in Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern, stattfinden. Wenn im Rahmenlehrplan der Begriff Verwendung findet, sind damit jeweils die für Fachzusammenhänge maßgeblichen Lernumgebungen gemeint. Das können z.B. für das Fach Geschichte Gedenk- bzw. Erinnerungsorte, Gedenkstätten, Museen, Ausstellungen u.a.m. sein. 4. Wurden NS-Gedenkstätten in den letzten fünf Jahren von Berliner Schülerinnen und Schülern im genannten Rahmen von Schulunterricht besucht und wenn ja, welche und wenn nicht, warum nicht? Zu 4.: Der Senat führt keine Statistik über den Besuch von Gedenkstätten im Rahmen von eintägigen Exkursionen. Vorhanden sind ausschließlich Zahlen, die sich aus den bewilligten Zuschussanträgen für Gedenkstättenfahrten gemäß der Ausführungsvorschriften zu Veranstaltungen der Schule (AV Veranstaltungen) ergeben. Daraus geht hervor, dass in den letzten fünf Jahren von Berliner Schülerinnen und Schülern NS-Gedenkstätten regelmäßig im Rahmen von Schulunterricht besucht wurden. Vorrangig handelt es sich dabei um den Besuch von Konzentrationslagern sowie anderen Gedenkstätten und Orten, die mit dem NS-Regime in Verbindung stehen, wie bspw. Museen oder das Jüdische Viertel in Prag. 5. Wie viele Berliner Schülerinnen und Schüler haben insgesamt im Rahmen einer Unterrichtsveranstaltung in den letzten 5 Jahren NS-Gedenkstätten besucht? Bitte listen Sie die Besuchszahlen nach Jahreszahlen auf, beginnend mit dem Jahr 2012. Zu 5.: Die folgende Übersicht zeigt die Anzahl der Berliner Schülerinnen und Schüler, die in den letzten 5 Jahren im Rahmen einer Gedenkstättenfahrt eine NS-Gedenkstätte mit oben genannter Förderung besucht haben. 2012 2013 2014 2015 2016 Anzahl Schülerinnen und Schüler 1.323 1.479 1.540 1.967 1.353 6. Was hat der Berliner Senat konkret an Maßnahmen geplant, um gemäß der Koalitionsvereinbarung der Berliner Landesverbände von SPD, die Linke und Bündnis90/Die Grünen für die Legislaturperiode 2016- 2021 „die Erinnerung aufrecht(zu)erhalten an die Zeit des Nationalsozialismus“ (Koalitionsvereinbarung S.124)? Zu 6.: Der Senat hat 2017 mit der Internationalen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem einen Kooperationsvertrag geschlossen, der umfassende und intensive Fortbildungsmaßnahmen für Berliner Lehrkräfte und pädagogisches Personal aller Berliner NS-Gedenkstätten vorsieht , die in 10-tägigen Fortbildungsreisen in Israel ihre fachlichen und spezifisch auf den Holocaust bezogenen pädagogischen Kenntnisse vertiefen und darauf aufbauend ein Netzwerk zwischen Berliner Schulen und den Gedenkstätten aufbauen sollen. In diesem Zusammenhang arbeitet der Senat intensiv mit dem Haus der Wannseekonferenz und der - - 3 Landeszentrale für politische Bildung zusammen, so dass 2018 die erste Fortbildungsreise inklusive Vor- und Nachbereitung stattfinden wird. Zur Umsetzung der Richtlinien der Regierungspolitik hat der Senat insbesondere die Bildungsarbeit der Berliner Museen und Gedenkstätten qualifiziert und rd. eine Million Euro im Haushalt für 2018/2019 eingestellt. Mit diesen Mitteln sollen die Einrichtungen partizipative Ansätze entwickeln, digitale Angebote ausbauen sowie Angebote entwickeln, um gezielt bislang zu wenig erreichte Zielgruppen anzusprechen. Konkret auf die Zeit des Nationalsozialismus bezogen handelt es sich um die Stiftung Topographie des Terrors, Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand und das Haus der Wannseekonferenz. Außerdem hat der Senat zur ersten Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tischs zur „Historischen Markierung des Tempelhofer Feldes“ im Haushalt 2018/2019 finanzielle Mittel veranschlagt. Der Senat verfolgt weiterhin das Ziel, das Thema NS-Zwangsarbeit in der öffentlichen Wahrnehmung zu stärken. Die Stiftung Topographie des Terrors und das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit wurden daher gebeten, die Federführung für diese konzeptionelle Fragestellung zu übernehmen. Durch das LISUM wird in Zusammenarbeit mit den Berlin-Brandenburgischen Gedenkstätten jährlich die Fachtagung „Forum für zeitgeschichtliche Bildung“ durchgeführt, bei der immer die Zusammenarbeit von Schulen mit Gedenkstätten zur NS- wie DDR-Geschichte thematisiert wird. 7. Wie steht der Senat dazu, dass die im Rahmen einer Unterrichtsveranstaltung stattfindenden Besuche von Berliner Schülerinnen und Schülern im ehemaligen KZ Sachsenhausen kontinuierlich weniger werden? Sind dem Senat die Gründe hierfür bekannt? Wenn nicht, warum nicht? Zu 7.: Die Rückläufigkeit der Besuche von Schülerinnen und Schülern in der Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen wurde durch den Leiter der Einrichtung dem Senat zur Kenntnis gegeben. Daraufhin fand auf Arbeitsebene eine Sitzung auch mit weiteren Leitern von Einrichtungen im Rahmen des Arbeitskreises II NS-Gedenkstätten zur Stärkung der Besucherzahlen statt. Es zeigte sich, dass es viele - auch miteinander konkurrierende - Einrichtungen in Berlin und Brandenburg gibt, so dass die Schlussfolgerung, Schulen würden die Angebote nicht oder rückläufig wahrnehmen, zwar für einzelne Einrichtungen, aber nicht in Gänze greift. Neben den Gedenkstätten zur NS-Geschichte gibt es zunehmend auch eine Vielzahl von Gedenkstätten zur DDR-Geschichte und eine kulturelle Vielfalt von zahlreichen Ausstellungen und Museumsangeboten, die ebenfalls von Schulen wahrgenommen werden. Der Senat hat allen an der Beratung Teilnehmenden angeboten, pädagogische Angebote der Einrichtungen den Schulen zur Kenntnis zu geben, wenn dies gewünscht wird. Darüber hinaus wurde eine Zusammenarbeit mit den Schulberaterinnen und Schulberatern der regionalen Fortbildung vermittelt, um den Besuch der Gedenkstätten zu befördern . Wie die Zahlen zu den Gedenkstättenfahrten zeigen, werden oft Besuche im Rahmen von Klassenfahrten außerhalb von Berlin und Brandenburg genutzt. 8. Wenn die Berliner Schülerinnen und Schüler im Rahmen einer Unterrichtsveranstaltung nicht das ehemalige KZ Sachsenhausen besuchen, welche Gedenkstätten besuchen sie stattdessen und welche davon sind NS-Gedenkstätten? - - 4 Zu 8.: Auch wenn der Senat diese Daten nicht erhebt, ist davon auszugehen, dass die Vielzahl der vorhandenen Möglichkeiten in Berlin und Brandenburg von den Schulen, in unterschiedlichen Umfängen, angenommen werden (siehe: https://www.berlin.de/museum/thema/gedenkstaette/). Aus den Anträgen für Gedenkstättenfahrten ist ersichtlich, dass Berliner Schülerinnen und Schüler von 2012 - 2016 folgende Orte mit den dazugehörenden Gedenkstätten besucht haben: Auschwitz, Theresienstadt, Krakau, Dachau, Albinea, Lublin, Majdanek, Buchenwald, Lublinka, Groß Rosen, Görlitz, Flossenbürg, Westerbork, Ravensbrück, Weimar, Birkenau, Srbsko, Krzyzowa, Treblinka, Prag, Kreisau, Swidnica, Lidice, Bautzen, Golm (Usedom), Amsterdam, Danzig, Stutthoff, Plaszow, Colmar, Minsk. Berlin, den 24. Januar 2018 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie S18-13073 S18-13073