Drucksache 18 / 13 092 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Stefan Evers (CDU) vom 10. Januar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Januar 2018) zum Thema: Städteagenda für die Europäische Union (II) – Armut in Städten und Antwort vom 23. Januar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Jan. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 5 Senatsverwaltung für Kultur und Europa Herrn Abgeordneten Stefan Evers (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei – G Sen – Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18 / 13 092 vom 10. Januar 2018 über Städteagenda für die Europäische Union (II) – Armut in Städten Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Themen werden von der Partnerschaft „Armut in Städten“ im Rahmen der EU- Städteagenda bearbeitet und wie gestaltet sich der weitere Arbeitsplan bis Ende des Jahres? Zu 1.: Die Partnerschaft „Armut in Städten“ hat bisher 13 Aktionen entwickelt. Zwei Aktionen beziehen sich auf Kinderarmut, zwei Aktionen betreffen die Erneuerung benachteiligter Stadtviertel, zwei Aktionen befassen sich mit Obdachlosigkeit, drei Aktionen befassen sich mit der Gefährdung von Roma und vier Aktionen sind integrierte Aktionen , die alle prioritären Bereiche abdecken. Unter anderem wird gefordert, dass neben den Mitteln für die integrierte Stadtentwicklung in der nächsten Förderperiode der EU-Strukturfonds ein bestimmter Anteil für die Armutsbekämpfung vorzusehen sei. Die bisher reservierten Mittel in Höhe von 5% eines Programms seien nicht ausreichend. Die Förderung für die soziale Stadtentwicklung soll daher neu entwickelt und vereinfacht werden. Neben dem Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) seien auch Mittel für den Europäischen Sozialfonds (ESF-Mittel) verpflichtend vorzusehen. Es wird gefordert, eine EU-Politik zur Verringerung der städtischen Armut, die einen gezielten und integrierten Ansatz für die am stärksten benachteiligten Stadtviertel verfolgt, zu formalisieren. Es sollten für den Zeitraum 2021-2027 lokale Pakte zur Erneuerung städtischer benachteiligter Gebiete in einer mehrstufigen, strategischen und mehrjährigen Perspektive vereinbart werden. Seite 2 von 5 Die Partnerschaft schlägt die Verbesserung der statistischen Erfassung und von Armutsindikatoren vor. Eine Garantie für Kinder soll entwickelt und auf europäischer Ebene beschlossen und finanziert werden. Im Bereich Obdachlosigkeit sollten die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, eine integrierte Strategie zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit zu entwickeln und umzusetzen , die den Empfehlungen der Europäischen Konsens-Konferenz zur Obdachlosigkeit von 2010 entspricht. Nach 2020 soll die EU ein integriertes Konzept für die Integration der Roma mit einem Mehr-Ebenen-Ansatz annehmen. Der integrierte Ansatz sollte aus einer koordinierten Strategie und einem ressortübergreifenden Aktionsplan bestehen. Um nachzuweisen , dass die Stadtverwaltungen in der Lage sind, Roma-Integrationsprogramme zu planen und durchzuführen und somit EU-Mittel effektiv einzusetzen, sollten nach 2020 lokale Ex-ante-Konditionalitäten in die Gesetzgebung der EU- Strukturfonds aufgenommen werden und die Roma-Integrationsprogramme Bestandteil sein. Zu den oben genannten Themen wird die Partnerschaft 2018 einen Aktionsplan entwickeln . 2. Wie ist seitens des Senats sichergestellt, dass aus Berliner Sicht bedeutsame Themen hinreichende Beachtung finden bzw. wie gestaltet sich insbesondere das Zusammenwirken mit dem BMUB in dieser Hinsicht? Zu 2.: Da Berlin nicht Mitglied der Partnerschaft ist, beschränkt sich die Beteiligung Berlins auf das Begleiten der Partnerschaft. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz , Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und Eurocities wurden gebeten, regelmäßig über den Stand der Partnerschaft zu berichten. Eine Mitarbeiterin des Landes Berlin nahm im Rahmen des Cities-Forums in Rotterdam am 27.11.2017 am Workshop der Partnerschaft „Armut in Städten“ teil. 3. Werden in Zusammenhang mit der Partnerschaft „Armut in Städten“ auch solche Armutserscheinungen thematisiert, die auf das wirtschaftliche Gefälle innerhalb der EU zurückzuführen sind, beispielsweise die aufgrund der Freizügigkeit drastisch höheren Obdachlosenzahlen in großen deutschen Städten wie Berlin? Zu 3.: Drei der 17 vorgeschlagenen Aktionen widmen sich dem Thema „Obdachlosigkeit“. Die Aktion 3 soll die Indikatoren verbessern. Aktion 9 fordert die Beendigung der Obdachlosigkeit bis 2030 durch die Reform der Strategien zur sozialen Eingliederung auf nationaler Ebene. Aktion 10 schlägt den Kapazitätsaufbau für die Verwendung der EU-Mittel zur Beendigung der Obdachlosigkeit vor. 4. Welche Senatsverwaltung ist federführend für die Begleitung der Partnerschaft „Armut in Städten“ und wie ist dort sichergestellt, dass Belange Berlins insbesondere in die Erarbeitung von Maßnahmeempfehlungen einfließen? Zu 4.: Inhaltlich ist für das Thema „Armut in Städten“ die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales verantwortlich. Die Senatsverwaltung für Kultur und Europa (Bü- Seite 3 von 5 ro des Landes Berlin bei der EU) informiert die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen über den aktuellen Stand in der Partnerschaft. Die Erarbeitung des Aktionsplans ist bereits fortgeschritten. Die Belange Berlins finden sich in einer Vielzahl der vorgeschlagenen Aktionen wieder. 5. Wo sieht der Senat Veränderungsbedarf hinsichtlich europäischer Rechtsetzung beim Thema „Armut in Städten“? Zu 5.: Die Stärkung der sozialen Dimension auf EU-Ebene ist ein zentrales Element für den Integrationsprozess und ein Grundpfeiler des demokratischen Konsenses. Bislang fehlten eine ausreichende Abschätzung und Berücksichtigung der sozialen Folgen insbesondere des fiskalpolitischen Handelns auf Basis sozialpolitischer Zielstellungen der Verträge. Diese sollten bei allen Maßnahmen der Europäischen Union (EU) zukünftig durchgeführt werden. Eine stärkere sozialpolitische Prioritätensetzung der Europäischen Union sowie gemeinsame europäische Grundsätze für existenzsichernde nationale Sozialleistungssysteme sind daher aus Sicht Berlins sowohl für eine bessere Akzeptanz der Europäischen Union als auch für die Bewältigung dieser Herausforderungen erforderlich. Um der Armutsgefährdung und bereits existierender Armut in Europa entgegen zu treten, sind weiterhin die Finanzmärkte zu regulieren, demokratisch überwacht zu kontrollieren, das Volumen des Finanzsektors erheblich zu schrumpfen und seine ökonomische wie politische Machtposition zurückzudrängen . Der Senat begrüßt daher den Ansatz der Europäischen Kommission, mit einer Säule sozialer Rechte dem Grundgedanken einer Sozialunion institutionelle Bedeutung zu verleihen und den Weg der unverbindlichen Empfehlungen zugunsten tatsächlich rechtlich verbriefter Ansprüche zu verlassen. Hierbei sind insbesondere verbindliche Regelungen zu folgenden Punkten in den Blick zu nehmen: Entwicklung europäischer Mindeststandards für nationale Systeme der Grundsicherung und die Unterstützung von Leistungen mit Aktivierungsmaßnahmen; Entwicklung einer europäischen Mindestlohnpolitik, die sicherstellt, dass überall in Europa die Mindestlöhne tatsächlich eine angemessene soziale Teilhabe ermöglichen; Im Rahmen des Europäischen Semesters Implementierung einer makrosozialen Koordinierung, welche der Bekämpfung wirtschaftlicher Ungleichgewichte auf Kosten der beschäftigungs- und sozialpolitischen Bedingungen entgegensteuern soll. Für die sozialpolitische Steuerung sollen die Mitgliedstaaten (finanziell ) durch die EU unterstützt werden. Die fiskalischen und makroökonomischen Richtwerte im Rahmen der Überwachung der Haushaltsdisziplin im Euroraum sollten um Beschäftigungsrichtwerte und soziale Richtwerte ergänzt werden. Gemeinsame Empfehlungen für Sozial- und Bildungsausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) der einzelnen Mitgliedstaaten. Bei allen Maßnahmen der Union ist künftig eine umfassende horizontale soziale Folgenabschätzung auf Basis der sozialpolitischen Zielstellungen der Verträge vorzunehmen. Die soziale Querschnittsklausel des Art. 9 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sollte zu einer sozialen Fortschrittsklausel weiterentwickelt werden. Seite 4 von 5 6. Wo sieht der Senat Veränderungsbedarf hinsichtlich europäischer Förderkulissen beim Thema „Armut in Städten“? Zu 6.: Da sich Problemlagen gerade in Metropolen wie Berlin überlagern und räumlich konzentrieren , ist eine Stärkung der Belange der Städte innerhalb der EU-Politiken und insbesondere innerhalb der künftigen EU-Kohäsionspolitik erforderlich. Die wichtigen Themen der sozialen Inklusion und der Integration werden auch in Zukunft vorwiegend in den Ballungszentren umgesetzt werden müssen. Das Ziel der Städteagenda für die EU, eine bessere Förderung und Finanzierung städtischer Belange zu erreichen , kann nur unter Einbeziehung der Mittel der Kohäsionspolitik erreicht werden. In der aktuellen Förderperiode werden rund 19% der Berliner Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) eingesetzt, um in benachteiligten Stadtquartieren Armut, Arbeitslosigkeit und sozialer Ausgrenzung entgegen zu wirken und die soziale Integration im Rahmen einer nachhaltigen Stadtentwicklung zu verbessern. Es liegt im Interesse Berlins, dass auch künftig Mittel in ausreichender Höhe für die integrierte Stadtentwicklung in benachteiligten Stadtquartieren zur Verfügung stehen werden. Hierbei ist es wichtig, dass der Begriff der Armutsbekämpfung flexibel handhabbar ist. Es muss eine Vielzahl von Maßnahmen sozio-integrativen Inhalts als auch die Bereitstellung von baulichen Infrastrukturen erfasst sein. Das anvisierte Ziel der Armutsbekämpfung sollte die Inhalte der nachhaltigen Stadtentwicklung der aktuellen Förderperiode aufgreifen. Der Vorschlag der Partnerschaft, zwingend eine festgelegte Quote an EFRE- und ESF-Mitteln für Projekte benachteiligter Stadtquartiere in der Förderperiode ab 2021 vorzusehen, ist vor dem Hintergrund einer zu erwartenden Verringerung der Höhe der Strukturfondsförderung zu prüfen, sofern für die kombinierte Förderung nur die Regelungen eines Fonds Anwendung finden würden. 7. Welche weiteren Verbesserungen oder zusätzliche Unterstützung durch die Europäische Union und ihre Institutionen hält der Senat darüber hinaus bei diesem Thema im Rahmen eines späteren Aktionsprogramms für erstrebenswert? Zu 7.: Die Quote für den Einsatz von Strukturfondsmitteln für die städtische Dimension sollte beibehalten bzw. erhöht werden, um städtische Belange und die Umsetzung der Städteagenda für die EU inklusive des bewährten integrierten Ansatzes zu stärken. Dies kann unter dem Begriff der Armutsbekämpfung gefasst werden, soweit den Städten genügend Spielraum eingeräumt wird, um integrierte Strategien umzusetzen, die tatsächlich vor Ort benötigt werden und partizipativ entwickelt wurden (Integrierte Handlungskonzepte). Seite 5 von 5 8. Welche Aktionen könnten und sollten die Partner nach der Auffassung des Senats aufgrund eigener Kompetenzen bzw. in eigener Regie umsetzen? Zu 8.: Da der Aktionsplan noch nicht vorliegt, können noch keine Aussagen getroffen werden , welche Aktionen von den Partnerinnen und Partnern aufgrund eigener Kompetenzen bzw. in eigener Regie umgesetzt werden können. Berlin, den 23.01.2018 In Vertretung Gerry Woop Senatsverwaltung für Kultur und Europa S18-13092 S18-13092