Drucksache 18 / 13 094 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Stefan Evers (CDU) vom 10. Januar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Januar 2018) zum Thema: Städteagenda für die Europäische Union (IV) - Luftqualität und Antwort vom 29. Januar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Feb. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Stefan Evers (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13094 vom 10.01.2018 über Städteagenda für die Europäische Union (IV) - Luftqualität Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Themen werden von der Partnerschaft „Armut in Städten“ im Rahmen der EU-Städteagenda bearbeitet und wie gestaltet sich der weitere Arbeitsplan bis Ende des Jahres? Antwort zu 1: Es wird davon ausgegangen, dass entsprechend des Themas der Anfrage hier die Partnerschaft „Luftqualität“ gemeint ist (und nicht die Partnerschaft „Armut in Städten“). Unter der Koordinierung der Niederlande und unter Beteiligung der Städte Helsinki, London, Utrecht, Mailand, Constanta, und Duisburg, von Eurocities und dem Netzwerk HEAL (Health and Environment Alliance) arbeitet die Partnerschaft „Luftqualität“ mit der Europäischen Kommission und dem Joint Research Centre (JRC) zusammen. Im Rahmen ihrer Arbeit hat sich die Partnerschaft bisher auf vier Themen konzentriert: Thema 1: Modellierung stadtspezifischer Situationen Thema 2: Abbildung von (fehlender) Rechtsetzung und Finanzierung. Thema 3: Bewertung guter Praktiken in der Luftqualität und Ermittlung von Hindernissen. Thema 4: Leitlinien für Aktionspläne zur Luftqualität in Städten. Im Aktionsplan der Partnerschaft vom 01.11.2017 wurden folgende Ergebnisse vorgelegt: Bessere Umsetzung: Die Mitgliedstaaten und die lokalen/regionalen Verwaltungen werden aufgefordert: einen kontinuierlichen Verbesserungsansatz bei den Quellen von Feinstaub und Stickoxiden zu verfolgen und wo immer möglich Maßnahmen zu ergreifen; zu untersuchen, welche Möglichkeiten zur Verbesserung der Kohärenz der Umweltzonen bestehen; 2 auf der Grundlage der Ergebnisse der Partnerschaft Beiträge zu politischen Diskussionen auf EU-Ebene liefern, z. B. im Rahmen des Fitness-Checks der EU- Richtlinien zur Luftqualität und zur Förderung zusätzlicher Maßnahmen für die nationalen Regierungen. Bessere Rechtsetzung: Eine mehrstufige Arbeitsgruppe Governance soll eingerichtet werden, um unregulierte Fragen anzugehen. Diese Arbeitsgruppe sollte sich auf die Lücken in den bestehenden Rechtsvorschriften über die Quellen der Verschmutzung und die Luftqualität von Schadstoffen konzentrieren und Vorschläge unterbreiten, wie die EU/nationalen Rechtsvorschriften angesichts sich ändernder wissenschaftlicher Erkenntnisse relevant bleiben können. Bessere Finanzierung: Für die Ausarbeitung und Umsetzung der nationalen, regionalen und lokalen Luftreinhaltepolitik stehen verschiedene EU-Mittel zur Verfügung, jedoch mangelt es insgesamt an spezifischen Programmen für die Finanzierung von Projekten zur Verringerung der Luftverschmutzung, da diese Finanzierung in der Regel mit anderen gesellschaftlichen Herausforderungen konkurrieren muss. Der Arbeitsschwerpunkt im Jahr 2018 wird auf der Umsetzung der geplanten Aktionen liegen. Dazu werden Arbeitsgruppen eingerichtet, die konkrete Vorschläge erarbeiten sollen. Frage 2: Wie ist seitens des Senats sichergestellt, dass aus Berliner Sicht bedeutsame Themen hinreichende Beachtung finden? Frage 3: Welche Senatsverwaltung ist federführend für die Begleitung der Partnerschaft „Luftqualität“ und wie ist dort sichergestellt, dass Belange Berlins insbesondere in die Erarbeitung von Maßnahmeempfehlungen einfließen? Antwort zu 2 und zu 3: Inhaltlich ist die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz für das Thema „Luftqualität“ verantwortlich. Berlin ist kein Mitglied in der Partnerschaft „Luftqualität“, der Fortgang der Arbeiten der Partnerschaft wird jedoch verfolgt und begleitet. Die Senatsverwaltung für Kultur und Europa (Büro des Landes Berlin bei der EU) informiert die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz über den aktuellen Stand der Aktivtäten. Im Rahmen einer Konsultation zum Entwurf des Aktionsplans hat Berlin sich eingebracht und konnte dazu beitragen, Defizite auf EU-Ebene hinsichtlich des vorhandenen Rechtsrahmens zur Minderung der Schadstoffemissionen an der Quelle und auf nationaler bzw. kommunaler Ebene hinsichtlich der Umsetzung konkreter Minderungsmaßnahmen zu identifizieren. Damit ist sichergestellt, das die Belange Berlins auch in Zukunft in die Erarbeitung von Maßnahmenempfehlungen einfließen. Frage 4: Wo sieht der Senat Veränderungsbedarf hinsichtlich europäischer Rechtsetzung beim Thema „Luftqualität“? 3 Antwort zu 4: Die an den Quellen ansetzenden EU-Regelungen zur Minderung der Emissionen, wie zum Beispiel die Emissionsvorgaben für die Typgenehmigung neuer Kraftfahrzeuge, sind in vielen Fällen zu wenig ambitioniert ausgestaltet, um die Minderung der Schadstoffemissionen in dem für die Einhaltung der Luftqualitätsgrenzwerte erforderlichen Ausmaß bzw. Zeithorizont zu gewährleisten. So wurde beispielsweise der Partikelfilter bei Dieselfahrzeugen erst 2009 bei Pkws und 2014 bei schweren LKWs obligatorisch, obwohl die Feinstaubgrenzwerte bereit 2005 eingehalten werden mussten. Ein ähnliches Missverhältnis besteht bei den Vorgaben für die Stickoxidemission der Kraftfahrzeuge. Hier erwies es sich zusätzlich als nachteilig, dass die europäischen Vorschriften zur Marktüberwachung, also zur Sicherstellung der Einhaltung der emissionsseitigen Vorgaben, sehr mangelhaft ausgestaltet sind und eine Kontrolle der in den Mitgliedstaaten zuständigen Behörden durch die EU-Kommission kaum wirksam erfolgte. Dieser Mangel betrifft auch den Sektor der nicht mobilen Maschinen und Geräte. Im Rahmen der nunmehr beginnenden Überprüfung der Luftqualitätsrichtlinie durch die EU-Kommission und der nachfolgenden Revision der Richtlinie sollte überdies darauf Wert gelegt werden, dass die Luftqualitätsgrenzwerte für PM10 und PM 2,5 dem Stand der Erkenntnis über die schädlichen gesundheitlichen Wirkungen angepasst werden. Auf Grund der Fortschritte bei der Modellierung der Luftschadstoffbelastung sollte den Modellierungsergebnissen bei der Beurteilung der Luftqualität und der Feststellung von Überschreitungen der Luftqualitätsgrenzwerte eine stärkere Bedeutung beigemessen werden. Frage 5: Wo sieht der Senat Veränderungsbedarf hinsichtlich europäischer Förderkulissen beim Thema „Luftqualität“? Antwort zu 5: Die europäische Förderkulisse fokussiert im Bereich Emissionsminderung sehr stark auf Klimagase. Maßnahmen zur Reduzierung von Stickoxiden, die derzeit besonders dringlich sind, können dagegen im Rahmen der Förderkulisse der Europäischen Strukturfonds nicht explizit gefördert werden. Veränderungsbedarf besteht daher bei Einbeziehung von Maßnahmen zur Luftreinhaltung, unabhängig von Maßnahmen des Klimaschutzes oder einer nachhaltigen Mobilität. Dabei müssen die Maßnahmen auf gesamtstädtischer Ebene und nicht wie derzeit begrenzt auf einzelne lokale, eng begrenzte Fördergebiete möglich sein. Denn eng begrenzte Maßnahmen sind für die Luftschadstoffemissionen, die stadtweit oder sogar landesweit wirken, nicht sinnvoll und nur wenig wirksam. Zudem müssen die Förderprogramme auch auf mobile Quellen wie Baumaschinen, Schiffe oder Fahrzeuge anwendbar werden. Frage 6: Welche weiteren Verbesserungen oder zusätzliche Unterstützung durch die Europäische Union und ihre Institutionen hält der Senat darüber hinaus bei diesem Thema im Rahmen eines späteren Aktionsprogramms für erstrebenswert? 4 Antwort zu 6: Im Rahmen eines Aktionsprogramms sollten Kommunen die Möglichkeit erhalten, sich explizit und intensiver bei der bevorstehenden Revision der Luftqualitätsrichtlinie zu beteiligen. Des Weiteren müssen auf EU-Ebene die Emissionsvorschriften entsprechend den Anforderungen angepasst werden, die notwendig sind, um die geforderten Luftqualitätsgrenzwerte einzuhalten. Dies war in der Vergangenheit zum Beispiel bei den Emissionsgrenzwerten für Kraftfahrzeuge der Fall. Hier kam insbesondere die Verschärfung der Emissionsgrenzwerte für Stickoxide zu spät, um die Luftqualitätsgrenzwerte fristgerecht einhalten zu können. Bei Kraftfahrzeugen hat es die EU bisher auch versäumt, eine einheitliche Kennzeichnung des Emissionsniveaus für Fahrzeuge einzuführen, mit der EU-weit nach einem einheitlichen Muster Nutzervorteile eingeräumt oder emissionsabhängige Verkehrsbeschränkungen erlassen werden könnten. Auch sollte die EU die Einführung von Nachrüstsystemen zu Emissionsminderungen von Fahrzeugen unterstützen, damit diese Systeme EU-weit nach einheitlichen Anforderungen auf den Markt kommen können. Dies würde die Verfügbarkeit verbessern und Kosten reduzieren. Derartige regulatorische Maßnahmen sollten durch ein Aktionsprogramm unterstützt werden, um bessere Regelungen und eine bessere Umsetzung zu erreichen. Im Rahmen eines Aktionsprogramms könnten zudem die Anforderungen und die Instrumente für die Erstellung von Luftreinhalteplänen europaweit vereinheitlicht werden. Dies könnte mit geeigneten Modellen und Datenbanken für Modellierungen der Luftqualität und Wirkungsanalysen von Maßnahmen unterstützt werden. Aufgabe eines Aktionsplans könnte es auch sein, Unterstützung bei der Entwicklung von Umsetzungsstrategien für Maßnahmen sowie für die Nutzung der vielfältigen Förderinstrumente zu bieten. Da in der Regel der Straßenverkehr einer der wichtigsten Verursacher hoher Luftbelastungen ist, müsste der Aktionsplan eine Brücke zum Themenfeld nachhaltige Mobilität bauen und die wichtigste Anknüpfungspunkte zur Verkehrspolitik aufzeigen. Frage 7: Welche Aktionen könnten und sollten die Partner nach der Auffassung des Senats aufgrund eigener Kompetenzen bzw. in eigener Regie umsetzen? Antwort zu 7: Ähnlich wie andere Städte, die mit dem Problem der Überschreitung von Luftqualitätsgrenzwerten konfrontiert sind, ist Berlin dabei, seinen Luftreinhalteplan zu überarbeiten und zusätzliche Maßnahmen zur Minderung insbesondere der Stickoxidemissionen zu planen und nachfolgend umzusetzen. Welche dieser zusätzlichen Maßnahmen in eigener Kompetenz realisiert werden können und für welche Unterstützung auf nationaler und/oder europäischer Ebene erforderlich wird, ist Gegenstand der Analyse im Luftreinhalteplan. Berlin, den 29.01.2018 In Vertretung Stefan Tidow ................................ Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz S18-13094 S18-13094