Drucksache 18 / 13 124 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Harald Moritz (GRÜNE) vom 11. Januar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Januar 2018) zum Thema: Berliner Praxis der Umsetzung von Falschparkern und Antwort vom 25. Januar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. Jan 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 5 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Harald Moritz (GRÜNE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13124 vom 11. Januar 2018 über Berliner Praxis der Umsetzung von Falschparkern ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. In wie vielen Fällen wurden in den Jahren 2015, 2016 und 2017 falsch geparkte Kraftfahrzeuge umgesetzt? (Bitte getrennt nach durchgeführter und begonnener Umsetzung, Leerfahrt eines Abschleppfahrzeugs zur Umsetzung und getrennt nach durch Polizei, BVG oder Ordnungsamt veranlasst auflisten) Zu 1.: Auf Grund datenschutzrechtlich vorgeschriebener periodischer Datenauslagerungen bei der Bußgeldstelle können in der nachfolgenden Übersicht nur die Zahlen des Jahres 2017 dargestellt werden. Es wird darauf hingewiesen, dass es im Falle von „Leerfahrten“ zu keiner Umsetzung beziehungsweise keinen technischen Vorbereitungshandlungen am Einsatzort kam, weil Fahrzeugverantwortliche rechtzeitig erschienen sind. 2017 Durchgeführte Umsetzungen 49.589 davon Polizei Berlin 28.070 davon Ordnungsämter 16.309 davon BVG 5.210 Begonnene Umsetzungen 2.118 davon Polizei Berlin 1.082 davon Ordnungsämter 748 davon BVG 288 Leerfahrten 7.048 davon Polizei Berlin 3.931 davon Ordnungsämter 2.043 davon BVG 1.074 Insgesamt 58.755 Datenquelle: BOWI21 Seite 2 von 5 2. In welchen Bereichen wurde in den Jahren 2015, 2016 und 2017 umgesetzt? (Bitte aufschlüsseln nach Busspuren, Radfahrstreifen, Kreuzungen/Fußgängerüberwegen (Fünf-Meter-Bereich) und sonstigen) Zu 2.: Eine Aufschlüsselung nach Verkehrsflächen kann nicht auf Grundlage der tatsächlichen Fallzahlen (wie in der Antwort zu Frage 1.), sondern nur auf der zu den insgesamt eingeleiteten Gebührenverfahren zu Fahrzeugumsetzungen erfolgen. Vor diesem Hintergrund ist die Gesamtzahl der Umsetzungen in den beiden Übersichten nicht identisch. Die Anzahl der jeweiligen Gebührenverfahren kann der nachfolgenden Übersicht entnommen werden: Jahr 2015 2016 2017 Busspuren 8.359 8.177 8.539 Radfahrstreifen 209 419 888 Sonstige Radverkehrsanlagen 439 478 700 5-Meter-Bereiche an Kreuzungen/Einmündungen 2.102 2.096 1.988 5-Meter-Bereiche vor Fußgängerüberwegen 22 66 38 Sonstige 44.148 48.328 49.771 Insgesamt 55.279 59.564 61.924 Datenquelle: Datawarehouse BOWI21, Erfassungsstand 29.12.2017 3. Welche Unterschiede bei den Befugnissen zur Umsetzung gibt es zwischen der Polizei und den Mitarbeitern des Ordnungsamtes (gibt es Unterschiede bei den Mitarbeitern der Ordnungsämter) und Mitarbeitern der BVG? Zu 3.: Im Zusammenhang mit der Überwachung des ruhenden Straßenverkehrs und der Anordnung von Fahrzeugumsetzungen haben lediglich die bezirklichen Dienstkräfte des allgemeinen Ordnungsdienstes (AOD) vergleichbare Befugnisse wie die Polizei Berlin. Die Dienstkräfte im Parkraumüberwachungsdienst der bezirklichen Ordnungsämter überwachen den ruhenden Straßenverkehr nur in den Parkraumbewirtschaftungsgebieten und sind nicht zur Anordnung von Fahrzeugumsetzungen befugt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BVG, die durch Dienstkräfte der Polizei Berlin verkehrsrechtlich beschult wurden, dürfen Verkehrsbehinderungen auf Busspuren sowie im Bereich von Bushaltestellen und Straßenbahngleisen feststellen und über die polizeiliche Auskunfts- und Fahndungsstelle der Einsatzleitzentrale (AusFaSt) notwendige Fahrzeugumsetzungen veranlassen. Die hoheitliche Anordnung erfolgt durch eine polizeiliche Dienstkraft der AusFaSt nach fachlicher Prüfung des übermittelten Sachverhalts. 4. Auf der Internetseite der Polizei werden die Bereiche genannt in denen „mit der Anordnung des Umsetzens gerechnet werden“ muss. Trotzdem zeigt die Praxis, dass trotz festgestelltem Falschparken in den genannten Bereichen nicht zwangsläufig umgesetzt wird. Welche Umstände führen zur tatsächlichen Anordnung der Umsetzung? Zu 4.: Obwohl in den so genannten „Regelfällen des Umsetzens“ wegen der generell einhergehenden oder zu befürchtenden Verkehrsgefährdungen/-behinderungen regelmäßig die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine Umsetzung vorliegen, müssen die Überwachungskräfte unter zwingender Beachtung des gesetzlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes stets eigenverantwortlich sämtliche Seite 3 von 5 Einzelfallumstände der jeweiligen Verkehrssituation am Einsatzort angemessen bewerten (z. B. Tages-/Nachtzeiten und Verkehrslage). Es gilt objektiv abzuwägen, ob die mit dem Umsetzen verbundenen Nachteile für Betroffene nicht gegebenenfalls außer Verhältnis zum erstrebten Erfolg stehen. Insbesondere dann, wenn Betroffene kurzfristig an ihrem Fahrzeug erscheinen, kommt trotz Anzeigenfertigung eine Umsetzung nicht mehr in Betracht. 4.1. Gibt es dafür spezielle Dienstanweisungen oder andere Regularien? Wenn ja, welche? 4.2. Unterscheiden sich diese zwischen der Polizei und den Ordnungsämtern? Wenn ja, welche? Zu 4.1. und 4.2.: Die Verfahrensregelungen und rechtlichen Voraussetzungen sind Inhalt der polizeilichen Geschäftsanweisung über das Umsetzen von Fahrzeugen. Die Dienstkräfte der Ordnungsämter wenden diese analog an. Das beschleunigte Umsetzverfahren unter Beteiligung der BVG wird durch eine gesonderte Geschäftsanweisung geregelt, welche auch dem BVG-Personal als Grundlage dient. 4.3. Oder ist es alleinige Entscheidung des Beamten vor Ort? Zu 4.3.: Auf die Antwort zu Frage 4. wird verwiesen. 5. Wie kann es vorkommen, dass in einer Halteverbotsstrecke mit dem Zeichen 283 angezeigte Falschparker zwar einen Strafzettel bekommen, aber nicht umgesetzt werden, obwohl das Haltverbot der Schulwegsicherung dient und das Falschparken in der Zeit des Schulweges erfolgte? Zu 5.: Es wird auf die Antwort zu Frage 4. (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) verwiesen. Das verkehrswidrige Parken im Bereich des Zeichens 283 (Absolutes Haltverbot) gilt im Sinne der einschlägigen Geschäftsanweisung nur dann als Regelfall des Umsetzens, wenn daraus gefährliche Fahrstreifenwechsel oder eine erhebliche Staubildung resultieren oder das Zeichen zur Förderung des ÖPNV oder vor Kreuzungen und Einmündungen zur Verbesserung der Sichtbedingungen zwischen abbiegenden Kraftfahrzeugen und Radfahrenden eingerichtet worden ist. 6. Muss vor der Anordnung einer Umsetzung versucht werden die Fahrzeugführer*in oder die Fahrzeughalter*in die Gelegenheit zum selbst entfernen des Fahrzeugs gegeben werden? 6.1. Wenn ja, auf welcher rechtlichen Verpflichtung beruht dieses Vorgehen? 6.2. Muss, wenn z.B. eine Handynummer sichtbar im Fahrzeug angebracht ist, diese Nummer zur Vermeidung der Umsetzung angerufen werden? Wenn ja, warum? Zu 6., 6.1. und 6.2.: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beinhaltet, etwaige mildere Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu ergreifen. Insofern werden zumindest bei Fahrzeugen mit deutschen Kennzeichen die Fahrzeughalterinnen bzw. Fahrzeughalter ermittelt, um diese gegebenenfalls kurzfristig zum sofortigen Wegfahren des Fahrzeuges auffordern zu können. Dies gilt nicht, wenn - das Umsetzen zur Beseitigung einer Gefahr so dringend ist, dass die mit einer Ermittlung verbundene Zeitverzögerung nicht vertretbar wäre, Seite 4 von 5 - das Umsetzen aus z. B. Geschäftsstraßen mit überwiegendem Fremdverkehr dringend ist oder - das Umsetzen an Örtlichkeiten erfolgen soll, in deren Umfeld keine potentiellen Aufenthaltsorte von Verantwortlichen erkennbar sind. Weil blockierte Busspuren, Haltestellen und Straßenbahngleise regelmäßig eine besondere Eilbedürftigkeit zur Beseitigung von Verkehrsbehinderungen erfordern, müssen vom BVG-Personal grundsätzlich keine Aufenthaltsermittlungen Fahrzeugverantwortlicher durchgeführt werden. Ein entsprechender Hinweis im Fahrzeug ist nur dann beachtlich, wenn aus dem Inhalt eindeutig zu schließen ist, dass die Gefahr bei Anruf oder Aufsuchen tatsächlich kurzfristig beseitigt werden könnte. Dazu bedarf es zusätzlich zur Telefonnummer mindestens auch eines konkreten Hinweises zum Aufenthaltsort. 7. Gibt es im Land Berlin genügend Abschleppunternehmen bzw. Abschleppfahrzeuge um in ausreichend kurzer Zeit Umsetzungen vorzunehmen bzw. würden sie noch ausreichen, wenn häufiger umgesetzt würde? Zu 7.: Die aktuelle Vertragslage fordert von den Abschleppunternehmen eine Eintreffzeit am Einsatzort innerhalb von 30 Minuten nach der Auftragsvergabe. Diese Vorgabe wird stadtweit ganz überwiegend eingehalten. Insofern erscheinen die Kapazitäten unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Bedürfnisse als noch ausreichend. Sich verändernde Bedingungen würden bei künftigen Ausschreibungen angemessen berücksichtigt werden. 7.1. Werden bzw. unter welchen Bedingungen werden die Umsetzungsleistungen ausgeschrieben? Zu 7.1.: Die polizeilich erwarteten Vertragsleistungen werden zentral durch die zuständige Bußgeldstelle beim Polizeipräsidenten in Berlin europaweit ausgeschrieben. Dabei erfolgt die Aufteilung des Stadtgebietes in verschiedene örtliche Lose. Auf Basis von Fallzahlen und Erfahrungswerten vergangener Perioden wird über die vorgegebene Eintreffzeit hinaus insbesondere auch die Anzahl der mindestens bereitzuhaltenden Arbeitsfahrzeuge pro Los definiert. 8. Welche Initiativen gibt es im bzw. vom Land Berlin um die hohe Anzahl von verkehrsgefährdenden Falschparkern zu reduzieren? Zu 8.: Dienstkräfte der Polizei Berlin führten 2016 und 2017 (wiederholt) mehrtägige stadtweite Verkehrsüberwachungsaktionen im Zusammenwirken mit Dienstkräften der Ordnungsämter und Mitarbeitenden der BVG durch, um verkehrswidriges Halten und Parken auf Busspuren, Radverkehrsanlagen und in zweiter Reihe gezielt und intensiv zu verfolgen. Die Maßnahmen wurden im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit umfangreich dargestellt, um insbesondere die Fahrzeugführenden für die besonderen Gefahren, die aus solchen Fehlverhaltensweisen resultieren, zu sensibilisieren und zur Rechtslage zu informieren. Diese gezielten Maßnahmen werden fortgeführt. Darüber hinaus arbeiten die zuständigen Stellen der Verwaltung und die Berliner Verkehrsbetriebe – Anstalt öffentlichen Rechts (BVG AöR) gemeinsam an einer Seite 5 von 5 effektiven Eindämmung von Behinderungen und Störungen des Oberflächenverkehrs der BVG. Die in diesem Zusammenhang bereits ergriffenen und geplanten organisatorischen Maßnahmen sollen zur Beschleunigung von Umsetzverfahren im Bereich von Haltestellen und Bussonderfahrstreifen beitragen. 8.1. Hält der Senat die Höhe der Bußgelder für Falschparken für ausreichend um das Falschparken einzudämmen? Oder sollte es erhöht werden? 8.2. Müssen, mindestens zur Eindämmung von verkehrsgefährdenden Falschparkern, weitere landesoder bundesrechtlichen Regelungen getroffen oder bestehende verschärft werden? Zu 8.1. und 8.2.: Die Höhe der Bußgelder für das Falschparken ist in der Verordnung über die Erteilung einer Verwarnung, Regelsätze für Geldbußen und die Anordnung eines Fahrverbotes wegen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr (Bußgeldkatalog- Verordnung – BKatV) geregelt. Da es sich hierbei um eine Bundesverordnung handelt, fällt die Anpassung der Höhe der Verwarnungsgelder durch eine Änderung der BKatV in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Das Land Berlin hat sich in den Jahren 2016 und 2017 für eine grundlegende, ganzheitliche Überarbeitung der BKatV und, zusammen mit Hamburg, für eine Erhöhung der Regelsätze für bestimmte Tatbestände (Park- und Halteverstöße auf Radwegen, Schutzstreifen für Radfahrende, Bussonderfahrstreifen und Haltestellen für den ÖPNV) eingesetzt. Zu den Bestrebungen der Anpassung der BKatV hat sich das BMVI jedoch in der jüngeren Vergangenheit zurückhaltend verhalten. Mit Blick auf die Initiative von Berlin und Hamburg zur Erhöhung der Verwarnungsgelder ist zu berücksichtigen, dass Berlin andere Schwerpunkte setzt als andere Länder, insbesondere die Flächenländer. Parken ist in einer Stadt wie Berlin mit hoher Bevölkerungsdichte und hohem Verkehrsaufkommen, das insbesondere auch im Bereich des Radverkehrs und des ÖPNV zunimmt, von besonders großer Bedeutung. Hinsichtlich weiterer landesrechtlicher Regelungen zur Eindämmung von verkehrsgefährdenden Falschparkenden wird insbesondere auch auf das derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindliche Mobilitätsgesetz für Berlin verwiesen, das Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit vorsieht (insbesondere verkehrssichere Verkehrsinfrastruktur, Ausweitung der örtlichen Fahrradstreifen der Polizei Berlin unter Beachtung der gesamtbehördlichen Aufgaben und Ressourcen sowie kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit zur Verkehrssicherheit). Zudem soll nach dem Entwurf des Mobilitätsgesetzes eine möglichst sichere sowie behinderungs- und störungsfreie Nutzbarkeit von Fußwegen, Fahrwegen des Radverkehrs und von Fahrwegen und Haltestellen des ÖPNV sowie von Liefer- und Ladezonen gewährleistet werden. Hierzu sind – unter Berücksichtigung der gesamtbehördlichen Aufgaben und Ressourcen bei der Polizei Berlin und den bezirklichen Ordnungsämtern – die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Berlin, den 25. Januar 2018 In Vertretung Christian Gaebler Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-13124 S18-13124a