Drucksache 18 / 13 166 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Daniel Wesener (GRÜNE) vom 15. Januar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Januar 2018) zum Thema: Transparenz bei Intendant*innen-Gehältern und Antwort vom 26. Januar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Feb. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Kultur und Europa Herrn Abgeordneten Daniel Wesener (Bündnis90/Die Grünen) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei – G Sen – Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18 / 13 166 vom 15. Januar 2018 über Transparenz bei Intendant*innen-Gehältern Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie weit sind die Pläne des Senats gediehen, mehr Transparenz zu schaffen bei der Vergütung von Intendant*innen und anderen Leitungsfunktionen künstlerischer Institutionen, die vom Land getragen bzw. maßgeblich mit öffentlichen Mitteln finanziert werden? Wie ist der aktuelle Arbeitsstand , wie das weitere Prozedere? Zu 1.: Mit Wirkung vom 1. Mai 2011 ist das Zweite Gesetz zur Herstellung von Transparenz bei Beteiligungen des Landes Berlin an privatrechtlichen Unternehmen und in öffentlichen Unternehmen des Landes Berlin (Zweites Vergütungs-und Transparenzgesetz ) in Kraft getreten. Im Rahmen dieses Gesetzes wurde § 65a der Landeshaushaltsordnung (LHO) geändert und die §§ 65b, 65c und 65d LHO neu in die LHO eingefügt . § 65a LHO verpflichtet das Land Berlin, sicherzustellen bzw. darauf hinzuwirken, dass in den Gesellschaftsverträgen oder Satzungen der privatrechtsförmigen Beteiligungsgesellschaften die Verpflichtung aufgenommen wird, dass für jedes namentlich benannte Mitglied aller Organe des jeweiligen Unternehmens die für die Tätigkeit im Geschäftsjahr gewährten Gesamtbezüge, jeweils einzeln aufgegliedert nach festen und variablen Bestandteilen und Auflistung der Einzelbestandteile (Gehälter, Gewinnbeteiligungen , Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen und Nebenleistungen jeder Art, vertragliche Vereinbarungen über Ruhegehälter), im Anhang zum Jahresabschluss oder an anderer geeigneter Stelle angegeben werden. Dies gilt auch für Abfindungen, gewährte Zulagen und Kredite. Seite 2 von 4 Nach §§ 65b und 65d LHO haben Landesbetriebe und Sondervermögen sowie Körperschaften , Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts für jedes namentlich benannte Mitglied aller Organe des jeweiligen Unternehmens die für die Tätigkeit im Geschäftsjahr gewährten Gesamtbezüge, jeweils einzeln aufgegliedert nach festen und variablen Bestandteilen und Auflistung der Einzelbestandteile (Gehälter, Gewinnbeteiligungen , Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen und Nebenleistungen jeder Art, vertragliche Vereinbarungen über Ruhegehälter) sowie Abfindungen, gewährte Zulagen und Kredite zu veröffentlichen. Bei Zuwendungen zur institutionellen Förderung hat die Zuwendungsempfängerin oder der Zuwendungsempfänger gemäß § 65c LHO für jedes namentlich benannte Mitglied der Geschäftsleitung mit außertariflicher Vergütung die für die Tätigkeit im Geschäftsjahr gewährten Bezüge (Gehälter, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen , Versicherungsentgelte, Provisionen und Nebenleistungen jeder Art), einzeln und aufgegliedert nach erfolgsunabhängigen und erfolgsbezogenen Bestandteilen , im Verwendungsnachweis anzugeben. Dies gilt auch für Abfindungen, gewährte Zulagen und Kredite. Für Geschäftsleitungen ohne außertarifliche Vergütung können die Vergütungen anhand der im Stellenplan angegebenen Entgeltgruppen nachvollzogen werden; diese werden regelmäßig dem Abgeordnetenhaus gemäß Auflagenbeschluss zur Verfügung gestellt. In einem Schreiben der Senatsverwaltung für Finanzen zur Umsetzung des Zweiten Vergütungs-und Transparenzgesetzes vom 30. Mai 2011 heißt es: „Haushaltsrecht greift nicht unmittelbar in Rechte und Pflichten natürlicher Personen ein, doch können sich aus haushaltsrechtlichen Regelungen Folgerungen ergeben, wenn Organe Empfänger oder Verwalter öffentlicher Mittel sind. Die individualisierte Offenlegung berührt jedoch datenschutzrechtliche Belange, sodass eine schriftliche Einwilligung der Betroffenen unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Vorschriften erfolgen sollte.“ Vor diesem Hintergrund ist die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) zu berücksichtigen , die am 25. Mai 2018 wirksam wird. Nach dem Erwägungsgrund 43 der DS-GVO sind generell hohe Anforderungen an die Freiwilligkeit der Einwilligung zu stellen. Einem diesbezüglichen Hinweis der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vom 14. Dezember 2017 zufolge, sind Einwilligungen in eine Datenverarbeitung – wie sie die Veröffentlichung von Gehältern darstellt – gegenüber einer öffentlichen Stelle grundsätzlich unzulässig. Auch wenn § 26 Abs. 2 S. 1 und 2 des neuen Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG neu), das am 25. Mai 2018 in Kraft tritt, weiterhin von der grundsätzlichen Zulässigkeit der datenschutzrechtlichen Einwilligung im Beschäftigungsverhältnis ausgeht, stellt diese Vorschrift hohe Anforderungen an die Freiwilligkeit. Seite 3 von 4 Nach dieser Vorschrift sind für die Beurteilung der Freiwilligkeit der Einwilligung insbesondere die im Beschäftigungsverhältnis bestehende Abhängigkeit der beschäftigten Person sowie die Umstände, unter denen die Einwilligung erteilt worden ist, zu berücksichtigen, wenn die Verarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten auf der Grundlage einer Einwilligung erfolgt. Freiwilligkeit kann insbesondere vorliegen , wenn für die beschäftigte Person ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Vorteil erreicht wird oder Arbeitgeber und beschäftigte Person gleich gelagerte Interessen verfolgen. Es ist daher abzuwägen, ob die bisherige Rechtsanwendung fortgeführt werden soll, d. h. ob die Offenlegung weiterhin auf die Einwilligung der Betroffenen gestützt werden kann, oder ob eine gesetzliche Grundlage herangezogen werden muss. 2. Ist bereits absehbar, ob der Senat in diesem Zusammenhang individuelle, vertragsrechtliche Regelungen anstrebt oder ob das Ziel einer allgemein verbindlichen, ggf. gesetzlichen Regelung verfolgt wird? Welche Rolle spielen in den Überlegungen Erfahrungen mit Berlins Landesunternehmen oder in anderen Bundesländern, wie z.B. dem Hamburger Transparenzgesetz? Zu 2.: Mit Blick auf die systematische Stellung §§ 65a - 65d LHO und aus Erwägungen der Rechtssicherheit sollte eine neue gesetzliche Regelung verstärkt in Erwägung gezogen werden. Dabei werden auch Beispiele wie Regelungen aus anderen Ländern, insbesondere das Schleswig-Holsteinische Gesetz zur Offenlegung von Bezügen und sonstigen Leistungen bei Unternehmen in der Rechtsform einer landesunmittelbaren juristischen Person des öffentlichen Rechts, bei deren Unternehmensbeteiligungen und bei institutionell geförderten Zuwendungsempfängerinnen und Zuwendungsempfängern (Vergütungsoffenlegungsgesetz – VergütungsOG) vom 07.07.2015 (Gesetzund Verordnungsblatt, GVOBl. 2015, 200, 201) ausgewertet. 3. Ist bereits absehbar, für welche städtischen Bühnen, künstlerischen Institutionen und Kultureinrichtungen eine etwaige Neuregelung Anwendung finden würde? Wie steht es mit Festivals oder künstlerischen Reihen? Welche Rechtsformen sind ein- bzw. ausgeschlossen und warum? Wie hoch muss der Anteil der öffentlichen Förderung am Gesamtetat für eine Offenlegung mindestens sein und warum? Zu 3.: Die Offenlegung soll möglichst umfassend erfolgen. Ausgangspunkt sind hier die §§ 65a - 65d LHO. Diese Regelungen adressieren privatrechtsförmige Beteiligungsunternehmen (§ 65a LHO), Landesbetriebe und Sondervermögen (§ 65b LHO), sowie Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts (§ 65d LHO). Ein genereller Ausschluss einzelner Rechtsformen ist nicht vorgesehen. Soweit es um die Vergütungen der Leitungspersonen von Festivals und künstlerischen Reihen geht, kommt es auf die Rechtsform der Trägereinrichtung an. Für die in § 65c LHO adressierten Zuwendungsempfängerinnen und Zuwendungsempfänger bei Zuwendungen zur institutionellen Förderung ist bisher, über die im Verwendungsnachweis zu machenden Angaben hinaus, keine Veröffentlichung der Seite 4 von 4 Vergütungen vorgesehen, siehe hierzu aber für die Geschäftsleitungen ohne außertarifliche Vergütung die Antwort zur Frage 1. Soweit aber eine gesetzliche Regelung erwogen wird, bietet sich eine Orientierung am Beispiel von § 5 des Schleswig-Holsteinischen VergütungsOG an. Danach ist eine Gewährung von Zuwendungen bei institutionell geförderten Zuwendungsempfängerinnen und Zuwendungsempfängern ab einer Quote von mehr als 50 % der öffentlichen Forderung nur unter der Maßgabe der Verpflichtung der dortigen Leitungspersonen zur Veröffentlichung der Vergütungen zulässig. Soweit es sich um Einrichtungen der in den in §§ 65b und 65d LHO genannten Rechtsformen handelt, kommt es auf eine Quote der öffentlichen Förderung am Gesamtetat nicht an. Auch die bisherige Hinwirkung auf die bzw. Sicherstellung der Offenlegung der Vergütung bei privatrechtsförmigen Beteiligungsunternehmen gemäß § 65a LHO setzt keine bestimmte Quote voraus. 4. Wie bewertet der Senat den Umstand, dass die Vergütung einzelner Intendant*innen städtischer Bühnen bekannt bzw. zur Veröffentlichung vorgesehen ist, aber in den meisten anderen Fällen nicht erfolgt? Wie ist diese Ungleichbehandlung zu rechtfertigen? Zu 4.: Nach der bisherigen Rechtsanwendung hängt die Veröffentlichung der Vergütungen von der freiwilligen datenschutzrechtlichen Einwilligung der betroffenen Leitungspersonen ab. Bei dieser Verfahrensweise handelt es sich nicht um eine Ungleichbehandlung , da es allen betroffenen Leitungspersonen bisher gleichermaßen freisteht, die Einwilligung zu erteilen, oder diese aber zu verweigern. 5. Wie verfährt der Senat zwischenzeitlich bei Vertragsverhandlungen über vakante Intendanzen bzw. künstlerische Leitungspositionen: Sind Neuverträge so auszugestalten, dass Vergütungen offengelegt werden? Zu 5.: Bis auf Weiteres wird nach Vertragsschluss die datenschutzrechtliche Einwilligung der betroffenen Leitungspersonen angeregt. Eine Verknüpfung von Vertrag und Einwilligung begegnet datenschutzrechtlichen Bedenken, weil die Offenlegung der Vergütungen dann für den Vertragsabschluss von den Betroffenen in Kauf genommen werden könnte. Dies kann sich negativ auf die nach Datenschutzrecht erforderliche Freiwilligkeit einer Einwilligung auswirken und deren Unwirksamkeit zur Folge haben. Berlin, den 26.01.2018 In Vertretung Dr. Torsten Wöhlert Senatsverwaltung für Kultur und Europa S18-13166 S18-13166