Drucksache 18 / 13 299 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) vom 16. Januar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Januar 2018) zum Thema: Unbegleitete minderjährige Geflüchtete in Berlin und Antwort vom 14. Februar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Feb. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Frau Abgeordnete Marianne Burkert-Eulitz (Bündnis 90/Die Grünen) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13 299 vom 16. Januar 2018 über Unbegleitete minderjährige Geflüchtete in Berlin ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele unbegleitete minderjährige Ausländer (UMAs) kamen im Jahr 2017 nach Berlin (mit Aufschlüsselung nach Monaten)? Zu 1.: Im Jahr 2017 wurden 912 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) in Berlin in der zentralen Erstaufnahmestelle neu registriert und untergebracht. Innerhalb von weniger Tage wurde die Minderjährigkeit nach einer qualifizierten Inaugenscheinnahme bei ca. 60% der Personen bestätigt und der Jugendliche in Obhut genommen. Tabelle 1 führt die monatliche Aufschlüsselung auf. Tabelle 1: Neuregistrierte UMF 2017 nach Monaten Jan. 17 Feb. 17 März 17 April 17 Mai 17 Juni 17 Juli 17 August 17 Sept. 17 Okt. 17 Nov. 17 Dez. 17 gesamt 84 55 65 61 51 75 83 110 75 75 92 86 912 2. Wie viele UMAs sind derzeit in Berlin gemeldet (mit Auflistung nach Zuständigkeit der Senatsverwaltung und der Bezirke)? Zu 2.: In Berlin sind am 01.02.2018 1.357 UMF gemeldet. Davon befinden sich 150 in der Obhut des Landesjugendamtes und 1.207 in der Obhut der Bezirksjugendämter. Die Aufschlüsselung nach Bezirken kann der Tabelle 2 entnommen werden. 2 Tabelle2: Anzahl UMF in Obhut der Bezirke Bezirk Anzahl Bezirk Anzahl Mitte 55 Tempelhof-Schönebg 123 Friedrichshain-K. 51 Neukölln 165 Pankow 100 Treptow-Köpenick 80 Charlottenburg-W. 213 Marzahn-Hellersdorf 84 Spandau 58 Lichtenberg 100 Steglitz-Zehlendorf 103 Reinickendorf 75 3. Wie viele UMAs haben im Jahr 2017 das Clearingverfahren abgeschlossen? Wie viele der Verfahren wurden mit der Feststellung der Minderjährigkeit abgeschlossen (jeweils mit der Bitte nach Auflistung nach Monaten)? Zu 3.: Im Jahr 2017 haben 697 UMF das Clearingverfahren abgeschlossen und sind in die Zuständigkeit der Bezirksjugendämter übergegangen. Darunter befinden sich auch UMF, die sich bereits seit 2016 in Obhut des Landesjugendamtes befanden und den bezirklichen Jugendämtern erst zugewiesen werden konnten, nachdem ein Jugendhilfeplatz verfügbar war. Tabelle 3 führt die monatliche Aufschlüsselung auf. Tabelle 3: Anzahl UMF, die in die Zuständigkeit eines Bezirksjugendamtes in 2017 übergegangen sind Jan. 17 Feb. 17 März 17 April 17 Mai 17 Juni 17 Juli 17 August 17 Sept. 17 Okt. 17 Nov. 17 Dez. 17 gesamt 82 84 96 86 59 50 64 57 38 19 31 31 697 4. Wie viele UMAs befinden sich derzeit noch im Clearingverfahren? Zu 4.: Am 01.02.2018 befanden sich 150 UMF im Clearingverfahren, davon 11 im Vorclearingverfahren. 5. Wie viele Plätze für UMAs gibt es in Einrichtungen des Landes Berlin und wie sind diese derzeit belegt (aufgeteilt nach Clearing und allgemeinen stationären Hilfen)? Zu 5.: In Berlin standen am 01.02.2018 in einer Vorclearing- und in sechs Clearingeinrichtungen insgesamt 210 Plätze zur Verfügung. Die Gesamtauslastung beträgt am 01.02.2018 knapp 80 %. Nach Übergang in die Zuständigkeit der Bezirke stehen grundsätzlich alle Angebotsformen der Hilfe zur Erziehung allen Personen mit entsprechendem Hilfebedarf zur Verfügung. Auch für den Personenkreis der unbegleiteten, minderjährigen Ausländer (UMA) gibt es dazu keine abweichende Regelung. 6. Wie viele UMAs werden in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht? Wie wird sichergestellt, dass diese Einrichtungen die Anforderungen an den Kinderschutz sicherstellen? 3 Zu 6.: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden nach der Geschäftsverteilung des Senats nicht in Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften, die im Auftrag des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) betrieben werden, untergebracht. Vielmehr werden minderjährige Flüchtlinge und Asylsuchende, die ohne Eltern oder eine bevollmächtigte Begleitperson in Berlin einreisen, zur Vermeidung von Obdachlosigkeit durch die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie/das Landesjugendamt in Obhut genommen. Daher werden minderjährige Geflüchtete bei der Vorsprache im Ankunftszentrum unverzüglich an die Erstaufnahme- und Clearingstelle (EAC) für alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in Berlin-Zehlendorf weitergeleitet. 7. Wie wurde das im Koalitionsvertrag vereinbarte mobile Team zur Information und Beratung zum Kinderschutz in Einrichtungen für Geflüchtete umgesetzt? Zu 7.: Zur Sicherung des Kinderschutzes in allen Berliner Unterbringungseinrichtungen für Geflüchtete wird im Rahmen des „Netzwerk Kinderschutz“ ein vom Land finanziertes überbezirklich agierendes mobiles Schulungsteam Kinderschutz eingerichtet. Zur Durchführung und Umsetzung des Projektes hat das Land Berlin die notwendigen Voraussetzungen im Haushaltsgesetz 2018/2019 geschaffen und Haushaltsmittel in Höhe von jeweils 300.000 € jährlich zur Verfügung gestellt. Das mobile Team soll sukzessiv flächendeckende Kinderschutzfortbildungen für Leitungskräfte, Sozialdienste, technische Kräfte und Wachschutzteams durchführen. Vorgesehene Schulungsbausteine sind u.a. die Vermittlung des Berliner Kinderschutzverfahrens und der Jugendhilfestrukturen in Berlin. Ziel ist es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hinsichtlich des Kinderschutzes zu sensibilisieren und zu informieren, aber keine Einzelfallberatung durchzuführen. Nach der Aufnahme von Kinderschutzstandards in den Betreiberverträgen für Flüchtlingseinrichtungen wird die Schulung mit den 16 Einrichtungen beginnen, die diese Verträge bereits unterschrieben haben bzw. unterschreiben werden. Das Projekt wird in Federführung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie und in Kooperation mit der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales bzw. Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten und den Bezirken umgesetzt. Gegenwärtig wird an der Ausschreibung des Projektes gearbeitet. Die Auswahl des Trägers und der Vertragsabschluss werden im Laufe des Monats März dieses Jahres erfolgen, so dass das mobile Schulungsteam seine Arbeit voraussichtlich im April/Mai diesen Jahres aufnehmen kann. 8. Für wie viele UMAs, die im Jahr 2017 volljährig wurden, wurden Jugendhilfemaßnahmen über das 18. Lebensjahr hinaus verlängert, wie oft wurden sie abgelehnt, wie oft wurden diese nicht beantragt (Bitte aufgeschlüsselt nach Monaten und Bezirken)? Zu 8.: Bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die während der Inobhutnahme durch das Landesjugendamt volljährig geworden sind, wird nach den Vorgaben des § 41 Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Hilfe für junge Volljährige) verfahren, d.h. der junge Mensch wird darüber informiert, dass er 4 oder sie einen Antrag auf Hilfen zur Erziehung für junge Volljährige stellen kann und die Träger der sozialpädagogischen Betreuung haben den Auftrag, einen möglichen weiteren Jugendhilfebedarf darzulegen. Das Landesjugendamt bittet dann das zuständige bezirkliche Jugendamt zu prüfen, ob ein weiterer Jugendhilfebedarf besteht. Wird dieser bejaht, erfolgt eine Übernahme durch das zuständige Jugendamt und die Einleitung einer entsprechenden Anschlusshilfe. Wird der Jugendhilfebedarf durch das Jugendamt verneint, erfolgt eine Überleitung aus der Clearingeinrichtung an das LAF in einem für diese Zielgruppe gesondert vereinbarten Verfahren. Die Aufstellung der Ergebnisse zur Prüfung des Bedarfs auf Jugendhilfe für junge Volljährige kann der Tabelle 4 entnommen werden. Angaben zu nicht bewilligten Anträgen liegen gesamtstädtisch nicht vor, jedoch erhalten in den Bezirken am 01.02.2018 983 junge volljährige UMA Jugendhilfeleistungen. Tabelle 4: Entscheidung über Antrag auf Jugendhilfe für junge Volljährige für UMF in Obhut des Landesjugendamtes nach Bezirk und Monat in 2017 Bezirk Jugendhilfe gemäß § 41 SGB VIII Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Summe Charlottenburg- Wilmersdorf abgelehnt 1 1 1 3 genehmigt 1 4 2 1 3 1 1 13 Friedrichshain- Kreuzberg abgelehnt 1 1 1 1 4 genehmigt 1 2 1 1 5 Lichtenberg abgelehnt 2 2 genehmigt 3 1 2 2 8 Marzahn- Hellersdorf abgelehnt 2 1 3 genehmigt 1 1 2 Mitte abgelehnt 1 1 1 3 genehmigt 1 2 1 1 2 1 1 1 10 Neukölln abgelehnt 1 1 1 3 genehmigt 3 2 2 2 3 1 13 Pankow abgelehnt 1 1 2 genehmigt 1 2 1 1 1 2 8 Reinickendorf abgelehnt 1 1 1 3 genehmigt 2 2 1 1 2 2 1 11 Spandau abgelehnt 2 1 3 genehmigt 1 2 1 1 5 Steglitz- Zehlendorf abgelehnt 1 1 2 1 5 genehmigt 1 2 3 1 2 1 2 1 13 Tempelhof- Schöneberg abgelehnt 1 1 1 3 genehmigt 3 1 2 1 1 8 Treptow- Köpenick abgelehnt 1 2 2 1 1 7 genehmigt 1 2 2 2 1 8 Summe 23 15 22 17 13 19 10 8 9 3 2 4 145 9. Wie viele UMAs befinden sich in einer Schulausbildung (bitte nach Anzahl und Schularten aufgeschlüsselt)? 5 Zu 9.: Zum Stichtag 15.01.2018 wurden die Träger der Vorclearing- und Clearingstellen des Landesjugendamtes aufgefordert, für die von ihnen betreuten UMF den aktuellen Schulstand mitzuteilen. Es wurden Daten für 137 UMF zurück gemeldet. Die Schulbesuchsquote entspricht mit etwa 55 % dem erwarteten Wert unter der Berücksichtigung einer dreimonatigen Vorclearing- und Clearingphase. Der Schulbesuch ist frühestens 4 Wochen nach Inobhutnahme und Abschluss des Vorclearings möglich. Nach Übergang in den Bezirk besuchen die UMF weiterhin die Schule. Angaben zur Schulbesuchsquote der UMF in Obhut der Bezirke liegen nicht vor. 10. Wie viele Altersuntersuchungen wurden 2017 durchgeführt? Wie oft wurde dabei eine medizinische Altersfeststellung angeordnet? 11. Bei wie vielen der tatsächlich stattgefundenen medizinischen Untersuchungen im Jahr 2017 wurden dabei a) ein Orthopantomogramm bzw. eine Panoramaschichtaufnahme der Zähne und b) Röntgenaufnahmen von Hand- und/oder Wurzelknochen durchgeführt? Zu 10. und 11.: Das behördliche Verfahren zur Einschätzung des Alters von unbegleiteten ausländischen Minderjährigen ist im § 42 f SGB VIII festgelegt. Das Jugendamt, in Berlin das Landesjugendamt, hat im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme der ausländischen Person deren Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in deren Ausweispapiere festzustellen oder hilfsweise mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme einzuschätzen und festzustellen. Eine solche qualifizierte Inaugenscheinnahme zur Einschätzung des Alters erfolgt mittels eines strukturierten und dokumentierten Gesprächs. Während der qualifizierten Inaugenscheinnahme werden mittels Beobachtung und Befragung alle relevanten äußerlichen Merkmale der Person, ihr Verhalten im Gespräch und ihre Angaben zu den einzelnen Fragen festgehalten und ausgewertet. Das Gespräch wird durch ein interdisziplinäres Team, bestehend aus einer Sozialpädagogin bzw. einem Sozialpädagogen des Landesjugendamtes und in der Regel einer Psychologin bzw. einem Psychologen eines freien Trägers der Jugendhilfe vorgenommen. Auf Antrag des Betroffenen oder seines Vertreters oder von Amts wegen hat das Jugendamt, in Berlin das Landesjugendamt, nach § 42 f SGB VIII in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen. Zudem wird sie im Rahmen eines gegen die Beendigung der Inobhutnahme eingeleiteten Klageverfahrens veranlasst, sofern das Verwaltungsgericht Berlin Zweifel an der Alterseinschätzung bzw. Altersfestsetzung des Landesjugendamts sieht und einstweiligen Rechtsschutz gewährt. 2017 wurden 27 medizinischen Altersgutachten von der Senatsverwaltung in Auftrag gegebenen. Setzt man diese Zahl in Bezug zu den 912 Erstregistrierungen ergibt sich ein prozentualer Anteil von 3 %. In Berlin werden im Rahmen der Altersdiagnostik die von der Arbeitsgemeinschaft für forensische Altersdiagnostik (AGFAD) als Qualitätsstandards empfohlenen Untersuchungen eingesetzt, sie entsprechen dem bundesweiten, wissenschaftlich 6 neuestem Standard. Das Orthopantogramm und das Röntgen der linken Hand sind Standarduntersuchungen bei medizinischen Altersgutachten und werden somit grundsätzlich durchgeführt. Berlin, den 14. Februar 2018 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie S18-13299 S18-13299