Drucksache 18 / 13 308 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tino Schopf (SPD) vom 22. Januar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Januar 2018) zum Thema: Stickoxide aus Dieselfahrzeugen – was plant der Senat? und Antwort vom 08. Februar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Feb. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Tino Schopf (SPD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13308 vom 22.01.2018 über Stickoxide aus Dieselfahrzeugen - was plant der Senat? Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Seit wann ist dem Senat bekannt, dass die von der Europäischen Union vorgegebenen Grenzwerte für Stickoxide (NOx) in einzelnen Bereichen Berlins nicht eingehalten werden? Antwort zu 1: Die Richtlinie 2008/50 EG wurde fristgerecht im Jahr 2010 mit der 39. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (39. BImSchV) in deutsches Recht umgesetzt. Für Stickstoffoxide (NOx) ist in § 3 Absatz 4 zum Schutz der Vegetation ein über ein Kalenderjahr gemittelter kritischer Wert von 30 µg/m³ festgelegt. Aufgrund der Festlegungen in Anlage 3B Nr. 2 ist die Einhaltung dieses Wertes in Berlin nicht zu überwachen. Für Stickstoffdioxid (NO2) sind in § 3 Absätze 1 und 2 zum Schutz der menschlichen Gesundheit Grenzwerte festgelegt: a) der über eine volle Stunde gemittelte Immissionsgrenzwert beträgt 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr, b) der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert beträgt 40 µg/m³. Beide Grenzwerte für NO2 sind seit dem 01.01.2010 einzuhalten (gemäß Anlage 11B). zu a) Die Anforderungen hinsichtlich des Stundenmittelwertes Stickstoffdioxid (NO2) wurden in Berlin seit Inkrafttreten des Grenzwertes immer erfüllt. zu b) Bereits im Luftreinhalteplan 2005-2010 vom August 2005 wurde dargestellt, dass der Grenzwert für den Jahresmittelwert von Stickstoffdioxid (NO2) voraussichtlich nicht wie 2 gefordert bis 2010 eingehalten werden könne. Im Luftreinhalteplan 2011-2017 wurde eine Einhaltung des Grenzwertes für das Jahr 2020 prognostiziert. Seit September 2015 ist bekannt, dass die Emissionen von Diesel-Pkw der Abgasnormen Euro 5 und 6 im Realbetrieb deutlich höher sind, als bei den Prognosen angenommen worden war. Entsprechend höher sind die NO2-Belastungen an Straßen und es kann auch für 2020 keine Einhaltung der Grenzwerte allein aufgrund der Trendentwicklung erwartet werden. Frage 2: Welche regelmäßigen Grenzwertüberschreitungen für Stickoxide und Feinstaub sind dem Senat aus eigenen Messungen in Berlin bekannt und welche der von Dritten erhobenen Messwerte werden vom Senat ebenfalls als Handlungsgrundlage anerkannt (bitte kritische Orte tabellarisch mit Adresse und Messwert angeben)? Antwort zu 2: Das Land Berlin betreibt das Berliner Luftgütemessnetz (BLUME) gemäß 39. BImSchV mit automatisch-kontinuierlich messenden Referenzmessgeräten oder gleichwertigen Geräten an 11 Stationen für Feinstaub PM10 und an 16 Stationen für Stickstoffdioxid (NO2). Zusätzlich wird NO2 an weiteren 23 Messpunkten mit einem diskontinuierlichen Messverfahren (Passivsammler) bestimmt. Diese Passivsammler werden zudem an den Stationen mit Referenzverfahren betrieben, um die Vergleichbarkeit und Richtigkeit der Messungen zu gewährleisten. Messungen von Dritten können für die Luftreinhalteplanung dann berücksichtigt werden, wenn die Vorgaben der 39. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (39. BImSchV) vollumfänglich eingehalten wurden und auch die Qualitätssicherung für Probenahme, Messungen und Analysen belastbar dokumentiert ist. Für NO2 liegen derartige Messungen Dritter zurzeit nicht vor. Die Grenzwerte für Partikel PM10 („Feinstaub“) wurde 2016 und 2017 an allen Messstationen eingehalten. Der Grenzwert für NO2 für das Kalenderjahr von 40 µg/m³ wurde an den verkehrsnahen Messstationen seit 2010 in allen Jahren überschritten, die Jahresmittelwerte sind in Tabelle 1 zusammengestellt. Tabelle 1: NO2-Jahresmittelwerte in µg/m³ der BLUME-Stationen mit Werten über 40 µg/m³ Jahr 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Hardenbergplatz 63 66 66 63 62 53 51 45 Schildhornstraße 54 54 52 50 49 48 46 45 Mariendorfer Damm 50 51 50 49 46 49 46 47 Silbersteinstraße 56 54 52 54 56 52 52 48 Frankfurter Allee 42 43 43 41 42 41 41 41 Karl-Marx-Str. 53 52 56 55 52 52 51 49 Weitere Messwerte, z.B. für die Passivsammler, können im Internet abgerufen werden unter: http://www.berlin.de/senuvk/umwelt/luftqualitaet/luftdaten/ Die hohe Stickstoffdioxidbelastung ist dabei natürlich nicht auf die Bereiche rund um die Messstellen beschränkt. Hierzu liegen aktuelle Simulationsrechnungen für das gesamte, 1.600 km lange Hauptverkehrsstraßennetz in Berlin vor, die im Auftrag der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz durchgeführt wurden. Diese Rechnungen wurden auf Grundlage der neuesten Daten zum Verkehrsaufkommen, zur 3 Stauhäufigkeit, zu den Anteilen der verschiedenen Fahrzeugtypen und deren Schadstoffausstoß erstellt. Außerdem wurden alle aktuell verfügbaren Informationen über die erhöhten realen Fahremissionen von Diesel-Kfz berücksichtigt. Die Rechnungen zeigen für das Jahr 2015 Grenzwertüberschreitungen in Straßenabschnitten mit einer Gesamtlänge von ca. 60 km. Bis 2020 wird sich aufgrund der stetigen Flottenerneuerung die NO2-Belastung deutlich reduzieren. Frage 3: Hat der Senat auch Messungen im unmittelbaren Umfeld der Berliner Stadtautobahnen durchgeführt und wenn ja wo – wenn nein warum nicht? Antwort zu 3: Bis 2004 wurde eine Messstelle des Luftgütemessnetzes in unmittelbarer Nähe der Stadtautobahn betrieben. Sie wurde außer Betrieb genommen, da im Zuge der Umsetzung der EU-Luftqualitätsrichtlinie von 1996 und deren nachfolgend erlassenen Tochterrichtlinien der Expositionsbezug für Messungen zum Schutz der menschlichen Gesundheit konkretisiert wurde. Auch aktuell müssen derartige Messungen gemäß Anlage 3 der 39. BImSchV an Orten durchgeführt werden, in denen sich Menschen über einen Zeitraum aufhalten, der im Vergleich zu dem Mittelungszeitraum des kritischen Grenzwertes (bei NO2 ein Jahr) signifikant ist. Dies trifft für Orte direkt neben der Stadtautobahn nicht zu. Die Luftbelastung für die Wohnbebauung im weiteren Umfeld der Stadtautobahn wird durch Modellrechnungen beurteilt. Dabei zeigte sich, dass die NO2-Belastung bis auf wenige kurze Abschnitte (z.B. im Bereich zwischen Neuer Kantstraße und Kaiserdamm auf der östlichen Seite) unterhalb des Grenzwertes liegt. Dies ist auf den überwiegend genügend großen Abstand der Wohnbebauung zur Autobahn und die ausreichende Verdünnung der Abgase zurückzuführen. Frage 4: Welche Maßnahmen hat der Senat seit seiner Kenntnis von Grenzwertüberschreitungen bei den Stickoxiden in der Berliner Luft ergriffen, um die Stadtbevölkerung vor den gesundheitlichen Risiken zu schützen (bitte chronologisch angeben)? Antwort zu 4: Maßnahmen zur Luftreinhaltung sind eng verknüpft mit Maßnahmen im Bereich der Verkehrspolitik und der Umsetzung des Stadtentwicklungsplans (StEP) Verkehr. Die wichtigsten ergriffenen Maßnahmen mit positiver Wirkung auf die Luftqualität sind: Vorgaben für Emissionen aus Gebäudeheizungen bei Neubauten im Luftvorranggebiet im Flächennutzungsplan seit den 90er Jahren. Förderung des Umweltverbundes im Rahmen des StEP Verkehr (kontinuierlich seit über 20 Jahren), z.B. mit der Radverkehrsstrategie 2004, Einführung von Fahrradmietsystemen oder Ausbau der Fahrradparkplätze an Haltestellen des ÖPNV. Die Förderung soll in dieser Legislaturperiode u.a. durch das Mobilitätsgesetz ausgebaut werden. Um die Attraktivität des Umweltverbundes weiter zu verbessern, sind z.B. Investitionen für neue Straßenbahnlinien (der Bau von 5 Linien soll bis 2021 beginnen, weitere 5 geplant werden), ein größeres Angebot für den Busverkehr sowie breitere und sicherere Radwege und bis zu 100 km Radschnellwege geplant. Für 4 Maßnahmen zur Verbesserung des Radverkehrs sind pro Jahr 50 Millionen € vorgesehen. Förderung von Erdgasfahrzeugen seit 2000, u.a. mit Ausbau des Tankstellennetzes, Förderprogramme TUT (Tausend Umwelttaxis für Berlin) und TELLUS (leichte Nutzfahrzeuge) zwischen 2000 und 2004, Erdgasmüllsammelfahrzeuge bei der BSR oder Kooperationsvereinbarungen mit der GASAG. Festlegung und kontinuierliche Verschärfung von Umweltstandards für die Beschaffung kommunaler Fahrzeuge seit 2003, zuletzt aktualisiert durch ein Rundschreiben im Januar 2018 mit dem Ziel einer vorrangigen Beschaffung von Elektrofahrzeugen. Einführung von parkraumbewirtschafteten Gebieten auf der Grundlage eines Leitfadens von 2004. Lkw-Durchfahrtverbot in der Silbersteinstraße im April 2005. Anordnung von Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen, z.B. für 16 Straßen Ende 2005 im Rahmen eines Konzepts zur Lärmminderung, Verbesserung der Verkehrssicherheit und Luftreinhaltung. Weitere Anordnung folgten und folgen weiterhin nach Einzelfallprüfung. Stetige Modernisierung der Busflotte mit Vorgabe von Emissionsanforderungen im Nahverkehrsplan seit 2006. Beratungsprojekt „Sauberer Fuhrpark“ für Unternehmen von 2006-2008. Kontinuierliche Optimierung der Koordinierung von Lichtsignalanlagen, z.B. 2006 für den Streckenzug Potsdamer Straße – Leipziger Straße mit Einführung verkehrsabhängiger Schaltungen. Umweltsensitives Verkehrsmanagement, z.B. das Projekt IQmobility in 2007 und in der Invalidenstraße nach ihrem Umbau seit 2016. Einführung der Umweltzone 2008, Verschärfung 2010, Minimierung der Ausnahmeregelungen 2015. Entwicklung von Emissionsanforderungen für die Ausschreibung von Schienenpersonennahverkehr im Rahmen des Projekts ECOrails im Jahr 2010. Förderung der Elektromobilität (z.B. „Aktionsprogramm Elektromobilität Berlin 2020“ von 2011, Auswahl als Schaufenster Elektromobilität durch den Bund, Ausbau der Ladeinfrastruktur). Förderung von Carsharing, z.B. durch Unterstützung bei Carsharing-Stellplätzen. Modellprojekt 2010 zur Nachrüstung von Linienbussen der BVG mit Stickoxidminderungssystemen . Nachrüstung von 202 Doppeldeckern mit Stickoxidminderungssystemen und Optimierung von 150 weiteren Bussen für eine wirksame Abgasreinigung bis Ende 2015. Die Nachrüstung wird fortgesetzt. Pilotprojekt mit vier Elektrobussen seit 2015. Vorbereitung der Beschaffung von Elektrobussen ab 2018. Bestellung zusätzlicher Verkehrsangebote bei der BVG und der S-Bahn-Berlin, die im Dezember 2017 eingeführt wurden. Im Bus- und Straßenbahnverkehr können durch den Einsatz neuer, zusätzlicher Fahrzeuge auch höhere Platzkapazitäten im Berufsverkehr angeboten werden. Beschluss zur Reduzierung des Preises für Jobtickets 2018 Frage 5: Wie bewertet der Senat den Vorgang politisch, dass die Einhaltung der Grenzwerte für NOx zum Schutz der Gesundheit in Berlin mit Klagen einer Nichtregierungsorganisation (NGO) – hier der deutschen Umwelthilfe DUH - gerichtlich erzwungen werden muss? 5 Antwort zu 5: Es ist ein wichtiges Merkmal eines Rechtsstaats, dass das Handeln der Verwaltung gerichtlich überprüft werden kann. Der Senat begrüßt daher das Engagement von Nichtregierungsorganisationen und wird sich vor Gericht zu den Forderungen der DUH äußern. Da es sich hier um ein laufendes Verfahren handelt, kann keine weitere Stellungnahme erfolgen. Frage 6: Wie hat sich der Senat auf den Fall vorbereitet, dass das Bundesverwaltungsgericht im Februar 2018 die Anordnung von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge auf besonders belasteten Stadtstraßen als geeignetes Mittel zur Einhaltung der europäischen Stickoxid-Grenzwerte bestätigt und eine entsprechende Gerichtsentscheidung in Berlin unmittelbar bevor steht (bitte Maßnahmen, erwarteten Beitrag zur NOx- Minderung und Umsetzungszeiträume angeben)? Antwort zu 6: Der Senat arbeitet bereits intensiv an der Fortschreibung des Luftreinhalteplans für Berlin und wird dabei auf einer fundierten Datenbasis auch das Instrument „Fahrverbote“ behandeln. Dabei wird sowohl die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Verhältnismäßigkeit von Fahrverboten und deren rechtssichere Anordnung als auch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin zu berücksichtigen sein. Wie die Gerichte entscheiden, kann jedoch nicht vorhergesagt werden. Daher können auch noch keine Aussagen zu den Maßnahmen und ihrer Wirkung gemacht werden. Frage 7: Wird der Senat unmittelbar im Anschluss an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wirksame Maßnahmen zur NOx-Reduzierung ergreifen oder zunächst ein gegen die Stadt Berlin gerichtetes Verfahren abwarten? Antwort zu 7: Der Senat hat bereits viele Maßnahmen zur Reduzierung von Stickoxiden umgesetzt und weitere konkrete, schnell umsetzbare Maßnahmen auf dem Berliner Mobilitätsgipfel am 18.01.2018 beschlossen. Es werden keine Gerichtsurteile abgewartet, vielmehr ist die Umsetzung von Maßnahmen bereits ein kontinuierlich laufender Prozess. Frage 8: Sind als Maßnahmen auch Fahrverbote für Dieselfahrzeuge auf Berliner Straßen vorgesehen und wenn ja in welchen Straßen oder Quartieren bzw. Stadtteilen (bitte tabellarisch angeben)? Antwort zu 8: Im Rahmen der Fortschreibung des Luftreinhalteplans wird zunächst die Wirkung von verkehrlichen Maßnahmen ohne Fahrverbote auf die Luftqualität untersucht. Sollten diese Maßnahmen nicht ausreichen, um an allen Straßen die Grenzwerte einzuhalten, werden auch Fahrverbote geprüft. Diese Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen. Daher können keine Aussagen zu Straßen, Quartieren oder Stadtteilen gemacht werden, für die Fahrverbote geprüft werden müssen. 6 Frage 9: Welche Dieselfahrzeuge müssten im Falle einer Gerichtsentscheidung vom Befahren stark belasteter Straßen und Plätze ausgeschlossen werden (bitte die jeweilige Euro-Norm bzw. konkrete Abgasgrenzwerte angeben)? Antwort zu 9: Dies kann erst nach eingehender Prüfung der Gerichtsentscheidungen und Vorliegen der Untersuchungen zur Wirkung von Maßnahmen im Rahmen der laufenden Fortschreibung des Luftreinhalteplans beantwortet werden. Frage 10: Welche Alternativen bestehen aus Sicht des Berliner Senats zu einem Fahrverbot für Dieselfahrzeuge, um die Grenzwerte für Stickoxide dauerhaft wieder einzuhalten? Antwort zu 10: Berlin wird die auf dem Berliner Mobilitätsgipfel im Januar 2018 beschlossenen Maßnahmen (Umstellung von Flotten auf alternative Antriebe, Förderung der Elektromobilität, Nachrüstung von Fahrzeugen, Verkehrsverstetigung und Förderung von ÖPNV und Radverkehr) konsequent umsetzen und im Rahmen der Fortschreibung des Luftreinhalteplans um weitere Maßnahmen ergänzen. Frage 11: Müssten Dieselfahrverbote zum Schutz der Bevölkerung bei Überschreitung von NOx-Grenzwerten auch auf Bundesautobahnen im Berliner Stadtgebiet durchgesetzt werden und wenn ja, wie wird das realisiert? Frage 12: Wer wäre für den Erlass solcher Fahrverbote auf Autobahnen zuständig und wie könnten diese kontrolliert werden? Antwort zu 11 und 12: Nein, Fahrverbote auf den Bundesautobahnen im Berliner Stadtgebiet sind nicht notwendig, weil keine relevanten Grenzwertüberschreitungen im Bereich der Wohnbebauung entlang der Stadtautobahn auftreten. In allen bestehenden Umweltzonen Deutschlands sind zudem Bundesautobahnen von den Verkehrsverboten ausgenommen, weil die damit verbundene Behinderung des europäischen Warenaustausches europarechtlich problematisch wäre. Frage 12 erübrigt sich damit. Frage 13: Werden Dieselfahrzeuge, deren Stickoxid-Emissionen nur durch ein Software-Update des Herstellers reduziert wurden, ebenfalls von der Benutzung belasteter Straßen ausgeschlossen und wenn ja, ab welchen Abgasgrenzwerten wird das Fahrverbot voraussichtlich erlassen? Antwort zu 13: Diese Frage kann derzeit nicht beantwortet werden, weil die erforderlichen Informationen zur Wirkung des Software-Updates, d.h. zu ihrer realen Emissionsminderung, bisher nicht veröffentlicht wurden. 7 Außerdem sind die Gerichtsentscheidungen zur straßenverkehrsrechtlichen Anordbarkeit sowie die Ergebnisse zu den Modellrechnungen der Wirkung von Maßnahmen abzuwarten. Frage 14: Wie beurteilt der Senat die Zusage überwiegend deutscher Fahrzeughersteller, Besitzern von Altdieselfahrzeugen mit Euro-4-Norm oder älter, Prämien für den Kauf von Neufahrzeugen auszureichen, die sich nach dem Wert des Neuwagens richten und bei großen Fahrzeugen insbesondere sogenannten SUVs besonders hoch sind? Frage 15: Ist der Senat der Meinung, dass die von den Fahrzeugherstellern nach eigenem Ermessen gestalteten Prämien für Neuwagenkäufe ein ausreichendes Mittel sind, um den Gesundheitsschutz der Bevölkerung (EU-NOx-Grenzwerte) an vielbefahrenen Straßen wiederherzustellen und die verkehrspolitischen Ziele Berlins zu erreichen? Antwort zu 14 und 15: Die Rückkaufprämien der Fahrzeughersteller können eine positive Wirkung auf die NO2- Belastungen an Straßen haben, wenn Diesel-Pkw durch Pkw mit alternativen Antrieben oder zumindest mit Ottomotoren ersetzt werden. Unzureichend ist allerdings die Beschränkung auf Diesel-Pkw bis Euro 4. Es müssten auch Diesel-Pkw mit dem Abgasstandard Euro 5 einbezogen werden, da diese oft höhere Emissionen als Diesel-Pkw mit dem Abgasstandard Euro 4 aufweisen. Das Instrument wird alleine jedoch nicht für die Einhaltung der NO2-Grenzwerte ausreichen. Aus Sicht des Senats muss erreicht werden, dass die Fahrzeughersteller auch die Kosten für hardwareseitige Nachrüstungen übernehmen. Für die Höhe der Stickoxidemissionen spielt die Fahrzeuggröße nur eine untergeordnete Rolle, da die NOx-Emissionsgrenzwerte für Pkw weitgehend unabhängig von der Fahrzeuggröße gelten. Kleine Fahrzeuge weisen daher oft genauso hohe Stickoxidemissionen auf wie große Fahrzeuge. So ermöglicht es die moderne SCR- Technik heute sogar, dass Lkw der Abgasnorm Euro VI mit 40 Tonnen Gesamtgewicht pro Kilometer kaum mehr Stickoxide ausstoßen als durchschnittliche Diesel-Pkw. Frage 16: Wie sollten sich Besitzer von Dieselfahrzeugen der Euro-5 Norm aus Sicht des Senats verhalten, die vor wenigen Jahren im Vertrauen auf die Umweltverträglichkeit moderner Dieselfahrzeuge Neuwagen gekauft haben und nun nicht in den Genuss einer Neukauf-Prämie kommen, aber vermutlich ebenfalls von Fahrverboten betroffen wären? Antwort zu 16: Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden. So spielt es z.B. eine Rolle, ob für das Fahrzeug eine herstellerseitige Abgasmanipulation durch das Kraftfahrt-Bundesamt festgestellt wurde. Außerdem sind das Alter des Fahrzeugs, Garantiefristen und Art der Finanzierung zu prüfen. Besitzerinnen und Besitzer von Euro-5-Diesel-Pkw können sich von Verbraucherschutzzentralen oder Rechtsanwälten beraten lassen. Das Land Berlin setzt sich zudem dafür ein, dass schnellstmöglich technische Nachrüstlösungen geschaffen werden, mit denen die Stickstoffoxidemissionen von einer möglichst großen Zahl von Euro-5-Dieselmodellen auf Euro-6-Niveau gesenkt werden kann. 8 Frage 17: Sieht das Land Berlin Möglichkeiten die Euro-5 – Diesel-Fahrzeug-Besitzer finanziell zu unterstützen, damit diese ihre wenige Jahre alten Fahrzeuge nachrüsten oder z.B. auf ein Elektro- oder Gasfahrzeug umsteigen können. Antwort zu 17: Vorrangiges Ziel des Landes Berlin ist die Kostenübernahme für die aus Sicht des Senats erforderliche Nachrüstung von Euro-5-Dieselfahrzeugen durch die Fahrzeughersteller (Verursacherprinzip). Für den Umstieg auf Elektro- oder Gasfahrzeuge gibt es bereits Förderungen durch den Bund. Möglichkeiten zur Förderung der Nachrüstung von Euro-5- Diesel-Fahrzeugen sind durch das Land Berlin nicht vorgesehen. Jedoch wird das Land Berlin zwei Förderprogramme „Benzin-Hybrid-Förderung“ und „Wirtschaftsnahe Elektromobilität“ auflegen, mit dem Ziel, Taxiunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft zu motivieren, auf elektrisch angetriebene Fahrzeuge umzusteigen. Das Förderprogramm „Benzin-Hybrid-Förderung“ ist ein kurzfristiges Förderprogramm, welches ab dem 01. März 2018 für 4 Monate bis zum 30.06.2018 verfügbar sein wird. Es richtet sich an Berliner Taxi-Unternehmen, die über ein elektronisches Antragsverfahren eine einmalige Prämie in Höhe von 2.500 Euro für den Kauf oder Leasing eines neuen bzw. erstmals zugelassenen Benzin-Hybrid-Fahrzeugs erhalten. Dafür müssen die Antrag stellenden Taxi-Unternehmen ein älteres Diesel-Taxi der Euro Norm 5 und niedriger, stilllegen und verschrotten. Das Förderprogramm „Wirtschaftsnahe Elektromobilität“ ist breiter gefasst und gliedert sich zunächst in 3 Module: 1. Ein vorgelagertes Beratungsmodul, 2. Die Förderung elektrisch angetriebener Fahrzeuge in Form eines Betriebskostenzuschusses, 3. Die Förderung von Ladeinfrastruktur auf privatem gewerblichen Raum. Des Weiteren prüft der Senat, wie die Einbeziehung von gasbetriebenen Fahrzeugen in das Förderspektrum als Zwischenlösung in begründeten Ausnahmenfällen sinnvoll sein kann. Frage 18: Wird das Land Berlin in der Zeit von Dieselfahrverboten vergünstigte Monatskarten anbieten, um soziale Härten z.B. bei der Fahrt vom/zum Arbeitsort zu vermeiden? Antwort zu 18: Im Zehn-Punkte-Programm des Senats für saubere Luft wurde bereits eine Absenkung des Preises für das Jobticket Berlin AB angekündigt, wofür derzeit ein Konzept erarbeitet wird. Frage 19: Wird sich das Land Berlin im Bundesrat dafür einsetzen, dass Diesel-PKW gutgläubiger Käufer auf Kosten der Fahrzeughersteller technisch nachgerüstet werden oder die Besitzer von diesen einen festen Mindestentschädigungssatz erhalten? Wenn nein warum nicht? Antwort zu 19: Ja. Ziel ist die volle Übernahme der Nachrüstkosten durch die Fahrzeughersteller. 9 Frage 20: Welche Konsequenzen würde ein Dieselfahrverbot in der Berliner Innenstadt für den ständig wachsenden Pendlerverkehr zwischen dem Land Brandenburg und Berlin haben, bezüglich: a.) des Angebots von Park- and Ride-Parkplätzen am Stadtrand? b.) der Transport-Kapazität von Regionalbahnen und dem Berliner ÖPNV? c.) den Regionalverkehrsangeboten zwischen dem Berliner Umland und Berlin? d.) dem Auf- bzw. Ausbau von Carsharing- und Bikesharing-Angeboten auch außerhalb des S-Bahnrings? Frage 21: Gibt es zum Thema Dieselfahrverbote in Berlin bereits Abstimmungen zu Konsequenzen mit dem Land Brandenburg, dem VBB und der Bahn? Wenn nein, warum nicht? Antwort zu 20 und 21: Im Verhältnis zur Anzahl der täglichen ÖV-Fahrten innerhalb Berlins machen die Einpendelfahrten nach Berlin lediglich einen einstelligen Prozentanteil aus. Der weit überwiegende Teil einer Nachfragesteigerung im ÖV aus möglichen Verlagerungseffekten vom motorisierten Individualverkehr (MIV) zum ÖPNV und Regionalbahnverkehren würde daher als Binnenverkehr innerhalb Berlins auftreten. Da zudem derzeit nicht bekannt ist, ob, wo und in welchem Umfang es Kfz-Verkehrsverbote geben wird, lassen sich mögliche Verlagerungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschätzen. Auf dieser Grundlage sind keine Abstimmungen möglich. Ein Ausbau von Angeboten im ÖPNV erfolgt bereits heute unabhängig von Fahrverboten, um den Anforderungen einer wachsenden Stadt gerecht zu werden. Hierzu finden laufend Abstimmungen im VBB statt. Frage 22: Wie beurteilt der Senat die Möglichkeit, über den Bundesrat Einfluss auf die Bundesregierung zu nehmen, damit diese auf Grundlage des §23 Abs. 3 Straßenverkehrsgesetz (i.V.m. der EG-FGV) die dort vorgesehenen Geldbußen von bis zu 5000 Euro pro Fahrzeug gegen die Hersteller von abgasmanipulierten Fahrzeugen erhebt und die vereinnahmten Bußgelder z.B. zur Entschädigung von Dieselkäufern bzw. zu technischen Nachrüstung manipulierter Dieselfahrzeuge genutzt werden, um damit die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen? Antwort zu 22: Das Vorliegen eines Ordnungswidrigkeitstatbestandes wäre nach § 23 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 37 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG- FGV) zu prüfen. Zuständig ist gemäß § 26 Abs. 2 StVG der Bund, namentlich das Kraftfahrt-Bundesamt, da dieses für den Vollzug der bewehrten Vorschriften zuständig ist. Der Senat sieht in einer Bundesratsinitiative eine Möglichkeit, um Einfluss auf das Verwaltungsverfahren einer Bundesbehörde zu nehmen. Berlin, den 08.02.2018 In Vertretung Jens-Holger Kirchner ................................ Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz S18-13308 S18-13308