Drucksache 18 / 13 362 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Emine Demirbüken-Wegner (CDU) vom 31. Januar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Februar 2018) zum Thema: Was tut der Senat, um mehr Berlinerinnen und Berliner zur Übernahme einer Patenschaft oder einer ehrenamtlichen Vormundschaft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu gewinnen? und Antwort vom 14. Februar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Feb. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Frau Abgeordnete Emine Demirbüken-Wegner (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13362 vom 31. Januar 2018 über Was tut der Senat, um mehr Berlinerinnen und Berliner zur Übernahme einer Patenschaft oder einer ehrenamtlichen Vormundschaft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu gewinnen? ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie beurteilt der Senat das ehrenamtliche Engagement von Berlinerinnen und Berlinern, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Patenschaften, Gastfamilien oder als ehrenamtlicher Vormund zu betreuen? Was hat der Senat in den letzten Jahren dafür getan, um dieses Engagement weiter zu befördern? Zu 1.: Der Senat sieht bezüglich der Bereitschaft, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ehrenamtlich zu begleiten, große Potentiale bürgerschaftlichen Engagements in der Zivilgesellschaft und erachtet es als wichtige Aufgabe, diese zu fördern und für die Integration der genannten Zielgruppe nutzbar zu machen. Beispielhaft ist die Arbeit des Netzwerks Vormundschaft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Berlin zu nennen. Das Netzwerk Vormundschaft (NWV) gewinnt engagierte Bürgerinnen und Bürger für die Übernahme einer ehrenamtlichen Vormundschaft, schult sie für die Übernahme dieser verantwortungsvollen Aufgabe und begleitet die Arbeit der Ehrenamtlichen. Der Senat und das Jugendamt Steglitz-Zehlendorf haben mit einer Anschubfinanzierung und dem Anstoß für den Trägerzusammenschluss aus dem Caritasverband für das Erzbistum Berlin mit seinem Vormundschaftsverein, XENION Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V. mit dem Akinda-Netzwerk Einzelvormundschaften und dem Nachbarschaftsheim Schöneberg e.V. mit dem Cura-Vormundschaftsverein maßgeblich daran mitgewirkt , dieses Engagement zu fördern. Aus dieser Kooperation zwischen Verwaltung und Trägern ist ein Rahmenkonzept entstanden, das zivilgesellschaftliches Engagement in Form einer ehrenamtlichen Einzelvormundschaft als „dritte Säule“ im Vormundschaftssystem beschreibt und damit einen zukunftsweisenden Meilenstein für eine offensive Integrations - und Familienpolitik setzt. - - 2 2. Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge konnten auf Grund dieser Förderung sowie der persönlichen Initiative vieler Berlinerinnen und Berliner von 2015 bis jetzt in die genannten Unterstützungsformen vermittelt werden? (Bitte Zahlen getrennt aufführen zu Patenschaften, Gastfamilien und ehrenamtlichen Vormundschaften). Oder führt der Senat dazu keine Statistik? Wenn ja, worin liegen die Gründe und wird er diese Praxis ändern? Wenn nein, warum nicht? 9. Welche Hilfestellungen leisten die Jugendämter für ehrenamtliche Vormünder, wenn die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge das Alter der Volljährigkeit erreicht haben und das Mündel weiterhin eine Betreuung durch den ehrenamtlichen Vormund wünscht? Zu 2. und 9.: Das Akinda-Netzwerk des Vereins XENION psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte, das langjährig im Bereich von ehrenamtlichen Vormundschaften aktiv ist, konnte aufgrund einer im IV. Quartal 2015 einmalig erfolgten Förderung durch den Senat 35 ehrenamtliche Vormundschaften vermitteln und betreuen. 2016 wurde das Netzwerk Vormundschaft gegründet , das seitdem vom Senat gefördert wird. Im Jahr 2016 gab es 356 ehrenamtliche Vormundschaften, im Jahr 2017 waren es 439 ehrenamtliche Vormundschaften. Eine Vormundschaft endet kraft Gesetzes mit Vollendung des 18. Lebensjahres. Die Jugendämter erörtern im Rahmen der Hilfeplanung mit dem volljährig werdenden Flüchtling und seinem Vormund, welche Unterstützungsbedarfe noch vorliegen und wie diesen Rechnung getragen werden kann. Dabei erfolgt sowohl eine gemeinsame Abwägung, ob Voraussetzungen für Hilfen für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII vorliegen, als auch welche weiteren Vernetzungs- und Beratungsmöglichkeiten z.B. für sogenannte Careleaver existieren. Nach Beendigung der Vormundschaft können ehemalige Vormünder eine Patenschaft /Mentorenschaft übernehmen, wenn beide Seiten sich aktiv dafür aussprechen. Durch die Umwandlung einer Vormundschaft in eine Patenschaft kann eine Betreuungskontinuität gewährleistet werden. Auf Wunsch eines jungen Volljährigen kann der ehemalige Vormund diesen dann als Mentorin/Mentor bzw. Patin/Pate auch zu Gesprächen mit dem fallführenden Jugendamt begleiten und unterstützen. 3. Welche Initiativen, Projekte und Programme zur Umsetzung der angeführten Unterstützungsformen fördert der Senat aus eigenen Haushaltsmitteln? Welche Angebote werden aus Bundesmitteln bzw. anderweitigen finanziellen Quellen (z. B. Aktion Mensch) unterstützt? 4. Welche dieser Programme oder Projekte wurden ab Sommer 2015 neu aufgelegt? Welche haben zu diesem Zeitpunkt bereits bestanden? Welche bestehen heute noch mit welcher Befristung? 5. Inwieweit findet eine Koordination zwischen den Trägern in diesem Bereich statt? Welche Rolle spielen dabei die Bezirksämter sowie der Senat insbesondere bei der Werbung für die genannten Unterstützungsformen sowie bei der Schulung und Betreuung der Paten und Gastfamilien? 6. Von wem erhalten engagierte Bürgerinnen und Bürger konkret Beratung und Unterstützung, falls bei den Patenschaften oder bei der Aufnahme in Gastfamilien Fragen und Probleme auftreten? Von welchen Trägern werden Schulungen und ggf. Supervision angeboten? Zu 3. bis 6.: Der Senat und das Jugendamt Steglitz-Zehlendorf haben den Trägerzusammenschluss des Netzwerks Vormundschaft initiiert und begleiten die Arbeit des Netzwerks in enger Abstimmung im Rahmen von regelmäßigen Arbeitsgruppen auf Fachebene sowie einer - - 3 Steuerungsrunde auf Leitungsebene. Das genannte Rahmenkonzept und die prozessbegleitende Evaluation der Konzeptimplementierung sind integraler Bestandteil des Förderkonzepts . Das Netzwerk Vormundschaft ist mit der Akquise, Öffentlichkeitsarbeit, Schulung , Beratung und Supervision von ehrenamtlichen Vormündern betraut. Der Senat förderte das Netzwerk Vormundschaft in den Jahren 2016/2017 mit 300.000 € jährlich mit Mitteln aus dem Masterplan für Integration und Sicherheit. Mit dem Doppelhaushalt 2018/2019 wurden die Mittel für die Implementierung ehrenamtlicher Vormundschaften und ehrenamtlicher Patenschaften sowie das Netzwerk Vormundschaft mit 605.640 € für das Jahr 2018 und 656.386 € für das Jahr 2019 deutlich erhöht. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) fördert das Projekt „Gewinnung ehrenamtlicher Vormundschaften – eine Chance für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“, in dessen Rahmen das Netzwerk Vormundschaft mit dem Kompetenz -Zentrum Pflegekinder e.V. eine Kooperationsvereinbarung für den Projektzeitraum 01.07.2016 bis 31.01.2018 abgeschlossen hat. Dabei wurde Folgendes erarbeitet: - Rahmenkonzeption für das Netzwerk Vormundschaft und Qualitätsstandards zu den Modulen Sozialpädagogisches Eignungsgespräch, Schulung, Matching, Beratung und Begleitung, - Prozessbeschreibungen (Öffentlichkeitsarbeit, Interessenbekundung, Eignungsfeststellung und Vorbereitung, Vermittlung, Beratung und Begleitung), - zielführenden Arbeitsstrukturen und Kommunikationsebenen innerhalb des Netzwerks Vormundschaft. In Einzelfällen sind junge unbegleitete geflüchtete Jugendliche auch bei privaten Familien (sogenannte Gastfamilien) untergebracht, wo sich aufgrund eines ehrenamtlichen Engagements eine Bindung zwischen der privaten Familie und dem jungen Menschen entwickelt hat. Wenn die Unterbringung mit Wissen des Jugendamtes im Rahmen der erlaubnispflichtigen Pflege gem. § 44 SGB VIII erfolgt ist, bedarf diese auch eines Einverständnisses des Vormundes. 7. Welche Qualifikation müssen ehrenamtliche Vormünder vorweisen? In welcher Form erhalten sie Beratung , Hilfe oder Unterstützung, um diese Qualifikation zu erreichen? Zu 7.: Ehrenamtliche Vormünder benötigen keine spezielle berufliche Qualifikation. Die Einsetzung ehrenamtlicher Vormünder erfolgt durch die Familiengerichte; dort kann jede interessierte Person einen entsprechenden Antrag stellen. Das Gesetz sieht hierfür in § 1779 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch lediglich vor, dass die Person „nach ihren persönlichen Verhältnissen und ihrer Vermögenslage sowie nach den sonstigen Umständen zur Führung der Vormundschaft geeignet ist“. Die Beurteilung der Eignung obliegt dem Gericht , welches hierzu das Jugendamt anhören soll. Das für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Bereich Vormundschaften gesamtstädtisch zuständige Jugendamt Steglitz-Zehlendorf empfiehlt potentielle ehrenamtliche Vormünder für seine Mündel bei der Antragstellung gegenüber dem jeweils zuständigen Familiengericht nur unter der Prämisse, dass diese die mit dem Netzwerk Vormundschaft erarbeitete Schulungsreihe erfolgreich absolviert haben und eine befürwortende Stellungnah- - - 4 me des Trägers vorliegt. Grundlage hierfür ist ein mit einer Fachkraft des Trägers im Hinblick auf Motivation und Eignung geführtes Einzelgespräch. Ehrenamtliche Vormünder werden über das Netzwerk Vormundschaft geschult. Nach der Durchführung eines sozialpädagogischen Eignungsgespräches können die vier jeweils dreistündigen Schulungsmodule (allgemeine Einführung, Vormundschaftsrecht, Aufenthalts - und Asylrecht, Jugendhilfe) besucht werden. Danach erfolgt die Vermittlung zwischen unbegleitetem minderjährigen Flüchtling und dem ehrenamtlichen Vormund. Liegt ein beiderseitiges Einverständnis vor, wird die Antragstellung beim zuständigen Familiengericht in die Wege geleitet. Nach der Bestallung zum Vormund erfolgt eine Beratung und Begleitung durch die Träger im Netzwerk Vormundschaft. Diese bieten Telefonsprechstunden, individuelle persönliche Beratungen, Newsletter mit aktuellen Fachinformationen, monatliche Reflexionsgruppen und Weiterbildungen, z.B. zu den Themen Trauma und Flucht, Bildung und Ausbildung, Asylrecht, Nähe und Distanz, Übergang in die Volljährigkeit, Kinderschutz, interkulturelle Kompetenzen, an. 8. Werden den ehrenamtlichen Vormündern für die Kommunikation mit den Mündeln Dolmetscher zur Seite gestellt? Wenn ja, für welchen Zeitraum und wer trägt die Kosten? Wer organisiert die entsprechende Zuordnung von Sprachmittlern bzw. Dolmetschern? Zu 8.: Abhängig vom Sprachstand des Mündels und der Tiefe zu besprechender Themen (z.B. Vorbereitung des Asylverfahrens) kann bei dem fallführenden Jugendamt die Übernahme von Sprachmittlerkosten beantragt werden. Die meisten Jugendämter gewähren auf Antrag hierfür ein gewisses Kontingent, das Vormund und Mündel individuell nutzen können. Die Wahl der sprachmittelnden Person obliegt dabei in der Regel dem Vormund; die Abrechnung erfolgt über das Jugendamt. Auch die Jugendhilfeeinrichtungen, in denen die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge untergebracht sind, können bei Bedarf Sprachmittler - bzw. Dolmetscherkosten als sogenannte Annexleistungen abrechnen. Des Weiteren können Angebote des Gemeindedolmetschdienstes in Anspruch genommen werden. Für die Förderperiode 2018/2019 ist zudem als Neuerung vorgesehen, dass ehrenamtliche Vormünder über das sie beratende und betreuende Netzwerk Vormundschaft auch Sprachmittler- und Dolmetscherkosten nach Absprache geltend machen können. 10. Wie viele Mitarbeiter der Jugendämter sind für die Beratung und Information von ehrenamtlichen Vormündern zuständig? Welche Personalentwicklung gab es hier seit 2013? Wie sieht die Personalentwicklung für 2018 und 2019 aus? Darstellung bitte nach Jahren und Bezirken. Zu 10.: Das Jugendamt Steglitz-Zehlendorf hat seit Anfang 2016 eine Fachkraft mit 16 Wochenstunden für die Implementierung/Koordinierung der Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Vormundschaft und den Familiengerichten eingesetzt. Diese vermittelt interessierte Personen und berät ggf. im Einzelfall. Die Amtsvormünder dieses Jugendamtes unterstützen bei der konkreten Übernahme den ehrenamtlichen Vormund ebenso wie der Regionale Soziale Dienst des jeweils fallführenden Jugendamtes. Die Jugendämter haben im Regionalen Sozialen Dienst für den Personenkreis der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge 24 zusätzliche Vollzeitäquivalente erhalten. - - 5 Zur Unterstützung und Entlastung der Jugendämter hat das Netzwerk Vormundschaft gemäß § 54 SGB VIII seit 2016 den Auftrag, ehrenamtliche Vormünder für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu werben, zu schulen und beratend zu begleiten. 11. Welche zusätzlichen Qualifikationen eignen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendämter hierfür an? Sind diese Qualifikationen verpflichtend? Zu 11.: Die Jugendämter ermöglichen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen abgestimmt auf den jeweiligen persönlichen Bedarf. Neben den Angeboten des Sozialpädagogischen Fortbildungsinstituts Berlin-Brandenburg werden zu einzelnen Themen Inhouse-Schulungen für alle Beteiligten angeboten, z.B. im Jahr 2017 zum Ausländer- und Asylrecht unter besonderer Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung des Rechtes sowie aktueller Rechtsprechung. Berlin, den 14. Februar 2018 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie S18-13362 S18-13362