Drucksache 18 / 13 380 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tommy Tabor (AfD) vom 31. Januar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Februar 2018) zum Thema: Organisierter, systematischer und verabredeter Kindesmissbrauch und Antwort vom 21. Februar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Feb. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz Herrn Abgeordneten Tommy Tabor (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13380 vom 31. Januar 2018 über Organisierter, systematischer und verabredeter Kindesmissbrauch -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1.) Das schwule Informations- und Beratungszentrum Mann-O-Meter stellte eine „Adressenliste zur schwulen , lesbischen und pädophilen Emanzipation“ zusammen: eine Liste aller Vereine und Gruppen, die sich bundesweit für die Belange von Schwulen, Lesben und auch Pädophilen einsetzten. Die Ausgabe von 1991 trägt den Aufdruck „mit freundlicher Unterstützung durch das Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweisen der Berliner Senatsverwaltung für Jugend, Frauen und Familie“. Wie lange dauerte die Förderung und gab es auch finanzielle Unterstützung dafür? Wenn ja: in welcher Höhe? Zu 1.: Im Jahr 1990 hat das schwule Informations- und Beratungszentrum Mann-O-Meter e.V. bei dem damaligen Fachbereich für gleichgeschlechtliche Lebensweisen der Senatsverwaltung für Frauen, Jugend und Familie einen Antrag auf Projektförderung mit dem Titel „Adressen und Angebotsliste deutscher Schwulengruppen“ eingereicht und hierfür erstmals Zuwendungen in Höhe von 5.117,50 DM erhalten. Die Mittel waren vorgesehen für die Erfassung der Daten durch eine Honorarkraft sowie den anschließenden Druck und Versand der Liste. Im Jahr 1991 erhielt Mann-O-Meter e.V. 1.009,66 DM für die erneute Bearbeitung der Liste. Mittel für Druck und Versand waren nicht mehr vorgesehen . Über eine Finanzierung dieses Projektzwecks über 1991 hinaus ist nichts bekannt . 2.) Zwischen 1984 und 1992 führten die „Story-Dealer“ viele Jugendreisen durch, bei denen es zu sexuellem Missbrauch gekommen sein soll. Die Berliner Morgenpost schrieb am 03.06.2015 zu den Reisen der Story Dealer: „Auch nach ersten Beschwerden von Eltern 1984 hielt der Bezirk an den Reisen fest. Nach damaligen Zeitungsberichten, unter anderem in der Berliner Morgenpost, hieß es in ‚internen Briefen‘ aus dem Bezirksamt Kreuzberg, das Konzept berge ‚ideale Bedingungen für pädophil veranlagte Teamer‘. Das Bezirksamt hatte die Reisen insgesamt mit mehr als 350.000 Euro gefördert.“ 2.a) In welcher Form kooperierten die „Story-Dealer“ mit dem Bezirksamt Kreuzberg? 2.b) Hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg die Mitarbeiter des Jugendamtes beauftragt, nach Akten im Zusammenhang mit möglichen Missbrauchsfällen zu suchen? Wenn ja: Was war das Ergebnis? Wenn nein: Auf welche Weise hat sich der Bezirk um eine Aufarbeitung bemüht und den Fall untersucht? 2.c) Wann war die Aufarbeitung der Fälle ein Thema in der Bezirksverordnetenversammlung? 2 Zu 2. a) bis c): Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hat vor allem in den 1980er Jahren Jugendreisen mit dem Veranstalter „Story-Dealer“ durchgeführt. Die Kooperation mit den „Story-Dealern“ als Veranstalter für Erlebnispädagogik erfolgte im Rahmen der Kinder- und Jugenderholung. Zu den Jugendreisen mit den „Story-Dealern“ liegen nach Auskunft des Bezirksamtes keine Unterlagen mehr vor, da die Aufbewahrungsfristen schon 2015 seit langem abgelaufen waren. Die Zusammenarbeit mit dem Veranstalter der „Story-Dealer“ wurde 1993 aufgrund der dann kritischen Bewertung des pädagogischen Konzeptes der „Story-Dealer“ beendet. Die Bezirksverordnetenversammlung Kreuzberg hat sich in diesem Zusammenhang ausführlich mit der Thematik befasst. 3.) In der Falckensteinstraße gab es einen „Nachbarschaftskeller für Schlüsselkinder“, in dem es zu sexuellem Missbrauch von Kindern kam. Welche Kenntnisse hat der Senat über diesen Fall? Auf welche Weise wurden die Ereignisse untersucht und aufgearbeitet? 4.) In der Reichenberger Straße 115a wurde ein Kinder-Info-Telefon betrieben. Die Betreiber verübten sexuellen Missbrauch an Kindern. Welche Kenntnisse hat der Senat über diesen Fall? Auf welche Weise wurden die Ereignisse untersucht und aufgearbeitet? Zu 3. und 4.: Bei dem sogenannten „Nachbarschaftskeller für Schlüsselkinder“ und bei dem sogenannten Kinder-Info-Telefon handelte es sich nicht um öffentlich geförderte Projekte, sondern um Vorfälle, die im Rahmen einer pädophilen Szene in den achtziger Jahren in Kreuzberg bekannt geworden sind. Pädophile Täter haben unter den angegebenen Adressen Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien oder Trebegänger und Trebegängerinnen mit Freizeitangeboten angesprochen und sexuell missbraucht . 5.) Die Morgenpost berichtete am 28. Januar 2018 erneut über die Missbrauchsfälle am Canisius-Kolleg und korrigierte die Opferzahlen nach oben. Seit Herbst 2017 laufe zudem ein weiteres Verfahren gegen Pater R., bei dem es um die Zeit am Canisius-Kolleg gehe. Welche Kenntnis hat der Senat über die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle am Canisius-Kolleg? Wie viele Opfer gibt es nach neuestem Kenntnisstand? Läuft gegen Pater R. in Berlin tatsächlich ein neues Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs? Zu 5.: Anhand der Fragestellung ließ sich bei der Staatsanwaltschaft Berlin weder automatisiert noch auf andere Art und Weise ein entsprechendes Ermittlungsverfahren feststellen . Bei der Polizei Berlin ist eine Strafanzeige gegen Unbekannt betreffend das Canisius -Kolleg aus dem Jahr 2010 bekannt. Ein weiteres Verfahren bzgl. des Canisius- Kollegs bzw. gegen „Pater R.“ ist der Polizei Berlin nicht bekannt. Weitere Erkenntnisse liegen dem Senat nicht vor. 6.) Vom 03.02.-24.03. 2017 lief in Berlin ein Verfahren gegen Mitglieder eines pädophilen Netzwerkes, Harald W. und Jens B. Welche Aufschlüsse gab das Verfahren über die Praktiken pädophiler Netzwerke? Warum lag das Verfahren zuvor fünfeinhalb Jahre bei der Staatsanwaltschaft bevor es zum Prozess kam? Zu 6.: Soweit es in dem anhand der mitgeteilten Daten identifizierten Verfahren zu einer rechtskräftigen Verurteilung gekommen ist, beziehen sich die Feststellungen im Urteil auf die Taten des Verurteilten und dessen individuelle Schuld. Weitere Erkenntnisse sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Unzutreffend ist, dass das Verfahren bei der Staatsanwaltschaft fünfeinhalb Jahre „gelegen “ hat. Die Ermittlungen waren aufwendig. Im Einzelnen ist zur Verfahrensdauer auszuführen : Das Verfahren wurde bei der Staatsanwaltschaft Berlin im Juli 2011 eingeleitet und gegen mehrere Beschuldigte geführt, wobei es um Taten in den Jahren 2003 bis 3 2008 ging, für deren Aufklärung die Auswertung zahlreicher Zeugenaussagen aus anderen Verfahren erforderlich war. Im Anschluss an eine Zeugenvernehmung Ende November 2011 wurde zu dem Verfahren im März 2012 ein gegen einen der Beschuldigten geführtes zusätzliches Verfahren wegen eines gleichgelagerten Tatvorwurfs verbunden. In der Folgezeit wurden die Verfahrensakten zu Auswertungszwecken auch bei dem Landgericht Berlin benötigt, das über eine Anklage gegen einen gesondert verfolgten Mittäter der beschuldigten Personen verhandelte. Aufgrund der starken Belastung in der zuständigen Jugendabteilung und der aufwändig zu führenden Ermittlungen, insbesondere der Auswertung zahlreicher Urteile und dem jeweiligen Aussageverhalten der zur Tatzeit kindlichen bzw. jugendlichen Tatopfer aus Trennverfahren, konnte das Verfahren dort nicht weiter gefördert werden. Die Ermittlungen wurden ab September 2014 in einer anderen Abteilung übernommen. Zunächst waren dort die Erreichbarkeiten der Geschädigten zu klären. Die ergänzenden Ermittlungen ermöglichten im April 2015 wegen des Verdachts des schweren sexuellen Kindesmissbrauchs die Anordnung von Durchsuchungsmaßnahmen und den Erlass eines Haftbefehls , der später gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt wurde. Es folgten in dem umfangreichen Verfahrenskomplex sodann weitere, auch staatsanwaltschaftliche Zeugenvernehmungen sowie der Abgleich mit Verfahren gegen gesondert verfolgte Personen. Die Ermittlungen wurden am 3. August 2016 abgeschlossen. Die Anklageschrift ging am 9. August 2016 bei dem Landgericht Berlin ein. 7.) Im Juli 2017 konnte das kinderpornografische Netzwerk „Elysium“ abgeschaltet werden. Welche Auswirkungen hatte dies für Strafverfolgungen in Berlin? Zu 7.: Das Ursprungsverfahren wurde beim Bundeskriminalamt geführt. In Berlin wurde eine Person erstinstanzlich zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. 8.) Vom 5. bis zum 19. Juli fanden in fast allen deutschen Bundesländern bei Personen, die über die Internet -Plattform „Chatstep“ kinderpornographisches Material ausgetauscht haben, Razzien statt. Gab es in diesem Zuge auch in Berlin Durchsuchungen? Wenn ja: Wurde Material sichergestellt und ausgewertet? Wenn ja: Wurden Haftbefehle ausgestellt? Zu 8.: In Bezug auf Razzien betreffend die Internet Plattform „Chatstep“ verfügt die Staatsanwaltschaft Berlin über keine Erkenntnisse, die im Wege der Beantwortung einer Schriftlichen Anfrage mitteilungsfähig wären. Berlin, den 21. Februar 2018 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung S18-13380 S18-13380