Drucksache 18 / 13 478 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Burkard Dregger (CDU) vom 13. Februar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Februar 2018) zum Thema: Abschiebehaft länderübergreifend durchsetzen – am Beispiel des am 03.12.2017 in Gewahrsam genommenen und dann wieder freigelassenen und untergetauchten Fahti Ben M. und Antwort vom 27. Februar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Mrz. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 3 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Burkard Dregger (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13478 vom 13. Februar 2018 über Abschiebehaft länderübergreifend durchsetzen – am Beispiel des am 03.12.2017 in Gewahrsam genommenen und dann wieder freigelassenen und untergetauchten Fahti Ben M. ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Für weitere Informationen zu der in der Anfrage thematisierten Person wird auf die Beantwortung der Schriftliche Anfrage Nr. 18/13430 vom 7. Februar 2018 über „Abschiebehaft für islamistische Gefährder ist notwendig – ihre Verweigerung unverantwortlich“ hingewiesen. 1. Welche Erkenntnisse hatte der Senat von Berlin einschließlich seiner nachgeordneten Behörden am 03.12.2017 darüber, dass der tunesische Staatsangehörige Fahti Ben M., der am 03.12.2017 in polizeiliches Gewahrsam genommen worden ist und am 26.01.2017 Gegenstand der einstweiligen Haftanordnung des Amtsgerichts Tiergarten zur Sicherung der Abschiebung (Geschäftsnummer 382 XIV 9/18 B) war und darin als Gefährder bezeichnet wird, vollziehbar ausreisepflichtig ist, 18 Aliasidentitäten missbraucht hat, Gegenstand von 11 strafrechtlichen Ermittlungsverfahren war, sich der Abschiebung bereits dreimal und nunmehr ein viertes Mal entzogen hat und dessen Passersatzpapiere den tunesischen Behörden seit dem 02.11.2017 vorlagen? Zu 1.: Der Person wurde durch die Polizei Berlin am 3. Dezember 2017 nach Durchführung der sogenannten Fast-ID Behandlung und Ermittlung eines Datensatzes die Identität eines 42-jährigen Libyers zugeordnet. Zu dieser Person bestand keine Fahndungsausschreibung zur Festnahme. Zudem waren in den Informationssystemen der Polizei die Aliaspersonalien zur Person nicht mit der tatsächlichen Personalie der Person verknüpft. Das Vorliegen von Passersatzpapieren zur Person war für die eingesetzten Dienstkräfte nicht erkennbar. Ebenso war in den Informationssystemen der Polizei Berlin kein Hinweis auf eine mögliche Verbindung in die islamistische Szene Deutschlands ersichtlich. Der Polizei Berlin war am 3. Dezember 2017 nicht bekannt, dass zur bezeichneten Seite 2 von 3 Person elf Strafverfahren anhängig waren, 18 Aliaspersonalien existierten und seit dem 2. November 2017 ein tunesisches Passersatzdokument vorlag. Zudem war nicht bekannt, dass die Person vollziehbar ausreisepflichtig war und sich bereits mehrfach der Abschiebung entzogen hatte. Wie der Begriff „Gefährder“ in den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten zum Erlass einer einstweiligen Anordnung der Haft zur Sicherung der Abschiebung vom 26. Januar 2018 kommt, entzieht sich der Kenntnis des Senats. Bei der Person handelte und handelt es sich nicht um einen „Gefährder“. 2. Welche Voraussetzungen für die Beantragung einer gerichtlichen Abschiebungshaftanordnung haben am 03.12.2017 nicht vorgelegen? Zu 2.: Mangels ausländerrechtlicher Zuständigkeit hat der Senat keine eigenen Erkenntnisse zu den ausländerrechtlichen Tatsachen. Die ausländerrechtliche Zuständigkeit lag und liegt allein bei dem Land Sachsen. Nach Information der sächsischen Behörden fehlte es an der nach § 72 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erforderlichen Zustimmung der Staatsanwaltschaften. 3. Hat der Senat von Berlin oder eine ihm nachgeordnete Behörde am 03.12.2017 die sächsischen Behörden über die Ingewahrsamnahme des Ausreisepflichtigen informiert, um die weitere Behandlung des Ausreisepflichtigen, insbesondere die Stellung eines Sicherungshaftantrages anzuregen und abzustimmen? Zu 3.: Die Person wurde am 03. Dezember 2018 nach der Feststellung ihrer Identität ohne Kontaktaufnahme mit der zuständigen Zentralen Ausländerbehörde des Freistaates Sachsen (ZAB Chemnitz) entlassen. Für einen Informationsaustausch mit der ZAB Chemnitz gab es für die eingesetzten Dienstkräfte der Polizei Berlin am 03. Dezember 2017 mangels Fahndungsausschreibung keinen Anlass. Mithin lagen nach Angaben der ZAB Chemnitz die Voraussetzungen zur Beantragung eines Abschiebehaftbeschlusses aufgrund der noch fehlenden Zustimmung der Staatsanwaltschaft auch noch nicht vor. Die sächsischen Behörden wurden durch die Polizei Berlin am 6. Dezember 2017 über die vorläufige Festnahme vom 03. Dezember 2017 informiert. Dabei wurde auch angeboten, sich zum weiteren Vorgehen abzustimmen. 4. Betrachtet sich der Senat von Berlin für unzuständig für die Beantragung und Durchsetzung der Abschiebungshaft von ausreisepflichtigen Personen, die nicht von der Berliner Ausländerbehörde bearbeitet werden, sondern von einer anderen Ausländerbehörde, die sich aber in Berlin aufhalten? Zu 4.: Eine Zuständigkeit für die Beantragung von Abschiebungshaft besteht nach § 71 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 BlnVwVfG, § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG nur für Fälle, die in der ausländerrechtlichen Zuständigkeit Berlins liegen. 5. Insoweit sich der Senat von Berlin als unzuständig betrachtet, warum unterstützt der Senat von Berlin die Durchsetzung der Ausreisepflicht anderer Ausländerbehörden in Bezug auf ausreisepflichtige Personen, die sich in Berlin aufhalten und Straftaten begehen, nicht dadurch, dass er die zuständigen Ausländerbehörden im Falle eines Aufgreifens einer solchen ausreisepflichtigen Person über die Ingewahrsamnahme informiert und mit ihnen das weitere Vorgehen bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht, insbesondere auch einen Antrag auf Abschiebungshaft abstimmt? Seite 3 von 3 Zu 5.: In Fällen, in denen die ausländerrechtliche Zuständigkeit in einem anderen Bundesland liegt, informiert die Polizei Berlin bei Vorliegen einer Fahndungsausschreibung die dort genannte Behörde und stimmt das weitere Vorgehen ab. Hierbei wird insbesondere geklärt, welche Maßnahmen in Amtshilfe durch die Polizei Berlin für die zuständige Behörde übernommen werden können. 6. Insoweit der Senat über die in Frage 1 genannten Tatsachen nicht informiert war, worauf ist das zurückzuführen, dass der Senat von Berlin nicht informiert war und welche gesetzgeberischen oder verwaltungsmäßigen Maßnahmen müssten ergriffen werden, um sicherzustellen, dass jede Polizeidienststelle in Deutschland jederzeit im Falle des Aufgreifens ausreisepflichtiger Personen deren Aufenthaltsstatus, gescheiterte Abschiebeversuche und gegen sie geführte Ermittlungsverfahren abfragen kann? Zu 6.: Soweit der Senat nicht informiert war, ist das auf die zu diesem Zeitpunkt nicht vorliegende Fahndungsausschreibung und die in den Informationssystemen der Polizei fehlende Verknüpfung aller Aliaspersonalien mit der tatsächlichen Personalie der Person zurück zu führen, siehe Antworten zu 1. und 3.. Nur bei entsprechender Ausschreibung und vollständiger Verknüpfung können durch jede Polizeidienststelle in Deutschland jederzeit Kontakt mit der zuständigen Stelle aufgenommen und die richtigen Maßnahmen durchgeführt werden. 7. Welche Erkenntnisse hat der Senat von Berlin zu etwaigen Verbindungen zwischen dem tunesischen Staatsangehörigen Fahti Ben M. und dem Terrorist Anis Amri? Zu 7.: Die Person ist als Kontaktperson zu Anis Amri im Zusammenhang mit dessen Aktivitäten im Drogenmilieu bekannt. Sie wurde erstmals in der 84. Sitzung der Arbeitsgruppe Statusrechtliche Begleitmaßnahmen (AG Status) des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ) im Mai 2017 als Kontaktperson von Anis Amri besprochen. Aufgrund dieser Verbindung wurde sie auch nach dem Anschlag auf den Breitscheidplatz vorsorglich im GTAZ behandelt. Ab diesem Zeitpunkt wurden dort, losgelöst von einem terroristischen Bezug, grundsätzlich Personen besprochen, die Kontakt zu Anis Amri hatten. Ab der ersten Behandlung im GTAZ wurde festgestellt und protokolliert, dass es zu dieser Person keine Hinweise auf eine Verbindung zur islamistischen Szene gibt. Berlin, den 27. Februar 2018 In Vertretung Christian Gaebler Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-13478 S18-13478