Drucksache 18 / 13 482 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Emine Demirbüken-Wegner (CDU) vom 13. Februar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Februar 2018) zum Thema: Integrierte Maßnahmeplanung gegen sexualisierte Gewalt: „Wir setzen den IMP um…“ - Wie steht es damit im Bereich Justiz? (1) und Antwort vom 05. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Mrz. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Frau Abgeordnete Emine Demirbüken-Wegner (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13482 vom 13. Februar 2018 über Integrierte Maßnahmeplanung gegen sexualisierte Gewalt: „Wir setzen den IMP um…“ - Wie steht es damit im Bereich Justiz? (1) -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche konkreten Maßnahmen hat der Senat gem. IMP-Forderung 1.1.3 zur Sicherstellung der Umsetzung des Berliner Leitfadens zur „Mitteilung in Strafsachen zum Schutz von Minderjährigen (MiStra)“ bereits unternommen? Was ist noch offen? 2. Wurden die Schutzbedarfe von Heranwachsenden über 18 Jahren, die sich z. B. in Ausbildungsverhältnissen befinden ebenfalls berücksichtigt und in den Berliner Leitfaden zu MiStra aufgenommen? Wenn nein, warum nicht und wann wird dies erfolgen? Zu 1. und 2.: Vorab ist anzumerken, dass Grundlage für die Mitteilungen personenbezogener Daten aus Strafverfahren an öffentliche Stellen die bundeseinheitlich gefasste Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) ist. Zu diesen Verwaltungsvorschriften hat in Berlin eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Strafverfolgungsbehörden, der Jugendämter und der betroffenen Senatsverwaltungen in den Jahren 2012/2013 einen Leitfaden speziell zu denjenigen Mitteilungen verfasst, die in der MiStra zum Schutze Minderjähriger enthalten sind. Dieser in der Frage 1 angesprochene Leitfaden soll insoweit eine Hilfestellung geben, als er für bestimmte Fallkonstellationen, bei denen die MiStra eine Mitteilung vorsieht, einen Überblick über die jeweils zuständigen Adressaten und die gegebenenfalls erforderlichen Inhalte der Mitteilungen gibt. Zu den Voraussetzungen, wann eine Mitteilung zu erfolgen hat, verhält sich der Leitfaden ausdrücklich nicht. Generell ist der Anwendungsbereich des Leitfadens mithin per se auf die Sachverhalte und die Schutzbedarfe beschränkt, wie sie von der MiStra vorgegeben werden. Vor diesem Hintergrund ist zu den in der „Integrierten Maßnahmenplanung des Berliner Netzwerkes gegen sexuelle Gewalt“ (IMP) unter 1.1.3. aufgestellten Forderungen und Anregungen Folgendes auszuführen: 2 Der Leitfaden wird fortlaufend aktualisiert. Zudem wurde unter Federführung der für Justiz zuständigen Senatsverwaltung eine regelmäßig tagende Arbeitsgruppe (AG) unter Beteiligung aller relevanten Stellen eingerichtet (die AG MiStra), die Gelegenheit gibt, die aktuelle Situation und eventuelle Probleme zu besprechen. Auf diesem Wege wird der Leitfaden auch fortlaufend evaluiert. Die jeweils aktuelle Fassung des Leitfadens ist den Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichten als den für die Erteilung der Mitteilungen erforderlichen Stellen bekannt. Grundlegende Mängel des Leitfadens selbst sind bislang nicht festgestellt worden. Sofern die Notwendigkeit einer Mitteilung nach der MiStra erkannt wird, gibt er die erforderlichen Hinweise, diese inhaltlich sachgerecht abzufassen und dem richtigen Adressaten zuzuleiten. Gemäß der in der IMP enthaltene Anregung zu prüfen, ob der Anwendungsbereich des Leitfadens um Tätigkeiten in Einrichtungen und Diensten des Gesundheits- und Sozialbereiches (z. B. Krankenhäuser, Reha-Einrichtungen, sozialpädiatrische Zentren, Behindertenhilfe , ambulante Dienste etc.) erweitert werden sollte, hat die AG MiStra bereits begonnen, sich mit dem Anliegen zu befassen. Die Prüfung wird nunmehr unter Einbindung der für die Bereiche Gesundheit und Soziales zuständigen Senatsverwaltungen konkretisiert werden. Insbesondere ist ins Auge gefasst, Vertreterinnen und Vertreter der beiden Senatsverwaltungen zu einer Sitzung der AG MiStra einzuladen. 3. Welche konkreten Schritte hat der Senat zur Entwicklung von Schutzkonzepten vor sexualisierter Gewalt (IMP-Forderung 1.2.1 c) in allen Berliner Straf- und Maßregelvollzugsanstalten unternommen? Wie viele Schutzkonzepte für welche Einrichtungen liegen vor und wie soll deren Umsetzung durchgesetzt werden? Zu 3.: Der Berliner Justizvollzug ist nach den Grundsätzen der Vollzugsgestaltung in § 3 Abs. 4 Strafvollzugsgesetz Berlin (StVollzG Bln) verpflichtet, den schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken. Der Schutz der Gefangenen vor Übergriffen ist in der Begründung dazu explizit aufgeführt. Hierbei wird eine auf Vertrauen basierende Betreuungsarbeit mit den Gefangenen angestrebt , welche die Offenbarungshürden für inhaftierte Personen abbauen sollen. So werden bspw. bereits in den Gesprächssituationen erkannte Gefahrenpotenziale offensiv thematisiert und ggf. notwendige Maßnahmen eingeleitet. Diese erstrecken sich über praktische Hilfestellungen bis hin zu konkreten, einzelfallbezogenen Schutzmaßnahmen. In allen Justizvollzugsanstalten werden unterschiedlichste Behandlungsangebote vorgehalten , die Gewalt vorbeugenden Charakter haben, so zum Beispielhaft die Behandlungsmaßnahmen der Sozialtherapeutischen Abteilungen sowie Anti-Gewalt-Trainings von externen Anbietern. Im Januar 2016 wurden von der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung in Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten des Berliner Justizvollzuges sowie mit dem Kriminologischer Dienst für den Berliner Justizvollzug und die Sozialen Dienste der Justiz Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Gewalt unter Inhaftierten verabschiedet. Diese Handlungsempfehlungen unterscheiden dabei nicht zwischen sexueller und nicht-sexueller Gewalt. Hierbei wird das gesamte Spektrum von physischen und psychischen Gewaltanwendungen oder Gewaltandrohungen berücksichtigt . 3 Das Konzept beinhaltet Empfehlungen zum Umgang mit Gewalt unter Inhaftierten in folgenden Rubriken: - Personelle Maßnahmen, - organisatorische bzw. administrative Maßnahmen und - bauliche bzw. sicherheitstechnische Maßnahmen (diese dienen lediglich zur Unterstützung anderer Maßnahmen). Zusätzlich zu den Empfehlungen sind Dokumentations- und Erhebungsbögen entwickelt worden, welche sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Inhaftierte, die aufgrund von bestimmten charakteristischen Merkmalen eher Opfer von Gewalttaten sein könnten, rechtzeitig und schnell identifiziert sowie Gewaltvorkommnisse analysiert werden können, um entsprechende Maßnahmen abzuleiten. Ergänzend zu den allgemeingültigen Schutz- und Behandlungsansätzen sind weitere ergänzende Maßnahmen etabliert. Im Folgenden sind zwei herausragende Konzepte beispielhaft erläutert: Das Berliner Zentrum für Gewaltprävention bietet seit 2016 in enger Kooperation mit der Justizvollzugsanstalt (JVA) Moabit das Angebot der Konfliktmoderation an. Dieses Angebot wird von Mitarbeitenden des Berliner Zentrums für Gewaltprävention geleitet und ist speziell für die JVA Moabit konzipiert. Der Einstieg ist den Untersuchungs- und Strafgefangenen jederzeit möglich. Es zielt auf die gewaltpräventive Kompensation von bestehenden Persönlichkeits- und Erziehungsdefiziten der Teilnehmer ab, unterstützt deren Sozialkompetenzentwicklung und hilft bei der Erarbeitung gewaltfreier Konfliktlösungsstrategien . Die Jugendstrafanstalt Berlin führt seit 2007 das Projekt „Peer-Mediation hinter Gittern. Konstruktive Konfliktbearbeitung“ dauerhaft als sozialpädagogisches Angebot durch. Ziel ist die Erhöhung der Konfliktfähigkeit der zu Konfliktmediatoren ausgebildeten jugendlichen Inhaftierten sowie die Etablierung eines regelhaften Instrumentes der konstruktiven Konfliktschlichtung in der Jugendstrafanstalt. Das Mediationsverfahren im Jugendstrafvollzug ist auch als Bestandteil der Begründung zum § 96 Jugendstrafvollzugsgesetz Berlin zur Konfliktlösung aufgeführt. Zur Sensibilisierung des Personals bieten die Bildungsstätte für den Berliner Justizvollzug und die Sozialen Dienste der Justiz regelmäßige und vielfältige Angebote für Mitarbeitende des Berliner Justizvollzuges an, deren Schwerpunkte auf dem Umgang mit Gewalt unter Inhaftierten, auf dem Umgang mit Inhaftierten mit psychischen Auffälligkeiten sowie den Umgang mit anderen Konfliktsituationen liegen. Die Konzepte und Maßnahmen sind sehr vielfältig, da angebotsabhängig unterschiedliche Ansätze der Gewaltvermeidung verfolgt werden. So werden freiwillige Angebote vorgehalten , bei denen keine bis geringe Durchsetzungsmechanismen greifen (Peer- Mediation in der Jugendstrafanstalt, Schutzstation in der JVA Tegel). Dazu kommen erforderliche Sicherungsmaßnahmen für Gewalttäter und Schutzmaßnahmen für Opfer von Gewalt, die ausnahmslos von Mitarbeitenden des Berliner Justizvollzuges durchgeführt werden. 4 Sämtliche Patientinnen und Patienten des Krankenhauses des Maßregelvollzugs - Krankenhausbetrieb des Landes Berlin (KMV) sind im Gegensatz zu Gefangenen in Justizvollzugsanstalten in ständiger enger therapeutischer Betreuung. Gewalt - und im Falle sexueller Gewalt auch diese - sind bei Bedarf Gegenstand therapeutischer Aufarbeitung. Diesbezüglich zeigt das KMV den Charakter vornehmlich einer psychiatrischen Einrichtung , allerdings vor dem Hintergrund der speziellen Regelungen des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) vom 17. Juni 2016 zur strafrechtsbezogenen Unterbringung (§§ 42 ff. PsychKG) und unter Beachtung der besonderen Auflagen der Krankenhausverordnung. Aus den genannten Gründen verfügt der Maßregelvollzug systemimmanent über ein einrichtungsspezifisches Schutzkonzept im Sinne der Empfehlung zur Etablierung systematisierter einrichtungsspezifischer Schutzkonzepte und der Sicherstellung einer umfassenden Anwendung. 4. Was hat der Senat bisher konkret zur Schaffung einer landesrechtlichen Norm unternommen, die auf § 30a BZRG Bezug nimmt (vgl. § 30a Absatz 1 Nr. 1 BZRG), dem Bestimmtheitsgebot genügt sowie zu einer regelmäßigen (mindestens alle drei Jahre) Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses in allen Abhängigkeitsverhältnissen (auch bei nicht Minderjährigen) verpflichtet (IMP Maßnahme 1.2.2)? Wenn nein, wann will der Senat damit beginnen? Zu 4.: Mit der Änderung des § 75 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches (SGB) XII hat der Bundesgesetzgeber die Norm geschaffen, die den Bezug zu § 30a des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) herstellt. Darin ist u. a. die Pflicht der Arbeitgeber zur Vorlage des erweiterten Führungszeugnisses benannt. Da u. a. der unbestimmte Rechtsbegriff - regelmäßig - im Gesetz verwendet wurde, gibt es dazu eine Arbeitsgruppe mit der Liga /Trägerseite, um im Auftrag der Kommission 75 (kom 75) für die Einrichtungen des Sozialwesens Umsetzungsanleitungen zu entwickeln. Dies erfolgt im Sachzusammenhang mit der Maßnahmenplanung gegen sexualisierte Gewalt. 5. Wann beabsichtig der Senat, sich auf Bundesebene für die Prüfung der Erforderlichkeit einer Streichung des Begriffes „Minderjähriger“ in §30a Abs. 1 Nr. 2 lit. b Bundeszentralregistergesetz (BZRG) einzusetzen, um eine Ausweitung der Vorlagepflicht auf Abhängigkeitsverhältnisse unter Erwachsenen auch auf Bundesebene zu verankern? Zu 5.: § 30a Abs. 1 Nr. 2 lit. b BZRG steht im thematischen Zusammenhang mit lit. a der Vorschrift, da sie auf die Tätigkeiten in lit. a verweist und diesen ähnliche Tätigkeiten erfassen soll. Eine Streichung des Wortes „Minderjährigen“ in lit. b erscheint dem Senat nicht zielführend. 6. Welche Maßnahmen hat der Senat zur Verbesserung des Opferschutzes gem. IMP-Forderungen 6.2 a); 6.2 b) 6.2 c) bis jetzt umgesetzt. Was ist noch offen? Zu 6.: Mit der Einrichtung des Ergänzenden Hilfesystems (EHS) für Betroffene, die in ihrer Kindheit und Jugend sexuellen Missbrauch in Institutionen des Landes Berlin erfahren haben und heute noch unter den Folgewirkungen leiden, übernimmt Berlin - wie auch einige andere Bundesländer und nichtstaatliche Organisationen - die finanzielle Verantwortung für das erlittene Unrecht. Der Senat hat in seiner Sitzung am 14. Juli 2015 den Beitritt zu der gemeinsamen Bund- Länder-Vereinbarung beschlossen. Auf dieser Grundlage wurde in Berlin eine Koordinierungsstelle bei der für Jugend zuständigen Senatsverwaltung eingerichtet, die gemeinsam mit der Geschäftsstelle des Bundes die Fallbearbeitung übernimmt. Das EHS war vorerst auf zwei Jahre begrenzt. Am 4. Januar 2017 wurde die Anschlussvereinbarung 5 zur Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisches Sexueller Kindesmissbrauch zum Ergänzenden Hilfesystem zwischen dem Bund und dem Land Berlin geschlossen sowie die Anschlussvereinbarung zu ergänzenden Hilfeleistungen an Betroffene sexuellen Missbrauchs in staatlichen Institutionen der ehem. DDR auf dem Gebiet des Landes Berlin. Somit können Betroffene des sexuellen Missbrauchs weiterhin Anträge auf Hilfeleistungen an das Land Berlin stellen. Für die Umsetzung des EHS für Opfer des sexuellen Kindesmissbrauchs im institutionellen Bereich stellt der Bund die bereits für den Fonds sexueller Missbrauch im familiären Bereich errichteten Strukturen zur Verfügung: die Geschäftsstelle Fonds sexueller Missbrauch und die Clearingstelle, die an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angebunden sind. Die Entscheidung zur Gewährung von Hilfeleistungen und deren Auszahlung liegt jedoch beim Land Berlin. Betroffene des sexuellen Missbrauchs erhalten analog zum Fonds Heimerziehung Hilfeleistungen nach einem Leistungskatalog, der die Regelsysteme des Gesundheits- und Sozialwesens ergänzt. Im Doppelhaushalt 2018/2019 stehen dafür Haushaltsmittel in Höhe von jeweils 305.000,00 € zur Verfügung. Von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie wird die von den beiden Trägern Wildwasser e.V. und Tauwetter e.V. getragene „Berliner Beratungsstelle für Betroffene sexueller Gewalt“ finanziert. Die Betroffenen erhalten eine kompetente, persönliche Beratung und werden auch während der Dauer der Antragsbearbeitung unterstützt. Im Zuge der bundesweiten Gründung forensischer Ambulanzen wurde in Berlin 2005 eine forensisch-therapeutische Nachsorge-Ambulanz in Kooperation der damaligen Senatsverwaltung für Justiz und der damaligen Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz gegründet. Bereits am 15. Januar 1999 fasste das Berliner Abgeordnetenhaus einen Beschluss, in welchem der Senat u. a. dazu aufgefordert wurde, einen Bericht über die Behandlungsmöglichkeiten im Land Berlin zur Verhinderung erneuter Rückfälle von Sexualstraftätern zu erstatten. Eine der Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen war „die Notwendigkeit der Errichtung einer forensisch-therapeutischen Ambulanz zur Nachbetreuung von aus dem Justiz- und Maßregelvollzug entlassener Sexual - und Gewaltstraftäter“. Unter Vorsitz der damaligen Senatsverwaltung für Justiz wurde 2002 eine Arbeitsgruppe gebildet, die eine Rahmenkonzeption hierfür erarbeitete. Im Juli 2005 wurde in Berlin-Tegel die Forensisch-Therapeutische Ambulanz (FTA) für Sexual- und Gewaltstraftäter eröffnet, deren Ziel die fachgerechte Nachbetreuung von Straftätern ist, die aus dem Justizvollzug oder einer Maßregeleinrichtung entlassen worden waren. Seit dem 1. Juli 2009 ist die Ambulanz fachlich und organisatorisch an das Institut für Forensische Psychiatrie der Charité - Universitätsmedizin Berlin angeschlossen . 7. Welche Maßnahmen hat der Senat bis jetzt eingeleitet, um die Fort- und Weiterbildungspotentiale bei Justiz und Polizei zu stärken, damit das Personal für Menschen mit spezifischen Bedarfslagen noch stärker sensibilisiert wird (IMP-Forderung 7.2. e)? Zu 7.: Die in Bezug genommene Ziffer 7.2 e der Integrierten Maßnahmenplanung gegen sexualisierte Gewalt lautet: „e) Sensibilisierung für spezifische Situationen Betroffener bei medizinischem Personal, Polizei und Justiz 6 Die bereits bestehenden Aktivitäten der Strafverfolgungsbehörden und im Gesundheitswesen zur Sensibilisierung des Personals für Menschen mit spezifischen Bedarfslagen z. B. LSBTTIQ, Migrationshintergrund und Menschen mit Beeinträchtigungen /Behinderungen - werden ausdrücklich begrüßt. Sie können dazu beitragen, einer Diskriminierung Betroffener bei der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen sowie im Kontakt mit den für die Bekämpfung sexualisierter Gewalt zuständigen staatlichen Stellen vorzubeugen. Daher empfiehlt das Netzwerk diese Sensibilisierungsaktivitäten im Bereich des Gesundheitswesens und bei den Strafverfolgungsbehörden weiter auszubauen .“ Das Gemeinsame Juristische Prüfungsamt der Länder Berlin und Brandenburg (GJPA) ist Träger der Fortbildung für die Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Für diesen Adressatenkreis werden umfangreiche Fortbildungsangebote vorgehalten. Die Sensibilisierung für die spezifische Situation von Menschen mit spezifischen Bedarfslagen ist ein typisches Querschnittsthema, welches seit vielen Jahren vor allem im Rahmen der fachübergreifenden und verhaltensorientierten Fortbildungen berücksichtigt wird. Dabei werden die damit verbundenen Fragestellungen in einem berufspraktischen Kontext vermittelt, wodurch das Interesse des Adressatenkreises an der Auseinandersetzung mit diesen Fragestellungen gefördert wird. So werden Fragen der Situation von Menschen mit spezifischen Bedarfslagen etwa in Seminaren zu „Konfliktmanagement “, „Interaktion in der Verhandlung“, Interkultureller Kompetenz“ sowie insbesondere im Rahmen von Seminaren zur Fortbildung des Führungskräftenachwuchses behandelt. Im Rahmen der Fortbildung des Höheren Justizdienstes organisiert das GJPA seit Jahren zudem regelmäßig besondere Schulungen zu Themen des Antidiskriminierungsrechts , namentlich (jährlich) zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Im Rahmen dieser Querschnittsveranstaltungen werden auch Fragen der Benachteiligung wegen der sexuellen und/oder geschlechtlichen Orientierung und Herkunft behandelt. Daneben finden regelmäßig familienrechtliche und strafrechtliche Fachseminare zum Umgang mit sexualisierter Gewalt an der Deutschen Richterakademie (DRA) statt. Im Jahr 2017 wurden folgende Seminare angeboten: Nein heißt Nein - Wirklich? Das neue Sexualstrafrecht in Theorie und Praxis (DRA Wustrau) Gewalt in der Familie - Familien- und strafrechtliche Aspekte, Glaubhaftigkeitsbeurteilung bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch (DRA Trier) Kindliche Beeinträchtigung durch elterliche Partnerschaftsgewalt und die Gestaltung kindschaftsrechtlicher Verfahren (DRA Trier) Ferner hat das GJPA im Rahmen der modularen Führungskräfteausbildung zum „Justizmanagement “ eine Arbeitsgruppe beauftragt, Vorschläge für ein Diversity Management Konzept spezifisch für die Justiz zu erarbeiten. Dabei sollen ausgehend von exemplarischen IST/SOLL-Analysen Leitbilder formuliert, strategische Diversity-Bereiche benannt und eine Kommunikations- und Einführungsstrategie erarbeitet werden. Auch das Kammergericht bietet im Rahmen der Referendarausbildung neben verschiedenen fachübergreifenden Veranstaltungen zu Kommunikationsthemen Tagungen zur Sensibilisierung für die Situation von Menschen mit spezifischen Bedarfslagen an: Beispielhaft sei die jährlich stattfindende Tagung „Menschenrechtsbasierter Diskriminie- 7 rungsschutz und Diversity“ speziell für Rechtsreferendare und Rechtsreferendarinnen aufgeführt, in welcher nationales und europäisches Antidiskriminierungsrecht (u. a. AGG) und Übungen zum Erkennen der unterschiedlichen Erscheinungsformen von Diskriminierung anhand von Fallbeispielen behandelt werden. Bei der Polizei Berlin ist die Bearbeitung von Sexualdelikten Bestandteil der polizeilichen Ausbildung. Zusätzlich enthalten die Lehr- und Studienpläne sowohl für das Aus- als auch das Fortbildungsangebot umfangreiche Lehrinhalte, die sich auf Opferschutz sowie Gewalt erstrecken und hierbei diverse Aspekte zum Umgang mit sexualisierter Gewalt und deren Opfern beinhalten. Ferner werden insbesondere durch die Angehörigen des Fachdezernats für Sexualdelikte Fortbildungsangebote polizeiexterner Anbieter genutzt. 8. Welche Maßnahmen hat der Senat bis jetzt eingeleitet und umgesetzt, um die Rechte von Betroffenen sexualisierter Gewalt im Strafprozess zu stärken? (IMP-Forderung 8.2)? Welche weiteren Vorhaben in diesem Bereich will er realisieren? 9. Ist der Einsatz von Sprachmittler_innen in Gerichtsverfahren gewährleistet und insbesondere für Betroffene von sexualisierter Gewalt sichergestellt? Wenn nein, was will der Senat konkret unternehmen? Zu 8. und 9.: Die Rubrik 8.2 des IMP „Rechte von Betroffenen sexualisierter Gewalt im Strafverfahren stärken“ betrifft ausschließlich den Einsatz von Sprachmittlerinnen und Sprachmittlern in Gerichtsverfahren. Die Beiziehung von Sprachmittlerinnen und Sprachmittlern für die Verständigung mit Personen in Gerichtsverfahren, die der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sind, ist eine in § 186 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) geregelte Aufgabe des Gerichts. Für hör- oder sprachbehinderte Menschen sieht § 186 GVG vor, dass die Verständigung nach ihrer Wahl mündlich, schriftlich oder mit Hilfe einer die Verständigung ermöglichenden Person, die vom Gericht hinzuzuziehen ist, erfolgt. Aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten richterlichen Unabhängigkeit beschränken sich die Beeinflussungsmöglichkeiten des Senats darauf, auf bestehende Angebote hinzuweisen. Daneben hat der Senat dazu beigetragen, das die Rolle der Verletzten - insbesondere auch der Opfer von Sexualstraftaten - im Strafprozess durch die Einführung einer gesetzlichen Regelung der psychosozialen Prozessbegleitung (§ 406 g Strafprozessordnung) gestärkt wurde. Dazu hat der Senat dem Abgeordnetenhaus am 10. Januar 2017 das Gesetz zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (AGPsychPbG) zugeleitet, welches vom Abgeordnetenhaus am 16. Februar 2017 beschlossen wurde und am 8. März 2017 in Kraft getreten ist. Die psychosoziale Begleitperson hat die Aufgabe, im gesamten Strafverfahren die Verletzten qualifiziert zu betreuen und zu unterstützen mit dem Ziel, die individuelle Belastung der Verletzten zu reduzieren und ihre Sekundärviktimisierung zu vermeiden. 10. Wurde die Staatsanwaltschaft durch den Senat dahingehend sensibilisiert, dass Betroffenen von sexualisierter Gewalt unter Berücksichtigung des Abschnitts 174b RiStBV bereits während eines Ermittlungsverfahrens ein Rechtsanwalt als Beistand zusteht und beigeordnet wird? Wenn nein, warum nicht? Zu 10.: Die Beiordnung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts erfolgt gemäß Nr. 174b Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) bei Vorliegen der Voraussetzungen nicht von Amts wegen, sondern auf Antrag der Betroffenen. Dieser Regelung liegen die Vorschriften der §§ 406h und 397a der Strafprozessordnung 8 zugrunde, die für das Handeln der an Recht und Gesetz gebundenen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte maßgeblich sind. Berlin, den 5. März 2018 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung S18-13482 S18-13482