Drucksache 18 / 13 483 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Emine Demirbüken-Wegner (CDU) vom 13. Februar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Februar 2018) zum Thema: Integrierte Maßnahmeplanung gegen sexualisierte Gewalt: „Wir setzen den IMP um…“ - Wie steht es damit im Bereich Jugend und Schule? (1) und Antwort vom 26. Februar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. März 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Frau Abgeordnete Emine Demirbüken-Wegner (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13 483 vom 13. Februar 2018 über Integrierte Maßnahmeplanung gegen sexualisierte Gewalt: „Wir setzen den IMP um…“ - Wie steht es damit im Bereich Jugend und Schule? (1) ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Mit welchen Ergebnissen hat der Senat mit der Umsetzung der IMP-Forderung 1.1.1 a) begonnen und wie wird er die Weiterentwicklung von Schutzkonzepten für Einrichtungen und Dienste der Kinder- und Jugendhilfe nach aktuellen fachlichen Standards und ggf. in Kooperation mit spezialisierten Kinderschutzprojekten und Fachberatungsstellen konkret durchsetzen? Welche Auflagen werden den Einrichtungen erteilt, die dieser Forderung nicht nachkommen? Zu 1.: Die Träger einer Einrichtung, in der Kinder oder Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut werden oder Unterkunft erhalten, müssen für die Erteilung einer Betriebserlaubnis gemäß § 45 Sozialgesetzbuch - Achtes Buch (SGB VIII) Schutzkonzepte vorlegen, deren wesentlicher Bestandteil der Schutz der Kinder und Jugendlichen in den Einrichtungen ist. Hierzu zählen ebenfalls Verfahren bei sexualisierter Gewalt. Im Rahmen des laufenden Betriebs werden diese Konzeptionen anlassbezogen überprüft. Sofern Veränderungen erforderlich sind, werden nachträgliche Auflagen erteilt. Für die Träger von Tageseinrichtungen für Kinder im Land Berlin werden aktuell alle Schutzkonzepte überprüft. 2. Mit welchen Maßnahmen hat der Senat mit der Umsetzung der IMP-Forderung 1.1.1 c) begonnen? Wie wird die flächendeckende und nachhaltig verankerte Behandlung der Thematik „sexualisierte Gewalt“ in allen schulischen Bildungseinrichtungen vorgenommen? Wie und wo zeigen sich Probleme bei der Realisierung der Forderung? 2 Zu 2.: Zur nachhaltigen Prävention von sexualisierter Gewalt an den Berliner Grundschulen ist das interaktive Theaterstück "Trau Dich!" am 20. November 2017 in Berlin gestartet. Dieses Theaterstück ist das zentrale Element der bundesweiten Initiative zur Prävention des sexuellen Kindesmissbrauchs des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, mit der das Land Berlin kooperiert. Der Besuch des Theaterstücks „Trau Dich!“ will Kinder ermutigen, über Gefühle , Distanz und Vertrauen, Geheimhaltung und Hilfe holen nachzudenken. Bis Ende 2018 sind sechs Theatertage mit zwei täglichen Aufführungen geplant. Damit wird ca. 4.000 Schülerinnen und Schülern im Alter von 8 bis 12 Jahren die Möglichkeit gegeben, das Theaterstück zu besuchen. Die Besonderheit des Themas erfordert einen Elternabend und eine schulische Fortbildung für pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In rund 14 Fortbildungsveranstaltungen werden ca. 280 Pädagoginnen und Pädagogen weitergebildet . Es werden Beratungs- und Anlaufstellen bekannt gemacht und das bestehende Hilfesystem durch die Vernetzung der Akteure auf lokaler Ebene unterstützt. Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) hat von der Kultusministerkonferenz der Länder im Februar 2016 einen unterstützenden Beschluss erhalten. Unter dem Titel "Schule gegen sexuelle Gewalt" entstand ein Online- Portal, welches Hilfe und Unterstützung gegen sexuelle Gewalt gibt. Außerdem werden Informations- und Arbeitsmaterialien zur Verfügung gestellt. Berlin wird im September 2018 seine spezifischen Länderinhalte für das Fachportal bereitstellen. Zeitgleich erhalten alle Schulen die Informations- und Arbeitsmaterialien. Das Materialpaket gibt den Schulen konkrete Hilfestellungen, um passgenaue Schutzkonzepte für ihren Standort zu entwickeln . Daneben hat der Träger Strohhalm e.V. – Fachstelle für Prävention von sexuellem Missbrauch an Mädchen und Jungen - zusätzliche Mittel erhalten, um einzelne Schulen aktiv bei der Entwicklung eines Konzeptes zum Schutz vor sexueller Gewalt zu unterstützen sowie die Sensibilisierung und Qualifizierung von Lehrkräften zur Prävention und Intervention bei sexuellen Grenzüberschreitungen von Kindern und Jugendlichen weiter auszubauen. 3. Welche Maßnahmen hat der Senat zur Stärkung der Kinderschutzkoordination in den Bezirken – Umsetzung der IMP- Forderung 2.1 c) – konkret eingeleitet und umgesetzt? Welche Rolle spielt dabei die Besetzung von freien Stellen im Bereich des bezirklichen Kinderschutzes? Welche weiteren Maßnahmen hat der Senat vorgesehen? Zu 3.: Jedes bezirkliche Jugendamt hat mindestens eine Kinderschutzkoordinatorin. Diese Stellen sind in den Bezirken besetzt. Die Koordination Kinderschutz ist u.a. verantwortlich für die Umsetzung von Standards und Verfahren sowie für die Kooperation und sozialräumliche Vernetzung. Das betrifft auch das bezirkliche Versorgungsverfahren bei sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Die Zuständigkeit für die Besetzung von freien Stellen im Bereich des Kinderschutzes liegt in der Verantwortung der Bezirke. 4. Hat der Senat bereits mit der Umsetzung der IMP-Forderung 2.1 e) begonnen, damit sowohl den Betroffenen als auch den unterstützenden Personen rund um die Uhr eine niedrigschwellige, qualifizierte Kontaktmöglichkeit zur Erstberatung und Einleitung weiterer Maßnahmen zur Verfügung steht? Wenn nein, bis wann hat der Senat vorgesehen, die Lotsenfunktion des Berliner Notdienst Kinderschutz und der Berliner Hotline- Kinderschutz bei sexualisierter Gewalt mit welchem Ziel zu stärken? 3 Zu 4.: Die Berliner Hotline Kinderschutz ist direkt an den Berliner Notdienst Kinderschutz (BNK) angegliedert und seit 2016 um eine muttersprachliche Beratungsmöglichkeit in den Sprachen türkisch, arabisch und russisch erweitert worden. Ab 2018 werden die Beratungsfenster für diese muttersprachlichen Angebote nochmals erweitert. Die Hotline Kinderschutz ist rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr erreichbar und grundsätzlich auch für Betroffene von sexualisierter Gewalt ansprechbar. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Beratungstätigkeit an der Hotline Kinderschutz sicherstellen, sind im Bereich Kinderschutz , inklusive Kinderschutz aufgrund sexualisierter Gewalt, geschult. Durch die strukturelle Verzahnung mit dem Kindernotdienst, dem Jugendnotdienst und dem Mädchennotdienst (betrieben durch den auf sexuellen Missbrauch spezialisierten Träger Wildwasser e.V.) ist es möglich, im Fall der Beratung von Betroffenen von sexueller Gewalt sofort zu reagieren und eine Schutz- oder Lotsenfunktion zu den entsprechenden Netzwerkpartnern des BNK auszuüben. Der BNK und die Hotline Kinderschutz arbeiten u.a. eng mit der Hotline der Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen (BiG Hotline) und den auf sexuellen Missbrauch spezialisierten Fachberatungsstellen (u.a. Kind im Zentrum, Wildwasser e.V.) zusammen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hotline Kinderschutz sind auch qualifiziert, um im Einzelfall zu medizinischen Erstversorgungsmöglichkeiten , zu Schutzeinrichtungen (z.B. Mädchennotdienst, anonyme Frauenhäuser) oder zu weitergehenden psychosozialen Versorgungsangeboten (z.B. Zusammenarbeit mit der Krisenwohnung von Neuland e.V.) zu vermitteln und so ihre Lotsenfunktion auszuüben. Zudem gibt es eine Zusammenarbeit mit den fünf Kinderschutzambulanzen, insbesondere mit der Kinderschutzambulanz der Charité - Universitätsmedizin Berlin Campus Virchow- Klinikum, die auf sexuellen Missbrauch spezialisiert ist. 5. Wie stellt der Senat sicher, dass gem. Jugend-Rundschreiben Nr. 1/2015 – Erweitertes Führungszeugnis nach § 72a SGB VIII und § 30a Bundeszentralregistergesetz (BZRG) – alle im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit tätigen Personen (hauptamtlich beruflich tätige einschließlich Mitarbeiter der Jugendämter und Schulen sowie ehrenamtlich tätige Personen) wieder ein aktuelles Führungszeugnis vorlegen? Zu 5.: Gemäß § 72 a SGB VIII dürfen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Wahrnehmung der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe keine Personen beschäftigen oder vermitteln , die einschlägig vorbestraft sind. Das Land Berlin hat in Umsetzung des § 72 a SGB VIII die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses bestimmt (vgl. Jugend- Rundschreiben 1/2015). Für die Wiedervorlage von erweiterten Führungszeugnissen nach fünf Jahren analog der Landesregelung sind die jeweiligen Personalstellen der Jugendämter bzw. der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie zuständig. Gemäß § 72 a Abs. 1 SGB VIII sind die Träger der öffentlichen Jugendhilfe verpflichtet für die Wahrnehmung von Aufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe vor Einstellung oder Vermittlung und in regelmäßigen Abständen von hauptamtlich beschäftigten Personen und gemäß § 72 a Abs. 3 SGB VIII auch von neben- und ehrenamtlich tätigen Personen unter ihrer Verantwortung, bei denen je nach Art, Intensität und Dauer des Kontakts mit Minderjährigen es geboten erscheint, ein erweitertes Führungszeugnis einzuholen. Die Vorlagepflicht betrifft auch Honorarkräfte, Zivildienstleistende, Freiwilligendienstleistende , Teilnehmende von Arbeitsfördermaßnahmen im Rahmen der Arbeitsförderung, ehrenamtlich Tätige, Praktikantinnen und Praktikanten sowie andere vergleichbar tätige Personen , die regelmäßig mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt kommen. Für den Bereich der Kindertageseinrichtungen wird auf der Grundlage einer Vereinbarung mit den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege sichergestellt, dass sich die Leis- 4 tungsanbieter von allen Beschäftigten bei der Einstellung ein Führungszeugnis vorlegen lassen und dies auch in regelmäßigen Abständen wiederholen. Der Landesjugendring Berlin und die Sportjugend Berlin haben mit dem Senat Vereinbarungen entsprechend § 72 a SGB VIII geschlossen. Danach muss nicht nur für alle hauptberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Jugendarbeit vor Aufnahme der Tätigkeit ein erweitertes Führungszeugnis eingeholt werden. Das gilt auch für alle ehrenamtlich tätigen Personen. Vor der Aufnahme einer Tätigkeit ist aufgrund von Art, Intensität und Dauer des Kontakts mit Kindern und Jugendlichen ein aktuelles Führungszeugnis im Sinne des § 30 a des Bundeszentralregisters vorzulegen. Das o.g. Jugend-Rundschreiben 1/2015 enthält bzgl. der gesetzlichen Vorgabe "in regelmäßigen Abständen" die Konkretisierung, dass spätestens nach fünf Jahren wieder ein aktuelles Führungszeugnis (d.h. nicht älter als drei Monate) vorzulegen ist. Gemäß § 72 a Abs. 2 und 4 SGB VIII soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zudem durch Vereinbarungen mit den Trägern der freien Jugendhilfe sicherstellen, dass auch diese keine einschlägig vorbestraften Personen einsetzen und sich daher ebenfalls von hauptberuflich Beschäftigten und neben- oder ehrenamtlich Tätigen, bei denen je nach Art, Intensität und Dauer des Kontakts mit Minderjährigen es geboten erscheint, ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen lassen. Das o.g. Jugend-Rundschreiben enthält hierzu in der Anlage 1 eine Mustervereinbarung, die u.a. die Verpflichtung enthält, die Vorlage eines aktuellen Führungszeugnisses alle 5 Jahre zu wiederholen, es sei denn, es ist eine frühzeitigere Vorlage angezeigt. Zudem ist das Bestehen einer entsprechenden Vereinbarung Bedingung für eine Zuwendungsförderung bzw. sind bei einer Finanzierung über Leistungsverträge die Vorgaben zur Vorlage des Führungszeugnisses als Bestandteil des Vertrages oder einer entsprechenden Zusatzvereinbarung festzuhalten. Das erweiterte Führungszeugnis bei hauptamtlich tätigen Lehrkräften an den Berliner Schulen wird einmalig anlässlich der Einstellung abgefordert. Weitere Fristen für eine Neuvorlage gibt es nicht. Schulen können über die Mittel der Personalkostenbudgetierung (PKB) eigenverantwortlich befristete Arbeitsverträge abschließen, um insbesondere kurzfristig auftretenden Unterrichtsausfall zu vermeiden. Zwingende Voraussetzung für eine Beschäftigung als PKB- Vertretungslehrkraft ist ein einwandfreies und aktuelles „Erweitertes Führungszeugnis zur Vorlage bei Behörden nach § 30 a Bundeszentralregistergesetz“. Die Schulleitung fordert dementsprechend jede Vertretungslehrkraft mit einem Vordruck auf, das Führungszeugnis zu beantragen. In der Regel handelt es sich um die kurzfristige Besetzung eines Arbeitsgebietes, ohne dass zum Zeitpunkt der Begründung des Beschäftigungsverhältnisses bereits ein erweitertes Führungszeugnis vorliegt. Vor Abschluss eines Arbeitsvertrags hat daher jede Vertretungslehrkraft die Erklärung über anhängige Verfahren, die Erklärung über Verurteilung sowie die Erklärung zu bisherigen Beschäftigungsverhältnissen abzugeben. Abgesehen von befristeten Arbeitsverträgen können die Schulleitungen im Rahmen der PKB – ebenfalls eigenverantwortlich – befristete Honorar-, Projekt- und Werkverträge abschließen . Diese Möglichkeit besteht neben der PKB auch über den Verfügungsfonds und das Bonus-Programm sowie im Rahmen des Ganztags. Hier ist vertraglich geregelt, dass der Auftragnehmer für sich sowie seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein einwandfreies und aktuelles „Erweitertes Führungszeugnis zur Vorlage bei Behörden nach § 30 a Bundeszentralregistergesetz “ beantragt und der Schulleitung vorlegt. Zuvor ist eine Leistungserbringung nicht möglich. Neben- bzw. ehrenamtlich an Schulen tätige Personen werden in die Pflicht zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses einbezogen, soweit sie an den Schulen Aufgaben in unmittelbarem Kontakt mit Schülerinnen und Schülern wahrnehmen und es sich bei 5 diesen Tätigkeiten um ein Beaufsichtigen, Betreuen, Erziehen, Vorlesen (Lesepaten) bzw. Ausbilden minderjähriger Schülerinnen und Schüler handelt. Berlin, den 26. Februar 2018 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie S18-13483 S18-13483