Drucksache 18 / 13 532 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Emine Demirbüken-Wegner (CDU) vom 15. Februar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Februar 2018) zum Thema: Bearbeitung von Kinderschutzfällen in Berlin primär eine Personalfrage? und Antwort vom 01. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Mrz. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Frau Abgeordnete Emine Demirbüken-Wegner (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13532 vom 15. Februar 2018 über Bearbeitung von Kinderschutzfällen in Berlin primär eine Personalfrage? ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Stellen gibt es insgesamt für den Bereich Kinderschutz im Land Berlin (Hauptverwaltung und Bezirke)? Wie viele Stellen sind davon nicht besetzt? 2. Wie viele Stellen für den Bereich Kinderschutz gibt es in den Bezirken? Wie viele Stellen davon sind nicht besetzt? (Bitte aufgegliedert auf die einzelnen Bezirke darstellen.) Zu 1. und 2.: Für die politisch administrativen und ministeriellen Aufgaben hinsichtlich des präventiven und reaktiven Kinderschutzes und die Aufgaben des Landesjugendamtes gibt es in der Hauptverwaltung der Senatsverwaltung für Bildung Jugend und Familie mit Stand vom 01.03.2018 drei finanzierte Stellen (Vollzeitäquivalente [VZÄ]), davon ist eine Stelle derzeit nicht besetzt, da sie sich noch im Ausschreibungsverfahren befindet. Zudem gibt es im Berliner Notdienst Kinderschutz 81,15 finanzierte Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiterstellen (VZÄ), davon sind derzeit 1,72 Stellen (VZÄ) nicht besetzt. Im Rahmen einer Personalerhebung der bezirklichen Jugendämter, welche die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (SenBildJugFam) zuletzt zum Stichtag 01.01.2017 durchgeführt hat, werden die Stellen und die Personen der Berliner Jugendämter zweijährlich erhoben. Die Erhebung der Personalausstattung in Berliner Jugendämtern untergliedert sich nach den mit den bezirklichen Jugendämtern abgestimmten Aufgabenbereichen . Im Kontext des Kinderschutzes der Jugendämter betrifft dies das Tätigkeitfeld der Kinderschutzkoordinatorinnen und Kinderschutzkoordinatoren (mit koordinierenden und administrativen Aufgaben) sowie ein Teilgebiet des Regionalen Sozialen Dienstes (RSD). - - 2 Gemäß den von den bezirklichen Jugendämtern gemeldeten Personaldaten waren bei den Kinderschutzkoordinatorinnen und Kinderschutzkoordinatoren zum 01.01.2017 berlinweit 13,4 Stellen in Vollzeitäquivalenten (VZÄ) besetzt, 0,12 VZÄ waren vakant. Die bezirkliche Aufschlüsselung kann der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Innerhalb des RSD sind weitere an den Kinderschutz angrenzende Tätigkeitsfelder inkludiert , wie Hilfen zur Erziehung (HzE), minderjährige Asylbewerberinnen und Asylbewerber, Mitwirkung in familiengerichtlichen Verfahren (FamFG) und Beratung. Die nachfolgende Tabelle weist die Anzahl der finanzierten Stellen wie auch die Anzahl der besetzten und vakanten Stellen im RSD aus. Zum Stichtag 01.01.2017 gab es im Tätigkeitsfeld RSD berlinweit 884 finanzierte Stellen (VZÄ), von denen 779,6 VZÄ besetzt und 104,4 VZÄ unbesetzt waren (siehe Tabelle 11). Tabelle 1: Personalerhebung der Jugendämter zum 01.01.2017: finanzierte, besetzte und nicht besetzte Stellen (VZÄ) in den Aufgabenfeldern Kinderschutzkoordinatorinnen/ Kinderschutzkoordinatoren sowie Regionale Soziale Dienste (Quelle: Erhebung der Personalausstattung in Berliner Jugendämtern; Meldung der Bezirke, Aufbereitung von SenBildJugFam) 3. Befinden sich alle unbesetzten Stellen in den Bezirken in Ausschreibungsverfahren? Wenn nein, warum nicht? (Bitte auch auf die einzelnen Bezirke aufgegliedert darstellen.) Zu 3.: Über den Stand der Besetzungsverfahren liegen dem Senat keine Kenntnisse vor. 4. Was will der Senat dafür tun, um die Besetzungsverfahren insgesamt zu beschleunigen? 1 Nicht ausgewiesen ist das Personalvolumen des Berliner Kinder- und Jugendnotdienstes, der bis zum Ende des Jahres 2017 beim Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg verortet war. - - 3 Zu 4.: Das Stellenbesetzungsverfahren im Land Berlin wird derzeit grundlegend reformiert mit dem Ziel, Arbeitsschritte deutlich zu beschleunigen und den Prozess zeitgemäß zu verändern und zu optimieren. Wesentlicher Bestandteil der Prozessoptimierung ist die Bündelung und Standardisierung von Auswahlprozessen. In diesem Kontext wird auch die Ausschreibungsmethodik modernisiert . Dies umfasst neben einer verständlichen und zielgruppengerechten Ansprache in Stellenausschreibungen auch die Abkehr von ggf. überhöhten Formalanforderungen. Hierfür werden unter anderem die Ausführungsvorschriften über die Ausschreibung von Beamtenstellen (AV Stellenausschreibung) überarbeitet. Erklärtes Ziel ist die Verkürzung der Verfahrensdauer auf drei bis vier Monate ab Ausschreibung. Die Beschleunigung der Stellenbesetzungsverfahren ist vom Senat auch als personalpolitischer Arbeitsschwerpunkt für die Jahre 2017 und 2018 festgeschrieben worden (vgl. Personalpolitisches Aktionsprogramm 2017/2018) und Gegenstand der Auflage 17 zum Haushalt 2018/2019. Im Rahmen dieser Auflage wird die regelmäßige Berichterstattung fortgesetzt und über die weiteren Entwicklungen informiert. 5. Wie gestaltet sich auf Grund der unbesetzten Stellen in den Bezirken die Höhe der Fallzahlen im Kinderschutz pro Mitarbeiter? (Bitte Fallzahlentwicklung der letzten 5 Jahre zugeordnet auf die Bezirke darstellen.) 6. Hat sich in dieser Zeit auch die Anzahl der Kinderschutzfälle erhöht? Wenn ja, wie stellt sich der Anstieg in den letzten 5 Jahren bezogen auf die einzelnen Bezirke dar? In welchem Verhältnis steht der Anstieg der Kinderschutzfälle zur Fallzahlerhöhung pro Mitarbeiter im Kinderschutz? Zu 5. und 6.: Innerhalb der letzten fünf Jahre ist eine Zunahme von Gefährdungsmeldungen an das Jugendamt und eine Zunahme der daran anschließenden Gefährdungseinschätzung einer latenten bzw. akuten Kindeswohlgefährdung festzustellen (siehe Tabelle 2). Die Zuständigkeit für gemeldete Kinderschutzfälle pro Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter hängt von der jeweiligen Organisation in den Regionalen Sozialpädagogischen Diensten ab (z.B. Zuständigkeit nach Straßenzügen) und kann nicht als durchschnittliche Fallzahl pro Mitarbeiterin /Mitarbeiter berechnet werden - - 4 Tabelle 2: Anzahl der Gefährdungsmeldungen 2012 bis 2016 und Anteil der Gefährdungseinschätzung einer akuten oder latenten Gefährdung (Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, Kinder- und Jugendhilfestatistik ) 7. Trifft es zu, dass wegen des Personalmangels nur noch die dringendsten Kinderschutzfälle bearbeitet werden? Wie sieht hier das Verhältnis zwischen gemeldeten und bearbeiteten Kinderschutzfällen differenziert nach Bezirken aus? 8. Gibt es Vorschriften, in welcher Zeit ein gemeldeter Kinderschutzfall bearbeitet werden muss? Wenn ja, in welchem Zeitraum muss eine erste Reaktion durch das Amt erfolgen? Wenn nein, warum gibt es solche Vorschriften nicht? 9. Wer kontrolliert, wie viele gemeldete Kinderschutzfälle aus welchen Gründen „auf Schreibtischen der Ämter verloren“ gehen? Gibt es Erfahrungen aus anderen Bundesländern, die genutzt werden könnten, um eine solche (bereits in der Öffentlichkeit gefühlte) Entwicklung zu verhindern? Zu 7. bis 9.: Kinderschutzfälle werden in den Jugendämtern grundsätzlich prioritär bearbeitet. Jede Mitteilung, unabhängig davon, ob sie mündlich, schriftlich oder anonym erfolgt, ist schriftlich aufzunehmen und in einem verbindlich vorgegebenen Verfahren zu bearbeiten. Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung bekannt , so sind diese gemäß § 8a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte abzuschätzen. Bei gewichtigen Anhaltspunkten für die Annahme einer Kindeswohlgefährdung ist das Ausmaß der akuten Gefährdung durch mindestens 2 Fachkräfte des Jugendamtes abzuschätzen (4-Augen-Prinzip). Je nach Gefährdungslage ist mit der betroffenen Familie innerhalb von zwei Stunden, mindestens aber noch am gleichen Tag Kontakt aufzunehmen und das betroffene Kind oder die betroffenen Kinder in Augenschein zu nehmen. Es gelten die verbindlichen Vorgaben des Berliner Kinderschutzverfahrens der „Gemeinsamen Ausführungsvorschriften über die Durchführung von Maßnahmen zum Kinderschutz in den Jugend- und Gesundheitsämtern der Bezirksämter des Landes Berlin“ (AV Kinderschutz Jug Ges Nr. 5 Abs.1 u. 5 und das Jugend-Rundschreiben Nr. 3/2013 über Bezirk 2012 davon latente oder akute Kindeswohlgefährdung 2013 davon latente oder akute Kindeswohlgefährdung 2014 davon latente oder akute Kindeswohlgefährdung 2015 davon latente oder akute Kindeswohlgefährdung 2016 davon latente oder akute Kindeswohlgefährdung Mitte 681 227 1.293 615 1.435 820 1.990 1.223 1.918 1.168 Friedrichshain-Kreuzberg 1.203 880 1.068 688 1.163 794 1.302 839 1.447 873 Pankow 225 123 293 130 604 294 564 243 839 403 Charlottenburg-Wilmersdorf 439 191 462 153 1.197 496 1.037 420 898 368 Spandau 744 450 919 608 1.014 539 1.034 645 1.185 551 Steglitz-Zehlendorf 510 422 579 338 603 304 542 303 556 302 Tempelhof-Schöneberg 572 213 565 222 696 308 1.416 667 1.770 757 Neukölln 954 553 814 556 568 398 2.040 1.526 2.291 1.703 Treptow-Köpenick 661 318 985 518 1.057 486 1.160 572 895 422 Marzahn-Hellersdorf 895 396 730 430 1.190 592 823 446 1.042 461 Lichtenberg 460 231 868 503 945 483 1.141 541 1.203 591 Reinickendorf 1.442 398 1.383 477 1.300 515 1.392 414 1.400 443 Berlin 8.786 4.402 9.959 5.238 11.772 6.029 14.441 7.839 15.444 8.042 - - 5 „Verbindliche Bewertungs- und Dokumentationsverfahren bei Verdacht einer Kindeswohlgefährdung “). Das Verfahren nach § 8a SGB VIII umfasst die Risiko- und Sicherheitseinschätzung sowie die Entwicklung eines dem Einzelfall entsprechenden Hilfe- und Schutzkonzeptes . Nach Einschätzung der Kindeswohlgefährdung, in der Regel nach erfolgter Prüfung auf der Grundlage eines Hausbesuchs/Vorortbesuchs, ist verbindlich die Leitung der regionalen Organisationseinheit zu informieren. Das jeweilige Hilfe- und Schutzkonzept ist zu dokumentieren und durch die Leitung der regionalen Organisationseinheit verbindlich per Unterschrift zu bestätigen. Ebenso ist eine terminierte Wiedervorlage zur Kontrolle des erarbeiteten Hilfe- und Schutzkonzeptes vorgegeben. Für die Kontrolle der Wiedervorlagen sind die Leitungen der regionalen Organisationseinheiten im Rahmen ihrer Dienstund Fachaufsicht zuständig. 10. Wie beurteilt der Senat den Einsatz eines Kinderschutzteams, wie beispielsweise im Bezirk Neukölln? Wäre die Einführung einer solchen Organisationsform für den Kinderschutz förderlich und deshalb für alle Bezirke denkbar und wünschenswert? Zu 10.: Die Strukturierung des Jugendamtes und somit auch die Einführung von Kinderschutzteams unterliegt den Ausführungsvorschriften über eine am sozialen Raum orientierte Organisation der Berliner Jugendämter (AV- Org Jugendämter). Die Einführung von speziellen Teams ist möglich und liegt im Ermessen der Bezirke. In den Bezirken gibt es unterschiedliche Formen von speziellen Teams (Kinderschutzteams, Krisendienste, Kriseninterventionsteams). Berlin, den 01. März 2018 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie S18-13532 S18-13532