Drucksache 18 / 13 542 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thomas Seerig (FDP) vom 21. Februar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Februar 2018) zum Thema: Ausführungsvorschrift zur Eingliederungshilfe im Land Berlin und Antwort vom 07. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Mrz. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Herrn Abgeordneten Thomas Seerig (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13542 vom 21. Februar 2018 über Ausführungsvorschrift zur Eingliederungshilfe im Land Berlin ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher die Bezirksämter von Berlin um Stellungnahmen gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurden. Sie wurden zusammengefasst und bilden die Grundlagen für die nachfolgenden Antworten. Vor allem durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) werden zahlreiche Änderungen mit Wirkung für die Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII vorgenommen. Diese treten stufenweise in Kraft (vgl. Art. 26 BTHG). Eine größere Zahl von Rechtsänderungen trat zum 01.01.2018 in Kraft, die nächste Stufe ist für den 01.01.2020 vorgesehen. In diesem Zeitraum (01.01.2018 bis 31.12.2019) richtet sich das Leistungs- und Leistungserbringungsrecht der Eingliederungshilfe zunächst ausschließlich nach dem SGB XII (ggf. in Verbindung mit dem SGB IX). Eingliederungshilfe in Form der Teilhabe am Arbeitsleben richtet sich nach §§ 54 Abs. 1 S. 1, 140 SGB XII i. V. m. §§ 49 ff. SGB IX; Eingliederungshilfe in Form der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII iVm. §§ 55 ff. SGB IX in der am 31.12.2017 geltenden Fassung. Ein Bestandteil der Eingliederungshilfe als Teilhabe am Arbeitsleben und der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sind derzeit kfz-Hilfen 2 nach § 8 Eingliederungshilfeverordnung (EinglHV). Das Leistungserbringungs- und Vertragsrecht richtet sich bis 31.12.2019 ausschließlich nach §§ 75 ff. SGB XII und unterscheidet zwischen ambulanten Diensten und (teil-)stationären Einrichtungen. 1. Was war der Anlass zur Überarbeitung der Ausführungsvorschrift zur Eingliederungshilfe im Land Berlin (AV-EH), die seit dem 26. Januar 2018 gelten? Zu 1.: Das BTHG hat durch seine zweite Reformstufe zahlreiche Regelungen getroffen. Aus Gründen der Rechtsklarheit sind dem Bundesrecht entgegenstehende Vorgaben oder schlichte Doppelungen ohne Regelungsmehrwert in den Ausführungsvorschriften zur Eingliederung behinderter Menschen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (AV EH) vom 09.02.2007 (ABl. S. 667) aufgehoben worden. Die AV EH bleibt im Übrigen in Kraft. Um den Bezirken eine Handreichung bzgl. der bundesrechtlichen Änderungen zu geben, wurde das Rundschreiben Soz Nr. 8/2017 an die Bezirke versandt und auf den Internetseiten der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales veröffentlicht. Der Senat prüft für die Eingliederungshilfe im SGB IX, welche Regelungen der bestehenden AV EH für eine neue AV EH 2020 übernommen werden können und wo es ggf. weiteren Regelungsbedarf gibt. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. 2. Wie viele Dienststellen und nachgeordnete Einrichtungen sind gemäß § 32 III AV-EH über ein Schreibtelefon erreichbar und welche sind dies? 3. Welche Hilfsmittel nutzen Dienststellen und nachgeordnete Einrichtungen des Landes Berlin noch, um Menschen mit Hörbehinderung oder gehörlosen Menschen zu erreichen? 4. Wie definiert der Senat den in § 32 verwandten Begriff „Gebrechen“? Zu 2. bis 4.: Die Fragen werden wegen Ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Nr. 32 Abs. 3 AV EH bezieht sich auf ein Hilfsmittel, das Leistungsberechtigte als Behinderungsausgleich von der Gesetzlichen Krankenversicherung gewährt bekommen können. Adressat dieser Leistung ist somit der Leistungsberechtigte selbst. Das Fallmanagement der Eingliederungshilfe wird von den Bezirken wahrgenommen. Die Bezirke, die geantwortet haben (Lichtenberg, Pankow, Reinickendorf, Steglitz- Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg), haben einhellig mitgeteilt, dass Sie über kein Schreibtelefon verfügen. Für eine Kommunikation mit Menschen mit Hörbehinderung oder gehörlosen Menschen werden bei Bedarf auch Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher bzw. Schriftsprachdolmetscherinnen und Schriftsprachdolmetscher eingesetzt. Weitere Telekommunikationsmittel wie z. B. E-Mail, Fax können ebenfalls genutzt werden. Der Bezirk Pankow hat mitgeteilt, dass im bezirklichen Bestand ein Frequenz- Modulationskoffer für Hörgeräte-Träger mit T-Schleife befindet. In den Pankower Bürgerämtern sei darüber hinaus an der jeweiligen Information und an jeweils einem Arbeitsplatz ein technisches Hilfsmittel zur Kommunikation mit Bürgerinnen und 3 Bürgern, die eine Hörbeeinträchtigung aufweisen, installiert. Hierbei handelt es sich um ein mobiles Ringschleifensystem für diskrete Kommunikation mit Hörgeschädigten (LA - 90 Set). Sowohl auf der Startseite der Pankower Bürgerämter im Internet als auch in den Bürgerämtern gibt es entsprechende Hinweise. Das Bezirksamt Pankow verfügt des Weiteren zur Hörunterstützung für Gruppengespräche (z. B. Helferkonferenzen) im Amt für Soziales, im Jugendamt und im Gesundheitsamt über Geräte mit Sender-/ Empfänger-Einheiten. Diese sind an folgenden fünf Standorten vorhanden: Regionaler Sozialpädagogischer Dienst (RSD) Pankow, RSD Weißensee, RSD Fröbelstraße, Eingliederungshilfe Fröbelstraße und Beratungsstelle für behinderte Menschen (BfB) im Gesundheitsamt in der Grunowstraße. Zugleich ist damit die örtliche Verteilung im Bezirk Pankow so gestaltet, dass auch andere Verwaltungseinheiten in den jeweiligen Dienstgebäuden die Geräte bei Bedarf entleihen können Der in Nr. 32 Abs. 3 AV EH verwandte Begriff „Gebrechen“ bezieht sich auf das Krankenversicherungsrecht und die Definition von Krankheit in § 27 SGB V bzw. Gesundheit gemäß der Satzung der WHO vom 29.01.1974 (BGBl. II S. 45), wonach Gesundheit ein Zustand völligen […] Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit oder Gebrechen sei. Durch das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention - BRK) vom 21.12.2008 (BGBl. II S. 1419), in Kraft getreten für die Bundesrepublik Deutschland am 26.03.2009 (BGBl. II S. 812), ist die Bezeichnung Funktionsbeeinträchtigung mittlerweile üblicher (vgl. Art. 1 Abs. 2 BRK). 5. Welche Qualifikation erwartet der Senat von Fallmanagern nach § 8 in den AV EH? Zu 5.: Die Grund- bzw. Mindestqualifikation der Fallmanagerinnen und Fallmanager liegt im Verantwortungsbereich der Bezirke und wird nicht von Nr. 8 AV EH geregelt. Die Bezirke Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Pankow haben ein detailliertes Anforderungsprofil beigefügt. Lichtenberg In unserem Anforderungsprofil für den Fallmanager fordern wir einen Abschluss einer Fachhochschule in der Fachrichtung Verwaltung als Bachelor oder Diplom-Verwaltungsfachwirtin bzw. Diplom- Verwaltungswirt oder in der Fachrichtung Soziale Arbeit/Sozialarbeit/Sozialpädagogik als Bachelor oder mit Diplom und mit staatlicher Anerkennung bzw. sonstige Beschäftigte mit Abschluss Verwaltungslehrgang II als geprüfte Verwaltungsfachwirtinnen bzw. Verwaltungsfachwirte und einer mind. zweijährigen Berufserfahrung in sozialen Bereichen oder auch eine juristische Ausbildung als Diplom- Juristin bzw. Diplom-Jurist jeweils in Kombination mit dem bisher angebotenem Grundlehrgang für Fallmanager an der Verwaltungsakademie (VAK). Marzahn- Hellersdorf Erfüllung der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen der Laufbahngruppe 2/1. Einstiegsamt des nichttechnischen Verwaltungsdienstes, Abschluss einer Fachhochschule/ Bachelor mit Fachrichtung öffentliche 4 Verwaltungswirtschaft oder sonstige Qualifikation z. B. Verwaltungslehrgang II oder sonstige Beschäftigte mit vergleichbaren Fachkenntnissen und Fähigkeiten. Pankow Bei Beamtinnen und Beamten: Erfüllung der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für das 1. Einstiegsamt der Laufbahngruppe 2 des nichttechnischen Verwaltungsdienstes oder Erfüllung der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für das 1. Einstiegsamt der Laufbahngruppe 2 des Sozialdienstes Bei Tarifbeschäftigten: Diplom-Verwaltungswirtin/Diplom- Verwaltungswirt (FH) oder Bachelor of Arts (BA) in der Fachrichtung Öffentliche Verwaltungswirtschaft oder Geprüfte/Geprüfter Verwaltungsfachwirtin/Verwaltungsfachwirt oder vergleichbar oder Diplom-Sozialarbeiterin/Diplom-Sozialarbeiter bzw. Diplom- Sozialpädagogin/Diplom-Sozialpädagoge mit staatlicher Anerkennung bzw. Bachelor-Abschluss im Studiengang Soziale Arbeit mit staatlicher Anerkennung Nr. 8 Abs. 1 AV EH bezieht sich auf die Fort- und Weiterbildung und Qualifizierung der bezirklichen Fachkräfte. Die Zusatzqualifikation zum Fallmanagement in der Eingliederungshilfe (Nr. 8 Abs. 2 AV EH) wird derzeit überarbeitet und an die Anforderungen des BTHG angepasst. Rechtzeitig vor Inkrafttreten des neuen Leistungsrechts am 01.01.2020 sollen die Mitarbeiter/innen geschult sein und den dann geltenden bundesgesetzlichen Vorgaben u. a. von § 97 SGB IX entsprechen. Dort wird jedoch keine einheitliche Fachdisziplin festgelegt, sondern vielmehr auf inhaltliche Kriterien abgestellt. 6. Wann ist der Leistungserbringer in das Teilhabeplan- bzw. Gesamtplanverfahren einzubeziehen? Zu 6.: Das BTHG hat auch die Beteiligung im Teilhabe- und Gesamtplanverfahren verbindlich und abschließend geregelt. Danach ist keine ausdrücklich benannte Beteiligung der Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer in der Gesamt- oder Teilhabeplankonferenz vorgesehen. Gleichwohl ist für eine gelungene Sozialraumorientierung der Hilfen und eine personenzentrierte Zielerreichung der Maßnahmen auch im Gesamt- und Teilhabeplanverfahren eine Beteiligung der Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer selbstverständlich. Der Senat hat mit dem o. g. Rundschreiben mitgeteilt, dass für den Zeitraum bis Ende 2019 das bisher bestehende Handbuch für das Fallmanagement (Version 3.0, Stand April 2014) weiter angewandt wird. Außerdem prüft der Senat, wie nach der Übergangsphase die im BTHG vorgesehene Personenzentrierung – also auch die Stärkung der eigenverantwortlichen Entscheidung der Leistungsberechtigten hinsichtlich der Bildung der Ziele und der selbstbestimmten Wahl der Leistungserbringerin oder des Leistungserbringers – und die wichtige Beteiligung der Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer für die Planung der Maßnahmen in Einklang gebracht werden können. Auf Frage 1 und die Vorbemerkung wird verwiesen. 5 7. Warum werden im § 36 noch die Begriffe „stationäre und teilstationäre Einrichten“ verwandt? Zu 7.: Auf § 75 Abs. 1 S. 1 SGB XII und die Vorbemerkung wird verwiesen. 8. Warum definiert § 41 keinen klaren Vorrang der Eingliederungshilfe vor der Pflege? Zu 8.: Im Gesetzgebungsverfahren zum Pflegestärkungsgesetz III bzw. BTHG ist diskutiert worden, die Pflege vorrangig zur Eingliederungshilfe zu gestalten. Letztlich blieb es bei der bisherigen Regelung aus dem § 13 Abs. 3 S. 3 2. HS SGB XI. Danach sind Leistungen der Pflegeversicherung und der Eingliederungshilfe nicht nachrangig. Nr. 41 AV EH bildet lediglich die Verfahrenssonderregelung aus § 55 SGB XII und §§ 71 Abs. 4, 43a SGB XI für stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe ab. Die steuerfinanzierte Eingliederungshilfe erbringt danach Leistungen vollumfänglich und bekommt von der Pflegeversicherung einen Pauschalbetrag von bis zu 266 € monatlich erstattet. Wohnt die Person dagegen zu Haus, in einer Wohngemeinschaft oder in einer Einrichtung der Pflegeversicherung würde der Mensch mit Behinderung die volle Pflegeversicherungsleistung erhalten. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. 9. Warum beziehen sich die Regelungen zur Kfz-Hilfe in § 50 unverändert auf eine Berufstätigkeit statt auf die soziale Teilhabe? Zu 9.: Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Nr. 50 AV EH schließt durch das Wort „insbesondere“ die kfz-Hilfe als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht aus. Auch ab 2020 sind kfz-Hilfen gemäß § 111 Abs. 2 S. 1 SGB IX iVm. § 49 Abs. 8 SGB IX prinzipiell auch als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben möglich. Daneben werden sie gemäß § 114 SGB IX für die Eingliederungshilfe ausdrücklich als Leistungen zur sozialen Teilhabe benannt. Berlin, den 07. März 2018 In Vertretung Alexander F i s c h e r _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales S18-13542 S18-13542