Drucksache 18 / 13 551 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tim-Christopher Zeelen (CDU) vom 20. Februar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Februar 2018) zum Thema: Verunreinigung des Tegeler Fließes und Antwort vom 06. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Mrz. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Tim-Christopher Zeelen (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13551 vom 20.02.2018 über Verunreinigung des Tegeler Fließes Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Schadstoffe werden aktuell in welcher Konzentration an der Messstelle im Tegeler Fließ gemessen? Antwort zu 1: Im Zeitraum von 2015 bis 2017 wurden verschiedene Pflanzenschutzmittel, Biozide und Industriechemikalien im Tegeler Fließ (Lübars) untersucht. Positive Befunde wurden lediglich bei den polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK), bei Aminomethylphosphonsäure (AMPA, Hauptabbauprodukt des Pflanzenschutzmittels Glyphosat) und bei dem Biozid Terbutryn festgestellt. Die Konzentrationen liegen bei Benzo(a)pyren (PAK Leitparameter) zwischen 0,0005 und 0,0025 µg/l, bei AMPA zwischen 0,05 und 0,6 µg/l und bei Terbutryn zwischen 0,0007 und 0,0025 µg/l. Die in der Oberflächengewässerverordnung (OGewV) festgelegte Jahresdurchschnitts-Umweltqualitätsnorm für Benzo(a)pyren (JD-UQN = 0,00017 µg/l) wird überschritten. Die zulässige Höchstkonzentration für Benzo(a)pyren (ZHK-UQN = 0,27 µg/l) und die Jahresdurchschnitts-Umweltqualitätsnorm für Terbutryn (JD-UQN = 0,065 µg/l) werden nicht überschritten. Für AMPA ist keine UQN vorgegeben. Frage 2: Woher stammen diese Schadstoffe? 2 Antwort zu 2: PAK sind ubiquitär verbreitete Schadstoffe. Sie stammen überwiegend aus Verbrennungsprozessen und werden über die atmosphärische Deposition verbreitet. In Berlin werden PAK v.a. über den Regenwasserabfluss von befestigten Flächen in die Gewässer eingetragen. Terbutryn ist als Algizid in Dach- und Fassadenfarben enthalten und kann ebenfalls über den Regenwasserabfluss in das Tegeler Fließ gelangen. AMPA ist das Hauptabbauprodukt des Breitbandherbizides Glyphosat, das in der Landwirtschaft eingesetzt wird, aber auch unerlaubt im privaten Sektor zur Unkrautbeseitigung auf Gehwegen und Hofflächen verwendet wird. Frage 3: Von welchen Straßen werden Regenwasserabflüsse in das Fließ geleitet? Antwort zu 3: Es werden Regenabflüsse von folgenden Straßen eingeleitet: Ackerplanweg, Agathenweg, Almutstraße, Alt-Hermsdorf, Am Lehnshof, Amselgrund, An der Mühle, Artemisstraße, Auguste-Viktoria-Straße, Barnabasstraße, Basiliusweg, Berliner Straße, Bertramstraße, Bonifaziusstraße, Bornepfad, Boumannstraße, Brandtstraße, Calvinstraße, Campestraße, Desideriusweg, Dianasteg, Dianastraße, Dohnensteig, Dr.- Ilse-Kassel-Platz, Dreifelderweg, Drewitzer Straße, Düsterhauptstraße, Egidystraße, Elsenbruchstraße, Erholungsweg, Falkentaler Steig, Fellbacher Platz, Fellbacher Straße, Fichtestraße, Fließtalstraße, Florastraße, Forlenweg, Forststraße, Frankendorfer Steig, Freiherr-vom-Stein-Straße, Friedrichsthaler Weg, Frohnauer Straße, Fürst-Bismarck- Straße, Gabrielenstraße, Glienicker Straße, Heidenheimer Straße, Heinsestraße, Hermsdorfer Damm, Hieronymusweg, Hillmannstraße, Hochjagdstraße, Hohenzollernstraße, Hubertusstraße, Im Brachfeldwinkel, Jahnstraße, Jean-Jaurès- Straße, Kampweg, Karolinenstraße, Kettelerpfad, Liebfrauenweg, Martin-Luther-Straße, Melanchthonstraße, Moorweg, Moränenweg, Mühlenfeldstraße, Nach der Höhe, Oggenhauser Straße, Oraniendamm, Oraniendammbrücke, Osianderweg, Ringstraße, Sandgrasweg, Schildower Straße, Schloßplatz, Schloßstraße, Schollenhof, Schramberger Straße, Schulzendorfer Straße, Steilpfad, Stubbichtweg, Talsandweg, Tegeler Straße, Titusweg, Treiberpfad, Ulmenstraße, Virgiliusstraße, Wachsmuthstraße, Waidmannsluster Damm, Waldhornstraße, Waldspechtweg, Wickhofstraße, Zehntwerderweg. Frage 4: Werden diese Regenwasserabflüsse gefiltert? Wenn nein, warum nicht? Antwort zu 4: Nein, die Regenwasserabflüsse werden nicht gefiltert. In zwei Einzugsgebieten (Hermsdorfer Damm und Fürst-Bismarck-Straße) gibt es vor der Einleitung in das Tegeler Fließ eine Absetzanlage (Sandfang). Es besteht in Berlin die Regelung, dass die für Wasserwirtschaft zuständige Senatsverwaltung die Kosten für Behandlungsmaßnahmen im bestehenden Trennsystem zu tragen hat. In dem entsprechenden Haushaltstitel bei der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz stehen begrenzte Mittel zur Verfügung, die aktuell nahezu 3 ausschließlich zur Sanierung der Mischwassereinläufe verwendet werden. Es bestehen Bestrebungen, auch Gelder für Maßnahmen im Trennsystem zu erhalten. In jedem Fall ist wegen des stadtweiten Handlungsbedarfs vor Ableitung von Maßnahmen zur Behandlung der Niederschlagsabflüsse eine Priorisierung erforderlich. Frage 5: Wie sollen sich Anwohner, deren Grundstücke vom Hochwasser betroffen sind - so wie in der Antwort auf Nummer 10 der schriftlichen Anfrage 18/13 133 behauptet - vor Schäden schützen, wenn durch die Überschwemmung ihrer Grundstücke dort Pflanzen und Bäume zerstört werden und der Boden mit Schadstoffen veruneinigt wird? Antwort zu 5: Dem Senat sind nur Grundstücke im Bereich des Hermsdorfer Sees bekannt, die durch die Überschwemmungen betroffen sind. Gebäude sind von den Überschwemmungen nicht betroffen. Die Flächen um den Hermsdorfer See, wie auch die ufernahen Gartengrundstücke, sind Teil des Landschaftsschutzgebiets Tegeler Fließ sowie Teil des vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiets. Somit ist die Gartennutzung nur im Rahmen der Landschaftsschutzgebietsverordnung von 1990 in der aktuellen Fassung von 2017 sowie der Überschwemmungsgebietsverordnung von 2013 möglich. Des Weiteren ist, wie in der Antwort zu Frage 10 der Schriftlichen Anfrage Nr. 18/13133 erläutert, jede Person gesetzlich verpflichtet, geeignete Vorsorgemaßnahmen zum Schutz vor nachteiligen Hochwasserfolgen und zur Schadensminderung zu treffen. Zudem bestehen keine Rechtsansprüche auf öffentliche Finanz- oder sonstige Hilfsmittel bei Schäden. Prinzipiell sind somit drei Strategien zum Schutz vor Hochwasser möglich: ausweichen und vermeiden, widerstehen oder anpassen. Im oben erwähnten Fall der Gartennutzung, wo Pflanzen und Bäume durch Überschwemmungen „zerstört werden“, sollte die Nutzung der Grundstücke angepasst werden, d.h. hier sollte die Verwendung standortgeeigneter bzw. gebietseigener Gehölze und Sträucher in Erwägung gezogen werden. Dem Senat liegen keine Informationen über die Verunreinigung der Böden durch Schadstoffe vor. Des Weiteren wird auf die Beantwortung zu Frage 1 verwiesen. Frage 6: Wie bewertet der Senat den Umstand, dass einerseits § 6 Absatz 2 Nummer 9 der Naturschutzverordnung für das Tegeler Fließ verbietet, "Abfälle, Abwasser, Gülle, Jauche, Düngemittel, andere Nährstoffe, Pflanzenschutzmittel, Chemikalien oder ähnliche Fremdstoffe" in das Naturschutzgebiet einzubringen, andererseits vom Senat hingenommen wird, dass das Fließ seit Jahren mit Schadstoffen verunreinigt wird? Antwort zu 6: Der Senat hat sich mit der Frage der Beeinträchtigungen auf das Natura-2000-Gebiet Tegeler Fließtal durch Stoffeinträge auseinandergesetzt und dies bei der Festlegung der rechtlichen Regelungen in der Verordnung zum Schutz der Landschaft des Tegeler Fließes im Bezirk Reinickendorf von Berlin vom 08.05.1990 (GVBl.S.1014), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung (VO) vom 29.09.2017 (GVBl. S. 513) und der Verordnung über das Naturschutzgebiet Tegeler Fließ im Bezirk Reinickendorf von Berlin vom 29.09.2017 (GVBl. S. 513) (VO) berücksichtigt. 4 Der in der Frage zitierte Verbotstatbestand untersagt aktive Verunreinigungen im Geltungsbereich der VO und ermöglicht so das Einschreiten bei entsprechenden Verstößen durch konkrete Handlungen. Verbote in der VO helfen jedoch nicht weiter bei diffusen Einträgen aus dem Einzugsgebiet. Gerade auch im Hinblick auf schädliche Einleitungen von Regen- und Straßenabwässern enthält die Schutzgebietsverordnung deshalb eine Aufforderung zum Handeln in § 5 Satz 2 VO: „Die stoffliche Belastung der in das Gebiet eingeleiteten Abwässer aus der Straßenentwässerung und die Häufigkeit der Noteinleitungen aus den Abwasserpumpwerken sind zu reduzieren. Die im Einzelnen erforderlichen Maßnahmen werden durch die zuständigen Behörden festgesetzt.“ Hierzu siehe auch Antwort zu 4. Frage 7: Warum verbietet § 6 Abs. 2 Nr. 6 der Naturschutzverordnung für das Tegeler Fließ ausnahmslos dem Naturschutz entgegenstehende „Veränderungen der Tiefe, des Verlaufs der Gestalt des Tegeler Fließes“, obwohl die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz nach § 40 Berliner Wassergesetz zur „Räumung des Gewässerbetts“ und zur „Erhaltung eines ordnungsgemäßen Wasserabflusses“ verpflichtet ist und deshalb unter Umständen Veränderungen am Fließ aus anderen als Naturschutzgründen vorgenommen werden müssen? Antwort zu 7: Handlungen, wie sie in § 6 Abs. 2 Nr. 6 VO genannt sind, können den Schutzzweck des Gebietes beeinträchtigen und unterliegen deshalb einem entsprechenden Verbot. Veränderungen der Tiefe, des Verlaufs oder der Gestalt des Tegeler Fließes wären Veränderungen am Gewässer; solche Veränderungen am Gewässer bedürften im Einzelfall zusätzlich zu der naturschutzrechtlichen auch einer Zulassung nach Wasserrecht. Derartige Gewässerveränderungen müssten außerdem auf Verträglichkeit mit den Schutzzwecken der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinien (FFH-Richtlinien) für das FFH- Gebiet gemäß § 34 Bundesnaturschutzgesetz geprüft werden. Eine ordnungsgemäße Gewässerunterhaltung, zu der die Beräumung von Abflusshindernissen, Unrat, die Krautung und andere Unterhaltungsmaßnahmen gehören, belässt das Gewässer hingegen in seiner bestehenden Form und Gestalt. Die Abgrenzung der ordnungsgemäßen Gewässerunterhaltung von Veränderungen am Gewässer ist wasserrechtlich geregelt. Maßnahmen der Gewässerunterhaltung durch die hierfür zuständige Behörde stehen grundsätzlich - bei Rücksichtnahme auf die Schutzgüter, insbesondere Tiere und Pflanzen bei Art und Weise der Durchführung - nicht im Widerspruch zu den Schutzzwecken der VO und sind deshalb in § 8 Absatz 1 VO als zulässige Handlung aufgeführt. Frage 8: Treffen Informationen zu, dass die Wehranlage an der OWA in Tegel Ende Januar 2018 um 15 cm abgesenkt worden ist? Antwort zu 8: Die Wehrklappe hat sich aufgrund eines Regenereignisses und eines Wasserstandsanstiegs am 31.01.2018 gemäß der Steuerungsvereinbarung vom 23.12.1997 zwischen den Berliner Wasserbetrieben und dem Senat regulär im 5 Automatikbetrieb abgesenkt. Am 01.02.2018 hat sich die Wehrklappe nach Erreichen des vorgegebenen Wasserstandes im Fließ wieder auf 32,98 mNN eingestellt. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Wasserstand im Tegeler Fließ nur bis maximal zur Jugendherberge durch das Wehr lokal beeinflusst wird. Darüber hinaus ist ein Einfluss des Wehrs auf die Wasserstände im Tegeler Fließ nicht nachweisbar. Berlin, den 6. März 2018 In Vertretung Stefan Tidow Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz S18-13551 S18-13551