Drucksache 18 / 13 568 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 21. Februar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Februar 2018) zum Thema: Technische Infrastruktur in Berlin im Falle von Katastrophen und Terrorereignissen – Push-Benachrichtigungen jenseits von Apps? und Antwort vom 06. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Mrz. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13 568 vom 21. Februar 2018 über Technische Infrastruktur in Berlin im Falle von Katastrophen und Terrorereignissen – Push-Benachrichtigungen jenseits von Apps? ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Seit wann gibt es in Berlin ein Warnsystem, welches bei Katastrophen- und Terrorereignissen über die jeweiligen Sende- und Empfängermasten im Ereignisgebiet Push-Benachrichtigungen an Empfänger im betroffenen Gebiet sendet und wie ist dieses Benachrichtigungssystem im Detail aufgebaut? Zu 1.: Ab 2001 wurde vom Bund für den Zivilschutz das „Satellitengestützte Warnsystem“ und später „Modulare Warnsystem“ („SatWaS“/„MoWaS“) sukzessiv flächendeckend eingeführt. Seit 2003 hat Berlin zwei Sende- und Empfangsanlagen für dieses System . „KATWARN“ als ergänzendes Warnsystem im Mobilfunk, das privat betrieben wird und neben SMS und E-Mail als erstes System auch eine Warn-App für Mobilfunkgeräte anbot, gibt es in Berlin seit 2012. Im Jahr 2015 hat der Bund für „MoWaS“ ebenfalls eine Warn-App namens „NINA“ entwickelt, die seitdem bundesweit genutzt werden kann. „KATWARN“ wird auf Basis von Einzelverträgen nur in einigen Ländern oder Kommunen genutzt. Die „MoWaS“-Infrastruktur mit über 160 Warnmultiplikatoren inklusive „NINA“, Nachrichtenagenturen, Fernseh- und Radiosender steht bundesweit für den Zivilschutz aber den Ländern auch für Katastrophen- und Terrorereignisse zur Verfügung. Die Apps von „KATWARN“ und „NINA“ empfangen „Push-Benachrichtigungen“ über eine Datenverbindung im Mobilfunknetz. Die betreibenden Firmen nutzen spezielle Server zur Verwaltung und Verbreitung der Meldungen. Aufgrund der erhöhten Sicherheitsanforderungen im Zivilschutz arbeitet „MoWaS“ im Auftrag des Bundes mit einer redundanten und gehärteten Infrastruktur. Die „MoWaS“-Hauptkomponenten sind per Satellit mit reservierten Bandbreiten verbunden. Hierzu gehören neben den Innenministerien auch verschiedene Medien. 2. Ist der Empfang nur dann möglich, wenn Nutzer Anwendungen wie „KATWARN“ oder „NINA“ auf ihren Geräten installiert haben? (Wenn ja, warum ist dies nicht auch ohne diese Apps möglich? Aufstellung der technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen erbeten.) Seite 2 von 4 Zu 2.: Bei „KATWARN“ müssen sich Nutzerinnen und Nutzer für SMS und E-Mail registrieren oder wie auch bei „NINA“ die jeweilige App installieren, um Meldungen zu empfangen . Die Möglichkeiten zur Verbreitung von Meldungen ohne Zutun der Besitzerinnen und Besitzer von Endgeräten über sogenanntes Cell-Broadcast wurden bereits vor mehreren Jahren vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Gesprächen mit Mobilfunkunternehmen ausgelotet. Nach Auskunft des BBK wurde und wird Cell-Broadcast in Deutschland nicht in allen Mobilfunknetzen unterstützt. Eine (Wieder-)Einführung von Cell-Broadcast würde in Deutschland zu erheblichen Aufwänden im Mobilfunknetz führen und sei in Anbetracht des zugrundeliegenden Übertragungsstandards und der absehbaren technischen Weiterentwicklung nicht mehr zukunftsweisend. 3. Plant der Senat derzeit die Erprobung und Einführung eines derartigen „offenen“ push- Warnsystems? (Falls nicht, warum nicht bzw. wenn ja, wie lautet der Name des Systems und ab wann wird dieses Warnsystem eingesetzt werden?) Zu 3.: Nein, siehe auch Antwort zu Frage 2. 4. Welche rechtlichen Hürden müssen genommen werden, bevor ein solches System durch den Katastrophenschutz oder eine andere staatliche Stelle genutzt werden kann? Zu 4.: Ungeachtet der ohnehin offenen Kostenfrage könnten Mobilfunkunternehmen nach Aussage des Bundes nicht verpflichtet werden, eine entsprechende Funktionalität bereitzustellen. Außerdem sei eine Zwangsbeschickung von Endgeräten - auch mit Warnmeldungen - rechtlich problematisch. Die erforderliche Gesetzgebung im Bereich der Telekommunikation obliegt gemäß Artikel 73 Absatz 1 Nummer 7 Grundgesetz dem Bund. 5. Wie genau gestaltet sich der Austausch von Informationen zu Unwetter-, Katastrophen- und Terrorereignissen zwischen der zuständigen Senatsverwaltung und „KATWARN“ hinsichtlich des Landes Berlins als „offiziell angeschlossenes Gebiet“? (Aufstellung erbeten.) Zu 5.: „KATWARN“ wird für Berlin vom Lagedienst der Berliner Feuerwehr bedient. Im Fall extremer Unwetterlagen verbreitet außerdem der Deutsche Wetterdienst über „KATWARN“ seine Warnungen in den betroffenen Gebieten. Die Berliner Behörden können sich zur Veröffentlichung von Informationen über „KATWARN“ im Rahmen der Amtshilfe an die Berliner Feuerwehr wenden. 6. Wie schätzt der Senat die derzeitige Zielgenauigkeit von Anwendungen wie „KATWARN“ oder „NINA“ ein, welche die Ereignisgebiete nach Postleitzahlen unterteilen? Zu 6.: Der Senat hält die Zielgenauigkeit der Systeme „KATWARN“ und „NINA“ für angemessen . 7. Welche Bewertung trifft der Senat hinsichtlich der Tatsache, dass insbesondere „KATWARN“ sowohl beim Terroranschlag am Breitscheidplatz am 19.12.2016, wie auch beim Amoklauf in München am 22.07.2016 aufgrund von Serverproblemen im entscheidenden Moment versagt hat und welchen Austausch gibt es hierzu mit „KATWARN“ hinsichtlich nötiger Verbesserungen? Seite 3 von 4 Zu 7.: Nach Kenntnis des Senats gab es am 19.12.2016 keine Serverprobleme bei „KATWARN“. Nach den Problemen in München im Jahr 2016 wurden von der betrei benden Firma Prüfungen und Verbesserungen angekündigt. “KATWARN“ ist neben „MoWaS“ mit “NINA“ ein ergänzendes Warnsystem für Berlin und aktuell gibt es keinen Anlass für Forderungen nach grundlegenden Änderungen. 8. Wie schätzt der Senat die Einführung eines „Emergency Alert System“ (ähnlich dem gleichnamigen nationalen Warnsystem in den USA) ein? Zu 8.: Die vom Bund für den Zivil- und Katastrophenschutz bereitgestellte bundesweite Warninfrastruktur verfügt nach Auffassung des Senats über vergleichbare Funktionalitäten z.B. durch die flächendeckende Anbindung der Medien. Die dort angebundene App „NINA“ bietet nach Auffassung des Senats auch eine angemessene Möglichkeit zur flächendeckenden zielgenauen Information der Bevölkerung mit sogenanntem „Weckeffekt“. Dank der standardisierten Schnittstelle des Systems können aber auch künftige technische Entwicklungen berücksichtigt werden. 9. Gibt es hinsichtlich eines möglichen push-Warnsystems derzeit konkrete Planungen oder Kooperationen zwischen dem Senat und verantwortlichen Stellen und Einrichtungen bzw. Ministerien des Bundes bzgl. der Erprobung und/oder Einführung eines solchen Warnsystems (Wenn nein, warum nicht und wenn ja, wie sieht diese (geplante) Kooperation aus?)? Zu 9.: In einem EU-Projekt “Warnung der Bevölkerung“, das im Rahmen des „Fonds Innere Sicherheit (ISF)“ finanzielle Förderung erfährt, untersucht der Bund federführend, wie die Warninfrastruktur optimiert werden könnte. Dort steht auch eine ortsgenaue Adressierung über digitale Rundfunkempfänger (DAB+) und Fahrzeuginformationssysteme zur Disposition. Ebenso werden sozialpsychologische Aspekte der Warnung betrachtet. Die Basisinfrastruktur bildet dabei immer das Modulare Warnsystem des Bundes. Die Senatsverwaltung für Inneres und Sport ist in der projektbegleitenden Arbeitsgruppe beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe vertreten. 10. Welche Pläne gibt es seit dem Anschlag am Berliner Breitscheidplatz zur Einführung einer gesonderten Spezial-einheit der Polizei, die speziell für die Bekämpfung von Terroristen während eines Anschlages ausgebildet und ausgerüstet ist? Wie soll diese Einheit zusammengesetzt werden und mit welchen Kompetenzen würde diese ausgestattet? (Aufstellung erbeten.) Zu 10.: Keine. Die Spezialeinheiten Mobiles Einsatzkommando (MEK) und Spezialeinsatzkommando (SEK) des Landeskriminalamtes (LKA) Berlin haben unter anderem die Aufgabe, Terroranschläge zu verhindern und zu bewältigen. 11. Welche Schulungen gibt es für die Polizei Berlin hinsichtlich des Agierens während eines Terroranschlags? (Aufstellung erbeten.) Zu 11.: Die Polizeiakademie der Polizei Berlin führt zu den Themenbereichen Anschlag, Amok und lebensbedrohliche Einsatzlagen mehrere Seminare für Einsatzkräfte sowie für Leitungskräfte durch: - Führung in besonderen Aufbauorganisationen, dreitägig, - Themenfeldseminar Amok, zweitägig, Seite 4 von 4 - Themenfeldseminar Anschläge, fünftägig, (im Zuge der Sicherheitskooperation der Polizei Berlin mit Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg auch mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus diesen Ländern), - Bewältigung von lebensbedrohlichen Einsatzlagen im Verbundeinsatz von Einsatzeinheiten und dem Spezialeinsatzkommando, zweitägig, - Polizeiführungsfortbildung – lebensbedrohliche Einsatzlagen im Zusammenhang mit bewaffneten Gewalttätern, dreitägig- 12. Handelt der Berliner Katastrophenschutz weiterhin nach Wirkung eines Großschadensereignisses (wie einem Terroranschlag) und nicht nach der Ursache? (Wenn ja, welche Bestrebungen gibt es seitens des Senats, dies zu reformieren? Zu 12.: Nach Auffassung des Senats steht die potenzielle Wirkung eines Ereignisses auf die Bevölkerung im Vordergrund. In die Bewertung der Gesamtlage wird aber auch die Ursache einbezogen. 13. Befindet sich der Senat in Gesprächen mit den zuständigen Bundesministerien und der Bundesregierung hinsichtlich der Einführung eines Terror-Warnstufen-Systems und wenn nicht, wie schätzt der Senat die Notwendigkeit eines solchen Warnstufen-Systems ein? Zu 13.: Nein, eine Notwendigkeit für ein Warnstufen-System wird gegenwärtig nicht gesehen . 14. Wie schätzt der Senat die Möglichkeit ein, digitale Informations- und Werbeflächen im Falle eines Katastrophen- oder Terrorereignisses mit Informationen und Hinweisen zu bespielen und gibt es hierzu bereits entsprechende Gespräche mit Betreibern solcher Flächen? (Wenn nicht, warum nicht?) Zu 14.: Der Senat begrüßt die Nutzung zusätzlicher Verbreitungskanäle zur Information der Bevölkerung in Gefahrenlagen. Hierzu gibt es bereits Gespräche. Berlin, den 06. März 2018 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-13568 S18-13568