Drucksache 18 / 13 592 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Anne Helm und Stefanie Fuchs (LINKE) vom 26. Februar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Februar 2018) zum Thema: Wahrnehmung des Wahlrechts von Wohnungslosen und Antwort vom 10. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Mrz. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Frau Abgeordnete Anne Helm (LINKE) und Frau Abgeordnete Stefanie Fuchs (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13 592 vom 26. Februar 2018 über Wahrnehmung des Wahlrechts von Wohnungslosen --------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Als wohnungslos gelten unter anderem Menschen, die in Einrichtungen wohnen, in denen die Aufenthaltsdauer begrenzt ist und in denen keine Dauerwohnplätze zur Verfügung stehen, wie z.B. Übergangswohnheime, Asyle und Herbergen, aber auch Übergangswohnungen. Auch Frauen und Kinder, die wegen häuslicher Gewalt ihre Wohnung verlassen haben und kurzbis mittelfristig in einer Schutzeinrichtung beherbergt sind, wie z.B. in Frauenhäusern, sind wohnungslos . Letztlich gelten auch Menschen, die in Dauereinrichtungen für Wohnungslose wohnen, oder sich in ambulanter Wohnbetreuung in Einzelwohnungen befinden, als wohnungslos. Wie viele Wahlberechtigte, die in keinem Melderegister verzeichnet sind, haben einen Antrag auf Aufnahme in das Wähler*innenverzeichnis für die Wahlen und Plebiszite seit 2006 gestellt? (Bitte Einzelaufschlüsselung nach Bezirken und Abstimmungen.) Zu 1.: Auf Antrag werden diejenigen materiell wahlberechtigten Personen bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen in ein Wähler- oder Abstimmungsverzeichnis eingetragen , die nicht bereits zum jeweiligen Stichtag von Amts wegen in das betreffende Wähler- oder Abstimmungsverzeichnis eingetragen worden sind. Die Eintragung von Amts wegen setzt voraus, dass die Person unter einer Anschrift im Melderegister verzeichnet ist. Die Meldepflicht wiederum knüpft an das Beziehen einer Wohnung an. Als Wohnung gilt dabei jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird; unter Beziehen ist die Inanspruchnahme einer Wohnung in der Weise zu verstehen, dass dort für ständig oder vorübergehend die Angelegenheiten des täglichen Lebens wie z. B. Aufhalten, Essen und Schlafen verrichtet werden. Hinzukommen muss die Absicht, die Wohnung für einen nicht völlig unerheblichen Zeitraum zu nutzen. Seite 2 von 4 Vor diesem Hintergrund können nicht alle der in der einleitenden Bemerkung der Frage 1 erwähnten Personengruppen stets als wohnungslos im melderechtlichen und damit auch im wahlrechtlichen Sinne angesehen werden. Vielmehr kann allein ein Verstoß gegen die Meldepflicht – beispielsweise im Fall einer unterbliebenen Ummeldung nach einem Umzug und der darauffolgenden Abmeldung von Amts wegen an der Wegzugsanschrift – dazu führen, dass eine materiell wahlberechtigte Person nicht von Amts wegen in ein Wähler- oder Abstimmungsverzeichnis eingetragen wird, ohne dass Wohnungslosigkeit vorliegen muss. Wahlunterlagen – wie Wählerverzeichnisse und Anträge auf Aufnahme in ein Wählerverzeichnis – werden gemäß den wahlrechtlichen Bestimmungen regelmäßig nach Ablauf der Wahleinspruchsfristen bzw. nach Abschluss von Einspruchsverfahren vernichtet ; auch erfolgt in der Regel keine statistische Erfassung der Anzahl und Bescheidung von Anträgen auf Eintragung in ein Wähler- oder Abstimmungsverzeichnis . Daher können die erfragten Zahlen nur für die Wahlen und Volksentscheide seit dem Jahr 2013 wie folgt mitgeteilt werden: Bezirk Bundestagswahl 2013 Volksentscheid 2013 Europawahl u. Volksentscheid 2014 Abgeordnetenhausu . BVV-Wahlen 2016 Bundestagswahl u. Volksentscheid 2017 Mitte 0 0 2 36 4 Friedrichshain- Kreuzberg 0 0 1 14 17 Pankow 1 0 8 3 0 Charlottenburg- Wilmersdorf 7 1 4 35 8 Spandau 10 2 4 8 19 Steglitz-Zehlendorf 1 0 0 4 2 Tempelhof- Schöneberg 0 0 0 0 1 Neukölln 0 0 0 4 10 Treptow-Köpenick 1 1 1 7 5 Marzahn-Hellersdorf 0 0 0 1 0 Lichtenberg 1 0 1 3 2 Reinickendorf 2 0 1 5 9 Berlin 23 4 22 120 77 2. Wie viele der unter Frage 1 genannten Antragssteller*innen waren aus welchen Gründen nicht im Melderegister und damit im Wähler*innenverzeichnis eingetragen? (Bitte Einzelaufschlüsselung nach Bezirken und Abstimmungen.) Zu 2.: Die in der Übersicht zu 1. zahlenmäßig erfassten Personen erfüllen mangels Eintragung im Melderegister nicht die Voraussetzung für eine Eintragung in ein Wähleroder Abstimmungsverzeichnisse von Amts wegen. Die Gründe hierfür werden bei der Bearbeitung eines Antrags auf Aufnahme in ein Wähler- oder Abstimmungsverzeichnis nicht erfasst, so dass die erfragte Auswertung nicht möglich ist. 3. Wie vielen dieser Anträge wurde stattgegeben? Wie viele Anträge wurden aus welchen Gründen abgelehnt? (Bitte Einzelaufschlüsselung nach Bezirken und Abstimmungen.) Zu 3.: Die bezirklichen Wahlämter haben mitgeteilt, dass es in der jüngeren Vergangenheit Seite 3 von 4 – soweit erinnerlich – nur in denjenigen wenigen Fällen zur Ablehnung von Anträgen auf Eintragung in ein Wähler- oder Abstimmungsverzeichnis gekommen ist, in denen die Anträge nach Ablauf der hierfür vorgesehenen Frist gestellt wurden. Für den Zeitraum ab dem Jahr 2013 hat nur der Bezirk Steglitz-Zehlendorf mitgeteilt, dass bei der Bundestagswahl 2013, bei den Berliner Wahlen 2016 und bei der Bundestagswahl 2017 jeweils ein Antrag wegen nicht fristgemäßer Antragstellung abgelehnt werden musste. 4. Auf welche Art und Weise müssen Wahlberechtigte in Berlin bei der Eintragung ins Wähler *innenverzeichnis ihre Identität nachweisen? 5. In welcher Form wurde der Nachweis für die unter Frage 1 genannten Anträge erbracht? Zu 4. und 5.: Der Identitätsnachweis erfolgt durch amtlichen Lichtbildausweis – in der Regel durch den Personalausweis oder den Reisepass. Auch in den in der Übersicht zu 1. genannten Fällen wiesen Antragstellerinnen und Antragsteller ihre Identität auf diese Weise nach. 6. Welche Maßnahmen werden generell unternommen, um Wahlberechtigte ohne melderechtliche Registrierung zu informieren? Zu 6.: Nicht oder nicht durchgehend im Melderegister verzeichnete Personen werden zu jeder Wahl und Abstimmung in Form einer Pressemitteilung, einer amtlichen Bekanntmachung sowie durch Aushang und Verteilung eines Merkblattes über ihre Teilnahmemöglichkeit an der Wahl informiert. So hat die Landeswahlleiterin für Berlin zur Bundestagswahl 2017 eine Pressemitteilung mit Hinweisen zur Wahlteilnahme auch ohne festen Wohnsitz herausgegeben (https://www.wahlenberlin .de/wahlen/BU2017/presse/20170817.pdf), die von Berliner Tageszeitungen in Berichten aufgegriffen wurde. Weiterhin hat die Landeswahlleiterin ein Merkblatt über die Teilnahmemöglichkeit an den Wahlen für nicht oder nicht durchgehend im Melderegister verzeichnete Personen erstellt, welches in gedruckter Form der zuständigen Senatsverwaltung zur Weiterleitung an die Obdachlosenverbände und sozialen Einrichtungen , die Wohnungslose betreuen, zur Verteilung und/oder zum Aushang zur Verfügung gestellt wurde. Das Merkblatt haben zur Ausgabe auf Nachfrage der betreffenden Personen ebenfalls die Bezirkswahlämter erhalten. Auch Bezirke informieren über die Eintragungsmöglichkeit, sei es durch Aushänge in den Bezirkswahlämtern, sei es durch spezielle Veröffentlichungen. So hat beispielsweise der Bezirk Spandau auf Veranlassung der dortigen Bezirksverordnetenversammlung im Vorfeld der Bundestagswahl und des Volksentscheids im vergangenen Jahr ein Flugblatt in leichter Sprache erstellen lassen, in dem erklärt wurde, wie Personen ohne festen Wohnsitz von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen können. Diese Flugblätter wurden den Bürgerämtern, dem Jobcenter, den Obdachlosenunterkünften und dem Grundsicherungsamt zum Auslegen übersandt und im Internet veröffentlicht . 7. Auf welche Art und Weise wird Wahlberechtigten ohne melderechtliche Registrierung ggf. eine Wahl oder Abstimmung per Brief ermöglicht? Seite 4 von 4 Zu 7.: Wahlberechtigte, die auf Antrag in das Wählerverzeichnis aufgenommen werden, haben die Möglichkeit, sich die Briefwahlunterlagen im Rahmen ihrer Vorsprache zur Eintragung in das Wählerverzeichnis aushändigen zu lassen und dann entweder vor Ort oder andernorts zu einem späteren Zeitpunkt ihre Stimme mittels Briefwahl abzugeben . Sofern sie die Übersendung der Briefwahlunterlagen an eine zustellungsfähige Anschrift einer anderen Person oder Institution beantragen, erfolgt eine Versendung der Unterlagen an diese Anschrift. Erfahrungsgemäß erfolgt die Stimmabgabe durch Wahlberechtigte, die mangels Melderegistereintragung auf Antrag in das Wählerverzeichnis aufgenommen werden in der Regel unmittelbar im Bezirkswahlamt. Berlin, den 10. März 2018 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-13592 S18-13592