Drucksache 18 / 13 603 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Paul Fresdorf (FDP) vom 26. Februar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Februar 2018) zum Thema: Schreiben nach Gehör – Lesen durch Schreiben – Schlechtes Abschneiden bei Vergleichsarbeiten - Ursachen und Wirkung und Antwort vom 13. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Mrz. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Paul Fresdorf (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13 603 vom 26. Februar 2018 über Schreiben nach Gehör – Lesen durch Schreiben – Schlechtes Abschneiden bei Vergleichsarbeiten – Ursachen und Wirkung ___________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. An wie vielen Schulen wird die Lernmethode – „Schreiben nach Gehör - auch bekannt als Lesen durch Schreiben“ angewandt? a. Wenn dazu keine Erkenntnisse vorliegen, warum nicht? Zu 1.: Lehrkräfte entscheiden gemäß § 67 des Schulgesetzes (SchulG) auf Grundlage der Inhalte und Ziele des Rahmenlehrplans (RLP) in den Fachkonferenzen in eigener Verantwortung darüber, welche Methoden und Materialien unter den schulischen Bedingungen und mit Bezug auf den individuellen Förderbedarf eines jeden Kindes am geeignetsten erscheinen und in welcher Form sie diese einsetzen. 2. Wie bewertet der Senat diese Lernmethode? a. Welche Erkenntnisse liegen dieser Bewertung zu Grunde? Zu 2.: Der seit dem Schuljahr 2017/2018 unterrichtswirksame Rahmenlehrplan 1 - 10 (wie bereits auch die Rahmenlehrpläne von 2005) nimmt Bezug auf den in der Fachdidaktik bestehenden Konsens darüber, dass freies Schreiben am Anfang wichtig für Kinder ist, um Einsichten in die alphabetische Struktur der Schrift zu gewinnen, auf individuellem Niveau Wege in die Schrift zu nehmen, die 2 kommunikative Funktion von Schrift zu erfahren und Lese- und Schreibmotivation aufzubauen. Der Berliner Rahmenlehrplan (RLP) weist demzufolge ausdrücklich aus, dass gleichzeitig eine Orientierung auf die rechtschriftliche Norm - je nach Lernentwicklungsstand des Kindes - erforderlich ist. Die Standards des RLP geben vor, dass Schülerinnen und Schüler am Ende der Schulanfangsphase: - Wörter/Sätze richtig abschreiben; - Rechtschreibstrategien nutzen; - Rechtschreibhilfen nutzen. Im Teil B des RLP sind unter Rechtschreibstrategien und Rechtschreibhilfen nutzen als Standards ausgewiesen: - Wörter lautorientiert schreiben; - verwandte Wörter für Ableitungen nutzen; - Merkstellen benennen; - Satzanfänge und Nomen großschreiben; - Wörter nach den Anfangsbuchstaben ordnen; - Wörterlisten des Klassen- und Grundwortschatzes als Schreibhilfen nutzen. Damit ist sichergestellt, dass sich der Unterricht im Kompetenzbereich „Schreiben - Texte verfassen/Rechtschreiben“ in der Berliner Grundschule an den „Bildungsstandards im Fach Deutsch für den Primarbereich“ (Kultusministerkonferenz (KMK) 2004) orientiert. Dort ist im Kompetenzbereich „Schreiben - richtig schreiben“ als Kompetenz aufgeführt, dass Schülerinnen und Schüler am Ende von Jahrgangsstufe 4 unter anderem „geübte, rechtschreibwichtige Wörter normgerecht schreiben“ bzw. „Rechtschreibstrategien verwenden: Mitsprechen, Ableiten, Einprägen“. 3. Sieht der Senat einen Zusammenhang mit dem schlechten Abschneiden Berliner Grundschülerinnen und Grundschüler in deutscher Orthographie mit der Lernmethode „Schreiben nach Gehör“ bei Bildungsvergleichen? a. Wenn nein, wie begründet er dies? b. Wenn ja – welche Schritte werden diesbezüglich unternommen? Zu 3.: Nein. 4. Welche weiteren Ursachen für das schlechte Abschneiden in Vergleichsarbeiten sieht der Senat? a. Wie geht der Senat gegen diese vor? Zu 4.: Bei der Bewertung der Ergebnisse von Ländervergleichen gilt es zu berücksichtigen, dass sich die Bevölkerungsstruktur des Landes Berlin in vielerlei Hinsicht deutlich von der anderer Bundesländer unterscheidet. Da Lernprozesse in der Grundschule nicht voraussetzungslos beginnen und insbesondere der Erwerb von Sprachkompetenz in der Familie beginnt, sind diese heterogenen Startbedingungen der Schülerinnen und Schüler in Berlin bei der Bewertung von Ergebnissen von Bildungsstudien und Vergleichsarbeiten zu berücksichtigen. 3 Bereits aus Ergebnissen des IQB-Bildungstrends (IQB=Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen) aus dem Jahr 2011 sind für Berlin Schlussfolgerungen gezogen und konkrete Maßnahmen eingeleitet worden. Diese können ihre Wirksamkeit teilweise erst im Laufe der Zeit entfalten, haben aber vermutlich bereits dazu beigetragen, dass in Berlin der Trend anderer Bundesländer zu erheblichen Leistungsrückgängen nicht zu verzeichnen ist. Zu diesen Maßnahmen zählen unter anderem: - Einrichtung des Zentrums für Sprachbildung (ZeS); - Qualifizierung von Sprachbildungskoordinatorinnen und -koordinatoren in den Regionen; - langfristige Qualifizierung und Begleitung von Schulen im Rahmen des Bund- Ländervorhabens Bildung durch Sprache und Schrift (BiSS); - Qualifizierungsangebote zur sprachlichen Bildung im Regel- und Fachunterricht; - Bereitstellung von Mitteln für Schulen als Strukturmittel für Sprachförderung (Bonusprogramm); - Einrichtung des Modellvorhabens LeseProfis; - Verankerung der Sprachbildung als durchgängiges Konzept im Rahmen der Lehrerbildung; - Aufnahme des Basiscurriculums Sprachbildung in den Rahmenlehrplan 1- 10; - Verpflichtung zur Umsetzung des Rahmenlehrplans in Form von schulinternen Curricula; - Verstärkung der Fachlichkeit an Grundschulen, indem Deutsch und Mathematik in im Lehrkräftebildungsgesetz als verbindliche Fächer festgeschrieben wurden. Die in den vergangenen Jahren eingeleiteten Maßnahmen werden hinsichtlich ihrer Wirksamkeit geprüft werden, so dass eine Nachsteuerung möglich ist. Auch erfolgreiche Vorgehensweisen in anderen Bundesländern werden auf ihre Übertragbarkeit hin untersucht werden. Konkrete Entwicklungsbereiche im Hinblick auf die Grundschulen werden in den kommenden Jahren sein: - spezifische Beratung und Coaching von Schulen, insbesondere derjenigen mit deutlich unterdurchschnittlichen Ergebnissen, Stärkung schulinterner Gremien zur Unterrichtsentwicklung, systematische Auswertung schulspezifischer Daten; - systematische Qualitätsentwicklung von Unterricht unter fachlicher Perspektive, Unterstützung durch Fachcoaches zur Verbesserung des Fachunterrichts, verbindliche fachliche Qualifizierungen in den Bereichen Schriftspracherwerb, Rechtschreiblernen und Mathematik; - Stärkung von Fachleitungen, Schulleitungen und der Schulaufsicht für die Steuerung und Beratung bei der Qualitätsentwicklung von Unterricht. 5. Erachtet der Senat den vermehrten Einsatz von Quereinsteigern in den Grundschulen als zielführend? a. Wenn ja warum? b. Wenn nein, was unternimmt der Senat, um diesen Zustand zu verbessern? Zu 5.: Der Einsatz von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern an den Grundschulen ist zur Absicherung des Unterrichts erforderlich, da über einen Zeitraum von mehreren Jahren nicht genügend Laufbahnbewerberinnen und Laufbahnbewerber auf dem Lehrkräftemarkt zur Verfügung stehen. 4 Da Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger umfassend qualifiziert werden und am Ende der Qualifizierung durch das Ablegen der 2. Staatsprüfung die entsprechende Lehrbefähigung erlangen, erscheint ihr Einsatz auch fachlich sachgerecht. Die Anhebung der Grundschullehrkräfte auf die E13/A13 trägt darüber hinaus dazu bei, die Einstellungen in den Bereich der Berliner Grundschulen attraktiver zu gestalten. Auch die geplante Verdoppelung der Studienplatzkapazitäten an den Berliner Universitäten im Rahmen der Hochschulverträge wird die Lage langfristig entspannen. Berlin, den 13. März 2018 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie S18-13603 S18-13603