Drucksache 18 / 13 655 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Jürn Jakob Schultze-Berndt (CDU) vom 28. Februar 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. März 2018) zum Thema: Wettbewerbsrechtlich bedenkliche Inhouse-Vergabe in Berlin und Antwort vom 13. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Mrz. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe Herrn Abgeordneten Jürn Jakob Schultze-Berndt (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13 655 vom 28. Februar 2018 über Wettbewerbsrechtlich bedenkliche Inhouse-Vergabe in Berlin ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft zum Teil Sachverhalte, die der Senat nicht in eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher die Berliner Wasserbetriebe - Anstalt öffentlichen Rechts - (BWB) um eine Stellungnahme gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Sie wurde der Beantwortung zugrunde gelegt. 1. Welche Mieterstromprojekte (Errichtung und ggf. Betrieb von Solaranlagen auf städtischen Gebäuden ) hat das Land Berlin (Senatsverwaltungen, Bezirke, und städtische Unternehmen wie z.B. Wohnungsbaugesellschaften) in 2017 und 2018 mit und ohne öffentliche Vergabeverfahren an das Berliner Stadtwerk und /oder die Tochtergesellschaften Berliner Stadtwerke Kommunalpartner GmbH und Berliner Stadtwerke Energiepartner GmbH vergeben? 2. Falls Aufträge dabei ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens an die Berliner Stadtwerke oder die genannten Tochtergesellschaften vergeben wurden, auf welche Rechtsgrundlage erfolgte die Direktvergabe? 3. Hält der Senat die Berliner Stadtwerke und /oder die Tochtergesellschaften Berliner Stadtwerke Kommunalpartner GmbH und Berliner Stadtwerke Energiepartner GmbH bei der Vergabe von Mieterstromprojekten für „inhousefähig“ nach § 108 GWB? Aufgrund welcher Tatsachen geht der Senat davon aus, dass die für eine „Inhousevergabe“ erforderlichen Voraussetzungen nach § 108 GWB für die genannten Gesellschaften vorliegen? Zu 1.-3.: Mieterstromprojekte der Berliner Stadtwerke GmbH sind wie folgt strukturiert : Die Berliner Stadtwerke GmbH pachtet das Dach eines Wohngebäudes von der Gebäudeeigentümerin oder dem Gebäudeeigentümer. Danach errichtet sie eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und bietet den Mieterinnen und Mietern einen gesonderten, im Wettbewerb mit allen anderen Stromanbietern stehenden, Mieterstromtarif an. Das einzige Vertragsverhältnis zwischen der Gebäudeeigentümerin beziehungsweise dem Gebäudeeigentümer (beispielsweise eine landeseigene Wohnungsbauge- 2 sellschaft) und der Berliner Stadtwerke GmbH ist somit der Dachpachtvertrag. Dieser ist keine Beschaffung von Leistungen, Lieferung von Waren, Ausführung von Bauleistungen oder Dienstleistung und mithin gemäß § 103 Absatz 1 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zunächst auch kein öffentlicher Auftrag. Insbesondere erlangt die Berliner Stadtwerke GmbH keine Verfügungsgewalt über die Dächer (§ 103 Absatz 2 GWB). Somit ist eine öffentliche Ausschreibung im Sinne des GWB nicht erforderlich. Bisher sind sechs solcher Projekte mit landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften in Berlin umgesetzt worden. 4. Inwieweit ist das von den Regierungsfraktionen im Abgeordnetenhaus eingebrachte Gesetz zur Änderung des Berliner Betriebe Gesetzes (Abgeordnetenhaus Drucksache 18/0797 vom 25.01.2018), mit dem die vergaberechtskonforme Direktbeauftragung der Berliner Stadtwerke und ihrer Töchter (Berliner Stadtwerke Kommunalpartner GmbH und Berliner Stadtwerke Energiepartner GmbH) durch das Land Berlin gestärkt und abgesichert werden soll und die damit eintretende Verbesserung der Wettbewerbsposition der Berliner Stadtwerke nach Auffassung des Senates mit dem Grundsatz der Kosteneffizienz und Wettbewerbsgleichheit vereinbar? Zu 4.: Es besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Grundsatz der Kosteneffizienz und der Wettbewerbsgleichheit und dem Gesetzesentwurf zur Änderung des Berliner Betriebe-Gesetzes. Die Inhouse-Vergabe von energetischen Projekten an die Berliner Stadtwerke soll im Übrigen gerade auch zu einer verbesserten Kosteneffizienz führen. Die Berliner Stadtwerke können die Kompetenz des Landes im Bereich energetischer Projekte zum Teil bündeln. Damit steht dem Land Berlin eine landeseigene Gesellschaft als Dienstleisterin zur schnellen Umsetzung der Klimaschutzziele zur Verfügung. Die Berliner Stadtwerke handeln hierbei nach kaufmännischen Grundsätzen. Sie analysieren und bewerten daher potenzielle Projekte kosteneffizient und transparent. Soll ein Projekt umgesetzt werden, sorgen die Berliner Stadtwerke für eine marktgerechte Teilung der auszuschreibenden Lose und fördern damit auch den Wettbewerb unter besonderer Einbindung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU). 5. Beabsichtigt das Land Berlin (Senatsverwaltungen, Bezirke, und städtische Unternehmen wie z.B. Wohnungsbaugesellschaften) in Zukunft auf der Grundlage des geänderten Berliner Betriebe Gesetzes die Berliner Stadtwerke und/oder die genannten Tochtergesellschaften ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens direkt zu beauftragen? Zu 5.: Gemäß den diesbezüglichen Empfehlungen der Enquete-Kommission aus dem Abschlussbericht „Neue Energie für Berlin – Zukunft der energiewirtschaftlichen Strukturen“ (zugleich Drucksache: 17/2500) sollte eine landeseigene Institution etabliert werden, die die energetische Modernisierung des öffentlichen Gebäudebestandes aus wirtschaftlichem Eigeninteresse vorantreibt. Die Inhouse-Fähigkeit ist Teil dieses Konzepts. Die landeseigenen Akteure, einschließlich der landeseigenen Gesellschaften sind derzeit daher mit den Berliner Stadtwerken in Gesprächen zur Identifizierung möglicher Projekte, für welche eine Inhouse-Vergabe zukünftig in Betracht kommt. Zum jetzigen Zeitpunkt kann jedoch über den konkreten Ausgang dieser Gespräche noch keine verbindliche Aussage getroffen werden. 3 6. Aufgrund welcher Tatsachen geht der Berliner Senat davon aus, dass die für eine „Inhousevergabe “ erforderlichen Voraussetzungen nach § 108 GWB für die genannten Gesellschaften nach Durchführung der geplanten Änderung des Berliner Betriebe Gesetzes vorliegen? Zu 6.: Grundsätzlich gilt für eine Inhouse-Vergabe Folgendes: Die Auftragserteilung ohne vorherige Ausschreibung ist möglich bei der Erfüllung folgender drei Kriterien des § 108 Absatz 1 GWB: 1. Der öffentliche Auftraggeber muss über das zu beauftragende Unternehmen eine ähnliche Kontrolle ausüben wie über seine eigenen Dienststellen. 2. Das zu beauftragende Unternehmen muss zu mindestens 80 Prozent für den öffentlichen Auftraggeber tätig sein. 3. Am Unternehmen des Auftragnehmers darf keine private Kapitalbeteiligung bestehen . Alle drei Kriterien werden durch die Berliner Stadtwerke KommunalPartner GmbH erfüllt: Die Berliner Stadtwerke KommunalPartner GmbH wird vom Land Berlin kontrolliert. Dies geschieht bereits über die mittelbare Eigentümerstellung des Landes Berlin und durch die Gewährträgerversammlung der Berliner Wasserbetriebe, der gemäß der Satzung der Berliner Wasserbetriebe ein Weisungsrecht hinsichtlich der Aufgabenwahrnehmung der Berliner Stadtwerke zusteht. Dieses Recht aus der Satzung soll nunmehr auch Eingang in das Berliner Betriebe-Gesetz finden. Darüber hinaus wird das Land mit der Berliner Stadtwerke GmbH hinsichtlich der Berliner Stadtwerke KommunalPartner GmbH eine Stimmbindungsvereinbarung zur nochmaligen Absicherung der Kontrolle abschließen. Die Berliner Stadtwerke KommunalPartner GmbH wird zu über 80 Prozent für das Land Berlin tätig sein. An der Berliner Stadtwerke KommunalPartner GmbH besteht keine private Kapitalbeteiligung. Soweit ein Auftrag an die Berliner Stadtwerke KommunalPartner GmbH vergeben wird und die Berliner Stadtwerke KommunalPartner GmbH selbst Teile ihrer Leistungen an Dritte übertragen will, wahrt sie selbstverständlich alle Voraussetzungen des Vergaberechts vollumfänglich. 7. Wie verträgt sich eine selektive Vergabe von Aufträgen an das Berliner Stadtwerk mit dem Ziel der breiten Förderung des Berliner Mittelstandes? Zu 7.: Die Inhouse-Vergabe von Aufträgen an die Berliner Stadtwerke Kommunal- Partner GmbH stärkt auch die Möglichkeit der Einbindung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) des Wirtschaftsraums Berlin. Sie ermöglicht die Vergabe von großen Projekten, welche für spezialisierte KMU eher ungeeignet wären, an die Berliner Stadtwerke als Projektkoordinator. In der Regel können die Berliner Stadtwerke eine Grundlagenermittlung und eine erste Einschätzung dieser Projekte übernehmen um daraufhin für die weitere Planung und Umsetzung einzelne, der Größe nach auch auf KMU zugeschnittene Lose auszuschreiben. Dieses Vorgehen gewährleistet eine hohe Projektpartizipation des Berliner Mittelstands. 4 8. Wie beurteilt der Berliner Senat die Leistungs- und Innovationsfähigkeit des Berliner Stadtwerkes bei der Umsetzung von Mieterstromprojekten insbesondere für die öffentliche Wohnungswirtschaft ? Zu 8.:Die Berliner Stadtwerke haben sich bei der Umsetzung von Mieterstromprojekten als Innovationstreiber im Raum Berlin positionieren können. Bereits vor der Förderung von Mieterstromprojekten nach dem Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz / EEG) haben die Berliner Stadtwerke derartige Projekte initiieren und umsetzen können (beispielsweise das Großprojekt im Pankeviertel mit der GESOBAU AG). Die Berliner Stadtwerke sind bereits aus Eigeninteresse gehalten für jedes mögliche Projekt eine individuelle Lösung für Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer sowie Mieterinnen und Mieter zu erarbeiten. Hierbei setzen die Berliner Stadtwerke auch auf technische Innovationen, die in Pilotprojekten getestet werden. Die Leistungsfähigkeit des Unternehmens wird jeweils angepasst an die Auftragslage erweitert. Für den Senat bestehen daher keine Anhaltspunkte an der Leistungs- und Innovationsfähigkeit der Berliner Stadtwerke zu zweifeln . 9. Wer ist im Berliner Senat und in der Verwaltung für die Einhaltung von Wettbewerbsprinzipien bei der Vergabe von Mieterstromprojekten zuständig? Zu 9.: Jeder einzelne Auftraggeber ist bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zur Einhaltung des Vergaberechts und damit auch zur Prüfung der Frage verpflichtet, ob die Voraussetzungen der Inhouse-Vergabe vorliegen. Nicht der Senat oder die Verwaltung überprüfen die Einhaltung von Wettbewerbsprinzipien. Vielmehr ist es Unternehmen bei vermuteten Vergaberechtsverstößen von öffentlichen Auftraggebern, die dem Land Berlin zuzurechnen sind, bei Auftragswerten, die die Schwellenwerte des § 106 GWB erreichen, unbenommen, die Rechtmäßigkeit der Inhouse-Vergabe von der Vergabekammer des Landes Berlin prüfen zu lassen. Diese ist bei der für Wirtschaft zuständigen Senatsverwaltung angesiedelt. Auch im Unterschwellenbereich besteht die Möglichkeit, den Zivilrechtsweg zu beschreiten. Vergabeverfahren in Zusammenhang mit den Mieterstromprojekten stellen keine Ausnahmen zum vorstehend Gesagten dar. Berlin, den 13. März 2018 Ramona P o p ........................................... Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe S18-13655 S18-13655a