Drucksache 18 / 13 666 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Anne Helm, Niklas Schrader und Hakan Taş (LINKE) vom 05. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. März 2018) zum Thema: Antifeministischer Aufmarsch in Kreuzberg und Mitte am 17. Februar 2018 und Antwort vom 15. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Mrz. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 6 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Frau Abgeordnete Anne Helm (LINKE), Herrn Abgeordneten Niklas Schrader (LINKE) und Herrn Abgeordneten Hakan Tas (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13666 vom 05. März 2018 über Antifeministischer Aufmarsch in Kreuzberg und Mitte am 17. Februar 2018 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Durch welche rechten Organisationen oder Einzelpersonen wurde nach Kenntnis des Senats für die Teilnahme an dem rechten Aufmarsch im Bezirk Mitte und im Ortsteil Kreuzberg am 17.02.2018 an welchen Orten – regional, überregional und bundesweit – auf welche Arten wann jeweils mobilisiert? Zu 1.: Im Zusammenhang mit der Versammlung „Frauenmarsch zum Kanzleramt. Gegen die Freiheitsberaubung der Frauen in Deutschland wegen falscher Asylpolitik der Bundesregierung.“ wurde vorab bundesweit für eine Teilnahme geworben. Dabei wurden vor allem soziale Medien wie Facebook, der Nachrichtendienst Twitter oder die Internetplattform Youtube genutzt. Zur Teilnahme wurde unter anderem auf Facebook-Accounts der rechtsextremistischen Gruppierung „Thügida“, der „Identitären Bewegung“, der „Identitären Bewegung Berlin-Brandenburg“ sowie von „#120 Dezibel“ aufgerufen. 2. Wie viele Teilnehmer*innen wurden von der Anmelderin für die Versammlung am 17.02.2018 angemeldet und wie viele Personen haben tatsächlich teilgenommen? Zu 2.: Die Anzahl der Teilnehmenden wurde bei Anmeldung der Versammlung durch die Anmeldende auf ungefähr 500 Personen eingeschätzt. Entsprechend der Schätzung der eingesetzten Polizeidienstkräfte vor Ort nahmen an der benannten Versammlung insgesamt bis zu 850 Personen teil. 3. Wurden der Anmelderin der unter 1. genannten Versammlung Auflagen erteilt? Wenn ja, a) welche? Seite 2 von 6 Zu 3. a): Für die Versammlung „Frauenmarsch zum Kanzleramt. Gegen die Freiheitsberaubung der Frauen in Deutschland wegen falscher Asylpolitik der Bundesregierung.“ wurden durch die Versammlungsbehörde Berlin folgende Auflagen erteilt: 1. Für den im Aufzug mitgeführten Lautsprecherwagen wird eine Befreiung von den Vorschriften des § 21 Straßenverkehrsordnung (StVO) zur Beförderung von Personen auf Ladeflächen von Lastkraftwagen und Anhängern erteilt, sofern diese Benutzer einer technischen Einrichtung (Lautsprecheranlage oder dergleichen) sind oder eine zwingende Funktion als Bedienpersonal zu erfüllen haben. Die Ladefläche ist seitlich mit einer zumindest provisorischen Absturzsicherung auszustatten. Die Versammlungsteilnehmenden auf dem Fahrzeug dürfen sich nur innerhalb des gesicherten Bereiches aufhalten. Die Befreiung gilt nur während und für die Dauer des Aufzuges und ausschließlich für Personen, die eine der vorstehend genannten Aufgabe wahrnehmen. 2. Unabhängig von der Verwendung muss jedes im Aufzug mitgeführte Fahrzeug im Frontbereich und beidseitig an jeder Achse durch Ordner/innen gesichert werden, um so ein etwaiges Überfahren von Versammlungsteilnehmenden zu verhindern. Die Ordner/innen sowie für Fahrzeugführende gilt absolutes Alkoholverbot . 3. Für die Umsetzung und Einhaltung der Auflagen zu Ziffern 1 – 2 des Auflagenbescheides ist für jedes im Aufzug mitgeführte Fahrzeug vom Veranstalter bzw. Leiter vor Beginn der Versammlung ein spezieller Wagenverantwortlicher zu bestimmen und der Polizeieinsatzleitung unter Angabe der vollständigen Personalien und des zu überwachenden Fahrzeuges schriftlich zu benennen. Ohne Einsetzung und Benennung eines Wagenverantwortlichen darf kein Fahrzeug im Aufzug mitgeführt werden. b) hat die Polizei Verstöße gegen die Auflagen registriert und wenn ja, welche und wie viele jeweils? Zu 3. b): Nein. 4. An welchen Orten wurden jeweils wie viele Plakate, die mit dem Aufmarsch in Zusammenhang standen, registriert? Zu 4.: Eine Erfassung im Sinne der Fragestellung erfolgt nur, soweit durch genannte Utensilien Normverletzungen hervorgerufen werden. Dementsprechende Vorgänge sind der Polizei Berlin nicht bekannt. 5. Mit Hilfe welcher sozialer Netzwerke und jeweiliger Seiten bzw. Gruppen oder Accounts wurde zu der unter 1. genannten Versammlung aufgerufen? Seite 3 von 6 Zu 5.: Siehe Antwort zu Frage 1. 6. Welchen verschiedenen Organisationen oder Gruppierungen gehörten die Teilnehmer*innen der unter 1. genannten Versammlung an? Zu 6.: Erkenntnisse über die Gesamtzusammensetzung der Versammlung liegen dem Senat nicht vor. An der Demonstration beteiligten sich aber unter anderem die Gruppierungen „Bürgerbündnis Havelland e.V.“, „Wir für Deutschland“, „Identitäre Bewegung“, „Soldiers of Odin“, die Partei NPD sowie Angehörige der „Reichsbürgerbewegung“. 7. Welche Erkenntnisse hat der Senat über die Teilnahme von Angehörigen des rassistischen „Bürgerbündnis Havelland e.V.“, das seit 2015 mit einem Netzwerk aus (Ex)-NPD-Kadern und Neonazi-Liedermachern rassistische Versammlungen gegen Asylsuchende organisiert und im Brandenburgischen Verfassungsschutzbericht erwähnt wird? a) Wie viele Angehörige des „Bürgerbündnis Havelland e.V.“ nahmen an der Versammlung teil? Zu 7. a): Nach Erkenntnissen des Senats nahmen Personen im niedrigen einstelligen Bereich teil. b) Aus welchen Teilen Berlins und Brandenburgs sind Versammlungsteilnehmer angereist, die dem „Bürgerbündnis Havelland e.V.“ zuzuordnen sind? Zu 7. b): Hierzu liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. c) Nahmen die Angehörigen Aufgaben der Vorbereitung oder der Logistik wahr? Wenn ja, welche? Zu 7. c): Bei der Demonstration wurde ein Rednerpult mit der Aufschrift „Bürgerbündnis Havelland e.V.“ verwendet. 8. Welche Einschätzung hat der Senat zu Versammlungen und sonstigen politischen Aktivitäten des „Bürgerbündnis Havelland e.V.“ in Berlin seit dessen Gründung im Jahr 2015? Zu 8.: Versammlungen des „Bürgerbündnis Havelland e.V.“ in Berlin sind dem Senat nicht bekannt. Vertreterinnen und Vertreter des Vereins beteiligten sich in der Vergangenheit an rechtsextremistischen Demonstrationen in Berlin, u.a. an den „Merkel-muss-weg“-Demonstrationen, an den Demonstrationen „Frei, sozial, Souverän“ sowie der Demonstration „Schließt die Grenzen nicht die Weihnachtsmärkte“ am 19. Dezember 2017. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind Straftaten, die in einen Zusammenhang mit den Aktivitäten des „Bürgerbündnis Havelland e.V.“ gebracht werden können, bei der Polizei Berlin nicht bekannt. 9. Welche Erkenntnisse hat der Senat über die Teilnahme von Angehörigen der rechtsextremen Bürgerwehr „Soldiers Of Odin Gemany Division Bayern (SOO)“, die vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet wird, oder möglicher verwandter Organisationen in anderen Bundesländern? d) Wie viele Angehörige der „Soldiers of Odin“ nahmen an der Versammlung teil? Seite 4 von 6 Zu 9. d): Nach Erkenntnissen des Senats hat zumindest eine Person, die der Gruppierung „Soldiers of Odin“ zuzurechnen ist, an der Versammlung teilgenommen. e) Welchen regionalen Gruppen mit welchen jeweiligen Anreisewegen gehörten diese jeweils an? f) Nahmen die Angehörigen Aufgaben der Vorbereitung oder der Logistik wahr? Wenn ja, welche? Zu 9. e) und 9. f): Hierzu liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. 10. Welche Erkenntnisse hat der Senat über die Teilnahme von Angehörigen der „Identitären Bewegung“? g) Wie viele Angehörige der „Identitären Bewegung“ nahmen an der Versammlung teil? h) Welchen regionalen Gruppen mit welchen jeweiligen Anreisewegen gehörten diese jeweils an? Zu 10. g) und 10. h): Nach Erkenntnissen des Senats nahmen Personen im oberen einstelligen bis unteren zweistelligen Bereich teil, die aus Berlin und weiteren Bundesländern stammen. Erkenntnisse über Anreisewege liegen dem Senat nicht vor. i) Nahmen sie Aufgaben der Vorbereitung oder der Logistik wahr? Wenn ja, welche? Zu 10. i): Hierzu liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. 11. Welche Erkenntnisse hat der Senat über die Teilnahme von Angehörigen der NPD? j) Wie viele NPD-Angehörige nahmen an der Versammlung teil? k) Welchen regionalen Gruppen mit welchen jeweiligen Anreisewegen gehörten diese jeweils an? Zu 11. j) und 11. k): Nach Erkenntnissen des Senats nahmen Personen im niedrigen bis mittleren einstelligen Bereich teil, die unter anderem aus der Jugendorganisation der NPD und dem NPD-Kreisverband Pankow stammen. Erkenntnisse über Anreisewege liegen dem Senat nicht vor. l) Nahmen sie Aufgaben der Vorbereitung oder der Logistik wahr? Wenn ja, welche? Zu 11. l): Hierzu liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. 12. Der Gründer und ehemalige Anführer der rechtsextremen „English Defence League“ und der „Pegida UK“ nahm ebenfalls an der Versammlung teil und fertigte Videoaufnahmen an. Hat der Senat Kenntnisse über die Teilnahme weiterer Angehöriger der rechtsextremistischen „English Defence League“? m) Wie viele Angehörige der „English Defence League“ nahmen an der Versammlung teil? n) Nahmen die Angehörigen auch Aufgaben der Vorbereitung oder der Logistik wahr? Wenn ja, welche? Zu 12. m) und 12. n): Hierzu liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. 13. Welche Erkenntnisse hat der Senat über die Teilnahme weiterer Angehöriger extrem rechter Organisationen oder Einzelpersonen, die der extremen Rechten zuzuordnen sind? (Bitte Anzahl der Personen, ggf. Organisationszugehörigkeit, Herkunft und Aufgaben bei der Versammlung angeben.) Seite 5 von 6 Zu 13.: Nach Erkenntnissen des Senats nahm die Gruppierung „Wir für Deutschland“ mit einer Personenzahl im mittleren bis oberen einstelligen Bereich sowie Einzelpersonen der rechtsextremistischen Szene und der „Reichsbürgerszene“ im mittleren einstelligen Bereich teil. 14. Hat die Berliner Polizei am Antreteplatz der Versammlung Vorkontrollen durchgeführt? Wenn ja, a) in welcher Form (stichprobenartig etc.) und mit Blick auf welche Gegenstände? Zu 14. a): Am Antreteplatz wurden Kontrollmaßnahmen durchgeführt. Diese werden verdachtsabhängig durchgeführt, sofern Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Personen Gegenstände mit sich führen, die verboten sind (d.h. die einen strafrechtlichen oder ordnungswidrigen Tatbestand erfüllen) oder eine Unfriedlichkeit des Mitführenden implizieren. b) Wurden dabei Gegenstände sichergestellt und wenn ja, welche und mit welcher jeweiligen Begründung? Zu 14. b): Im Rahmen der Kontrollmaßnahmen wurden zwei Messer sowie zwei Gegenstände, die als Schutzbewaffnung eingestuft wurden, aufgefunden. Diese wurden aufgrund von Verstößen gegen das Versammlungsgesetz in amtliche Verwahrung genommen. c) Wurden im Rahmen der Vorkontrolle Platzverweise ausgesprochen und wenn ja, wie viele? Zu 14. c): Nein. 15. Kam es nach der Beendigung des Aufzuges auf der Friedrichstraße zu Versuchen durch die Teilnehmer*innen, weitere Versammlungen anzumelden oder unangemeldet durchzuführen? Wenn ja, a) wo und durch wie viele Personen, Zu 15. a): Nach Beendigung der Versammlung durch die Versammlungsleitung wurde durch diese eine Spontanversammlung in Form einer Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt angemeldet. Durch Teilnehmende der Versammlung kam es zu keiner weiteren Anmeldung bzw. zur Durchführung unangemeldeter Versammlungen. b) welcher eventuellen Zugehörigkeit zu welchen genauen Gruppen oder Organisationen, Zu 15. b): Die Versammlungsleiterin hat in ihrer Funktion als Vorsitzende von Leyla e.V. die Versammlung am Bundeskanzleramt angemeldet. c) mit welcher Aufzugstrecke, Zu 15. c): Die Spontanversammlung erfolgte stationär in Form einer Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt . Seite 6 von 6 d) und welchem jeweiligen Verlauf? Zu 15. d): Die Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt wurde bis ca. 20:55 Uhr durchgeführt. Entsprechend der Schätzung der eingesetzten Polizeidienstkräfte vor Ort nahmen an der benannten Versammlung insgesamt bis zu 370 Personen teil. Die Kundgebung verlief störungsfrei. 16. Kam es während der Versammlung oder nach der Beendigung des Aufzuges auf der Friedrichstraße zu Auseinandersetzungen, die von Teilnehmer*innen der unter 1. genannten Versammlung ausgingen? Wenn ja, e) wo und durch wie viele Personen, f) welcher eventuellen Zugehörigkeit zu welchen genauen Gruppen oder Organisationen? Zu 16. e) und 16. f): Im Zusammenhang mit der genannten Örtlichkeit wurden der Polizei Berlin keine Auseinandersetzungen bekannt. 17. Wurden nach der Beendigung des Aufzuges Personen verletzt? Wenn ja, wo, wann und im Rahmen welcher genauer Geschehnisabläufe? Zu 17.: Nach Beendigung der Versammlung kam es im Bereich Wilhelmstraße/ Friedrich- Stampfer-Straße/ Stresemannstraße zu einer Auseinandersetzung zwischen ungefähr 30 bis 40 Personen, die sowohl den ehemaligen Teilnehmenden der hier genannten Versammlung als auch den Teilnehmenden am Gegenprotest zuzurechnen waren. Dabei wurde nach derzeitigem Kenntnisstand zumindest eine Person verletzt. Darüber hinaus kam es im Bereich Hallesches Ufer/ Wilhelmstraße im Nachgang zu der Versammlung zu einem wechselseitigen Körperverletzungsdelikt. Dabei wurden beide Beteiligte verletzt. Berlin, den 15. März 2017 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-13666 S18-13666a