Drucksache 18 / 13 683 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Oliver Friederici (CDU) vom 05. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. März 2018) zum Thema: Fahrverbote durch Diesel-Feinstaub? und Antwort vom 20. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Mrz. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Oliver Friederici (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13683 vom 05.03.2018 über Fahrverbote durch Diesel-Feinstaub? Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Die Deutsche Umwelt Hilfe (DUH) spricht von 6.000 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr in Deutschland durch NOx. Wie viele Fälle ergeben sich für Berlin pro Jahr? Wie wird eine solche Zahl ggf. ermittelt? Antwort zu 1: Das Umweltbundesamt (UBA) hat am 08.03.2018 die Studie „Quantifizierung von umweltbedingten Krankheitslasten aufgrund der Stickstoffdioxid-Exposition in Deutschland“ veröffentlicht. In dieser Studie wird Berlin als Modellregion näher betrachtet. Nach der Betrachtung ergeben sich für das Jahr 2013 183 bis 256 vorzeitige Todesfälle, die der NO2-Langzeitexposition durch Konzentrationen über 10 µg/m³ zugeordnet werden können. Diese Berechnungen beruhen auf epidemiologischen Langzeitstudien. Aus der langjährigen Beobachtung von unterschiedlich stark belasteten Gruppen lassen sich mit statistischen Methoden Risikofaktoren für Erkrankung und Sterberaten bei Anstieg der NO2-Konzentration ableiten. Die Spannweite der vom UBA berechneten vorzeitigen Todesfälle ergibt sich aus unterschiedlichen Methoden zur Bestimmung der NO2- Belastung der Bevölkerung, die auf stadtweiten Modellierungen der Luftqualität beruhen. Frage 2: Wie viele konkrete Fälle sind dem Senat im den letzten 5 Jahren bekannt geworden? 2 Frage 3: Wie viele Fälle sind amtsärztlich mit der Todesursache "NOx" in den letzten 5 Jahren bestätigt worden? Antwort zu 2 und 3: Die Zahl vorzeitiger Todesfälle ist eine statistisch berechnete Größe und lässt sich keinen konkreten Fällen zuordnen. Unmittelbare Todesursachen sind bei den zitierten Zahlen zu vorzeitigen Todesfällen überwiegend Herz-Kreislauferkrankungen, die entsprechend auch als Todesursache eingetragen werden. Das Risiko für derartige Erkrankungen ist von verschiedenen Faktoren abhängig, u.a. auch von der NO2-Belastung. In der Studie des Umweltbundesamtes werden circa 1,8 bis 2,4 % der Todesfälle durch Herz-Kreislauferkrankungen der NO2-Langzeitexposition zugeordnet. Derartige Angaben zu vorzeitigen Todesfällen aufgrund statistischer Risikofaktoren gibt es für viele Faktoren, z.B. für Übergewicht oder Rauchen, ohne dass diese Faktoren in den Totenschein eingetragen werden. Frage 4: Ist dem Senat bekannt, dass der NOx-Ausstoß kontinuierlich zurückgegangen ist und zwar gleichlaufend in Städten mit starkem Autoverkehr, in Städten mit schwachem Autoverkehr und in ländlichen Gegenden? Antwort zu 4: Dies ist dem Senat bekannt. Festzustellen ist aber auch, dass der NOx-Ausstoß (als Summe von Stickstoffmonoxid NO und Stickstoffdioxid NO2) eines durchschnittlichen Diesel-Pkw pro km im Stadtverkehr zwischen 1995 und 2015 um 23 % gestiegen ist. Der Ausstoß des besonders gesundheitsgefährlichen Stickstoffdioxid (NO2), für den aufgrund der höheren gesundheitsschädigenden Wirkung die Luftqualitätsgrenzwerte festgelegt wurden, ist bei Diesel-Pkw in der gleichen Zeit um mehr als den Faktor 5 gestiegen. Denn neuere Diesel-Pkw emittieren bis zu 50 % des NOx als NO2, während dies bei Otto-Pkw und schweren Lkw nur etwa 5 bis 10 % sind. Der drastische Anstieg der NO2-Emissionen der Dieselfahrzeuge trägt direkt zu den gemessenen NO2-Konzentrationen in Straßenschluchten bei und ist deshalb ein weiterer Grund, warum die Messwerte für NO2 an Straßen nicht im gleichen Maße gesunken sind, wie der Ausstoß von NOx. Zum Rückgang der NOx-Emissionen hat überproportional die Einführung des 3-Wege- Katalysators bei Otto-Pkw beigetragen. Deren NOx- und NO2-Emissionen sanken um circa 87 %. Weitere Rückgänge sind auf Emissionsminderungen bei Lkw sowie bei Kraftwerken zurückzuführen. Frage 5: Wie sind die entsprechenden Werte für Berlin in den letzten 10 Jahren? Antwort zu 5: Im Jahr 2005 wurden in Berlin 19.787 Tonnen Stickstoffoxide emittiert, im Jahr 2015 waren es 18.929 Tonnen. Dies ist ein Rückgang von 4 %. Diese Werte sind im Umweltatlas Berlin veröffentlicht unter: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/umweltatlas/i312.htm. 3 Frage 6: Welche Berechnungen liegen dem Senat über die Veränderung des Schadstoffausstoßes durch Einführung von Tempo 30 vor? Antwort zu 6: Dem Senat liegen mehrjährige Auswertungen der Entwicklung der Luftqualität für die Schildhornstraße und die Beusselstraße vor und nach Anordnung von Tempo 30 (Ende 2005) vor. Im Vergleich zu anderen Hauptverkehrsstraßen, für die die ganze Zeit Tempo 50 galt, lag die NO2-Belastung an den beiden Tempo-30-Straßen ca. 5 bis 7 µg/m³ und die Feinstaub-(PM10)-Belastung ca. 2 µg/m³ niedriger. Zur Untersuchung des Schadstoffausstoßes wurden im Jahr 2014 Messfahrten durchgeführt, um die Fahrdynamik und daraus Emissionsfaktoren, also den Schadstoffausstoß in Gramm pro gefahrenem Kilometer, zu ermitteln. Die Emissionsfaktoren für die Schildhornstraße und die Beusselstraße lagen ca. 20 % niedriger als an vergleichbaren innerstädtischen Hauptverkehrsstraßen. Ursächlich hierfür war eine in diesen Straßen mit Tempo 30 beobachtete Fahrweise mit kürzeren Beschleunigungsphasen und einem höheren Anteil mit konstanter Fahrt ohne Beschleunigungen. Frage 7: Welche Berechnungen liegen der Idee zugrunde, eine Verstetigung des Verkehrs durch eine "Grüne Welle" könne den Schadstoffausstoß mindern? Antwort zu 7: Messfahrten und daraus berechnete streckenbezogene Emissionsfaktoren zeigen, dass die Emissionen dort ansteigen, wo das Fahrzeug nach einem Stopp oder einer starken Verzögerung wieder beschleunigen muss. Außerdem weist das Handbuch für Emissionsfaktoren (HBEFA) für den Verkehrszustand Stop&Go ebenfalls deutlich höhere Emissionsfaktoren aus. Dies ist jedoch nur ein Indiz für die emissionsmindernde Wirkung einer Grünen Welle, da das HBEFA nicht für die Modellierung einzelner Kreuzungen geeignet ist. Frage 8: Welche "Grünen Wellen" wurden in den letzten 5 Jahre neu eingerichtet (bitte Kreuzungen angeben)? Antwort zu 8: Die „Grüne Welle“ ist schon seit Jahrzehnten Grundlage der Schaltungen von Lichtsignalanlagen in Berlin, weshalb nicht von einzelnen neuen „Grünen Wellen“, bzw. deren (neuer) Einrichtung gesprochen werden kann. In Berlin werden die Lichtsignalanlagen auf durchgehenden Straßenzügen grundsätzlich koordiniert geschaltet mit dem Ziel, den Verkehr so gut wie möglich fließen zu lassen. Leider ist es aus mathematischen Gründen nur in Ausnahmefällen möglich, eine sogenannte „Grüne Welle“ in beiden Fahrtrichtungen zu schalten. Das geht nur bei ganz bestimmten Abständen der Kreuzungen zueinander, die in einer gewachsenen Stadt wie Berlin nicht vorliegen. Wenn für eine Fahrtrichtung durchgängig eine "Grüne Welle" geschaltet wird, wird bereits die Gegenrichtung häufig bei Rot halten müssen. 4 Zusätzliche Einschränkungen können sich durch spezielle Randbedingungen ergeben. So wird beispielsweise die „Grüne Welle“ durch Lichtsignalanlagen mit Fußgänger- Sofortanforderungen unterbrochen, die beispielsweise häufig für Schulwegsicherungen eingesetzt werden. Hier erhalten die anfordernden Fußgänger wenige Sekunden nach der Anforderung ihr Grün, unabhängig von der Schaltung in der „Grünen Welle“. Des Weiteren kann eine ÖPNV-Beschleunigung für Unterbrechungen der „Grünen Welle“ sorgen. Busse und Bahnen melden sich über Funk an der Lichtsignalanlage an, woraufhin die Schaltung so modifiziert wird, dass diese möglichst ohne Halt passieren können. Dazu wird die entsprechende Grünzeit verlängert oder sie wird in der vorherigen Periode früher abgebrochen, damit rechtzeitig bei Ankunft des Busses oder der Bahn wieder Grün gegeben werden kann. Es kann unter Umständen mehrere Umläufe dauern, bis der Normalzustand wieder hergestellt ist. Frage 9: Welche Berechnungen liegen dem Senat über die Differenz an Schadstoffausstoß einer Kreuzung ohne und mit "Grüner Welle" vor? Antwort zu 9: Hierzu liegen für Berlin keine Berechnungen vor, da das Handbuch für Emissionsfaktoren dafür keine Berechnungsgrundlagen bietet. Vom ADAC wurden zu dieser Fragestellung im Jahr 2002 Messungen an zwei Fahrzeugen durchgeführt, die NOx-Minderungen von 41 bis 61 % zeigten. Dies bezieht sich jedoch nur auf die eine Fahrtrichtung, die optimal koordiniert wurde. Da dies in der Regel schon in der Gegenrichtung und zudem für den Querverkehr nicht erreicht werden kann (s. Antwort zu Frage 8), ist die Emissionsminderung in der Praxis unter Berücksichtigung aller Fahrrichtungen deutlich kleiner. Da in Berlin die Lichtsignalanlagen bereits seit Jahren so koordiniert werden, dass netzweit ein möglichst guter Verkehrsfluss erreicht wird, sind allein durch eine veränderte Koordinierung kaum zusätzliche Potenziale zur Minderungen des Schadstoffausstoßes zu erwarten, zumal eine „Grüne Welle“ auch dann nicht wirken kann, wenn der Verkehrsfluss durch verkehrliche Überlastung von Straßenabschnitten insbesondere in der Rush-Hour so dicht ist, dass die der „Grünen Welle“ zugrunde gelegte Geschwindigkeit gar nicht erreicht werden kann. Frage 10: Welche Vorhaben plant der Senat, um die täglichen Staus zu reduzieren, insbesondere auf der A111, der A113, der A100 und der Heerstraße? 5 Antwort zu 10: Zur Reduzierung von Staus auf den genannten Berliner Autobahnen und der Heerstraße dienen insbesondere die dort installierten Verkehrsbeeinflussungsanlagen. Mit ihnen wird eine verkehrsabhängige Regulierung durch z.B. variable Fahrstreifenzuweisung, Änderung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit oder Zufahrtsregulierung an den Anschlussstellen Siemensdamm und Antonienstraße, vorgenommen. Für die Zukunft ist geplant, an der Anschlussstelle Hohenzollerndamm, Fahrtrichtung Nord, eine Zuflussregelungsanlage zu realisieren und die Anschlussstelle Waidmannsluster Damm, Fahrtrichtung Süd, im Rahmen der Sanierungsmaßnahmen der A 111 mit dem Ziel der Verbesserung des Verkehrsflusses auf der A 111 umzugestalten. Berlin, den 20.03.2018 In Vertretung Jens-Holger Kirchner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz S18-13683 S18-13683