Drucksache 18 / 13 693 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marc Vallendar (AfD) vom 05. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. März 2018) zum Thema: Keine Altersfeststellung, trotz Verdacht eines Kindesmissbrauchs? und Antwort vom 23. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Mrz. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Marc Vallendar (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13 693 vom 5. März 2018 über Keine Altersfeststellung, trotz Verdacht eines Kindesmissbrauchs? Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Abgeordneten: Nach Pressemitteilungen (z.B. Die Welt vom 21. Januar 2018) gab es ein Missbrauchsverfahren in Berlin gegen einen mutmaßlich minderjährigen Flüchtling (13 Jahre) aus Afghanistan, der ein vierjähriges Mädchen missbraucht haben soll. Das Verfahren wurde eingestellt, obwohl es Zweifel am tatsächlichen Alter des mutmaßlichen Täters gab. In der 19. Sitzung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz , Antidiskriminierung vom 24.01.2018 stellte der Unterzeichner Fragen zu diesem Fall. Bezugnehmend auf die Antworten des Senators Dr. Dirk Behrendt frage ich den Senat: 1. Existieren neue Tatsachenerkenntnisse, die eine Wideraufnahme des Verfahrens rechtfertigen könnten? Zu 1.: Nein. 2. Nach Aussage des Senators, habe der Amtsvormund trotz zweimaligen Schreibens der zuständigen Staatsanwältin zur Zustimmung der freiwilligen Altersfeststellung nicht reagiert. Welche Qualifikationen und Vorgaben muss ein Amtsvormund erfüllen? Welchen Behörden ist ein Amtsvormund unterstellt? Wer trägt die Fach- und Rechtsaufsicht? 3. Welche Folgen hat es für den Amtsvormund des Beschuldigten, wenn er nicht auf das Ansinnen der Staatsanwaltschaft bezüglich einer Altersfeststellung nicht reagiert? Kann ein Amtsvormund von seinen Aufgaben entbunden werden? 4. Kommt es in der staatsanwaltlichen Praxis vor, dass Amtsvormunde nicht auf Anfragen der Staatsanwaltschaft reagieren. Wenn ja, wie oft? Zu 2. bis 4.: Gemäß § 1791b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann zum Amtsvormund das bezirkliche Jugendamt bestellt werden, das wiederum gemäß § 55 Absatz 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Achtes Buch die Ausübung der vormundschaftlichen Aufgaben einzelnen Mitarbeitenden überträgt, die über einen der folgenden beruflichen Abschlüsse verfügen: 2 Sozialarbeit/Sozialpädagogik, Allgemeiner Nichttechnischer Verwaltungsdienst, Rechtspflege oder Juristin/Jurist. Die Leitung der Verwaltung eines Jugendamtes übt eine allgemeine Fach- und Dienstaufsicht aus. Die mit der Wahrnehmung vormundschaftlicher Aufgaben betrauten Mitarbeitenden handeln als gesetzliche Vertretung eines Kindes weisungsunabhängig und haben damit eine eigenständige Stellung innerhalb der Verwaltung. Vorgesetzte sind nur dann zur Erteilung von Weisungen befugt, wenn diese zur Vermeidung rechtswidrigen Handelns oder eines unmittelbar bevorstehenden Schadens erforderlich sind. Die Abteilungen für Familiensachen innerhalb der Amtsgerichte beraten die Vormünder , führen gemäß § 1837 BGB über die gesamte Tätigkeit des Vormunds die Aufsicht und können bei Pflichtwidrigkeiten durch geeignete Gebote und Verbote einschreiten. In dem hier in Rede stehenden Ermittlungsverfahren lag eine solche Pflichtwidrigkeit nicht vor, da der Amtsvormund nicht verpflichtet war, einer freiwilligen Altersbestimmung zuzustimmen . Weitere Fälle, in denen ein Amtsvormund auf Anfragen der Staatsanwaltschaft Berlin nicht reagiert hätte, sind dem Senat nicht bekannt. 5. Auf welcher Rechts- und Tatsachengrundlage hat die zuständige Staatsanwältin dem Beweisverfahren zur Altersfeststellung vorgegriffen und das Verfahren eingestellt? Zu 5.: Das Verfahren wurde nach § 170 Absatz 2 Strafprozessordnung eingestellt, weil - unabhängig vom Alter des Beschuldigten - ein Tatnachweis nicht zu führen war. 6. Der Senator äußerte in der Sitzung, dass durch ein Altersfeststellungsgutachten nicht das genaue Alter feststellen kann, sondern nur eine Altersspanne angegeben werden kann. Ein Ergebnis, wonach der Beschuldigte sicher über 14 Jahre sei, sei nicht zu erwarten gewesen. Anhand welcher Tatsachenerkenntnisse konnte eine derartige Einschätzung der Staatsanwaltschaft erfolgen ? Woher kann im Vorfeld der Erstellung eines Altersgutachtens das Ergebnis dieses Gutachtens bereits bekannt sein? Handelt es sich hierbei nicht um eine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung? Zu 6.: Auf Grundlage der Ermittlungsergebnisse (darunter die Erkenntnisse aus einer ärztlichen Untersuchung in anderer Sache) belief sich das mögliche Alter des Beschuldigten in einer Spanne von 13 bis 15 Jahren. Abgesehen davon, dass ein Tatnachweis ohnehin nicht zu führen war, wurde die Notwendigkeit, ein Altersfeststellungsverfahren durchzuführen , seitens der Staatsanwaltschaft auch deshalb nicht gesehen, weil nach den vorliegenden Erfahrungswerten bei einer derartigen Altersspanne eine sichere medizinische Abgrenzung - und damit die sichere Feststellung, dass der Beschuldigte 14 Jahre oder älter ist - nicht zu erwarten ist. 7. Vertritt der Senat die Ansicht, dass eine Altersfeststellung bei einem mutmaßlich minderjährigen Tatverdächtigen zumutbar und erforderlich ist, wenn ein schwerwiegender Tatvorwurf wie der hiesige im Raum steht und Vernehmungsbeamten des LKA Zweifel am Alter des Tatverdächtigen äußerten? Zu 7.: Eine Begutachtung zum Zwecke der Altersfeststellung kommt im Straf- oder Ermittlungsverfahren in Betracht, wenn das Alter der beschuldigten Person unklar, für das Verfahren aber von Belang ist, ein für die Verfahrenszwecke ausreichend bestimmtes Ergebnis zu erwarten ist und sich die Untersuchung in Ansehung des Tatvorwurfs als verhältnismäßig darstellt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 8. Wäre nach Einschätzung des Senats das Verfahren ebenfalls eingestellt worden, wenn eine Altersfeststellung eine Altersspanne über 14 Jahre hinaus festgestellt hätte? Zu 8.: Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. 3 9. Wie viele Disziplinarverfahren wurden innerhalb der Staatsanwaltschaft Berlin im Jahr 2015, 2016 und 2017 aufgrund der Verletzung des Legalitätsprinzips (§ 152 Abs. 2, § 160, § 163 StPO; § 386 AO) geführt? Wenn keine Verfahren geführt wurden, warum nicht? Zu 9.: In dem in Rede stehenden Zeitraum sind von der Staatsanwaltschaft Berlin keine solchen Disziplinarverfahren geführt worden, weil eine entsprechende schuldhafte Pflichtverletzung einer Beamtin oder eines Beamten der Behörde nicht bekannt geworden ist. 10. Welche Erkenntnisse hat der Senat über den Verbleib und die Identität des damals Beschuldigten? Ist es zutreffend, dass der damals Beschuldigte in Schweden unter neuer Identität und mit einem neuen noch jüngeren Alter registriert wurde? Zu 10.: Der Staatsanwaltschaft Berlin ist vom Bezirksamt Pankow mit Schreiben vom 9. Januar 2018 mitgeteilt worden, dass der Beschuldigte zu einem nicht bekannten Datum nach Schweden ausgereist sei und dort unter einem neuen Namen und einem neuen Geburtsdatum einen Asylantrag gestellt habe. Berlin, den 23. März 2018 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung S18-13693 S18-13693