Drucksache 18 / 13 739 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Stefanie Fuchs (LINKE) vom 09. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. März 2018) zum Thema: Barrierefreies Bauen in Berlin und Antwort vom 26. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Mrz. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Frau Abgeordnete Stefanie Fuchs (Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13 739 vom 19. März 2018 über Barrierefreies Bauen in Berlin Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Gemäß § 50 Absatz 5 der Bauordnung für Berlin gibt es drei Tatbestände, nach denen Ausnahmen von den Grundsätzen für barrierefreies Bauen zulässig sind: Wie viele Ausnahmebescheide sind im Jahr 2017 erteilt worden (bitte nach Bezirken aufgegliedert)? Antwort zu 1.: Vorab zur Erläuterung: § 50 Abs. 5 beschreibt keine Ausnahmetatbestände, sondern legt fest, unter welchen engen Voraussetzungen Abweichungen vom barrierefreien Bauen zugelassen werden dürfen. Das Gesetz lässt Abweichungen nur zu, wenn a) schwierige Geländeverhältnisse vorhanden sind oder b) ein sonst nicht erforderlicher Aufzug eingebaut werden müsste oder c) eine ungünstige Bebauung vorhanden ist. Nur, wenn eins dieser Kriterien erfüllt ist und die Barrierefreiheit nur mit unverhältnismäßigem Mehraufwand realisiert werden könnte, darf eine Abweichung erteilt werden. 2 Bezirk Anzahl eingereichter Abweichungsbescheide nach § 50 in 2017 Charlottenburg- Wilmersdorf 46 Friedrichshain-Kreuzberg 23 Lichtenberg 5 Marzahn-Hellersdorf 8 Mitte Siehe Ergänzung Neukölln 43 Pankow 45 Reinickendorf 0 Spandau 9 Steglitz-Zehlendorf 1 Tempelhof-Schöneberg 9 Treptow-Köpenick 5 Ergänzung zu Mitte: Mitte hat vom 1.1.2017 bis 31.12.2017 392 Abschlussdokumente zum Vorgangstyp Abweichungen erteilt. Ob sie eine Abweichung zum § 50 beinhalten, ist ohne eine unverhältnismäßige Durchsicht der Vorgänge nicht zu klären. Frage 2: Welche Maßnahmen ergreift der Senat, um möglichst wenig Ausnahmebescheide zuzulassen? Antwort zu 2.: Wie einleitend zu 1. beschrieben, sind die Voraussetzungen für die Erteilung von Abweichungen so eng, dass es einer weiteren Einengung der Abweichungsvoraussetzungen nicht bedarf. Die Bezirke gehen angemessen mit diesem Instrument um. Dies findet seine Bestätigung darin, dass das Klagerecht der Verbände, die die Belange der Menschen mit Behinderung vertreten, trotz regelmäßiger Information der Verbände über jede getroffene Abweichungsentscheidung zum barrierefreien Bauen, sehr selten in Anspruch genommen wird. Darüber hinaus versucht die SenStadtWohn die am Bau Beteiligten mit Informationsmaterial in Form von Planungshilfen für die Belange der Menschen mit Behinderungen zu sensibilisieren. Für Bauten des Landes Berlin wurde bei der SenStadtWohn mit dem auf der Internetseite veröffentlichten und in der Anweisung Bau verbindlich eingeführten ´Konzept barrierefrei` ein einflussnehmendes Element entwickelt. Das ´Konzept barrierefrei` steuert barrierefreies Bauen durch den Planungsprozess. Vom Bedarfskonzept über die Ideenfindung bis zur Detailausführung einschließlich Beteiligung von relevanten Verbänden wird damit „Design for all“ Bestandteil der Planung. Zur Überwindung von Vorbehalten seitens des Denkmalschutzes gegenüber barrierefreien Lösungen wurde 2015 ein Leitfaden „Denkmalschutz und Barrierefreiheit“ gemeinsam vom Landesdenkmalamt und der Koordinierungsstelle Barrierefreies Bauen bei SenStadtWohn entwickelt. In Arbeit befindet sich die Aktualisierung und Neuauflage der Handbücher Berlin – Design for all und die Erstellung einer Softwareapplikation auf Basis von Checklisten, um so einerseits die Umsetzung von Anforderungen auf der Anwenderseite zu erleichtern und gleichzeitig einfaches und schnelles Überprüfen auf der kontrollierenden Seite leisten zu können. 3 Frage 3: Ausnahmebescheide der Bauämter müssen in Kopie an alle stimmberechtigten Mitgliedsvereine des Landesbeirates für Menschen mit Behinderungen versandt werden, damit diese die Interessen der Menschen mit Behinderung wahrnehmen können und um ggf. Widerspruch zum Bescheid einlegen zu können: Wie viele Ausnahmebescheide sind im Jahre 2017 den entsprechenden Vereinen zugesandt worden (bitte nach Bezirken aufgeschlüsselt)? Antwort zu 3.: Da es keine Ausnahmebescheide sondern Abweichungsentscheidungen gibt, beziehen sich die Aussagen auf letzteres. Bezirk Anzahl versendeter Abweichungsbescheide an Verbände in 2017 Charlottenburg- Wilmersdorf 46 Friedrichshain-Kreuzberg 14 Lichtenberg 5 Marzahn-Hellersdorf 8 Mitte 74 Neukölln Siehe Ergänzung Pankow 45 Reinickendorf 0 Spandau 9 Steglitz-Zehlendorf 1 Tempelhof-Schöneberg 9 Treptow-Köpenick 3 Ergänzung Neukölln: In Neukölln ist die Beauftragte für Menschen mit Behinderung gleichzeitig auch Mitglied des Beirates für Menschen mit Behinderungen. Entsprechend wird der Beirat regelmäßig über die Vorhaben informiert, bei denen über die Zulassung von Abweichungen zur Barrierefreiheit zu entscheiden ist. Die stimmberechtigten Mitglieder des Landesbeirates für Menschen mit Behinderung haben die Bearbeitung der einzelnen Vorgänge zur Zulassung der in Rede stehenden Abweichungen aufgeteilt. Grundsätzlich sind alle Neuköllner Bauvorhaben, bei denen über eine die Barrierefreiheit betreffende Abweichung zu entscheiden war unter Einbeziehung des Landesbeirates und während des bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahrens erfolgt. Durch die Regelung sind keine Einwände erhoben worden. Aufgrund der beschriebenen Vorgehensweise und der Tatsache, dass die personelle Ausstattung der zuständigen Neuköllner Bauaufsicht eine unentwegte Versendung der entsprechenden Ausnahmebescheide an alle 15 stimmberechtigten Mitgliedsvereine des Landesbeirats nicht zulässt, werden zu Gunsten eines noch umsetzbaren Genehmigungsverfahrens keine Bescheidkopien versendet. Ergänzung Treptow-Köpenick: Den Vereinen wurden 3 Abweichungsbescheide bekannt gegeben, bei 2 Bescheiden erfolgt dies in Kürze. 4 Frage 4: Wie viele Widersprüche zu Ausnahmebescheiden sind eingereicht worden und mit welchen Ergebnissen (bitte nach Bezirken aufgeschlüsselt)? Antwort zu 4.: Es geht hier nicht um Widersprüche, sondern um die Inanspruchnahme des Verbandsklagerechts. Bezirk Fälle der Inanspruchnahme des Verbandsklagerechts in 2017 Charlottenburg- Wilmersdorf 0 Friedrichshain-Kreuzberg 0 Lichtenberg 0 Marzahn-Hellersdorf 0 Mitte 0 Neukölln 0 Pankow 0 Reinickendorf 0 Spandau 0 Steglitz-Zehlendorf 0 Tempelhof-Schöneberg 0 Treptow-Köpenick 0 Frage 5: Die Barrierefreiheit bei Neubauten wird nur mangelhaft überwacht: Wie steht der Senat zur Einführung eines/r Sachverständigen für Barrierefreiheit? Antwort zu 5: Die wichtigste Maßnahme ist die eindeutige Beschreibung der Anforderungen und Barrierefreiheit. Dies ist erfolgt (siehe Antwort 2.). Anforderungen an die Barrierefreiheit, die Einfluss auf die Gebäudestrucktur haben (Rampen, Aufzüge, Flurbreiten) werden auch umgesetzt. Die Einführung von Sachverständigen für Barrierefreiheit würde das Planen verteuern und aufwendige Anerkennungsverfahren für den Sachverständigenstatus bedeuten. Daher ist es Ziel, dass bei allen am Bau Beteiligten der qualifizierte Sachverstand vorhanden ist und in den Planungs- und Bauprozess eingebracht wird. Die Einschränkung auf Spezialisten, Sachverständige, ist nicht zielführend. Da ein großer Anteil der Anforderungen der Barrierefreiheit in der Gestaltung einzubeziehen ist (z.B. sensorische Anforderungen) gilt es, Entwerfenden grundsätzlich Bewusstsein und Wissen für die Belange von Menschen mit Behinderungen zu vermitteln. Es liegt in der Verantwortung des Bauherren und des Architekten, einzuschätzen, welche Art von Sachverstand sie ggf. zusätzlich hinzuzuziehen müssen. Inzwischen kann auf zahlreiche Weiterbildungen in den Kammern u.a. Organisationen verwiesen werden, deren Fortsetzung unterstützt wird und bereits seine positiven Auswirkungen zeigt. Die teilweise noch unzureichende Berücksichtigung der Belange der Menschen mit Behinderungen ist auch auf mangelndes Bewusstsein in Lehr- und 5 Forschungseinrichtungen zurückzuführen. Die SenStadtWohn nimmt Einfluss auf die studentische Ausbildung (z.B. in Kooperationen mit der Technischen Universität Berlin bzw. Universität der Künste). Weiterhin werden Planungshilfen, wie das ´Konzept Barrierefrei`, ´die Handbücher Berlin – Design for all usw. zur Verfügung gestellt. Berlin, den 26.03.2018 In Vertretung Regula Lüscher ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen S18-13739 S18-13739