Drucksache 18 / 13 754 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Sebastian Schlüsselburg und Katalin Gennburg (LINKE) vom 12. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. März 2018) zum Thema: Auswirkungen des Abgasskandals auf den 16. Bauabschnitt der A100 und Antwort vom 23. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Mrz. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Herrn Abgeordneten Sebastian Schlüsselburg (Linke) Frau Abgeordnete Katalin Gennburg (Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13754 vom 12. März 2018 über Auswirkungen des Abgasskandals auf den 16. Bauabschnitt der A100 Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche einzuhaltenden Grenzwerte für verursachte Emissionen, die durch die Teilnahme am Verkehr bei bestimmungsgemäßem Betrieb entstehen, waren für Kraftfahrzeuge auf welcher Rechtsgrundlage und/oder aufgrund welcher Angaben im Handbuch für Emissionsfaktoren zum Zeitpunkt der Planfeststellung des 16. Bauabschnittes der Bundesautobahn A100 (Lose 1 bis 6) maßgeblich, die als Beitrag zur Schadstoffbelastung bei der Bewertung des Immissionsschutzes zu berücksichtigen waren? Antwort zu 1: Zum Zeitpunkt der Planfeststellung des 16. Bauabschnittes der A100 (Beschluss Az 2/2010 vom 29.12.2010) wurde als Basis der Emissionsberechnung das Handbuch für Emissionsfaktoren für gängige Fahrzeugtypen (HBEFA) 3.1, das das Umweltbundesamt im selben Jahr - basierend auf den gültigen europarechtlichen Normen/Verordnungen - herausgegeben hatte, maßgeblich angewendet. Die einzuhaltenden Immissionsgrenzwerte sowie Zielwerte waren in der im Jahr 2010 gültigen 22. BundesImmissionschutzverordnung (22. BImSchV, 2007) festgelegt. Frage 2: Welche zusätzlichen Emissionen von Luftschadstoffen wurden im vorbezeichneten Planfeststellungsverfahren ermittelt (bitte für jeden Schadstoff und berechneten Zeitpunkt und ggfs. Los gesondert angeben)? 2 Antwort zu 2: Andere als die Luftschadstoffe in der 22. BImSchV benannten verkehrsrelevanten Schadstoffe wurden nicht untersucht. Frage 3: Auf Basis welcher Daten oder Prognosen für welches Jahr / welche Jahre wurden die Emissionen von Luftschadstoffen des Straßenverkehrs für den 16. Bauabschnitt der Bundesautobahn 100 ermittelt? Wurden insbesondere die Emissionen von Luftschadstoffen von PKW und LKW auf Basis der offiziellen Typgenehmigung ermittelt, oder wurde das vorbezeichnete Handbuch des Umweltbundesamtes zu Grunde gelegt, und wenn ja, in welcher Fassung? Antwort zu 3: Es wurden Berechnungen für den Planfall 2025 sowie für den Fall der Verkehrsfreigabe 2020 durchgeführt. Die Ermittlung und die Ergebnisse für Stickoxide (NOx), Feinstaub (PM 10 und PM 2,5) und Benzo(a)pyren (BaP) sind in dem 19 Seiten umfassenden Kapitel „Emissionen“ der Planfeststellungsunterlage 16.3 a behandelt worden. Es sind nicht die Typgenehmigungsemissionsgrenzwerte zum Ansatz gebracht worden, sondern die im HBEFA 3.1 hinterlegten Emissionsfaktoren. Bezüglich der Ermittlung der Emissionsfaktoren gibt das Umweltbundesamt (UBA) folgendes an: „Bis zur HBEFA-Version 3.2 wurden zur Ermittlung der PKW-Emissionsfaktoren (betriebswarmer Motor) in der Regel Abgasmessungen auf dem Rollenprüfstand verwendet. Diese Messungen erfolgten aber nicht wie bei der Überprüfung der Abgasgrenzwerte nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ), sondern nach dem Common ARTEMIS Driving Cycle (CADC). Dieser Real-World-Testzyklus wurde im von der EU geförderten Forschungsprojekt ARTEMIS entwickelt und enthält deutlich mehr Beschleunigungs- und Bremsvorgänge sowie höhere Geschwindigkeiten als der NEFZ (z. B. 132 bzw.150 km/h statt 120 km/h). Damit deckt der CADC deutlich mehr Betriebspunkte des Kennfeldes eines Motors ab. In der Zwischenzeit wurde der CADC durch den ERMES-Testzyklus ergänzt, der eine ähnliche Abdeckung des Motorkennfeldes ermöglicht, aber zeitlich kürzer ist und die Abgasmessungen auf dem Rollenprüfstand damit kostengünstiger macht. Zudem werden anders als bei der Überprüfung der Abgasgrenzwerte nicht nur die Emissionen für den gesamten Fahrzyklus ermittelt, sondern pro Sekunde. Gleichzeitig werden sekündlich zu den Emissionswerten Drehzahl und Drehmoment erfasst. Damit liegen die Emissionen für viele Betriebspunkte des Motorkennfeldes vor. Die fehlenden Daten werden dann interpoliert. Die Verwendung von CADC bzw. ERMES-Testzyklus sowie die Erfassung der Emissionen auf Sekundenbasis ermöglichte daher bereits in der Vergangenheit die Ermittlung realitätsnaher Emissionswerte der Fahrzeuge für das HBEFA – trotz Messungen auf dem Rollenprüfstand.“ (dazu und zu weiteren Erläuterungen siehe: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2546/dokumente/faqs_hbefa.p df) Frage 4: Inwieweit trifft es zu, dass die Werte des neuen Handbuchs (3.3) um bis zu 92 % höhere Werte für NOX durch EURO-6-Fahrzeuge ergeben haben als das vorige? 3 Antwort zu 4: Der genannte Wert entstammt dem zuvor genannten Dokument des UBA, dort Tab. 1. Es basiert auf dem Durchschnittlichen NOx-Basisemissionsfaktor für Diesel-PKW der Abgasstufe Euro 6 gemittelt über Verkehrssituationen, Straßentypen und Umgebungstemperaturen für Deutschland. Frage 5: Würde man das neue Handbuch 3.3 anwenden, wie hoch wären bei ansonsten gleichbleibenden Zahlen die Werte für Partikel und Stickoxide, die durch und auf dem 16. Bauabschnitt emittiert werden (bitte in absoluten und relativen Zahlen im Vergleich zu den im Planfeststellungsbeschluss ermittelten Werten angeben)? Antwort zu 5: Eine lufthygienische Nach-Untersuchung auf Basis des HBEFA 3.3 für den gesamten 16. Bauabschnitt liegt nicht vor. Der Gutachter wurde zu dieser Frage um eine Stellungnahme gebeten: „Für den gewünschten Vergleich wurde exemplarisch ein Abschnitt der A100 ohne Längsneigung ausgewählt. In nachfolgender Tabelle sind separat für die Hin- und Rückrichtung die verkehrlichen Eingangsdaten sowie die NOx- und PM10-Emissionsdichten der Rotänderung des PF- Gutachtens (Basis HBEFA3.1) den Emissionsdichten gegenüberstellt, wie man sie bei Ansatz der aktuellen HBEFA Version 3.3 erhält. In der Summe über Hin- und Rückrichtung ergeben sich bei Ansatz HBEFA3.3 gegenüber HBEFA3.1 Erhöhungen beim NOx von 26 % und beim PM10 von 11 %. Hinweis: Die PM10-Emissionsdichte ist hier die Summe aus motorbedingten Emissionen und nicht motorbedingten Emissionen (Abriebe und Aufwirbelung).“ Frage 6: Welche Konsequenzen zieht der Senat daraus? Antwort zu 6: Keine, da die ermittelten Immissionswerte unterhalb der Grenzwerte liegen. Die Nachrechnung für das Änderungsverfahren der Anschlussstelle Am Treptower Park prüfte die Schadstoffbelastung (Null- und Planfall) für das Jahr der aktuell geplanten Verkehrsfreigabe 2023; dieses stellt den ungünstigsten Zeitraum dar, da hier die Emissionsfaktoren noch hoch sind, jedoch bereits mit der prognostizierten Verkehrsbelastung des Jahres 2025 gerechnet wurde. Fall Version Bezeichnung FAHRMUSTER im Gutachten Segment Name DTV in Kfz/24h SV-Anteil Emission NOX in g/(km s) Emission PM10 in g/(km s) PF 16. BA 2025 HBEFA3.1 R_MW_80 A100_22 26800 0.063 0.0385 0.0109 PF 16. BA 2025 HBEFA3.1 R_MW_80 A100_51 27000 0.063 0.0388 0.0109 PF 16. BA 2025 HBEFA3.3 IOS-AB80 A100_22 26800 0.063 0.0485 0.0121 PF 16. BA 2025 HBEFA3.3 IOS-AB80 A100_51 27000 0.063 0.0489 0.0122 4 Frage 7: Welche Auswirkungen und Rechtsfolgen haben die Abweichungen der Daten der Automobilindustrie aus den offiziellen Typengenehmigungen oder die Differenz der Handbuchwerte des Umweltbundesamtes auf den derzeit gültigen Planfeststellungsbeschluss des 16. Bauabschnittes der Bundesautobahn A100 (Lose 1 bis 6) insbesondere im Hinblick auf die Umweltverträglichkeitsprüfungen und ggf. welche Rechtsschutzmöglichkeiten und Rechtswege aufgrund welcher Rechtsgrundlagen stehen wem offen? Frage 8: Welche Auswirkungen und Rechtsfolgen hat die Unrichtigkeit dieser Daten auf den noch zu erteilenden Planfeststellungsbeschluss für das Los 7 des 16. Bauabschnittes der Bundesautobahn A100? Antwort zu 7 und zu 8: Die Fragen 7 und 8 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: Auswirkungen und Rechtsfolgen aus möglichen Abweichungen von Daten der Automobilindustrie der offiziellen Typengenehmigung von Fahrzeugen sind in einem straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren nicht zu besorgen, insbesondere dann nicht, wenn die Planfeststellung auf dem aktuellen Stand der Technik und der wissenschaftlichen Erkenntnisse beruht. Dies war 2010 und ist auch im jetzigen Planänderungsverfahren der Fall. Der Planfeststellungsbeschluss von 2010 für den gesamten 16. BA der A100 (Baulose waren und sind für ein Planfeststellungsverfahren nicht relevant) ist gegenüber den meisten Betroffenen bereits bestandskräftig geworden; hierzu sind Anträge nach § 75 Absatz 2 Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes möglich, soweit die Voraussetzungen dafür vorliegen. Der in Kürze ergehende Änderungsbeschluss zur AS Am Treptower Park kann mit einer Rechtsbehelfsfrist von einem Monat beklagt werden. Die vermutete Unrichtigkeit von Daten im Planfeststellungsverfahren sieht der Senat nicht. Frage 9: Inwieweit war die Kessellage des zusammenhängenden Wohnhofes Am Treptower Park 16 bis 21 sowie der Moosdorfstraße 1 bis 6 Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens und welche schadstofflichen Auswirkungen und ggf. rechtlichen Auswirkungen hat diese Kessellage insbesondere dann, wenn Grenzwertüberschreitungen zu erwarten sind? Antwort zu 9: In der Lufthygienischen Untersuchung wurden die Luftschadstoffausbreitungsberechnungen auf Basis eines 3-dimensionalen Gebäude- und Hindernismodell mit MISKAM durchgeführt. Im Rechen- und Auswertegebiet liegen auch u.a. der zusammenhängende Wohnhof Am Treptower Park 16 bis 21 sowie die Moosdorfstraße 1 bis 6. Die besondere Lage („Kessellage“) wurde in den Berechnungen fachgerecht berücksichtigt. Die durchgeführten Berechnungen zeigen dort sowohl für den Nullfall als auch für den Planfall 16. BA Luftschadstoffbelastungen deutlich unterhalb der geltenden Grenzwerte. 5 Berlin, den 23.03.2018 In Vertretung Jens-Holger Kirchner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz S18-13754 S18-13754a