Drucksache 18 / 13 770 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katalin Gennburg (LINKE) vom 13. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. März 2018) zum Thema: Mehr Wagenplätze für Berlin wagen? und Antwort vom 03.04.2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Apr. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Frau Abgeordnete Katalin Gennburg (Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/ 13770 vom 13. März 2018 über Mehr Wagenplätze für Berlin wagen? Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Wagenplätze existieren zurzeit in Berlin (bitte einzeln und nach Bezirken auflisten)? Antwort zu 1: Bei der Polizei Berlin sind mit Stand vom 22. März 2018 insgesamt 17 Wagenburgansiedlungen bekannt. Diese verteilen sich wie folgt: 1. Wagenburg „Engelbecken e.V“ (ehemals East-Sider) 13125 Berlin (Pankow) Pankgrafenstr. 12d (im Jagen 510) 2. Rollheimersiedlung „Pankgräfin e.V.“ 13125 Berlin (Pankow) Pankgrafenstr. 12d (im Jagen 510) 3. Pankepiraten e. V. seit 11.05.2009 13125 Berlin (Pankow) Pankgrafenstr. 12d (im Jagen 510) 4. Gehweg und Fahrbahn angrenzend an die Wagenburg Mariannenplatz 10179 Berlin (Mitte) Bethaniendamm zw. Adalbertstr. und Melchiorstr. 5. Wagenburg ohne Bezeichnung 10179 Berlin (Mitte) Köpenicker Str. 133-136 2 6. Convoi 10247 (Friedrichshain-Kreuzberg) Rigaer Str. 6/7 7. Laster- und Hängerburg 10245 Berlin (Friedrichshain-Kreuzberg) Modersohnstr./Revaler Str., Modersohnstr. 2-16 8. „Gürtelstraße“ 10247 Berlin (Friedrichshain-Kreuzberg) Gürtelstr. 26 9. Kreuzdorf 10997 Berlin (Friedrichshain-Kreuzberg) Mariannenplatz 1a 10. Name nicht bekannt 10999 Berlin (Friedrichshain-Kreuzberg) Adalbertstraße 68 11. Las Fabulosas 10999 Berlin (Friedrichshain-Kreuzberg) Ratiborstr. 14b 12. Schwarzer Kanal e.V. 12057 Berlin (Neukölln) Kiefholzstr. 74 13. Rollheimer Dorf Oderstraße 12051 Berlin (Neukölln) Oderstr. 5 14. Name nicht bekannt 10367 Berlin (Lichtenberg) Scheffelstr. 21 15. KosmoLaut e.V. 10318 Berlin Lichtenberg Hegemeisterweg 68 16. Kulturbanausen e.V. 12435 Berlin (Treptow-Köpenick) Lohmühlenstr. 11-17 17. Wagendorf – Wuhlheide e.V. 12459 Berlin (Treptow-Köpenick) An der Wuhlheide 131b 3 Frage 2 : Wie viele Wagenplätze mussten innerhalb der letzten zehn Jahre aufgegeben werden oder wurden in ihrer Fläche verringert (bitte einzeln aufzählen, mit der Angabe, ob Ausweichflächen zur Verfügung gestellt wurden)? Antwort zu 2: Eine Erfassung hierzu erfolgt nicht. Das Grundstück des Wagenplatzes in Neukölln (Kiefholzstraße) wurde vom Land Berlin als Standort für die Einrichtung einer Modularen Unterkunft für Flüchtlinge (MUF) benötigt. Der Verein klärte sich 2017 bereit, eine Teilfläche des Grundstückes zu beräumen. Frage 3: Wie viele Flächen wurden innerhalb der letzten zehn Jahre für neue Wagenplätze geschaffen? Antwort zu 3: Der Liegenschaftsfonds Berlin überließ dem Bezirk Pankow 2015 ein Grundstück, welches der Bezirk derzeit für die Erweiterung eines bestehenden Wagendorfes einplant. Seit 2018 ist eine Freifläche in Lichtenberg an eine Wagengruppe vermietet. Frage 4: In welcher Form bekennt sich der Senat zu experimentellen Wohnformen wie Wagenplätzen als schützenswertem Teil der Berliner Stadtkultur? Antwort zu 4: Der Senat weiß um die Existenz der Wagenplätze. Die Entscheidung über eine Duldung liegt jedoch bei dem jeweilig zuständigen Bezirk. Frage 5: Welche Maßnahmen trifft der Senat zum Schutz dieser Wohnformen? Frage 6: Welche Maßnahmen zum Erhalt der Wohnwagenkultur sind dem Senat aus anderen Städten bekannt? Antwort zu 5 und 6: Keine. Frage 7: Welche Voraussetzungen müssen aus Sicht des Senats erfüllt sein für eine temporäre Nutzung von Bauland durch Wagenplätze? 4 Antwort zu 7: Aus planungsrechtlicher Sicht gibt es keine und kann es keine Duldungskriterien geben. Nach Ansicht des OVG Berlin können Wagenburgen im innerstädtischen Bereich nie rechtlich zulässig sein. Dies hat zur Folge, dass legales Wohnen im Bauwagen selbst dann nicht möglich ist, wenn ein Bezirk zur Duldung bereit ist. Eine Duldung könnte nur aus sozialpolitischen Gründen motiviert sein. Ein baurechtlicher Verstoß würde damit gleichwohl nicht hinfällig. Frage 8: Für welche Flächen der „Neuen Stadtquartiere“ wurde eine temporäre Nutzung durch Wagenplätze erwogen (bitte einzeln aufzählen)? Antwort zu 8: Derzeit gibt es in den neuen Stadtquartieren keine Erwägungen des Senats, Flächen zur temporären Nutzung als Wagenplätze zur Verfügung zu stellen. Frage 9: Ist aus Sicht des Senats denkbar, die Flächen der zwölf neuen Stadtquartiere vor Baubeginn oder auf Flächen, die erst in einigen Jahren entwickelt werden können, Wohnwagenstellplätze einzurichten? Wenn nein, warum nicht? Antwort zu 9: Der Senat hatte bisher keine Veranlassung, über die zusätzliche Einrichtung von Wagenplätzen in den neuen Stadtquartieren zu befinden. Frage 10: Welchen Änderungsbedarf bei landes- oder bundesgesetzlichen Grundlagen sieht der Senat für eine Legalisierung des Wohnen in Wagen? Frage 11: Welche Auffassung vertritt der Senat zur Ausweisung von Sondernutzungsflächen beispielsweise für experimentelles bzw. alternatives Wohnen, wie es u. a. in Lüneburg, Kiel oder Freiburg erprobt wird? Frage 12: Ist aus Sicht des Senats ein Wagenplatzgesetz, wie es in anderen deutschen Städten existiert, auch für Berlin sinnvoll? Antwort zu 10 bis 12: Unter den derzeitigen rechtlichen Voraussetzungen scheidet jegliche Nutzung von Bauland durch Wagenplätze aus. Nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichtes für das Land Berlin-Brandenburg (OVG) können Wagenburgen im innerstädtischen Bereich nicht planungsrechtlich gesichert werden (vgl. Beschlüsse vom 13.3.1998 – Az. 2 S 2.98 - sowie 5 vom 22.1.2003 – Az. 2 S 45.02). Das OVG argumentiert, Wagenburgen seien keine „Wohnungen“ im Sinne des Baurechts, da sie nicht zum dauerhaften Wohnen geeignet seien. Es sei vielmehr entscheidend, dass das geltende Planungsrecht, insbesondere die §§ 2 bis 10 Baunutzungsverordnung, eine derartige, weitgehend dem dauernden Aufenthalt von Personen dienende, hinsichtlich der Erfüllung der Wohnbedürfnisse allein an den autonom gesetzten individuellen Wünschen der Vereinsmitglieder ausgerichteten baulichen Nutzung von vornherein nicht vorsieht und deshalb dafür auch kein eine geordnete städtebauliche Entwicklung sicherstellendes planungsrechtliches Reglement bereitstellt. Eine solche jenseits des geltenden Planungsrechts verwirklichte Art der baulichen Nutzung kann sich deshalb in keinen nach § 34 BauGB zu beurteilenden innerstädtischen Bereich, auch nicht in einen „diffus” baulich genutzten Ortsteil, einfügen. Sobald Bebauungspläne in Kraft treten, sind die Wagenburgen wiederum aufgrund der Verwendung der Baugebiete nach §§ 2 bis 10 BauNVO nicht zulässig. An Änderungen der landes- oder bundesgesetzlichen Grundlagen wird derzeit nicht gearbeitet. Berlin, den 03.04.2018 In Vertretung Sebastian Scheel ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen S18-13770 S18-13770a