Drucksache 18 / 13 799 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hans-Christian Hausmann (CDU) vom 15. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. März 2018) zum Thema: Tierversuche im Land Berlin unter Einbeziehung der Berliner Hochschulen und Antwort vom 29. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Apr. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Dr. Hans-Christian Hausmann (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13 799 vom 15. März 2018 über Tierversuche im Land Berlin unter Einbeziehung der Berliner Hochschulen ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorwort: Der Senat weist darauf hin, dass die Anfrage Sachverhalte betrifft, die die Senatskanzlei - Wissenschaft und Forschung - nicht ohne Einbeziehung der Hochschulen beantworten kann. Es wurden die Freie Universität Berlin (FU), die Humboldt-Universität zu Berlin (HU), die Technische Universität Berlin (TU) und die Charité um Stellungnahme gebeten. 1. Wie viele Tierversuche wurden seit 2010 jährlich im Land Berlin unter Einbeziehung der Berliner Hochschulen durchgeführt (bitte aufschlüsseln nach Jahr und Einrichtung)? Zu 1. Dem für die Genehmigung von Tierversuchen im Land Berlin zuständigen Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) liegen Informationen dazu vor, wie viele Tierversuche die verschiedenen Einrichtungen in einem Jahr beantragt bzw. angezeigt haben. Im Allgemeinen wird die Durchführung der Tierversuche für einen maximalen Zeitraum von fünf Jahren beantragt. Wann genau bzw. in welchem Jahr die Versuche durchgeführt werden, ist dem LAGeSo nicht bekannt. In der Tabelle ist dargestellt, wie viele Tierversuche von Berliner Hochschulen seit 2010 vom LAGeSo genehmigt bzw. bestätigt wurden, aufgeschlüsselt nach Jahr und Hochschule. Hochschule 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 TU 1 1 0 2 1 1 2 2 FU 28 21 23 26 19 27 22 28 HU 9 7 4 5 7 6 8 5 Charité 175 183 208 166 102 97 125 133 2 2. Inwieweit sind seit 2010 Ersatzmethoden zu Tierversuchen in Berlin zum Einsatz gekommen und wie viel Tiere sind dadurch von Tierversuchen verschont geblieben? Zu 2.: Nach Auskunft der Senatskanzlei - Wissenschaft und Forschung - wird der Einsatz von Ersatzmethoden für Tierversuche statistisch nicht erfasst. Gleiches gilt für die Zahl der Tiere, deren Einsatz nicht erforderlich wurde. Grundsätzlich gilt Folgendes: Die Prüfung der Anwendbarkeit tierfreier Methoden und deren Anwendung stehen zwingend vor jedem Tierversuch. Tierversuche sind nur genehmigungsfähig, wenn sie unerlässlich sind, d. h. keine alternativen, tierfreien Verfahren zur Erreichung des Versuchszweckes zur Verfügung stehen. Dies ist durch die Antragstellerin bzw. den Antragssteller im Tierversuchsantrag begründet darzulegen. Der Tierversuchsantrag wird diesbezüglich sowohl durch den Tierschutzbeauftragten vor Ort mit schriftlicher Stellungnahme als auch von der behördlichen § 15-Kommission unter Beteiligung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Tierrechtsverbänden und Behördenvertreterinnen und Behördenvertretern kritisch überprüft und bildet die Grundlage für die behördliche Entscheidung über Genehmigung oder Ablehnung eines jeden Tierversuchs. Auf die Förderung und Entwicklung von Ersatzmethoden legt der Senat höchsten Wert. Diese Methoden haben den Ersatz von Tierversuchen (Replace), die Verringerung der Belastung verwendeter Versuchstiere (Refine) und die Reduzierung der Anzahl der für bestimmte Versuche verwendeten Tiere (Reduce) zum Ziel und sollen so eine Verbesserung des Tierschutzes erwirken. Daher wird an der Charité unter dem Titel „Charité 3R. Replace – Reduce – Refine.“ ein eigenes Zentrum aufgebaut, das die bisherige erfolgreiche Anwendung und Entwicklung tierfreier Forschung an der Charité (und perspektivisch berlinweit) weiter systematisieren und bekanntmachen, sowie die Entwicklung neuer Methoden fördern soll. Darüber hinaus wird ein Tierschutzforschungspreis des Senats ausgelobt, dessen Preisgeld zuletzt von 15.000 € auf 25.000 € aufgestockt wurde. Die Technische Universität Berlin hat exemplarisch auf folgenden Sachverhalt hingewiesen : Ein Projekt, das mit Oozyten durchgeführt wurde, bezog sich auf die Wirkung einer antiepileptisch wirksamen Substanz auf Kalium-Ionenkanäle im Herzmuskel von Mäusen, Ratten bzw. Menschen. Hierfür müsste zweimal pro Woche ein Tier getötet werden, um das Herz zu entnehmen und an den Herzzellen elektrophysiologische Messungen durchführen zu können. Diese Organentnahmen an getöteten Tieren werden durch das angewendete Oozytenexperiment ersetzt. Man kann davon ausgehen, dass damit pro Jahr seit 2010 mind. 100 Tierversuche mit Todesfolge ersetzt wurden durch die Entnahme des regenerierbaren Ovargewebes der Krallenfrösche. Darüber hinaus wird im Institut für Biotechnologie der TU Berlin intensiv an der Entwicklung von Methoden geforscht wird, die unter anderem auch Tierversuche ersetzen können. 3. Welche Versuche sind das im Einzelnen bzw. welche Zielvorstellungen werden mit den vorgenommenen Tierversuchen verfolgt? Zu 3.: Aufgrund der Menge der Tierversuchsvorhaben sowie datenschutzrechtlicher Einschränkungen können die Versuche nach Auskunft des LAGeSo nicht detailliert beschrieben werden. Die Zielvorstellungen der vorgenommenen Tierversuche werden nicht statistisch erfasst, daher kann das LAGeSo dazu keine Auskünfte erteilen. 3 4. Wie erfolgt eine hoheitliche Überwachung und Kontrolle von Tierversuchen? Zu 4.: Im Land Berlin ist das LAGeSo auch für die hoheitliche Überwachung und Kontrolle von Tierversuchen zuständig. Die Überwachung erfolgt durch Kontrollen vor Ort sowie durch die Prüfung der versuchsbegleitenden Aufzeichnungen, die jede Versuchsleiterin und jeder Versuchsleiter bzw. seine Stellvertreterin und sein Stellvertreter tagesaktuell führen muss. 5. Gab es von Seiten der Überwachungs- und Kontrollinstanzen bei den Tierversuchen Beanstandungen und gegebenenfalls welche? Zu 5.: In den Jahren 2010 - 2017 gab es von Seiten des LAGeSo bei Tierversuchen, die an Berliner Hochschulen vorgenommen wurden, insgesamt 74 Beanstandungen. Die Beanstandungen betrafen: - nicht oder nicht rechtzeitig angezeigte bzw. beantragte Änderungen der Versuchsdurchführung (27 Vorhaben), - nicht ausreichende versuchsbegleitende Aufzeichnungen (21 Vorhaben), - Mängel bei der Erfüllung von Auflagen aus dem Genehmigungsbescheid (4 Vorhaben) und - Fehler bei der jährlichen Versuchstiermeldung (22 Vorhaben). 6. Gibt es Forschungsbereiche, bei denen ohne Tierversuche keine Ergebnisse gewonnen werden können und gegebenenfalls welche sind diese? Zu 6.: Nach Mitteilung der Senatskanzlei - Wissenschaft und Forschung - sind neben gesetzlich vorgeschriebenen Tierversuchen im Rahmen von Produkt- und Patientensicherheitsprüfungen alle Bereiche grundlagenbezogener sowie angewandter biomedizinischer Forschung für Mensch und Tier betroffen. Dies gilt für Fragestellungen, die das komplexe Zusammenspiel von Zellen und Geweben unter physiologischen Bedingungen im Gesamtorganismus sowie im Krankheitsgeschehen betreffen und in dieser Komplexität noch nicht durch Ersatzmethoden simuliert werden können. Die Freie Universität Berlin und die Technische Universität Berlin nennen zusätzlich: Entwicklung von Therapien bei Heim- und Nutztieren, die Ausbildung von Veterinärmedizinern , Forschung zur Verbesserung von Haltungsbedingungen und Tierwohl, Impfstoffentwicklung für Nutztiere, Zoonosen und Lebensmittelsicherheit, Resistenzen, Neurowissenschaften , Immunologie, Mikrobiologie, Ernährung sowie das Feld der Interaktion von Immunsystemen und Erregern. Diese Auflistung ist nicht als vollständig zu verstehen . 7. Wie viele beantragte Tierversuche sind seit 2010 genehmigt worden? Zu 7.: Seit 2010 wurde die Durchführung von insgesamt 1115 beantragten Tierversuchen an Berliner Hochschulen vom LAGeSo genehmigt. 8. In wie vielen Fällen ist eine Genehmigung seit 2010 nicht erteilt worden bzw. ein solcher Antrag abgelehnt worden und gegebenenfalls, aus welchem Grunde? Zu 8.: Seit 2010 sind für die Durchführung von Tierversuchen an Berliner Hochschulen in fünfundfünfzig Fällen Genehmigungen nicht erteilt worden, weil der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse im Antrag nicht ausreichend dargelegt war und die Antragstel- 4 lerin oder der Antragsteller die Nachfragen nicht ausreichend bzw. in der gesetzten Frist beantwortet hatte. Drei Anträge wurden zurückgewiesen, weil sie den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprachen. 9. In wie vielen Fällen ist eine Genehmigung seit 2010 zurückgenommen/widerrufen worden und gegebenenfalls , aus welchem Grunde? Zu 9.: Seit 2010 ist keine Genehmigung zur Durchführung eines Tierversuches an Berliner Hochschulen zurückgenommen/widerrufen worden. Berlin, den 29. März 2018 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung S18-13799 S18-13799a