Drucksache 18 / 13 869 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Gabriele Gottwald (LINKE) vom 22. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. März 2018) zum Thema: Wohnungsaufsichtsgesetz (WoAufG Bln) und Antwort vom 04. April 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Apr. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Frau Abgeordnete Gabriele Gottwald (Linke) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13869 vom 22.03.2018 über Wohnungsaufsichtsgesetz (WoAufG Bln) Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie werden die weiterhin geltenden Regelungen der Ausführungsverordnung des Wohnungsaufsichtsgesetzes - AV WoAufG Bln - in der Praxis angewandt, die mit Ablauf des 31. Januar 2011 außer Kraft getreten ist? Antwort zu 1: Die Regelungen der Ausführungsvorschriften zum Wohnungsaufsichtsgesetz (AV WoAufG Bln) werden von den Bezirksämtern seit dem 31. Januar 2011 nach dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung angewendet. Frage 2: Wie geht die jeweilige bezirkliche Wohnungsaufsicht gegen Leerstand vor unter Berücksichtigung der noch geltenden AV WoAufG Bln 2011: „So lange in Berlin keine Wohnraummangellage besteht, ist es nicht opportun, Maßnahmen der Wohnungsaufsicht in leerstehenden Wohnungen durchzuführen oder durch derartige Maßnahmen die Bewohnbarkeit leerstehender Wohnungen wiederherzustellen. § 1 Abs. WoAufG Bln kann deshalb zurzeit keine Anwendung finden.“? Antwort zu 2: Die Selbstbindung der Verwaltung umfasst in Bezug auf Ausführungsvorschriften, die außer Kraft getreten sind und weiterhin angewendet werden sollen, nur solche Teile der außer Kraft getretenen Vorschriften, deren Voraussetzungen weiterhin vorliegen. Angesichts der zwischenzeitlich in Berlin eingetretenen Wohnraummangellage ist dies hinsichtlich des zitierten Absatzes der AV WoAufG Bln nicht der Fall. Insofern haben die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter der bezirklichen Wohnungsaufsicht die Möglichkeit, das WoAufG entsprechend § 1 Abs. 3 WoAufG Bln zzt. auch auf leerstehende Wohnungen anzuwenden. 2 Frage 3: Wann ist mit einer Novellierung der AV WoAufG Bln zu rechnen, dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass Berlin mit der Mietbegrenzungsverordnung vom 28.04.2015 zum Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt bestimmt wurde? Antwort zu 3: Die AV WoAufG Bln soll in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Überarbeitung des WoAufG Bln novelliert werden. Frage 4: Beabsichtigt der Senat eine Novellierung des Wohnungsaufsichtsgesetzes, wenn ja, wann? Antwort zu 4: Der Senat beabsichtigt eine Überarbeitung des WoAufG Bln in dieser Legislaturperiode. Frage 5: Welche Rolle können die Wohnungsaufsichtsämter verstärkt zugunsten des Mieterschutzes übernehmen, um z.B. Aufwertungsstrategien durch Modernisierungen, wie sie z.B. die Deutsche Wohnen SE anwendet, zu unterlaufen, indem frühzeitig vernachlässigte bzw. unterlassene Instandhaltungsmaßnahmen festgestellt werden? Antwort zu 5: Sobald die Bau- und Wohnungsaufsichtsämter Kenntnis von vernachlässigten bzw. unterlassenen Instandhaltungsmaßnahmen erlangen, können sie im Rahmen des WoAufG Bln oder der Bauordnung für Berlin und im Rahmen ihrer personellen Möglichkeiten gegen entsprechende Missstände vorgehen. Ziel des WoAufG Bln ist insofern die Erhaltung der Wohnsituation der Bewohnerschaft. Etwaige Aufwertungen durch Modernisierung stehen diesem Ziel nicht entgegen. Aufwertungen, die preisgünstigen Wohnungsbau zerstören, ist mit den Mitteln der Milieuschutzverordnung zu begegnen. Frage 6: Beabsichtigt der Senat eine Vereinfachung der Verfahrenswege für Mieter, um zu vermeiden, dass durch jahrelange Konfliktklärungen Missstände nicht behoben werden und auch Wohnraum ungenutzt bleiben muss? Antwort zu 6: Maßnahmen nach dem WoAufG Bln können tief in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht und/oder die Privatsphäre der Wohnung eingreifen. Maßnahmen der Eingriffsverwaltung sind nur möglich, wenn der zugrundeliegende Sachverhalt pflichtgemäß ermittelt wurde. Eine Vereinfachung ist diesbezüglich nur sehr eingeschränkt denkbar . Im Rahmen der Überarbeitung des WoAufG Bln soll jedoch geprüft werden, ob die Mitwirkungspflichten der Verfügungsberechtigten (Eigentümer/innen, Vermieter/innen) an der Sachverhaltsaufklärung möglicherweise erhöht werden können. Darüber hinaus wird erwogen, eine Regelung aufzunehmen, nach der die Kosten der Ersatzvornahme als öffentliche Last qualifiziert werden, was die Beitreibung etwaiger Auslagen der Bezirke vereinfachen könnte. Frage 7: Gibt es Planungen über eine Aufstockung des Personals zur Wohnungsaufsicht für die Bezirke, wenn ja, welche? Antwort zu 7: Diese Frage wurde mit der Bitte um Stellungnahme an die Bezirke weiter gegeben. 3 In den Bezirken Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Mitte, Neukölln, Reinickendorf, Treptow -Köpenick, Spandau und Steglitz-Zehlendorf gibt es keine Planungen über eine Aufstockung des Personals zur Wohnungsaufsicht. Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg teilte mit, dass die Wohnungsaufsicht, die bislang durch eine Dienstkraft wahrgenommen wurde, durch eine weitere Dienstkraft verstärkt worden ist, welche am 01.03.2018 ihren Dienst aufgenommen hat. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg antwortete: „Nachdem die Wohnungsaufsicht jahrelang unterbesetzt war, wurden in unserem Bezirk in 2017 zwei neue Mitarbeiter eingestellt. Stand vorher: 1 Sachbearbeiterin 1 MA Außendienst Stand Ende 2017: 2 Sachbearbeiter/in 2 MA Außendienst Für die derzeitigen Aufgaben (Stand: bisheriges Wohnungsaufsichtsgesetz) ist das ausreichend.“ Ergänzend wird auf die Beantwortung der Schriftlichen Anfrage 18/13063 des Abgeordneten Luthe (FDP) vom 08.01.2018 hingewiesen. Frage 8: Wie geht die Wohnungsaufsicht der Bezirke gegen Leerstand vor und wird das Recht der Zwangsverwaltung bzw. Enteignung gem. §87 BauGB angewendet? Antwort zu 8: Diese Frage wurde mit der Bitte um Stellungnahme an die Bezirke weiter gegeben. Diese antworteten wie folgt: Friedrichshain-Kreuzberg: „Aufgrund der gesetzlichen Grundlage wird die Zuständigkeit für das Vorgehen gegen Leerstand beim Wohnungsamt gesehen. Arbeitsfelder der Wohnungsaufsicht sind aufgrund der gesetzlichen Grundlage (Wohnungsaufsichtsgesetz): • Beseitigung mangelhafter Wohnverhältnisse • Räumung überbelegter Wohnungen.“ Lichtenberg: „Fehlanzeige seitens des Wohnungsaufsichtsamts; In Lichtenberg ist das Wohnungsamt im Amt für Bürgerdienste für die Beseitigung der Zweckentfremdung (also auch von Leerstand ) zuständig. In Ergänzung zu der Beantwortung der Leiterin des Amtes für Stadtentwicklung darf ich zu Punkt 8 ausführen, dass der Bezirk entsprechend der gesetzlichen Vorgaben des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes gegen einen Leerstand vorgeht. Hierzu sind erhebliche Ermittlungen erforderlich. Sofern sich im Einzelfall ergibt, dass es einen ungenehmigten Leerstand gibt, wird der Verfügungsberechtigte aufgefordert, diesen zu beseitigen und die Wohnung wieder dem Wohnungsmarkt zuzuführen. Dies kann auch mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Darüber hinaus wird ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eröffnet.“ Marzahn-Hellersdorf: „Bisher gab es im Bezirk Marzahn-Hellersdorf keine Fälle von Leerstand, bei denen der Fachbereich Bauaufsicht, Wohnungsaufsicht und Denkmalschutz gegen die Eigentümer /innen vorgehen musste und von dem Recht der Zwangsverwaltung bzw. Enteignung gemäß § 87 BauGB Gebrauch machen musste.“ Mitte: 4 „Die Wohnungsaufsicht ist nicht zuständig für die Beseitigung von Leerstand. Das macht die Zweckentfremdung als Teil der Bürgerämter. Mängel in leerstehenden Wohngebäuden waren bisher kein Thema in meiner Wohnungsaufsicht. Die Wohnungsaufsicht wird nach Mängelmeldung tätig.“ Neukölln: „Anzeigen wegen nicht unerheblicher Mängel in leerstehenden Wohnungen liegen der Wohnungsaufsicht aktuell nicht vor und wurden auch in der Vergangenheit nicht eingereicht . Wenn Leerstand vorliegt, erfolgt i.d.R. relativ zügig eine vollständige Sanierung der gesamten Wohnung oder des Wohnhauses durch den Eigentümer bzw. die Eigentümerin, so dass in diesen Fällen ordnungsbehördliche Maßnahmen nicht opportun sind (siehe hierzu auch die Beantwortung von BauNatBüdDez vom 07.08.14 zu der Schriftlichen Anfrage der Abgeordneten Lompscher zum Thema Zweckentfremdung). Zwangsverwaltung und Enteignung mussten aus den o.a. Gründen bisher nicht in Betracht gezogen werden.“ Reinickendorf: „Das Wohnungsaufsichtsgesetz regelt die Instandsetzung im Mietwohnungsbau. Der Leerstand wird vom jeweiligen Wohnungsamt unter Anwendung des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes bekämpft.“ Tempelhof-Schöneberg: „Die praktischen Möglichkeiten der Wohnungsaufsicht gegen Leerstand vorzugehen, sind sehr beschränkt. Die Wohnungsaufsicht kann erst tätig werden, wenn der bauliche Zustand die Nutzung einer Wohnung nicht zulässt und ist darauf gerichtet, eine Bewohnbarkeit von Wohnungen durch die Eigentümer wieder herstellen zu lassen. Dies erfolgt durch Anordnungen, Androhung von Zwangsmitteln und im Einzelfall durch Ersatzvornahmen. Meist handelt es sich um bewohnte Wohnungen, die durch Mängel in ihrer Nutzbarkeit eingeschränkt sind, bei denen die Wohnungsaufsicht tätig wird. Für leerstehende, aber nutzbare Wohnungen ist das Wohnungsamt im Rahmen seiner rechtlichen Handlungsgrundlagen zuständig. Das in § 87 BauGB geregelte Enteignungsverfahren setzt die Anwendbarkeit einer der in § 85 (1) BauGB Enteignungsgründe voraus. Wohnungsleerstand ist kein von § 85 (1) BauGB erfasster Enteignungstatbestand. Daher ist auch § 87 BauGB nicht hierfür anwendbar . Für eine treuhänderische Verwaltung von Leerstandimmobilien soll erst mit der Novellierung des Wohnungsaufsichtsgesetzes Berlin eine rechtliche Grundlage geschaffen werden.“ Treptow-Köpenick: „Die Wohnungsaufsicht geht momentan nicht gegen Leerstand vor. Anträge zur Einleitung von Zwangsverwaltungs- (Zwangsversteigerungsgesetz-ZVG und Zwangsverwalterverordnung-ZwVwV) und Enteignungsverfahren (Baugesetzbuch-BauGB) wurden nicht gestellt.“ 5 Spandau: „Im Bezirk Spandau ist bisher von den Regelungen der § 85 ff. BauGB – Enteignung- im Zusammenhang mit dem Leerstand von Wohnungen noch kein Gebrauch gemacht worden.“ Steglitz-Zehlendorf: „§ 87 BauGB fand im Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf bisher keine Anwendung.“ Frage 9: Inwiefern stellt das voraussichtlich in Mai 2018 in Kraft tretende Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Zweckentfremdungsverbot ein gegenüber dem WoAufG Bln verschärftes Instrument gegen Leerstand dar? Antwort zu 9: Das WoAufG Bln enthält keine Instrumente gegen Leerstand. Gegen Leerstand kann mit den Möglichkeiten des Zweckentfremdungsverbot-Gesetzes (ZwVbG) vorgegangen werden , da nach dem ZwVbG Wohnraum wieder Wohnzwecken zugeführt werden kann. Demgegenüber ist Ziel des WoAufG Bln das Bewohnbarmachen von Wohnraum. Mit der Anordnung von Maßnahmen nach §§ 3, 4 und 9 WoAufG Bln kann die Wohnungsaufsicht Verwaltungsvorgehen nach dem ZwVbG unterstützen. Frage 10: Wie wird das Erfordernis der Leerstandsbekämpfung und Kontrolle der Instandhaltungspflichten der Vermieter (Verfügungsberechtigten) in einer notwendigen neuen AV WoAufG Bln in Abgrenzung zum Zweckentfremdungsverbot berücksichtigt oder in einer Novelle des Wohnungsaufsichtsgesetzes geregelt? Antwort zu 10: Wohnraum wird vor Zweckentfremdung durch Leerstand, Abriss und der Umwandlung in Gewerberaum oder Ferienwohnung durch das Zweckentfremdungsverbot-Gesetz geschützt. Die Ausprägung der Kontrolle von Instandhaltungspflichten hängt als Vollzugsmaßnahme maßgeblich von der Personalstärke in den Wohnungsaufsichtsämtern ab (siehe dazu auch die Antwort zu Frage 7). Berlin, den 04.04.2018 In Vertretung Regula Lüscher ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen S18-13869 S18-13869a