Drucksache 18 / 13 944 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Franz Kerker (AfD) vom 27. März 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. April 2018) zum Thema: Muslimbruderschaft, Millî Görüş, Moscheebau und Antwort vom 16. April 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Apr. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 3 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Franz Kerker (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/13944 vom 27. März 2018 über Muslimbruderschaft, Millî Görüş, Moscheebau ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Abgeordneten Das von „Islam Vakfi e.V.“ vorangetriebene Moscheebau-Projekt in Berlin Alt-Mariendorf wirft Fragen nach den involvierten Akteuren auf. Hierzu gehört vorrangig die „Islamische Gemeinschaft Millî Görüş e.V.“ IGMG, einer Vereinigung, die eng mit den Reislamisierungsbestrebungen des ehemaligen türkischen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan verknüpft ist. 1995 wurde deren Vorgängerorganisation, die „Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V.“ in zwei unabhängige Vereine aufgeteilt. Die „Islamische Gemeinschaft Millî Görüş e.V.“ übernahm die sozialen, kulturellen und religiösen Aufgaben der „Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V.“ und die „Europäische Moscheebau- und Unterstützungsgemeinschaft e.V.“ EMUG die Verwaltung des Immobilienbesitzes der ehemaligen „Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa e.V.“ (Senatsverwaltung für Inneres und Sport: Verfassungsschutzbericht Berlin 2016). Das Konstrukt der Trennung zwischen Eigentümerverein „Islam Vakfi e.V.“ und mietender Moscheegemeinde „Islamische Föderation Berlin“, welches in Alt-Mariendorf zum Tragen kommt, folgt dem Kalkül, die Immobilieninteressen der „Millî Görüş“ von sich künftig möglicherweise wandelnden Machtverhältnissen innerhalb der Moscheen selber getrennt zu halten, welche nichtkalkulierbare politische Außenwirkungen entfalten könnten. (Vgl.: ZDK Gesellschaft Demokratische Kultur (Hg.): Aspekte der Demokratiegefährdung in Berlin Mitte und Möglichkeiten der demokratischen Intervention. Eine Kommunalanalyse im Berliner Bezirk Mitte. Berlin 2004). Zwar ist das auf der Schari‘a fußende Rechtsgebilde der Islamischen Stiftung mit dem deutschen Stiftungsrecht kaum in Einklang zu bringen. Beispielsweise ist ein „waqf“ zum Bau oder dem Unterhalt von Kirchen, Synagogen und Klöstern null und nichtig. („Encyclopaedia of Islam“, 2. Auflage, Band XI, S. 59 -99. „Wakf“ R.Petersdal et al., S. 61 und S. 89). Seit den frühen 2000er Jahren jedoch mehren sich die Bemühungen, Islamische Stiftungen auch in Deutschland zu legalisieren, etwa durch Norbert Müller, dem Vorstandvorsitzenden der „Gesellschaft Muslimischer Sozial- und Geisteswissenschaftler e.V.“ in Köln und Vorstand der SCHURA Hamburg. (Müller, Norbert: Rechtsprobleme muslimischer Stiftungen in Deutschland. In: Walz, Rainer et al. (Hg.): Religiöse Stiftungen in Deutschland. Beiträge und Diskussionen des Workshops in der Bucerius Law School am 9. Juni 2006. Schriften der Bucerius Law School. Band 1/5. S. 107-118). Bereits 2006 hatte der damals durch Lydia Nofal geleitete Verein „Inssan für kulturelle Interaktion e.V.“ bei dem Versuch, gegenüber der Neuköllner „Rütli-Schule“ in der Pflügerstraße ein ambitioniertes Seite 2 von 3 islamisches „Begegnungszentrum“ zu errichten, auf Schildern den Hinweis angebracht, daß hier ein „Waqf al-islāmī“ als Bauherr auftrete. Das dafür vorgesehene Gelände war 2002 durch Ibrahim el-Zayat erworben worden, der zumindest bis 2011 Geschäftsführer der „Europäischen Moscheebau- und Unterstützungsgemeinschaft e. V.“ war. (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Mögliche Einflussnahme des türkischen Präsidenten Erdoğan in Deutschland über Organisationen wie der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş. Drucksache 18/9635 vom 15.09.2016). Das organisatorische Zusammenspiel muslimischer Geisteswissenschaftler, Funktionäre und Unternehmer bei dem Versuch, in Berlin eine wenigstens symbolische Enklave islamischen Rechtes zu installieren wird deutlich, wenn deren personelle Querverbindungen nachgezeichnet werden. So hatte Lydia Nofal („Inssan e.V.“) im September 2011 gemeinsam mit der Gattin Ibrahim el-Zayats, Sabiha El-Zayat-Erbakan, einer Nichte Necmettin Erbakans und Stellvertretende Vorsitzende der „Gesellschaft muslimischer Sozial- und Geisteswissenschaftler e.V.“ an einer im Feriendorf Wegscheide, Bad Orb von der „Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V.“ organisierten Veranstaltung mit dem Titel „Zurück zu den Wurzeln: Islamleben“ teilgenommen. Der heutige Geschäftsführer von „Inssan e.V.“, Mohammad Hajjaj (SPD) und Lydia Nofal (SPD) wurden am 20. 03. 2015 in den Vorstand des neugegründeten Berliner Landesverbandes des „Zentralrates der Muslime in Deutschland“ gewählt, einem Dachverband, dem auch die „Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V.“ angeschlossen ist; Ibrahim el-Zayat ist deren langjähriger Vorsitzender und jetziges Aufsichtsratmitglied. Mohammad Hajjaj seinerseits ist nach eigenen Angaben auf dem Portal „LinkedIn“ ein früheres Mitglied der „Islamischen Föderation Berlin“. Dieser Verein war 2006 ins Licht einer breiteren Öffentlichkeit gerückt, nachdem gegen den damaligen Vorstandsvorsitzenden Vorwürfe des gewerbsmäßigen Betruges und Unregelmäßigkeiten bei der Verbuchung durch das Land Berlin gezahlter Gelder erhoben worden waren. Auf „LinkedIn“ unerwähnt hingegen bleibt seine Mitgliedschaft im „Teiba Kulturzentrum zur Förderung der Bildung und Verständigung e.V.“, ein Verein, welcher Gegenstand der Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist. (Senatsverwaltung für Inneres und Sport: Aktivitäten islamistischer Akteure im Zusammenhang mit der Flüchtlingssituation. Berlin 2015). 1. „Inssan e.V.“ erhält vom Lande Berlin Projektfördermittel. (Antwort des Berliner Senats auf die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) Islamische Organisationen und Moscheevereine in Berlin. Drucksache 18/10375 vom 01. Februar 2017). Wie hoch sind diese und seit wann werden sie geleistet? (Bitte nach Jahren aufschlüsseln). Zu 1.: Der Träger „Inssan e.V.“ hat für sein Projekt „Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit“ im Rahmen des Berliner Landesprogramms „Demokratie. Vielfalt. Respekt. Gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“ folgende Projektförderung erhalten: 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 26.779 € 22.509 € 34.210 € 32.915 € 35.493 € 45.177 € 53.450 € 60.879 € 20.292 €* *Stand 10.04.2018; die Antragsprüfung ist noch nicht abgeschlossen. Weiterhin wird der Träger „Inssan e.V.“ im Rahmen des Partizipations- und Integrationsprogramms (PartInt) seit 2016 bei IntMig gefördert: 2016 Projekt: „Mentorinnen für Flüchtlinge“ 53.263,40 € 2017 Projekt: „Wegweiser- Mentor_innen für Flüchtlinge“ 53.263,40 € 2018 Projekt: „Wegweiser- Mentor_innen für Flüchtlinge“ 55.000,00 € 2019 Projekt: „Wegweiser- Mentor_innen für Flüchtlinge“ 55.000,00 € Seite 3 von 3 2. „Inssan e.V.“ bildete ab dem November 2011 gemeinsam mit der „Muslimischen Jugend“, dem Verein „Islami Tahrik“, dem „Islamischen Kultur- und Erziehungszentrum“ IKEZ und dem „Hicret e.V.“ das Netzwerk „Initiative Berliner Muslime (IBMus)“. Assoziiertes Mitglied dieses Netzwerkes war u.a. der Neuköllner Al-Nur-Moscheeverein. (Vgl.: „Aspekte der Demokratiegefährdung in Berlin Mitte“). Hätte ein mögliches Vereinsverbot des Trägervereins der „Al-Nur-Moschee“ auch Auswirkungen auf die Bewertung von „Inssan e.V.“ durch den Senat? Zu 2.: Die vereinsrechtliche Bewertung eines Vereins erfolgt auf Grundlage von Erkenntnissen, die über die Verwirklichung von Verbotsgründen durch ihn selbst Aufschluss geben können. Ob gegen einen anderen als den jeweils betrachteten Verein ein Verbot erlassen wurde, ist für die rechtliche Bewertung regelmäßig unbeachtlich. 3. Der Senat beantwortete 2008 eine Anfrage des Abgeordneten Frank Henkel wie folgt: „Zu 1.: Bei der Berliner Verfassungsschutzbehörde liegen Anhaltspunkte für personelle und organisatorische Verbindungen des Vereins „Inssan“ zur „Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V.“ (IGD) vor. Die IGD ist die mitgliederstärkste Vereinigung der „Muslimbruderschaft“ (MB) in Deutschland.“ (Nicht behandelte Mündliche Anfrage Nr. 07 des Abgeordneten Frank Henkel (CDU) aus der 28. Sitzung des Abgeordnetenhauses am 24. April 2008. Drucksache 16 /20253). Wie bewertet der Senat die Verbindungen zwischen „Inssan e.V.“ und der „Muslimbruderschaft“ heute? Zu 3.: Einzelne Mitglieder des „Inssan e.V.“ haben personelle Verbindungen zum „Islamischen Kultur- und Erziehungszentrum Berlin e.V.“ (IKEZ). Das IKEZ wird im Berliner Verfassungsschutzbericht 2016 aufgrund seiner „Verbindungen zur 'Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V.' (IGD)“ genannt. Die IGD verfolgt bundesweit eine an der Ideologie der Muslimbruderschaft ausgerichtete Strategie der Einflussnahme im gesellschaftlichen und politischen Bereich. Im Kontext der Beobachtung der HAMAS wird das „Islamische Kultur- und Erziehungszentrum Berlin e.V.“ im Jahresbericht 2016 des Berliner Verfassungsschutzes als Treffpunkt von HAMAS-Anhängern aufgeführt. 4. „Inssan e.V.“ teilt mit „Islamic Relief Deutschland“ die Adresse Gitschiner Str. 17, 10969 Berlin. Deren Dachorganisation, „Islamic Relief Worldwide“ IRW wird beschuldigt, Spendengelder an die HAMAS weiterzuleiten; ihre Aktivitäten sind daher in Israel verboten. Wie bewertet der Senat diesen Sachverhalt? Zu 4.: Der Senat lehnt jede Form politisch motivierter Gewalt konsequent ab und bewertet dementsprechend eine mögliche Unterstützung der HAMAS durch „Islamic Relief Worldwide“. Berlin, den 16. April 2018 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-13944 S18-13944a