Drucksache 18 / 14 015 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Stefan Ziller (GRÜNE) vom 08. April 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. April 2018) zum Thema: Unterbringung von Unionsbürger*innen mit noch nicht geklärtem Sozialleistungsanspruch nach ASOG und Antwort vom 27. April 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Mai 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Herrn Abgeordneten Stefan Ziller (Bündnis 90/Die Grünen) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/14015 vom 08.04.2018 über Unterbringung von Unionsbürger*innen mit noch nicht geklärtem Sozialleistungsanspruch nach ASOG ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wer entscheidet über die Bewilligung oder Versagung einer Unterbringung von obdachlosen Unionsbürger*innen in einer Unterkunft nach § 17 ASOG? Zu 1.: Die Bezirksämter sind gemäß § 2 des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG Bln) i. V. m. Nr. 19 Zuständigkeitskatalog des ASOG Bln verantwortlich für die Ordnungsaufgaben bei Obdachlosigkeit soweit keine Zuständigkeit für Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Ausländerinnen und Ausländer beim Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) besteht. Diese Ordnungsaufgabe der Bezirksämter gehört gemäß Nr. 19 Zuständigkeitskatalog des ASOG Bln zum Gebiet des Sozialwesens. Hierzu wurden die Bezirksämter zur konkreten Umsetzung befragt: 2 Bezirk Zuständige Stelle Mitte Es entscheidet die zuständige Fachstelle Obdachlosenhilfe. Friedrichshain- Kreuzberg Im Amt für Soziales Friedrichshain-Kreuzberg ist die Ordnungsbehörde in der Sozialen Wohnhilfe angesiedelt. Entscheidungen über eine ordnungsbehördliche Unterbringung nach § 17 ASOG werden von der Leitung der Sozialen Wohnhilfe getroffen. Pankow Über die Bewilligung oder Versagung einer Unterbringung von obdachlosen Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern entscheidet der zuständige Fachbereich des Sozialamtes (Arbeitsgruppe Asyl und Wohnungslose). Spandau Die Entscheidung wird im Sozialamt getroffen. Steglitz- Zehlendorf Die Entscheidung erfolgt durch die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter im Bereich Grundsicherung in eigener Zuständigkeit. In Zweifelsfällen erfolgt eine Rücksprache mit den Führungskräften der Arbeitsgruppe. Tempelhof- Schöneberg Im Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg entscheiden die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter der Regionalen Sozialen Dienste, denen die Aufgaben der Sozialen Wohnhilfe zugeordnet sind, über die Unterbringung des betreffenden Personenkreises. Neukölln Aufgrund der Bestimmungen der §§ 1 Abs. 1 und 2 Abs. 2 ASOG Berlin sind die Bereiche Soziales der Bezirksämter von Berlin für die ordnungsrechtliche Unterbringung wohnungsloser Menschen zuständig. Im Bezirksamt Neukölln entscheidet der Arbeitsbereich Soziale Wohnhilfe, Leistungsstelle für wohnungslose Menschen, über entsprechende Anträge. Treptow- Köpenick Über die Bewilligung oder Versagung einer Unterbringung von obdachlosen Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern in einer Unterkunft nach § 17 ASOG entscheiden die Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter der zuständigen Leistungsstellen im Bereich der Leistungen nach SGB II und SGB XII, die sozialen Wohnhilfen und die Betreiberinnen und Betreiber der Unterkünfte. Marzahn- Hellersdorf Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter der sozialen Wohnhilfe entscheiden grundsätzlich über die Unterbringung obdachloser Personen. Eine Bewilligung oder Versagung hängen vom Leistungsanspruch der Betroffenen ab. Lichtenberg Für jede Unionsbürgerin und jeden Unionsbürger, welcher in der Fachstelle der Sozialen Wohnhilfe Lichtenberg von Berlin erscheint, wird eine Einzelfallprüfung durch die zuständige Kollegin oder den zuständigen Kollegen getätigt. Nach abgeschlossener Prüfung wird die Gruppenleitung über das Ergebnis informiert und entscheidet dann über Bewilligung oder Versagung der Unterbringung von obdachlosen Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern anhand des vorliegenden Sachverhaltes. Dabei ist zu beachten, dass die Entscheidung nicht in der Rolle als Träger der Sozialhilfe, sondern als Ordnungsbehörde getroffen wird. Es muss durch die 3 Kostenübernahme eine bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abgewehrt werden. Reinickendorf Im Bezirksamt Reinickendorf entscheiden zwei Verwaltungsmitarbeitende der Fachstelle für Wohnungslosenhilfe und Wohnraumsicherung ggfs. in Abstimmung mit der Gruppenleitung über die Unterbringung von obdachlosen Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern. 2. Wie ist die Praxis der bezirklichen sozialen Wohnhilfen der Sozialämter nach § 17 ASOG hinsichtlich der Bewilligung einer Unterbringung von Unionsbürger*innen ohne Anspruch auf Sozialleistungen (Bitte nach Bezirk aufschlüsseln)? 3. Welche Kriterien müssen durch Unionsbürger*innen erfüllt sein, damit die bezirklichen sozialen Wohnhilfen der Sozialämter nach § 17 ASOG im Rahmen der Gefahrenabwehr entscheiden können? Zu 2. und 3.: Hierzu wurden die Bezirksämter zur konkreten Umsetzung befragt: Bezirk Bezirkliche Praxis Mitte Nach durchgeführten Beratungen und entsprechendem Clearinprozessdurchlauf in der Dienststelle wird Unterstützung bei der Rückkehr in ihr Heimatland angeboten (Überbrückungshilfe nach § 23 Abs. 3 / 3a SGB XII). Bei entsprechender Antragstellung werden die Antragstellerinnen und Antragsteller ordnungsrechtlich vorübergehend untergebracht und bei Bedarf sozialhilferechtlich auf Darlehensbasis versorgt. Wird das Angebot der Rückkehr abgelehnt, erfolgt in der Kälteperiode von November bis März eines jeden Jahres hilfsweise ein Verweis auf die durch das Land Berlin zur Verfügung gestellten Kältehilfeeinrichtungen. Es erfolgt grundsätzlich der Hinweis an die Betroffenen über bestehende Integrationsprogramme des Landes Berlin. Bei möglicher Kindeswohlgefährdung werden in jedem Fall die zuständigen Fachdienste des Jugendamtes beteiligt. Vorrangig untergebracht werden nach § 17 ASOG nur Personen, die unfreiwillig obdachlos sind. Unfreiwillig obdachlos ist jemand, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt aufgrund eines Schadensereignisses oder einer zivilrechtlichen Maßnahme verloren und wegen fehlender Selbsthilfemöglichkeiten keine anderen Unterbringungsmöglichkeiten hat. Eine Möglichkeit der Selbsthilfe ist dann auch die Rückkehr ins Heimatland, bis zu deren Vollzug ebenfalls vorübergehend untergebracht wird. Friedrichshain- Kreuzberg Parallel zur Prüfung eines ggfs. geltend zu machenden materiellen Leistungsanspruchs nach SGB II oder SGB XII wird jeder Einzelfall – unter Betrachtung der Gesamtsituation der Antragsteller - einer ausführlichen Prüfung und Klärung unterzogen. Die Entscheidung einer ordnungsbehördlichen Unterbringung nach dem ASOG richtet sich immer nach der Besonderheit des Einzelfalls. 4 Die Merkmale, die in diesem Zusammenhang relevant sein können, sind vielfältig. Vor allem kann dies sein: Mangel an Unterkunft und Schutzlosigkeit gegenüber Witterungsverhältnissen, kein Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse, soziale und/oder medizinische Gründe, eingeschränkte Selbsthilfekräfte, etc. Vorrangig geht es hier um eine gefahrenabwehrrechtliche, vorübergehende Unterbringung, in einer den Mindeststandards entsprechenden Notunterkunft, mit dem Ziel der Klärung einer Perspektive. Pankow Wenn kein Anspruch auf Sozialleistungen besteht, erfolgt in jedem Fall die Beratung gemäß § 23 Abs.3 SGB XII (Überbrückungsleistungen bis zur Ausreise). Ausreisewilligen wird i.d.R. (soweit Unterkunftsplätze zur Verfügung stehen) bis zur Ausreise eine Unterkunft zur Verfügung gestellt. Unionsbürger/innen, die nicht ausreisewillig sind, wird kein Unterbringungsplatz zur Verfügung gestellt. Eine Entscheidung zur Unterbringung nach § 17 ASOG im Rahmen der Gefahrenabwehr wird durch den Sozialhilfeträger getroffen, wenn z. B. betroffene Unionsbürgerinnen und Unionsbürger aufgrund einer akuten Erkrankung nicht reisefähig sind oder sich eine schwangere Unionsbürgerin unmittelbar vor dem errechnetem Geburtstermin befindet. In den Wintermonaten, insbesondere in der Frostperiode, werden Unionsbürgerinnen und Unionsbürger ohne Leistungsanspruch auf die Projekte der Kältehilfe aufmerksam gemacht bzw. bei dort fehlenden Kapazitäten kurzfristig gemäß § 17 ASOG in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe vermittelt. Spandau Die zuständige Mitarbeiterin / der zuständige Mitarbeiter entscheidet im Rahmen einer individuellen Einzelfallprüfung. Sofern die / der Betroffene selbst nicht leistungsfähig ist und ein Anspruch auf laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II oder XII nicht besteht, wird auf die Überbrückungsleistung gem. § 23 Abs. 3/3a SGB XII verwiesen. Steglitz- Zehlendorf Sofern Obdachlosigkeit vorliegt und ein Anspruch auf Sozialleistungen auch als Überbrückungsleistung nach § 23 III SGB XII nicht besteht, erfolgt eine Unterbringung nach § 17 ASOG für die Zeit des tatsächlichen Aufenthaltes. Weitere Sozialleistungen werden nicht erbracht. Es muss Obdachlosigkeit vorliegen, die nicht mit dem Einsatz eigenen Einkommens und Vermögens beseitigt werden kann. Tempelhof- Schöneberg Ausschlaggebend für eine Unterbringung ist ausschließlich die Frage, ob eine Gefahr nach § 17 ASOG bejaht werden kann. Ist dies der Fall, erfolgt eine Unterbringung zur Gefahrenabwehr. Die Frage nach einem möglichen Anspruch auf Sozialleistungen ist lediglich für die Bestimmung der Dauer der Unterbringung entscheidend. Hierbei erfolgt in jedem Fall eine 5 Einzelfallprüfung, die mit möglichen leistungsrechtlichen Ansprüchen korrespondiert. Soweit sich mögliche Ansprüche im sozialrechtlichen Streitverfahren befinden, wird in jedem Fall bis zu einer abschließenden Klärung der Leistungsansprüche untergebracht. Für Unionsbürgerinnen und Unionsbürger gelten keine anderen Kriterien, als für andere Personengruppen. Wie bereits zu 2. ausgeführt, ist das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des § 17 ASOG das Entscheidungsmerkmal für eine Unterbringung zur Gefahrenabwehr. Neukölln Da die Bereiche Soziales der Bezirksämter von Berlin keine Feststellungskompetenz bezüglich der Frage haben, ob im Einzelfall Rechtsansprüche auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende bestehen, werden die Betroffenen zunächst auf der Grundlage des § 17 ASOG für einen Zeitraum von einem Monat untergebracht. Hierdurch erhalten die Betroffenen Gelegenheit, ihre etwaigen Ansprüche auf Sozialleistungen zu klären. Der Zeitraum kann verlängert werden, wenn die Betroffenen aus Gründen die sie nicht zu vertreten haben, noch keine abschließende Klärung ihrer Ansprüche herbeiführen konnten. Ist diese Frage durch das zuständige Jobcenter bzw. ggf. auch im Wege des sozialgerichtlichen Verfahrens geklärt und haben die Betroffenen im Ergebnis keinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende, erhalten sie auf Antrag Leistungen nach § 23 Abs. 3 SGB XII. Unionsbürgerinnen und Unionsbürger müssen unfreiwillig obdachlos sein, damit der Anwendungsbereich des § 17 ASOG eröffnet ist, um Maßnahmen im Rahmen der Gefahrenabwehr erforderlich werden zu lassen. Im Übrigen wird auf die Ausführungen zur Frage 2 verwiesen. Treptow- Köpenick Unionsbürgerinnen und Unionsbürger werden im Rahmen einer Einzelfallprüfung, die sich an der wissenschaftlichen Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 215/17 für den Deutschen Bundestag orientiert, untergebracht. Damit die bezirklichen sozialen Wohnhilfen der Sozialämter nach § 17 ASOG im Rahmen der Gefahrenabwehr entscheiden können, müssen die Kriterien, die im Rahmen der benannten wissenschaftlichen Ausarbeitung festgelegt worden sind, erfüllt sein. Hierbei werden die Rechtsgrundlagen des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU) eingehalten. Marzahn- Hellersdorf Obdachlosen Personen ohne Leistungsanspruch auf Sozialleistungen wird zunächst der Hinweis auf Möglichkeiten der Notübernachtungen gegeben. Nach Rücksprache mit dem Leistungsteam in besonderen Fällen, besteht zudem die Möglichkeit der darlehensweisen Gewährung von 6 Sozialleistungen; jedoch nur bei bestehendem Rückreisewillen. Mit der darlehensweisen Gewährung von Sozialleistungen kann eine Unterbringung erfolgen. Für die Unterbringung nach § 17 ASOG gelten allgemeine Voraussetzungen unabhängig von der Staatsbürgerschaft. Eine polizeiliche Verfügung, durch die eine Person in eine Unterkunft eingewiesen wird, kann gemäß § 17 Abs. 1 ASOG dann gerechtfertigt sein, wenn eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung besteht. Eine solche Gefahr liegt vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein polizeiliches Schutzgut schädigen wird. Eine unfreiwillige Obdachlosigkeit kann zu einer solchen Gefahr führen. Als obdachlos im rechtlichen Sinne gilt dabei allerdings nicht, wer sich unter Ausschöpfung aller ihm zu Gebote stehenden zumutbaren Eigenmaßnahmen, auch finanzieller Art, selber eine nur vorübergehende und den Mindestanforderungen genügende Bleibe verschaffen kann (VG München, Beschluss vom 20. November 2013 – M 22 E 13.5295-, Rn. 13 m. w .N.). Steht hiernach ein einfacherer Weg zur Verfügung, um die Gefahr zu beseitigen, ist die Antragstellerin/der Antragsteller nicht rechtschutzbedürftig und zunächst auf diesen Weg zu verweisen (VG München Beschluss vom 30. August 2013 – M 22 E 13.3705 -, Rn. 15). Lichtenberg Nach Vorsprache der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger werden die Zugangsvoraussetzungen zu den Leistungen nach dem ASOG geprüft. Bestehen Ansprüche nach dem SGB II, SGB XII oder Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) werden die Antragstellerinnen/Antragsteller in die entsprechenden Hilfesysteme übergeleitet und erhalten eine dahingehende Beratung. Sind die unten angeführten Voraussetzungen und Kriterien erfüllt, wird eine Kostenübernahme nach ASOG erteilt und die Hilfebegehrenden werden in Wohnungsloseneinrichtungen vermittelt. Unionsbürgerinnen/Unionsbürger ohne Aufenthaltsrecht werden in jedem Fall zu Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. (3) Satz 3 SGB XII, die zeitlich befristet bis zur freiwilligen Ausreise gewährt werden können, beraten. Nach den folgenden Kriterien wird entschieden, ob eine Übernahme der Kosten der Unterbringung möglich ist: die Obdachlachlosigkeit ist nicht freiwillig es wurde alles Zumutbare unternommen, um einen vorrangigen Anspruch auf Leistungen für KdU nach dem SGB II oder XII (etwa bei Erwerbsunfähigen, Überschreitung der Altersgrenze…) durchzusetzen, das bedeutet Ausschöpfung der Rechtsbehelfe und –mittel (wie ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren) 7 dem Betroffenen ist keine Selbsthilfe möglich, weder in der Bundesrepublik Deutschland, noch im Heimatland (Unterkunft bei nahen Angehörigen: Eltern, Großeltern, Geschwister, Kinder oder eigene Wohnung / Haus im Herkunftsland) Sofern die Voraussetzungen (kumulativ) erfüllt werden, ist in jedem Einzelfall ein Zeitraum zu bestimmen, für welchen eine Unterkunftszuweisung als ordnungsbehördliche Maßnahme zwingend notwendig ist. Der Zeitraum muss so gewählt werden, dass bspw. dem Betroffen die Möglichkeit verbleibt, ggf. ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren abzuwarten oder die Rückkehr in das Heimatland geordnet vorzubereiten, aber auch keine „Dauerwohnung“ entsteht. Folgende Unterlagen sollten für eine abschließende Entscheidung vorliegen: • Ablehnungsbescheid für Leistungen nach § 7 SGB II • Ablehnungsbescheid für Leistungen nach § 23 SGB XII • ggf. Nachweis über Beantragung eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens • ggf. Widerspruch gegen Ablehnungsbescheide Reinickendorf Bei einer freiwilligen Obdachlosigkeit wird eine Unterbringung nach ASOG unter Hinweis auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme eine Rückkehrhilfe nach § 23 Abs. 3 SGB XII in das Herkunftsland abgelehnt. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen erfolgt hier eine kurzfristige Unterbringung, damit die Rückreisehilfe im Rahmen des § 23 Abs. 3 Satz 2 SGB XII beantragt und die Rückreise organisiert werden kann. Für eine Entscheidung im Rahmen der Gefahrenabwehr muss es sich um eine unfreiwillige Obdachlosigkeit handeln und die Unionsbürgerinnen bzw. Unionsbürger müssen bereit sein, das Angebot einer Rückreise zu akzeptieren. In diesem Fall kann eine kurzzeitige Unterbringung bis zur Rückreise erfolgen. 4. Wie bewertet der Senat die Situation von Unionsbürger*innen, deren Anträge auf Unterbringung nach § 17 ASOG abgelehnt werden, wenn diese keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben (was allein keine Voraussetzung für die Versagung einer Unterbringung ist)? Zu 4.: Dem Senat ist die schwierige Situation, in der sich die Betroffenen befinden, bewusst. Eine Verbesserung der vorherrschenden Gesamtsituation für die von Obdachlosigkeit bedrohten Unionsbürgerinnen und Unionsbürger ist dringend geboten, kann jedoch nicht auf der Grundlage des Gefahrenabwehrrechts erreicht werden, sondern erfordert eine gesetzliche Veränderung im Sozialrecht. Der Senat geht jedoch vom Bestehen einer rechtlichen Verpflichtung zur Unterbringung aller Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, welche unfreiwillig obdachlos sind, aus, soweit diese nicht über Möglichkeiten verfügen, sich selbst aus dieser unerwünschten Lage zu befreien. Die Unterbringung erfolgt im Rahmen des Gefahrenabwehrrechts und damit außerhalb etwaiger sozialhilferechtlicher Anspruchsgrundlagen. 8 5. Wie bewertet der Senat die Situation von Unionsbürger*innen mit noch nicht geklärtem Sozialleistungsanspruch, deren Antrag auf Unterbringung nach § 17 ASOG abgelehnt wird und welche Unterstützung - über die versagte Unterbringung hinaus – wird ihnen in Berlin gewährt um sich eine eigene Existenz aufzubauen ? Zu 5.: Wie oben ausgeführt, geht der Senat davon aus, dass eine rechtliche Verpflichtung – außerhalb der sozialhilferechtlichen Ansprüche – dahingehend besteht, dass alle Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, welche unfreiwillig obdachlos sind und nicht über Möglichkeiten verfügen, sich selbst aus dieser unerwünschten Lage zu befreien, im Rahmen des Gefahrenabwehrrechts unterzubringen sind. Diese Verpflichtung gilt auf jeden Fall solange, bis die sozialhilferechtlichen Ansprüche im Einzelfall abschließend geprüft sind. Ferner wird davon ausgegangen, dass die Bezirke die Betroffenen über Selbsthilfemöglichkeiten informieren sowie eine Beratung der bestehenden Hilfe- und Handlungsmöglichkeiten erfolgt. Darüber hinaus ist für den Personenkreis alternativ die Möglichkeit der niedrigschwelligen Hilfen gegeben, in den Wintermonaten insbesondere der Kältehilfe. Zudem unterstützt der Senat die freiwillige Rückkehr europäischer Obdachloser in ihre jeweiligen Herkunftsländer bereits seit Jahren durch eine Rückkehr- und Weiterwanderungsberatung, die zunächst vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) und nun vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) wahrgenommen wird. Sie steht allen in Berlin lebenden Ausländerinnen und Ausländern zur Verfügung, um sie zu bestehenden Rückkehrmöglichkeiten zu beraten und eine geordnete Ausreise zu organisieren. Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales hält über das Modellprojekt - Vorübergehende Unterkunft für Familie mit Kindern – Nostel (Maßnahme des Aktionsplans Roma) eine vorübergehende Unterbringung vor. Durch das Angebot einer vorübergehenden, notweisen Unterbringung in den Nostel-Wohnungen wird zunächst die Situation der Familie stabilisiert. An diese Unterbringung ist eine Clearingstelle sowie engmaschige sozialpädagogische Betreuung angebunden. Zu den Maßnahmen des Clearingverfahrens gehört: u. a. die Anmeldung beim Bezirksamt, die Unterstützung bei der Antragstellung zur Sicherung des Lebensunterhaltes (SGB II und SGB XII sowie Kindergeld) und der Eröffnung eines Bankkontos, die Beratung bei der Arbeitssuche inklusive z. B. der Unterstützung bei der Erstellung von Bewerbungen, die Begleitung aller minderjährigen Kinder zum Kinder- und Jugendgesundheitsdienst und Anmeldung schulpflichtiger Kinder in der Schule. Mit dieser Maßnahme wird den Familien bei noch nicht geklärten Leistungsansprüchen eine Unterstützung gewährt, um sich eine eigene Existenz aufbauen zu können. Diese Maßnahme ist strukturell eingebunden in die vorhandene Hilfe- und Beratungsstruktur des Landes Berlin. Diese besteht zum Einen aus den Regeldiensten (z. B. Jobcenter, Sozialamt, Jugendamt etc.), zum Anderen aus den Maßnahmen des Aktionsplanes Roma (wie den Mobilen Anlaufstellen, dem bezirksorientierten Programm (z. B. Sprachmittlung an Schulen etc.). Der Aktionsplan Roma ist als Umsetzungsprogramm der Berliner Strategie zur Einbeziehung ausländischer Roma von August 2012 entwickelt worden (Drucksache 17/0440) und wird unter Federführung der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales begleitet. Weitere Informationen können dem 2. Bericht zur Umsetzung des Berliner Aktionsplans zur Einbeziehung ausländischer Roma unter https://www.parlament-berlin.de/adosservice/18/Haupt/vorgang/h18-0191.B-v.pdf entnommen werden. 9 Darüber hinaus fördert der Berliner Senat im Integrierten Sozialprogramm/ISP eine Reihe von Projekten, die von auch Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern genutzt werden. Das betrifft fast die gesamte Angebotspalette der Beratungsstellen, der Notübernachtung, der Bahnhofsdienste, u.a.m.. Der Anteil von Unionsbürgerinnen/Unionsbürgern ist unter Nutzerinnen und Nutzern in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen und lag im Berichtsjahr 2016 bei rd. 28 %. Im Aufwuchs des laufenden Doppelhaushaltes 2018/2019 ist zudem ein Spezialangebot für den Personenkreis aufgenommen worden. Dabei handelt es sich um die Beratungsstelle des Trägers Klik – Kontakt- und Beratungs- und Koordinierungsarbeit für junge Menschen auf der Straße e. V.. Auch die geplante Ausweitung bei der aufsuchenden Sozialarbeit mit Gangway e. V. sowie einem weiteren Trägerverbund wird diesen Bedarfen Rechnung tragen. Eine Kernaufgabe der Angebote betrifft die Prüfung noch nicht geklärter Sozialleistungsansprüche. Der Haushaltsansatz für alle Angebote ist von 4,2 Mio. EUR im Haushaltsjahr 2017 auf 8,1 Mio. EUR im Doppelhaushalt 2018/2019 erhöht worden. 6. Wie viele Unionsbürger*innen erhalten Sozialhilfe iSv Überbrückungshilfe nach § 23 Abs. 3 / 3a SGB XII (Bitte nach Bezirk, Geschlecht, Alter, Dauer aufschlüsseln)? Zu 6.: Ausländerinnen und Ausländer, zu denen auch Unionsbürgerinnen und Unionsbürger gehören, erhalten keine Sozialhilfe, sofern die Voraussetzungen von § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII vorliegen. Ihnen werden auf Antrag eingeschränkte Hilfen gem. § 23 Abs. 3 und 3a SGB XII gewährt (sog. Überbrückungsleistungen). Diese Leistungen dienen der Überbrückung des Zeitraums bis zur Ausreise und werden in der Regel längstens für die Dauer von einem Monat gewährt. Im Einzelfall kann eine Leistungserbringung zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage über einen Monat hinaus erfolgen. Aufgrund fehlender statistischer Erhebungen kann zu Geschlecht und Alter der antragstellenden Unionsbürgerinnen und Unionsbürger keine Aussage getroffen werden. Zu Anzahl und Dauer der gewährten Überbrückungsleistungen haben die bezirklichen Ämter für Soziales folgende Angaben gemacht. Die sich auf den Zeitraum 29.12.2016 bis 30.11.2017 beziehenden Daten können der nachstehenden Tabelle entnommen werden: 10 Bezirk Anzahl Anzahl Leistungsgewährung >1 Monat Mitte 0 0 Friedrichshain-Kreuzberg 0 0 Pankow 0 0 Charlottenburg-Wilmersdorf 4 0 Spandau 4 4 Steglitz-Zehlendorf 5 0 Tempelhof-Schöneberg keine Angabe möglich keine Angabe möglich Neukölln 3 2 Treptow-Köpenick 0 0 Marzahn-Hellersdorf keine Angabe möglich keine Angabe möglich Lichtenberg 4 2 Reinickendorf 0 0 Berlin, den 27. April 2018 In Vertretung Alexander F i s c h e r _____________________________ Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales S18-14015 S18-14015a