Drucksache 18 / 14 795 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 18. April 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. April 2018) zum Thema: Einstellungsverfahren bei der Berliner Polizei – Kommt es wirklich auf die Größe an? und Antwort vom 09. Mai 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Mai 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 3 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/14795 vom 18. April 2018 über Einstellungsverfahren bei der Berliner Polizei – Kommt es wirklich auf die Größe an? ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Seit wann besteht die Maßgabe der Mindestkörpergröße von 160 cm für Frauen bzw. 165 cm für Männer bei der Polizei Berlin und wann wurde diese Anforderung zuletzt novelliert? Zu 1.: Die Vorgabe an die Mindestgröße gilt aktuell aufgrund des Erlasses vom 26. März 2013 über die Einführung der Polizeidienstvorschrift 300 (PDV 300) – Ausgabe 2012 – „Ärztliche Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit und der Polizeidienstfähigkeit“, nach deren Anlage 1, Nr. 1.3, sich die Beurteilung der Körperlänge der Bewerberinnen und Bewerber nach den vom Dienstherrn erlassenen Bestimmungen richtet, und den jeweiligen Anforderungsprofilen. Die Vorgaben gehen auf ein Schreiben der damaligen Senatsverwaltung für Inneres vom 9. April 1992 zurück. 2. Auf welchen wissenschaftlichen Daten und berufspraktischen Erkenntnissen beruht die derzeitig festgesetzte Mindestkörpergröße als Einstellungskriterium bei der Polizei Berlin? (Aufstellung erbeten.) Zu 2.: Die Vorgabe an die Mindestgröße basiert auf Erfahrungen im Einsatztraining und im täglichen Dienst. Danach ging man davon aus, dass Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten mit geringer Körpergröße insbesondere die Anwendung unmittelbaren Zwangs schwerer fällt, was zu einem höheren Verletzungsrisiko führen könnte. 3. Wann wurden zuletzt im Land Berlin wissenschaftliche Untersuchungen zur Rechtfertigung der Mindestkörpergröße bei der Polizei Berlin durchgeführt und wann ist geplant, eine solche Erhebung zu wiederholen? Zu 3.: Entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen sind bislang nicht durchgeführt worden und auch nicht beabsichtigt. Seite 2 von 3 4. Welche wissenschaftlichen und berufspraktischen Erkenntnisse gibt es über eine maximale Körpergröße im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit im Polizeidienst? (Falls nicht vorhanden, sind Erhebungen hierzu in Planung?) Zu 4.: Für eine Einstellung in den Vollzugsdienst der Polizei Berlin gelten keine maximalen Körpergrößen. Entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen liegen daher nicht vor. 5. Wie viele Bewerber/innen, welche die festgelegte Mindestgröße nicht erreichten, verzeichnete die Polizei Berlin seit 2013? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 5.: Jahr Anzahl 2013 54 2014 62 2015 66 2016 62 2017 83 2018 (bisher) 27 Gesamtergebnis 354 6. Wie viele männliche Bewerber mit einer Körpergröße zwischen 160 cm und 164 cm wurden seit 2013 von der Polizei abgelehnt? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 6.: Jahr Anzahl 2013 8 2014 18 2015 13 2016 15 2017 21 2018 (bisher) 7 Gesamtergebnis 82 7. Womit wird die Diskrepanz von 5 cm hinsichtlich der Mindestkörpergröße zwischen weiblichen und männlichen Bewerbern für den Polizeidienst begründet? Zu 7.: Der Dienstherr kann festlegen, welche Anforderungen er an die körperliche Eignung einer Beamtin oder eines Beamten stellt, solange diese sich sachlich rechtfertigen lassen und die verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen im Übrigen beachtet sind. Die Vorgabe der Mindestgrößen basiert zum einen auf den Anforderungen, die das Amt stellt, und zum anderen auf dem sachlich gerechtfertigten Interesse an einem möglichst ausgeglichenen Geschlechterverhältnis im Polizeivollzugsdienst. Da die durchschnittliche Körperlänge von Männern größer als die von Frauen ist, wurden unterschiedliche Körpergrößen vorgegeben, um einem jeweils vergleichbaren Anteil an der Gesamtbevölkerung die Bewerbung zu ermöglichen. 8. Inwieweit erachtet der Senat angesichts des durch die Verfassung festgeschriebenen Grundsatzes der Bestenauslese und mit Blick auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 21.09.2017 (Az.: 6 A 916/16) die unterschiedlichen Mindestkörpergrößen bei Männern und Frauen als rechtmäßig? Seite 3 von 3 Zu 8.: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. September 2017 – 6 A 916/16 – betrifft ausschließlich den Zugang zum Polizeivollzugsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Für das Land Berlin entfaltet es unmittelbar keine Geltung. Bei der Besetzung öffentlicher Ämter können auch Belange Berücksichtigung finden, die nicht im Verfassungsgebot des Artikels 33 Absatz 2 GG verankert sind, wenn ihnen ebenfalls Verfassungsrang zukommt. Ein solcher Belang ist das in Artikel 3 Absatz 2 GG und Artikel 19 Absatz 2 der Verfassung von Berlin (VvB) verankerte, an den Staat gerichtete Gleichberechtigungsgebot, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken. Dem tragen die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Vorgaben der Mindestgrößen Rechnung. Eine geschlechtsunabhängige Mindestkörpergrößenvorgabe für die Zulassung von Bewerberinnen und Bewerbern für das Auswahlverfahren für den Zugang zur Polizeischule hat jüngst der Europäische Gerichtshof (EuGH) für mit europäischem Recht unvereinbar erklärt, wenn sie eine viel höhere Zahl von Personen weiblichen Geschlechts als männlichen Geschlechts benachteiligt (vgl. EuGH, Urteil vom 18.10.2017 – C 409/16). 9. Welche konkreten polizeilichen Aufgaben können unterhalb der festgeschriebenen Körpergrößen von 160 cm nicht wahrgenommen werden? (Aufstellung erbeten.) Zu 9.: Siehe Antwort zu Frage 2. 10. Inwiefern teilt der Senat die Auffassung, dass eine zu geringe Körpergröße im Hinblick auf den Aspekt der Durchsetzungsfähigkeit einer Polizeibeamtin oder eines Polizeibeamten durch Faktoren wie die körperliche Statur, Fitness und Ausdauer oder auch durch weiche, soziale Faktoren wie Persönlichkeit und Charisma ausgeglichen werden kann? 11. Welche Überlegungen gibt es, die festgeschriebene Mindestkörpergröße im Einstellungsverfahren durch andere physische Einstellungskriterien, - wie beispielsweise körperliche Statur, Ausdauer oder Schnelligkeit - aufzuwiegen bzw. zu ersetzen? Zu 10. und 11.: Der Senat prüft derzeit, ob die Mindestgrößen entweder anhand der Anforderungen des Amtes vereinheitlicht oder ob sie abgeschafft und zum Beispiel durch veränderte Anforderungen im Sporttest ersetzt werden sollen. Berlin, den 09. Mai 2018 In Vertretung Sabine Smentek Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-14795 S18-14795