Drucksache 18 / 14 815 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Stefan Evers (CDU) vom 23. April 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. April 2018) zum Thema: Bebauungspläne ohne Wirkung? und Antwort vom 08. Mai 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Mai 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. 1 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Herrn Abgeordneten Stefan Evers (CDU) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/14815 vom 23. April 2018 über Bebauungspläne ohne Wirkung? Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher die Bezirke im Geltungsbereich des Baunutzungsplans abgefragt. Davon haben die vier Bezirke: Charlottenburg Wilmersdorf, Neukölln, Reinickendorf und Steglitz-Zehlendorf geantwortet. Die Stellungnahmen wurden in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt. Sie werden nachfolgend wiedergegeben: Frage 1: Welche Bebauungspläne wurden in den letzten drei Jahren von Gerichten für funktionslos erklärt (vgl. etwa: VG Berlin vom 17. März 2017, Az. 19 19 K 66.15), da die jeweiligen Pläne in ihrer Gesamtheit oder bezüglich einzelner Festsetzungen durch die tatsächliche Entwicklung überholt worden sind, z.B. durch eine großzügige Befreiungspraxis (aufgeschlüsselt nach Bezirken)? Antwort zu 1: In den vier Bezirken wurde kein Bebauungsplan für funktionslos erklärt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. März 2017, Az.: 19 K 66.15, ist nicht rechtskräftig, weil die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen für den Bezirk in die Berufung gegangen ist. 2 Frage 2: Wie viele Befreiungen von den Vorgaben eines Bebauungsplans wurden von den Bezirken in den Jahren 2015, 2016 und 2017 erteilt (aufgeschlüsselt nach Bezirken und Jahren)? Frage 11: Wie viele Befreiungen von den Vorgaben des Baunutzungsplans für Berlin wurden von den Bezirken 2015, 2016 und 2017 erteilt (aufgeschlüsselt nach Bezirken und Jahren)? Antwort zu 2 und 11: Im Bezirk Steglitz-Zehlendorf werden Befreiungen weder gezählt noch so aufbereitet, dass die gewünschte Antwort in einem angemessenen Zeitraum möglich wäre. Im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf wurden im Jahr 2015 279 Befreiungen, im Jahr 2016 210 Befreiungen und im Jahr 2017 240 Befreiungen erteilt. Im Bezirk Neukölln wurden im Jahr 2015 109 Befreiungen, im Jahr 2016 101 Befreiungen und im Jahr 2017 116 Befreiungen erteilt. Im Bezirk Reinickendorf wurden im Jahr 2015 63 Befreiungen, im Jahr 2016 59 Befreiungen und im Jahr 2017 64 Befreiungen erteilt. Dabei ist eine Unterscheidung darüber, ob von den Festsetzungen eines Bebauungsplans oder den Ausweisungen des Baunutzungsplans befreit wurde, nicht möglich oder mit vertretbarem Aufwand nicht leistbar. Frage 3: In dem Gebiet welcher Berliner Bebauungspläne hat nach Ansicht des Senats bzw. des jeweiligen Bezirks die Befreiungspraxis ein Maß erreicht, das, der Rechtsprechung des VG Berlin folgend, die Gefahr der Funktionslosigkeit des Bebauungsplans mit sich bringt (aufgeschlüsselt nach Bezirken)? Antwort zu 3: Die Bezirke Neukölln und Steglitz-Zehlendorf sehen keine Gefahr der Funktionslosigkeit von Bebauungsplänen. Sollte im Bezirk Reinickendorf das geltende Planungsrecht die angestrebte städtebauliche Veränderung nicht ermöglichen, werden vom Bezirk entsprechende Änderungsverfahren eingeleitet. Im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf wird der Bebauungsplan VII-15 in Teilen für funktionslos angesehen. 3 Frage 4: In wie vielen Fällen musste in den letzten drei Jahren die Zulässigkeit von Bauvorhaben im Land Berlin wegen funktionsloser Bebauungspläne nach § 34 BauGB beurteilt werden? Antwort zu 4: Im Bezirk Neukölln wurde in keinem Fall die Zulässigkeit von Bauvorhaben wegen Funktionslosigkeit nach § 34 BauGB beurteilt. Im Bezirk Reinickendorf waren es zwei Fälle. Im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf waren einzelne Vorhaben im Bereich der Mercedeswelt am Salzufer und der ehemaligen Kolonie Württemberg betroffen. Im Bezirk Steglitz-Zehlendorf musste in den Vororten/Übergangsbereichen des Öfteren die geschlossene Bauweise als funktionslos bewertet und nach § 34 BauGB bewertet werden. Frage 5: Wie bewertet der Senat die Folgen dieser Rechtsprechung? Frage 8: Welche Schlussfolgerungen zieht der Senat aus dieser Rechtsprechung? Antwort zu 5 und 8: Bisher vertritt nur die 19. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin die strenge Rechtsauffassung zur Funktionslosigkeit für Teilflächen des Baunutzungsplans. Die 13. Kammer des Verwaltungsgerichts und das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg haben bislang eine andere Rechtsauffassung. Zur Klärung dieser Rechtsfrage ist die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen für den Bezirk Neukölln in den Verwaltungsgerichtsverfahren mit den Aktenzeichen 19 K 65.15 und 19 K 66.15 in die Berufung gegangen. Frage 6: Wie wirkt sich diese Rechtsprechung nach Ansicht des Senats auf die stadtplanerischen Möglichkeiten der Bezirke und des Senats in den betroffenen Gebieten aus? Antwort zu 6: Sollte die Rechtsprechung der 19. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin Bestand haben, wäre in diesen Fällen der § 34 BauGB als Planersatzvorschrift anzuwenden. Die Anwendung des § 34 BauGB führt in der Regel nicht zu einem Zulässigkeitsrahmen, der die Aufstellung einer Bebauungsplans erforderlich macht. Sollten aus städtebaulichen Gründen dennoch Bebauungspläne erforderlich sein, sind diese von den Bezirken aufzustellen. 4 Frage 7: Wie wirkt sich diese Rechtsprechung auf das Berliner Modell der (angeblich) kooperativen Baulandentwicklung in den betroffenen Gebieten aus? Antwort zu 7: Diese Rechtsprechung hat keine Auswirkungen auf das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung. Die bestehenden Ausweisungen des Baunutzungsplans als planungsrechtliche Ausgangssituation für die Bebauungsplanverfahren des Berliner Modells sind größtenteils entweder nicht übergeleitet worden (z.B.: Nichtbaugebiete und Baureserve) oder in ihnen sind Wohnungen nicht zulässig (z.B.: beschränktes und reines Arbeitsgebiet). In diesen Fällen wird das bestehende Planungsrecht zugunsten des Bauherren nicht angerechnet. Frage 9: Welche Möglichkeiten sieht der Senat, weitere Fälle von funktionslosen Bebauungsplänen zu verhindern? Antwort zu 9: Entsprechend der Koalitionsvereinbarung für die Legislaturperiode 2016-2021 soll der Baunutzungsplan sukzessive durch Bebauungspläne ersetzt werden (vgl. Seite 38 der Koalitionsvereinbarung). Frage 10: Planen der Senat bzw. die jeweiligen Bezirke die Aufstellung neuer Bebauungspläne in Gebieten, für die aufgrund der Rechtsprechung des VG die Gefahr der Funktionslosigkeit des jeweiligen Bebauungsplans besteht, und wenn ja, für welche Gebiete (aufgeschlüsselt nach Bezirken)? Antwort zu 10: Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf plant eine Reihe von Bebauungsplänen, die gemäß § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich sind. In der Regel sollen damit Vorhaben ermöglicht werden, die nach dem geltenden Bauplanungsrecht nicht zulässig sind. Die drohende Funktionslosigkeit einzelner Festsetzungen zieht nicht unbedingt die Notwendigkeit einer Bebauungsplanaufstellung nach sich. Die Anwendung des § 34 BauGB als Planersatznorm führt in der Regel zu städtebaulich vertretbaren Ergebnissen. Im Bezirk Reinickendorf werden für geänderte städtebauliche Rahmenbedingungen neue Bebauungsplanverfahren eingeleitet. Dies bezieht sich aber im Wesentlichen auf die Art der Nutzung mit den dann verbundenen neuen Nutzungsmaßen. Eine Funktionslosigkeit ist nicht der Anlass für die Aufstellung neuer Bebauungspläne. Die Bezirken Neukölln und Steglitz-Zehlendorf planen wegen der Gefahr der Funktionslosigkeit des Baunutzungsplans keine Aufstellung von neuen Bebauungsplänen. 5 Frage 12: Für welche Gebiete im Geltungsbereich des Baunutzungsplans für Berlin planen der Senat bzw. die jeweiligen Gebiete derzeit die Aufstellung von Bebauungsplänen (aufgeschlüsselt nach Bezirken)? Antwort zu 12: Im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf sind 22 Bebauungspläne im Verfahren, die den Baunutzungsplan überplanen. 32 Bebauungsplanverfahren beziehen sich auf Gebiete mit festgesetzten Bebauungsplänen. Im Bezirk Neukölln befinden sich derzeit 229 Bebauungsplanverfahren in Aufstellung. Davon werden nach ihrer Festsetzung 202 Bebauungspläne den Baunutzungsplan außer Kraft setzen. Für das Jahr 2018 plant das Bezirksamt Reinickendorf vier Bebauungspläne im Geltungsbereich des Baunutzungsplans neu aufzustellen: Teilbereich Dorf Lübars Block Holländerstraße/Waldseestraße (Ortsteil Reinickendorf) Block Provinzstraße/Bürgerstraße (Ortsteil Reinickendorf) Ehemaliges Gelände TetraPak und Underberg (Ortsteil Heiligensee) Da der Baunutzungsplan die gesamte Fläche des Bezirks Steglitz-Zehlendorf überdeckt, liegen alle Bebauungspläne, die seit 1960 entwickelt wurden, in der Gebietskulisse des Baunutzungsplans. Berlin, den 08.05.2018 In Vertretung Regula Lüscher ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen S18-14815 S18-14815