Drucksache 18 / 14 899 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Andreas Wild (fraktionslos) vom 02. Mai 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Mai 2018) zum Thema: Musikszene und Drogen, In der Presse erscheinen seit Jahren Berichte über Drogenclubs wie „Berghain" in Friedrichshain oder „Sisyphos" in Lichtenberg und Antwort vom 18. Mai 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Mai 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 6 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Andreas Wild (fraktionslos) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/14899 vom 02. Mai 2018 über Musikszene und Drogen, In der Presse erscheinen seit Jahren Berichte über Drogenclubs wie „Berghain" in Friedrichshain oder „Sisyphos" in Lichtenberg ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Was hat der Senat bisher unternommen, um das Dealen in Versammlungsstätten und Musikclubs zu unterbinden und damit Tod, Sucht und Verelendung sowie Kriminalität junger Menschen zu vermeiden? Zu 1.: Die Polizei Berlin führt sowohl anlassbezogene als auch anlassunabhängige Maßnahmen vor und in sogenannten Clubs sowie in deren Umfeld durch. Sie steht hierbei in engem Austausch mit der „Clubcommission Berlin“, dem Zusammenschluss der Berliner Club-, Party- und Kulturereignisveranstalter. Seit dem Jahr 2001 setzt sich die Clubcommission Berlin e.V. mit derzeit knapp 200 Mitgliedern dafür ein, die Berliner Club-, Festival-, OpenAir-, Party- und Kulturereignisveranstalter zu unterstützen und zu fördern. Das Thema Clubkultur und Gesundheit bildet einen Schwerpunkt der Arbeit. Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit wurde ein Schulungsprogramm für Clubmitarbeiter zum Thema „Drogenkompetenz“ erarbeitet, das nicht mit den üblichen Verbotsansätzen operiert, sondern die Interessen von Clubbetrieb und Wohlbefinden der Gäste in den Mittelpunkt rückt. Gemeinsam mit Partnern aus der Gesundheitsprävention berät die Clubcommission Clubverantwortliche zu Möglichkeiten des vorbeugenden Gesundheitsschutzes für Gäste und Mitarbeitende. Seite 2 von 6 2. Was wurde speziell in beiden genannten Gewerbebetrieben unternommen? Musik, Kultur und Tanzen sind elementare Bestandteile von Jugendkultur. Musikclubs dürfen unter keinen Umständen als Arenen krimineller Machenschaften missbraucht werden. Zu 2.: Statistische Aufbereitungen im Sinne der Fragestellung liegen nicht vor. 3. Welche Gewerbeerlaubnis liegt bei oben genannten Betrieben „Berghain“ und „Sisyphos“ vor? 5. Welche Auflagen wurden den Betreibern gemacht? In mehreren Artikeln wird über Geschlechtsverkehr, nicht einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs und Beobachtungen nicht einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs mit hilflosen Personen im „Berghain“ berichtet. Zu 3. und 5.: „Berghain“ Das Berghain (Rüdersdorfer Str. 70, 10243 Berlin) wird von der Berghain OstGut GmbH betrieben. Hierzu gibt es drei Erlaubnisse nach dem Gaststättengesetz (GastG) für verschiedene Bereiche: Lab Oratory: Erlaubnis gem. § 2 GastG für eine Schankwirtschaft ohne besondere Betriebseigentümlichkeit. - Keine Auflagen. Bierhof Rüdersdorf + Kantine am Berghain: Erlaubnis gem. § 2 GastG für eine Schankwirtschaft mit der besonderen Betriebsart mit regelmäßigen Musikdarbietungen, Biergarten und Live-Musik. - Auflagen: 1. Die Benutzung von Tonwiedergabegeräten, Musikboxen, Lautsprecherübertragungsanlagen wird in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr (Nachtzeit) untersagt, solange das jeweilige Gerät nicht so eingemessen und blockiert worden ist, dass der zulässige Immissionsrichtwert „Außen“ von 45 db(A) zur Nachtzeit abzüglich 6 dB(A) für die Vorbelastung gemäß der Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) an den maßgeblichen Immissionsorten eingehalten und keine schädlichen Umweltbelastungen verursacht werden. Die Blockierung muss in der Weise erfolgen, dass die Lautstärke der Geräte von außen nur noch vermindert werden kann. Die Durchführung dieser Maßnahme ist durch Vorlage entsprechender Schallmessatteste nachzuweisen. Hinweis: Die Einpegelung muss durch eine nach § 29 b Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz Seite 3 von 6 - BImSchG) bekannt gegebene Stelle oder durch einen öffentlich bestellten Sachverständigen erfolgen. Gleichgestellt sind Stellen, die vor dem 02. Mai 2013 nach § 26 BImSchG bekannt gegeben wurden. 2. Die Türen zum Gastraum sind geschlossen zu halten, sofern im Innenbereich Tonwiedergabegeräte / Musikinstrumente benutzt werden bzw. die Darbietung von Live-Musik erfolgt. „Berghain“, „Panorama Bar“ und „Chillgarten“: Erlaubnis gem. § 2 GastG für eine Schankwirtschaft mit der besonderen Betriebsart mit regelmäßigen Musikdarbietungen / Diskothek / Live-Musik. - Auflagen: 1. Die Benutzung von Tonwiedergabegeräten, Musikboxen und Lautsprecherübertragungsanlagen wird in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr untersagt, solange das jeweilige Gerät nicht so eingemessen und blockiert worden ist, dass der zulässige Immissionsrichtwert „Außen“ von 45 db(A) zur Nachtzeit abzüglich 6 dB(A) für die Vorbelastung gemäß TA Lärm an den maßgeblichen Immissionsorten eingehalten werden und keine schädlichen Umweltbelastungen verursacht werden. Die Blockierung muss in der Weise erfolgen, dass die Lautstärke der Geräte von außen nur noch vermindert werden kann. Die Durchführung dieser Maßnahme ist durch Vorlage entsprechender Schallmessatteste einer bekannt gegebenen Stelle (§ 29 BImSchG) oder eines öffentlich bestellten Sachverständigen nachzuweisen. 2. Im „Chillgarten“ / Außenbereich sind Musikveranstaltungen durch bzw. über Audio- bzw. Videoanlagen sowie Live-Musik und Tanzveranstaltungen oder anderes Entertainment untersagt. 3. Die Sperrzeit für den „Chillgarten“ wird festgesetzt auf die Zeit von 22:00 Uhr bis 10:00 Uhr (Nachtzeit). 4. Nur während der Betriebszeit des „Chillgartens“ ist das Abspielen von Musik als Hintergrundbeschallung über die eingepegelte Beschallungsanlage erlaubt. 5. Es sind technische und organisatorische Vorkehrungen zu treffen, welche die Erzeugung vermeidbaren Lärms unterbinden. Dazu zählt auch das Verhalten der Besucher am Ort bzw. auf dem Weg über das Gelände zum Anlagenort. Diese Maßnahmen sind durch Sicherheitspersonal oder vergleichbare Organisationsmaßnahmen umzusetzen. Seite 4 von 6 „ Sisiphos“ Erlaubnis gem. § 2 GastG für eine Schankwirtschaft mit der besonderen Betriebsart regelmäßige Musikaufführungen und Veranstaltungen. - Keine Auflagen. 4. Wie viele Anzeigen und Verurteilungen in Verbindung mit Drogenkonsum in und um diese Einrichtungen herum liegen vor? Zu 4.: Im Jahr 2017 wurden 46 Strafanzeigen mit örtlichem Bezug zum „Berghain“ im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln (Btm) durch die Polizei Berlin gefertigt. Für die Lokalität „Sisyphos“ und deren Umfeld waren es im selben Jahr vier Ermittlungsverfahren mit Btm-Bezug. Weder bei den Strafverfolgungsbehörden noch bei den Strafgerichten findet eine statistische Erfassung zu Verurteilungen nach den in der Anfrage benannten örtlichen Kriterien statt. 6. Welche Erkenntnisse, Anzeigen, Verurteilungen liegen in diesem Zusammenhang vor? Zu 6.: Im Jahr 2017 wurden mit dem Erfassungsgrund Sexualstraftat insgesamt vier Ermittlungsverfahren eingeleitet, von denen jeweils zwei einen örtlichen Bezug zum „Berghain“ bzw. zum „Sisyphos“ hatten. Alle Verfahren wurden gemäß § 170 Absatz 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt. Im letzten Sommer verstarb eine junge Touristin, nachdem sie MDMA (Partydroge) erworben/konsumiert und nicht schnell genug ins Krankenhaus gebracht worden sein soll. 7. Welche Erkenntnisse, Ermittlungsergebnisse, Verantwortlichkeiten haben sich aus dem Tod der jungen Amerikanerin ergeben? 9. Wurde jemand angezeigt? Das „Berghain“ hat sich vor dem Finanzgericht eine Ausnahmegenehmigung als Kultureinrichtung erstritten und den Steuersatz auf 7% gesenkt. Zu 7. und 9.: Im Zusammenhang mit dem Tod einer Touristin am 25. Juni 2017 wurden bei der Staatsanwaltschaft Berlin die Ermittlungsverfahren 281 UJs 1064/17, 234 UJs 2182/17 und 273 Js 1677/18 wegen Totschlags durch Unterlassen, unterlassener Hilfeleistung und Abgabe von Betäubungsmitteln an einen anderen mit leichtfertiger Verursachung seines Todes geführt. Die Ermittlungen gegen Mitarbeitende des Clubs wurden gemäß § 170 Absatz 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts durch die Staatsanwaltschaft Berlin eingestellt. Die gegen diese Verfahrenseinstellungen eingelegten Beschwerden wies die Generalstaatsanwaltschaft Berlin zurück. Auch eine Eingabe der Rechtsanwälte des Seite 5 von 6 Vaters der Verstorbenen vom 29. März 2018 gab keinen Anlass, diese Entscheidungen abzuändern. Das zum Aktenzeichen 273 Js 1677/18 geführte Verfahren wegen der Abgabe von Betäubungsmitteln an einen anderen mit leichtfertiger Verursachung seines Todes wurde von der Staatsanwaltschaft Berlin gemäß § 170 Absatz 2 StPO eingestellt, ist aber noch nicht endgültig abgeschlossen, weil über eine gegen die Einstellung eingelegte Beschwerde noch nicht entschieden worden ist. 8. Wurde eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit der Betreiber geprüft? Zu 8.: „Berghain:“ Bei Erteilung der Erlaubnisse in 2016 wurde die persönliche Zuverlässigkeit der Betreiber geprüft. Es gab und gibt derzeit keine Hinweise, die die persönliche Unzuverlässigkeit der Betreiber begründen. „Sisiphos“: Auch hier wurde die gewerberechtliche Zuverlässigkeit der Betreiber im Rahmen des gaststättenrechtlichen Genehmigungsverfahrens überprüft. Weitere regelmäßige Zuverlässigkeitsprüfungen sind rechtlich nicht vorgesehen. Kenntnisse, die eine erneute Prüfung der Zuverlässigkeit gerechtfertigt hätten, lagen und liegen derzeit nicht vor. 10. Gilt dieser Steuersatz nur an Tagen, an welchen Konzerte stattfinden oder an allen Tagen? Zu 10.: Es wird auf das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg (5 K 5089/14) vom 6.9.2016 verwiesen, in dem der Klage des „Berghain“ gegen das Berliner Finanzamt für Körperschaften II stattgegeben wurde und welches die jeweils am Wochenende im „Berghain“ stattfindenden Klubnächte als Konzerte im Sinne des Umsatzsteuergesetzes anerkennt. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a Umsatzsteuergesetz unterliegen dem ermäßigten Steuersatz „die Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen sowie die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler“. Die Leistungen von disc jockeys (DJs) können nach Auffassung des Bundesfinanzhofes unter bestimmten Voraussetzungen als Konzert eingestuft werden. Zu dem steuerlichen Einzelfall „Berghain“ können aufgrund des Steuergeheimnisses keine weitergehenden Auskünfte erteilt werden. 11. Wie ist eine Anerkennung als öffentliche Kulturstätte mit einer Selektion von Gästen am Eingang vereinbar? Zu 11.: Es wird ebenfalls auf das bereits genannte Urteil des Finanzgerichts Berlin- Brandenburg verwiesen. Darin heißt es: „Auch der weitere Umstand, dass die Türsteher nach ihrem subjektiven Empfinden über den Einlass zur Veranstaltung Seite 6 von 6 entscheiden, vermag nichts an der Beurteilung [der Annahme einer Konzertveranstaltung] zu ändern. Denn es ist letztlich Ausdruck der Vertragsfreiheit, dass es dem Anbieter einer Leistung freisteht, darüber zu entscheiden, wem er die Leistung anbieten will.“ Berlin, den 18. Mai 2018 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-14899 S18-14899a