Drucksache 18 / 14 910 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Daniel Wesener und Anja Kofbinger (GRÜNE) vom 03. Mai 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Mai 2018) zum Thema: Mindestlohn für die Freie Szene III: Konsequenzen aus der IFSE-Studie und Antwort vom 16. Mai 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Mai 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 5 Senatsverwaltung für Kultur und Europa Herrn Abgeordneten Daniel Wesener und Frau Abgeordnete Anja Kofbringer (Bündnis 90/Die Grünen) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei – G Sen – Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18 / 14 910 vom 03. Mai 2018 über Mindestlohn für die Freie Szene III: Konsequenzen aus der IFSE-Studie Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Schlüsse zieht der Senat aus den Ergebnissen der aktuellen Studie des Instituts für Strategieentwicklung (IFSE) im Auftrag des berufsverbands bildender künstler*innen berlin (bbk) zur Situation Bildender Künstler*innen in Berlin? Welche Maßnahmen sind aus Sicht des Senats landespolitisch möglich bzw. geplant, um a) die soziale und wirtschaftliche Lage von Bildenden Künstler*innen in der Stadt kurzfristig zu verbessern ? b) ihrer Gefährdung durch Altersarmut vorzubeugen? c) den (im Vergleich zur allgemeinen Einkommenssituation überdurchschnittlichen) Gender Pay Gap endlich zu schließen? d) dem eklatanten Gender Show Gap – also der ungleichen Repräsentanz von weiblichen und männ- lichen Künstler*innen im Ausstellungsbetrieb und insbesondere bei Einzelausstellungen – effektiv zu begegnen? Zu 1 a – d): Die Senatsverwaltung für Kultur und Europa (SenKultEuropa) begrüßt die Initiative der Studie durch Hergen Wöbken, Geschäftsführer des Instituts für Strategieentwicklung , und des Kooperationspartners, dem berufsverband bildender künstler*innen berlin e. V. und hat sich im Rahmen von Maßnahmen innerhalb des Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms dringend zur Förderung der Studie durch die Geschäftsstelle Gleichstellung der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung , ausgesprochen. Mit 1.745 Rückmeldungen bietet diese Umfrage belastbare Daten für die besonders prekäre Situation von bildenden Künstlerinnen. Seite 2 von 5 Sie bestätigt zudem für Berlin die bereits mit der umfangreichen bundesweiten Studie des Deutschen Kulturrats „Frauen in Kultur und Medien“ 2016 vorgelegten Zahlen. Die Erkenntnis, dass die Maßnahmen der vergangenen Jahre (z. B. frauenspezifische Förderprogramme, paritätische Besetzung von Jurys und Beiräten) nicht ausreichen , um die gewünschten Ziele schneller zu erreichen, veranlasste SenKultEuropa , mit der für Frauen und Gleichstellungspolitik zuständigen Senatsverwaltung in den vergangenen beiden Jahren in einen engen Arbeitsprozess zu treten, um eine „Dialoginitiative Kultur“ zu starten und „Gleichstellungspolitische Leitlinien für institutionell geförderte Kultureinrichtungen“ zu formulieren. Als Sofortmaßnahme wurden zusätzliche Mittel in den Landeshaushalt zur Zahlung von Ausstellungshonoraren eingestellt und zahlreiche Förderprogramme aufgestockt. Die Senatsverwaltung für Kultur und Europa empfiehlt zudem für alle durch Landesmittel geförderten Projekte Honoraruntergrenzen und Ausstellungshonorare, die innerhalb der unterschiedlichen Verbände der Freien Szene erarbeitet wurden (Landesverband freie darstellende Künste Berlin e. V. (LAFT), berufsverband bildender künstler*innen berlin e.V. (bbk), u. a.). Die Senatsverwaltung für Kultur und Europa steht für einen Dialog mit dem Institut für Strategieentwicklung, dem berufsverband bildender künstler*innen berlin e. V. und mit weiteren Partnerinnen und Partnern, zur Verfügung. Vor allem wird die Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung fortgesetzt , damit die bisherigen Planungen in konkrete Umsetzungsschritte münden können. Dieser Dialog sollte Maßnahmen sowohl auf der Förderebene der SenKult- Europa aber auch die Länder- und Bundesebene umfassen, denn die Ergebnisse der Umfrage zeigen gravierende soziale und strukturelle Probleme auf, welche weder kurzfristig noch durch Fördermaßnahmen der SenKultEuropa allein zu verbessern sind. 2. Wie bewertet der Senat in diesem Zusammenhang Ideen und Vorschläge wie die partizipative Entwicklung eines „Kulturentwicklungsplans Gegenwartskunst“ nach New Yorker Vorbild, die Einführung einer Geschlechterquote bei der Besetzung von Jurys sowie bei der Vergabe von Arbeitsstipendien, Ausstellungshonoraren und in der Atelierförderung, oder die Einrichtung eines Fonds gegen Altersarmut ? Zu 2.: Umsetzungsbedarf eines Kulturentwicklungsplans als kulturpolitisches Strategie- und Steuerungsinstrument wird für Berlin nicht gesehen. Aufgrund des stark dynamischen Charakters und der enormen Größe und Diversität der Berliner Kulturlandschaft ist es fraglich, ob ein mit hohem Aufwand zu erstellender und fortzuschreibender Kulturentwicklungsplan das angemessene und zweckdienliche Instrument zur Weiterentwicklung der Berliner Kulturlandschaft sein kann. Der jüngst erarbeitete Kulturentwicklungsplan der Stadt New York, kann trotz verschiedener Methoden der Beteiligung , nicht als positives Beispiel für gelungene Partizipation verstanden werden. Das zeigt auch die Gründung des People’s Cultural Plan1 einiger Gruppen der New Yorker Kulturlandschaft, die in diesem Prozess unberücksichtigt blieben. Auch wurden von der Stadt New York für im Kulturentwicklungsplan erarbeitete Maßnahmen keine finanziellen Ressourcen bereitgestellt. 1 Quelle: https://www.peoplesculturalplan.org/ Seite 3 von 5 Bedarf für die Einführung von Geschlechterquoten zeichnet sich in der öffentlichen Kunst und Kulturförderung des Landes Berlin im Bereich der freien Szene nicht ab, da hier die Maßnahmen der Vergangenheit erfolgreich waren. Der Frauenanteil bei der Besetzung von Beiräten und Jurys wurde durch das Land Berlin kontinuierlich aufgestockt und hat bereits seit vielen Jahren einen Anteil von durchschnittlich 55 % erreicht. Dagegen ist bei der Besetzung von Gremien von Anstalten, Körperschaften und Stiftungen öffentlichen Rechts mit einem Frauenanteil von inzwischen ca. 36 % noch Entwicklungspotenzial vorhanden. In der Vergabe von disponiblen Mitteln ist seit vielen Jahren Parität erreicht. Die Förderzusagen und Fördersummen für Frauen liegen im Durchschnitt der vergangen Jahre zw. 50 % und 60 %. In der Atelierförderung kann bei den Bewerbungen eine Steigerung des Frauenanteils von 54 % in 2011 auf 63 % in 2015 verzeichnet werden , der Frauenanteil der Geförderten hält mit insgesamt 58 % ein hohes Niveau. Das Thema Altersarmut von Künstlerinnen und Künstlern ist vor allem ein bundesweites Problem, das vom Bund und den Ländern gemeinsam anzusprechen ist. Sowohl die Ursachen der Altersarmut, wie auch mögliche Maßnahmen dagegen, sollten Gegenstand dieser Diskussionen sein. SenKultEuropa sieht hier allerdings wegen der Künstlerinnen- und Künstlerdichte in Berlin besonderen Handlungsbedarf. 3. Welche Kenntnisse hat der Senat über den Gender Pay Gap und die Repräsentanz von Künstlerinnen in anderen künstlerischen Sparten – etwa bei den landeseigenen Theater- und Orchesterbetrieben , den institutionell geförderten Literaturhäusern, künstlerischen Stipendien oder in der Einstiegs-, Einzelprojekt-, Basis- und Konzeptförderung? Zu 3.: Vertragsangelegenheiten von Künstlerinnen und Künstlern in den vom Land Berlin institutionell geförderten Theatern, Orchestern und Literaturhäusern werden von den jeweiligen Einrichtungen in eigener Verantwortung wahrgenommen (ausgenommen Leitungspersonal). Zwar werden Verwaltungsangestellte dieser Einrichtungen nach Tarif bezahlt, für frei Arbeitende werden Gehälter jedoch individuell ausgehandelt. Mit Bezug auf die Einrichtungen verfügt die Senatsverwaltung für Kultur und Europa nicht über Informationen zu einem eventuellen Gender Pay Gap. Die Statistiken zur Situation von Frauen im -staatlich geförderten- Kulturbetrieb zeigen (jedenfalls für Berlin), dass die geschlechterspezifischen Ungleichgewichte kaum mehr im Bereich der Stipendien- und Projektmittelförderungen zu finden sind, sondern bei den institutionell geförderten Einrichtungen, hier vor allem in den Leitungsebenen und in der Präsenz von Künstlerinnen und Künstlern in den Programmen der Häuser. Im turnusmäßig alle drei Jahre zu erstellenden Bericht „Förderung von Frauen in künstlerischen Berufen unter Ergänzung um die Filmförderung“ der Senatsverwaltung für Kultur und Europa an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten wird dies bereits seit etlichen Jahren als Defizit benannt und von Handlungsvorschlägen flankiert. Seite 4 von 5 4. In welchen Betrieben, Unternehmen, Landesbeteiligungen, Vereinen etc., die im Berliner Haushaltsplan für die Haushaltsjahre 2018/2019 im Einzelplan 08 (Kultur und Europa) in den Maßnahmengruppen 02, 04 und 05 etatisiert sind, findet das Landesgleichstellungsgesetz (LGG) gemäß der §§ 1 und 1a unmittelbar Anwendung? Auf welche sonstigen Landesbeteiligungen bzw. Zuwendungsempfänger wirkt der Senat gemäß § 1a Absatz 3 LGG in diesem Sinne ein? Und was unternimmt der Senat darüber hinaus, um entsprechend der Koalitionsvereinbarung (hier S. 101) „nachwirkenden Stereotypen gegenüber Künstlerinnen entgegen[zu]wirken“? Zu 4.: Das Landesgleichstellungsgesetz (LGG) findet unmittelbar Anwendung auf die in den Maßnahmegruppen (MG) 02 und 04 im Einzelplan 08 vom Land Berlin institutionell geförderten Kultureinrichtungen, die vom Geltungsbereich des Gesetzes erfasst werden: § 1: Stiftung Oper in Berlin (MG 02), Deutsches Theater (MG 02), Volksbühne (MG 02), Maxim Gorki Theater (MG 02), Theater an der Parkaue (MG02), Konzerthaus (MG 04), Philharmoniker (MG04), § 1 a: Hebbel am Ufer (MG 02), Friedrichstadtpalast (MG 02), Musicboard (MG 04) sowie Kulturprojekte Berlin. Im Bereich der finanziellen Förderungen (Zuwendungen, Zuschüsse, u. ä.) wird das Landesgleichstellungsgesetz in konsequenter Anwendung des § 14 (Frauenförderung bei staatlicher Leistungsgewährung) grundsätzlich umgesetzt. Mit der Einrichtung des Berliner Künstlerinnenprogramms 1992 wurde in der Senatsverwaltung für Kultur und Europa erstmals eine Maßnahme ergriffen, um der Unterrepräsentanz von Frauen im Kulturbetrieb entgegenzuwirken. Als Erfolge dieses immer noch bestehenden Programms (aktuell mit einem Etat von 417.090 €) wären im Wesentlichen zu nennen: - Sensibilisierung nach innen und außen bzgl. einer nach wie vor ungleichen Beteiligung von Frauen und Männern in kulturellen Feldern, - Stabilisierung, Erhalt und Weiterentwicklung von frauenspezifisch arbeitenden Berliner Kulturinitiativen (zurzeit Das Verborgene Museum, Gedok-Berlin, Inselgalerie), - Förderung von Künstlerinnen in Bereichen, in denen sie besonders stark unterrepräsentiert sind und damit Unterstützung eines schnelleren „Aufholprozesses“, - Auswertung von aktuellen Statistiken und Untersuchungen zur Teilhabe von Künstlerinnen und Künstlern in den jeweiligen Kunstsparten und damit die Möglichkeit, situationsgerechte Maßnahmen/Instrumente zur Förderung von Geschlechtergerechtigkeit zu entwickeln bzw. umzusetzen. 5. Welche Konsequenzen zieht der Senat aus dem Befund der IFSE-Studie, dass etwa ein Drittel der Bildenden Künstlerinnen in Berlin im Rahmen ihrer Ausbildung und künstlerischen Tätigkeit Opfer von sexueller Belästigung – in vielen Fällen auch in Verbindung mit sexualisiertem Machtmissbrauch und körperlicher Gewalt – durch Männer geworden sind? Liegen dem Senat diesbezüglich eigene Erhebungen und Zahlen vor, etwa seitens der landeseigenen Theater- und Orchesterbetriebe, und wenn ja mit welchem Ergebnis? Seite 5 von 5 Zu 5.: Dem Senat liegen diesbezüglich keine eigenen Erhebungen und Zahlen vor. Die Senatsverwaltung für Kultur und Europa wird in Fortsetzung der Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung den Aspekt der sexuellen Gewalt im Kulturbereich mit aufnehmen. Berlin, den 16.05.2018 In Vertretung Dr. Torsten Wöhlert Senatsverwaltung für Kultur und Europa S18-14910 S18-14910