Drucksache 18 / 14 912 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Franziska Brychcy (LINKE) vom 04. Mai 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Mai 2018) zum Thema: Unverhältnismäßige Einschränkung der Versammlungsfreiheit bei der hedonistischen 1.-Mai-Demo in Grunewald? und Antwort vom 18. Mai 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Mai 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Frau Abgeordnete Franziska Brychcy (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/14912 vom 04. Mai 2018 über Unverhältnismäßige Einschränkung der Versammlungsfreiheit bei der hedonistischen 1.-Mai-Demo in Grunewald? ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. An (schätzungsweise) wie viele Haushalte im Stadtteil Grunewald wurden seitens der Polizei vor der Demonstration der Hedonistischen Internationale am 1. Mai 2018 Anwohner*inneninformationen verteilt und mit welchem konkreten Inhalt? Zu 1.: Durch die Polizei Berlin wurden im Vorfeld der angemeldeten Versammlung Anrainerinformationen an ca. 100 Haushalte entlang der Aufzugsstrecke verteilt. Diese Anrainerinformation wurde zudem auf der Internetseite der Polizei Berlin veröffentlicht. Der Inhalt der Anrainerinformation lautete wie folgt: „Sehr geehrte Anwohnerinnen und Anwohner! Am Dienstag, den 1. Mai 2018, findet im Ortsteil Grunewald eine angemeldete Versammlung statt. Im Zeitraum von 13.30 Uhr bis 18.00 Uhr werden bis zu 200 Teilnehmende vom S- Bahnhof Grunewald über die Auerbachstraße, Douglasstraße, Koenigsallee, Oberhaardter Weg, Höhmannstraße, Regerstraße, Griegstraße, Wildpfad, Hubertusbadener Straße, Brahmsstraße, Richard-Strauss-Straße, Delbrückstraße, Bismarckallee, Herbertstraße, Koenigsallee und die Fontanestraße zurück zum S- Bahnhof Grunewald laufen. Vor diesem Hintergrund ist für den oben genannten Bereich mit Beeinträchtigungen und auch mit verkehrsbedingten Einschränkungen zu rechnen. Die Polizei wird die Versammlung betreuen und einen ordnungsgemäßen Ablauf gewährleisten. Wir sind selbstverständlich bemüht, die Einschränkungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Wir bitten um Ihr Verständnis. Ihre Polizei Berlin.“ Seite 2 von 4 Darüber hinaus wurden die an der Aufzugsstrecke liegenden diplomatischen Einrichtungen (Botschaften und Residenzen) vorab über die Versammlung informiert. 2. Wurden seitens der Polizei ebenfalls Anwohner*inneninformationen entlang der veröffentlichten Demoroute der Revolutionären 1.-Mai-Demo in Kreuzberg (vom Oranienplatz zum Schlesischen Tor) verteilt? Wenn nein, warum nicht? Zu 2.: Nein. Die „Revolutionäre 1. Mai Demo“ wurde nicht angemeldet, eine offizielle Aufzugsstrecke lag der Polizei Berlin nicht vor. Lediglich über unterschiedliche Plattformen im Internet wurde ab dem 27. April 2018 eine mögliche Aufzugsstrecke veröffentlicht. Diese mutmaßliche Aufzugsstrecke wurde von Print- und TV-Medien aufgenommen und wie auch die sonstigen verkehrlichen Einschränkungen in Kreuzberg öffentlich bekannt gegeben. Eine Anrainerinformation der Polizei Berlin an etwaig betroffene Anwohnerinnen und Anwohner war weder sachdienlich noch erforderlich. 3. Hat die Polizei vor der Demonstration der Hedonistischen Internationale am 1. Mai 2018 im S- Bahnhof Grunewald Vorkontrollen durchgeführt? Wenn ja, aus welchem Grund und mit welchem Ergebnis (sichergestellte Gegenstände, Identitätsfeststellung, Platzverweise – falls Gegenstände sichergestellt wurden, bitte konkret auflisten)? Zu 3.: Am Antreteplatz wurden Kontrollmaßnahmen durchgeführt. Diese wurden verdachtsabhängig durchgeführt, sofern Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass Personen Gegenstände mit sich führen, die verboten sind (d.h. die einen strafrechtlichen oder ordnungswidrigen Tatbestand erfüllen) oder eine Unfriedlichkeit des Mitführenden implizieren. Im Rahmen dieser Kontrollmaßnahmen wurden bei zwei Personen Verstöße gegen das Versammlungsgesetz bzw. Waffengesetz festgestellt. Hierbei wurden ein Messer und ein sog. „Multitool“ sichergestellt. Darüber hinaus wurde betäubungsmittelsuspekte Substanz aufgefunden und sichergestellt. Bei drei Personen wurden freiheitsbeschränkende/-entziehende Maßnahmen wegen des Verdachts des Widerstandes, der versuchten Gefangenenbefreiung und des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz durchgeführt. Es wurden keine Platzverweisungen ausgesprochen. 4. Wie viele Teilnehmer*innen beteiligten sich an der besagten Demonstration im Grunewald? Zu 4.: Entsprechend der Schätzung der eingesetzten Polizeidienstkräfte vor Ort nahmen an der Versammlung „1. Mai im Grunewald“ bis zu 3000 Personen teil. 5. Aus welchem Grund wurde die Demonstration im Grunewald um ca. 16 Uhr für mehr als eine halbe Stunde von der Polizei gestoppt und wurden die Demonstrierenden durch einen sogenannten Wanderkessel umschlossen? Warum wurden keine das Versammlungsrecht weniger einschränkenden polizeilichen Maßnahmen ergriffen? Zu 5.: Im Verlauf des ersten Drittels der Aufzugsstrecke, vom Antreteplatz S-Bahnhof Grunewald bis zur Regerstr./Nikischstr., wurden durch die eingesetzten Polizeidienstkräfte 16 Sachbeschädigungen durch Farbschmierereien an Seite 3 von 4 Kraftfahrzeugen sowie an Hauswänden festgestellt. Mit dem Ziel, auf die Versammlungsteilnehmenden einzuwirken und weitere Straftaten zu unterbinden, wurden diese Vorkommnisse dem Versammlungsleiter durch die Polizei umgehend und wiederholt mitgeteilt. Eine zeitnahe Reaktion des Versammlungsleiters erfolgte hierauf nicht. Um entsprechende Durchsagen über die im Aufzug verteilten Lautsprecherwagen an die Teilnehmenden zu veranlassen und zur Verhinderung weiterer Straftaten wurde der Aufzug durch die Polizei Berlin kurzfristig angehalten. In diesem Zusammenhang wurden zudem Polizeidienstkräfte in eine abgesetzte seitliche Begleitung, ausschließlich mittig des Aufzuges und keinesfalls einschließend, gebracht. Diese Maßnahmen wurden dem Versammlungsleiter durch die polizeiliche Verbindungskraft transparent dargelegt. 6. Aus welchem Grund wurde während der Demonstration ein Hubschrauber eingesetzt? Zu 6.: Aufgrund der hohen Teilnehmendenzahl wurden zur Leitung und Lenkung des Aufzugs sowie zur Koordination der Verkehrs- und weiterführenden polizeilichen Maßnahmen, Übersichtsaufnahmen (ohne Speicherung) gefertigt. Die entsprechend notwendige Information an die Versammlungsleitung ist dabei durch die Polizei erfolgt. 7. Wurden während der Demonstration Straftaten verübt? Wenn ja, um wie viele und welche Art von Straftaten handelt es sich (bitte Anzahl und Art der Straftat tabellarisch aufführen)? Wie viele Strafanzeigen von Bürger*innen wurden seitens der Polizei bisher registriert? Zu 7.: Im Rahmen der betreffenden Versammlung sowie im bisherigen Nachgang dazu wurden der Polizei Berlin folgende tabellarisch aufgeführten Delikte bekannt: Anzahl Straftat/ Verstoß 79 Verdacht Sachbeschädigung 3 Verdacht Gemeinschädliche Sachbeschädigung 3 Verdacht Besonders schwerer Landfriedensbruch 1 Verdacht Beleidigung 1 Verdacht versuchte Gefangenenbefreiung 2 Verdacht Öffentliche Aufforderung zu Straftaten 1 Verdacht Verstoß Vereinsgesetz 3 Verdacht Verstoß Versammlungsgesetz 1 Verdacht Verstoß Waffengesetz (Ordnungswidrigkeit) 1 Verdacht Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte 1 Verdacht Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz 96 Gesamtzahl Quelle: Eingangsstatistik der Zentralen Bearbeitung (ZeB), Stand: 9. Mai 2018 In diesem Zusammenhang geschädigte Personen wurden durch die Polizei Berlin in geeigneter Weise informiert. Zudem wurden im Nachgang durch Bürgerinnen und Bürger 20 Sachverhalte bei der Polizei Berlin angezeigt, die bereits in der o.g. Statistik enthalten sind. Seite 4 von 4 8. Ist das Festklemmen von Flugblättern (unter der Annahme, dass kein strafbarer Inhalt vorliegt) unter dem Scheibenwischer eines PKW oder das Anbringen von leicht ablösbaren Aufklebern (ohne strafbaren Inhalt) an einem PKW oder einem Gartenzaun eine Straftat und muss diese seitens der Polizei verfolgt werden? 9. Ist das Klingeln an Haustüren, ohne das Ziel zu haben, die*den Bewohnende*n direkt zu besuchen („Klingelstreich“), strafbar und muss dies seitens der Polizei verfolgt werden? Zu 8. und 9.: Im Regelfall stellen die geschilderten Verhaltensweisen keine strafbaren Handlungen dar. 10. Ist es im Rahmen der 1.-Mai-Demonstration der Hedonistischen Internationale im Grunewald zu Festnahmen gekommen? Wenn ja, in wie vielen Fällen, mit welchem Tatvorwurf und für wie lange? Wurde ggf. diesbezüglich bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet? Zu 10.: Im Rahmen dieser Versammlung kam es insgesamt zu neun Freiheitsentziehungen/ -beschränkungen (4 x Verdacht Sachbeschädigung, 2 x Verdacht Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, 2 x Verdacht Widerstand/versuchte Gefangenenbefreiung, 1 x Verdacht Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz). Darüber hinaus gab es eine Freiheitsbeschränkung im Rahmen der Gefahrenabwehr. Vier Personen wurden direkt im Einsatzraum entlassen. Die übrigen sechs Personen (4 x Verdacht Sachbeschädigung, 2 x Verdacht Verstöße gegen das Versammlungsgesetz) wurden, zwecks Prüfung eines Anschlussgewahrsams zur Gefahrenabwehr sowie zur Prüfung einer strafprozessualen Vorführung, einer Polizeidienststelle zugeführt. Diese sechs Personen wurden nach erfolgter Prüfung zwischen 23.00 Uhr und 23.40 Uhr aus der Polizeidienststelle entlassen. Die entsprechenden Ermittlungsverfahren wurden eingeleitet. Berlin, den 18. Mai 2018 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport S18-14912 S18-14912