Drucksache 18 / 14 932 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 01. Mai 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Mai 2018) zum Thema: Aktenführung bei der Senatsverwaltung für Justiz und Antwort vom 22. Mai 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Mai 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Herrn Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/14 932 vom 1. Mai 2018 über Aktenführung bei der Senatsverwaltung für Justiz ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Nach § 55 GGO I ist "das Schriftgut der Behörde so aufzubewahren, dass es schnell ermittelt werden kann." Wann hat die Senatsverwaltung für Justiz jeweils welche Akten an den 1. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode geliefert und wann hat der Ausschuss diese jeweiligen Akten angefordert? (bitte tabellarisch darstellen) 2. Soweit zwischen Datum der jeweiligen Anforderung und der Lieferung im Einzelfall mehr als zwei Wochen liegen, aus welchen konkreten Gründen konnten die Akten nicht "schnell" geliefert werden? Zu 1. und 2.: Am 14. Juli 2018 hat der 1. Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses Berlin „Terroranschlag Breitscheidplatz“ beschlossen, Beweismittel aus dem Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung anzufordern. Mit Schreiben vom 24. Juli 2017 - hier eingegangen am 28. Juli 2017 - wandte sich der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses an den Regierenden Bürgermeister und teilte die an den hiesigen Geschäftsbereich gerichteten Beweisbeschlüsse vom 14. Juli 2017 zu den Ziffern I., II. und IV. mit und bat dafür Sorge zu tragen, dass dem Untersuchungsausschuss Akten, Schriftverkehr, Protokolle, Berichte, Rechtsgutachten und Kabinettsvorlagen, die mit dem Terroranschlag am Breitscheidplatz und/oder der Person des Anis Amri im Zusammenhang stehen, schnellstmöglich zur Verfügung gestellt werden. Eine konkrete Fristsetzung erfolgte nicht. In Vorbereitung auf die Erfüllung der Beweisbeschlüsse wurde mit Schreiben vom 3. August 2017 der gesamte Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung um Übermittlung entsprechender Beweismittel gebeten. Aufgrund der Komplexität der Beschlussfassung war zunächst eine umfangreiche Recherche zu den im gesamten Geschäftsbereich vorhandenen Beweismitteln zu veranlassen . Die daraufhin aus dem gesamten Geschäftsbereich zur Verfügung gestellten Beweismittel wurden in der Folgezeit gesichtet und insbesondere auf Vollständigkeit sowie dahingehend überprüft, ob sie einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz am 19.12.2016 und/oder der Person Anis Amri“) auf- 2 weisen und vor der Einsetzung des Untersuchungsausschusses (Stichtag 6. Juli 2017) entstanden sind. Zudem waren Freigabeerklärungen anderer Behörden erforderlich - beispielsweise des Bundeskriminalamtes und des Generalbundesanwaltes -, die vor Lieferung an den Untersuchungsausschuss einzuholen waren. Entsprechend der Bitte des Untersuchungsausschusses wurden jeweils sechs Abschriften der zur Verfügung gestellten Beweismittel gefertigt. Im Einzelnen erfolgten bislang folgende Aktenlieferungen: Beweisbeschluss vom 14. Juli 2017 zu Ziffer I.; hier eingegangen am 28. Juli 2017 Lieferung mit Schreiben vom 1. September 2017 Beweismittel der Generalstaatsanwaltschaft , der Staatsanwaltschaft der Amtsanwaltschaft Beweisbeschluss vom 14. Juli 2017 zu Ziff. II. hier eingegangen am 28. Juli 2017 Lieferung mit Schreiben vom 1. September 2017 Beweismittel der Generalstaatsanwaltschaft , der Staatsanwaltschaft , der Amtsanwaltschaft und des Landgerichts Berlin Beweisbeschluss vom 14. Juli 2017 zu Ziffer IV.; hier eingegangen am 28. Juli 2017 Lieferung mit Schreiben vom 19. September 2017 Beweismittel der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, der Generalstaatsanwaltschaft, der Staatsanwaltschaft, der Amtsanwaltschaft, des Landgerichts Berlin und des Amtsgerichts Tiergarten Beweisbeschluss vom 8. September 2017; hier eingegangen am 25. September 2017 Fehlanzeige mit Schreiben vom 9. Oktober 2017 dem Abgeordnetenhaus gemeldet Von diesem Beweisbeschluss waren keine Akten der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung oder Behörden oder Gerichte im Geschäftsbereich betroffen. Beweisbeschluss vom 14. Juli 2017 zu Ziffer I.; hier eingegangen am 28. Juli 2017 Lieferung mit Schreiben vom 25. Januar 2018 Beweismittel der Generalstaatsanwaltschaft und der Staatsanwaltschaft Beweisbeschluss vom 14. Juli 2017 zu Ziffer II.; hier eingegangen am 28. Juli 2017 Lieferung mit Schreiben vom 7. Februar 2018 Beweismittel der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Beweisbeschluss vom 14. Juli 2017 zu Ziffer II.; hier eingegangen am 28. Juli 2017 Lieferung mit Schreiben vom 19. März 2018 Beweismittel der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung Beweisbeschluss vom 14. Juli 2017 zu Ziffer II.; hier eingegangen am 28. Juli 2017 Lieferung mit Schreiben vom 19. April 2018 Beweismittel der Staatsanwaltschaft Beweisbeschluss vom 14. Juli 2017 zu Ziffer II.; hier eingegangen am 28. Juli 2017 Lieferung mit Schreiben vom 16. Mai. 2018 Beweismittel der Generalstaatsanwaltschaft Beweisbeschluss vom 16. März 2018; hier eingegangen am 22. März 2018 Lieferung ist in Vorbereitung Beweismittel der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, der Generalstaatsanwaltschaft der Staatsanwaltschaft, der Amtsanwaltschaft, des Amtsgerichts Tiergarten 3 Auf den mit Schreiben vom 22. März 2018 – hier eingegangen am gleichen Tage - mitgeteilten Beweisbeschluss des Untersuchungsausschusses vom 16. März 2018 zu zwei Kontaktpersonen des Anis Amri wurde wiederum eine umfangreiche Recherche zu sämtlichen Akten, Schriftverkehr, Protokollen, Berichten Rechtsgutachten, Kabinettsvorlagen und Drucksachen im gesamten Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung veranlasst. Die daraufhin übermittelten Beweismittel verschiedener Behörden des Geschäftsbereichs werden derzeit für den Untersuchungsausschuss aufbereitet und die erbetenen Abschriften erstellt. 3. Im Zuge der Akteneinsicht in den Aktenbestand betreffend die Kenntnis der Senatoren Heilmann und Behrendt von der Überlastung der Strafgerichtsbarkeit, insbesondere des Landgerichts bei der Senatsverwaltung für Justiz zu - I B 4 - 5111/5/2 - stellte ich fest, dass in der paginierten Akte die Seiten 253 - 255 schlicht spurlos verschwunden waren. „Die Pflicht … zur vollständigen Aktenführung steht nicht nur einer Hintanhaltung von Informationen und Wertungen, sondern auch deren Entfernung aus den Akten entgegen, wenn sie erst einmal rechtmäßig dort hingelangt sind. Für die Beeinträchtigung der geeigneten Grundlage objektiven behördlichen Handelns macht es keinen Unterschied, ob die Unvollständigkeit der Akten von vornherein besteht oder erst nachträglich eintritt„ Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 06. Juni 1983 (– 2 BvR 244/83, 2 BvR 310/83 –). Daher ist nach § 55 Abs. 1 Satz 2 GGO I „ zu gewährleisten, dass das zur Akte genommene Schriftgut vollständig und vor Veränderung geschützt verfügbar ist“. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung zu 2 StR 430/09 - Urteil vom 25. November 2009 den Tatbestand des § 274 StGB als erfüllt angesehen, wenn aus einer potentiell beweiserheblichen Akte Bestandteile verschwinden und dadurch auch nur potentiell das Beweisführungsrechts eines Dritten beeinträchtigt wird. Da ganz erhebliche Teile der Akten handschriftliche Aufzeichnungen in grüner Tinte - also durch die Hausleitung - erhalten, sind diese naturgemäß für das die Exekutive kontrollierende Parlament von besonderem Interesse. Wie erklärt sich der Senat das Fehlen dieser Seiten und hat nach Kenntnis von diesem Sachverhalt - spätestens mit Schreiben der Staatssekretärin Gerlach vom 02.02.2018 an mich - die Senatsverwaltung für Justiz diesen Tatbestand den Ermittlungsbehörden angezeigt? 4. Falls eine Anzeige nicht erfolgt ist, aus welchem Grund nicht? 5. Sind in diesem Zusammenhang Disziplinarmaßnahmen eingeleitet worden? Falls nein, weshalb nicht? 6. Sind dem Senat weitere Fälle bekannt, in denen Aktenseiten fehlen? Wie stellt der Senat sicher - etwa durch Stichproben - das dies nicht unbemerkt bleibt? Zu 3. bis 6.: Trotz eingehender Recherche des Senats konnte nicht festgestellt werden, ob Band 8 der Akte 5111/5/2 Seiten entnommen bzw. umgeheftet wurden, ob diese Seiten verlustig gegangen sind oder ob es sich um eine fehlerhafte Paginierung handelt. Dem Senat liegen keine Tatsachen oder Anhaltspunkte vor, die eine Anzeige bei den Ermittlungsbehörden hätten rechtfertigen können. Ein Ermittlungsverfahren ist im Lichte dessen nicht eingeleitet worden. Ferner wurde auch kein Disziplinarverfahren eingeleitet. Voraussetzung für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gemäß § 17 Disziplinargesetz Berlin ist, dass eine konkrete Person in Verdacht steht ein Dienstvergehen begangen zu haben. Vorliegend kann und konnte nicht festgestellt werden, welche Beamtin oder welcher Beamter aufgrund welchen Verhaltens für die Fehlseiten oder auch nur ei- 4 ne falsche Paginierung verantwortlich ist. Die Einleitung eines Disziplinarverfahrens „gegen Unbekannt“ ist nicht möglich. Die Angelegenheit wurde zum Anlass genommen, die Beschäftigten der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung an die Regelungen für das Bearbeiten und Verwalten von Schriftgut nochmals zu erinnern. Darüber hinaus werden in den Registraturen der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung künftig regelmäßige Geschäftsprüfungen stattfinden. Berlin, den 22. Mai 2018 In Vertretung M. Gerlach Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung S18-14932 S18-14932