Drucksache 18 / 15 010 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tommy Tabor (AfD) vom 15. Mai 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Mai 2018) zum Thema: Berlin: Pflichtschuljahr für Jugendliche ohne Ausbildungsvertrag und Antwort vom 31. Mai 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Juni 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Herrn Abgeordneten Tommy Tabor (AfD) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - A n t w o r t auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15 010 vom 15. Mai 2018 über Berlin: Pflichtschuljahr für Jugendliche ohne Ausbildungsvertrag ________________________________________________________________________ Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Abgeordneten: Bildungssenatorin Sandra Scheeres erklärte gegenüber der Berliner Zeitung (10.03.2016): „Wir müssen das 11. Pflichtschuljahr wieder einführen“. Ralf-Michael Rath (UVB) kritisierte im Ausschuss IntArbSoz am 11. Mai 2017: „Wir haben damals schon gesagt, dass es ein Fehler war, VZ 11, also die Berufsschulpflicht im 11. Schuljahr für alle Schulabgänger nach der 10. Klasse, die keinen Ausbildungsplatz gefunden hatten, abzuschaffen. Immerhin war es damals möglich, den Verbleib der Schulabgänger ohne Ausbildungsplatz besser zu verfolgen. […] Ein Mangel des damaligen VZ 11 war, dass nur 20 bis 40 Prozent der berufsschulpflichtigen Jugendlichen auch tatsächlich anwesend waren.“ 1.) Warum wurde das Pflichtschuljahr für Jugendliche ohne Ausbildungsvertrag abgeschafft und wie lautete der damalige Gesetzestext? Zu 1.: § 14 Absatz 3 Schulgesetz für Berlin in der Fassung vom 20. August 1980, zuletzt geändert durch das 29. Änderungsgesetz vom 3.7.2003, lautete: „Wer die allgemeine Schulpflicht erfüllt hat und im Anschluss daran weder in eine Berufsausbildung im Sinne des Absatzes 1 noch in einen berufsvorbereitenden Lehrgang im Sinne des Absatz 2 noch in ein Arbeitsverhältnis eintritt noch einen anderen Zweig der Oberschule besucht, ist verpflichtet, im 11. Schuljahr ein schulisches Berufsgrundbildungsjahr oder einen anderen Vollzeitlehrgang an der Berufsschule zu besuchen.“ Diese Regelung wurde in das Schulgesetz für das Land Berlin vom 26. Januar 2004 nicht übernommen. In der Gesetzesbegründung findet sich keine Begründung für die Abschaffung des 11. Pflichtschuljahres. - - 2 2.) Wann will der Senat einen Gesetzesentwurf zur Wiedereinführung des Pflichtschuljahrs für Jugendliche ohne Ausbildungsvertrag vorlegen? Zu 2.: Im Senat gibt es dazu noch Abstimmungsbedarf, u.a. zu den qualitativen und quantitativen Bedarfen. 3.) Wie will der Senat vermeiden, dass es wie bei der VZ 11 wieder eine hohe Quote von Schulschwänzern gibt? Zu 3.: Das strukturelle Problem der Pflichtangebote in der Berufsausbildungsvorbereitung ist die fehlende Flexibilität des Berufsfeldbezuges der Angebote. Für den damaligen VZ11- Lehrgang wurden Jugendliche, die ihre Berufsfeldneigung wegen fehlender Plätze an den entsprechenden beruflichen Schulen nicht realisieren konnten, Schulen mit freien Plätzen in anderen Berufsfeldern zugewiesen. Schuldistanz und Abbruch waren die Folge. Bei Schulabgängerinnen und Schulabgängern diesen Alters kommt es häufig zu Wechselwünschen sobald sie erkannt haben, was das gewählte Berufsfeld in der Realität bedeutet. Insofern sind Bildungsgänge wie der Schulversuch Integrierte Berufsausbildungsvorbereitung (IBA), bei denen im Verlauf auch Änderungen der Berufsfeldorientierung noch möglich sind, mögliche Optionen. Aber auch die schon jetzt berufsschulpflichtigen Angebote wie der Einstiegsqualifizierung und die Berufsvorbereitenden Maßnahmen, bei denen der Zugang über Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) oder SGB Drittes Buch (III) erfolgt und die Berufsschule nur in Teilzeit vorgehalten wird, sind mögliche Optionen. Das hieße auch, dass bei Einführung einer Schulpflicht auf bestehende Angebote zurückgegriffen werden könnte. 4.) Wie will der Senat vermeiden, dass das Pflichtschuljahr zu einer bloßen Warteschleife wird? Zu 4.: Der Senat vermeidet eine bloße Warteschleife durch die Veränderung der angebotenen Bildungsgänge. So hat zum Beispiel der gegenwärtige Schulversuch Integrierte Berufsausbildungsvorbereitung (IBA) genau diese zuvor existenten Probleme analysiert und dementsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen. Beispiele hierfür sind die deutliche Ausweitung der Praktikumsphasen auf 8 - 10 Wochen in ausbildungsberechtigen Betrieben, die Akquisition geeigneter Praktikumsplätze in allen Berufsfeldern, die individuelle Bildungsbegleitung vor, während und nach dem Praktikum oder die in den Betrieben eingesetzten Kompetenzerfassungsbögen. 5.) Wie soll sich das elfte Pflichtschuljahr von der vorherigen Form der Beschulung unterscheiden? - - 3 Zu 5.: Die unter 4. aufgezeigten Veränderungen des Schulversuchs führten zu einer deutlich stärkeren Anschlussorientierung der Jugendlichen, weswegen die Integrierte Berufsausbildungsvorbereitung ab dem Schuljahr 2019/2020 als neuer Regelbildungsgang die bisherigen Bildungsgänge ablösen wird. 6.) In welchen Bundesländern gibt ein Pflichtschuljahr bzw. zwei Pflichtschuljahre für Jugendliche ohne Ausbildungsvertrag ? Zu 6.: In allen Bundesländern außer Berlin gibt es ein Pflichtschuljahr im Anschluss an die allgemeinbildende Schulpflicht für Jugendliche ohne Ausbildungsvertrag. Berlin, den 31. Mai 2018 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie S18-15010 S18-15010