Drucksache 18 / 15 081 Schriftliche Anfrage 18. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Niklas Schrader und Hakan Taş (LINKE) vom 18. Mai 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Mai 2018) zum Thema: Politische Verfolgung von Carles Puigdemont in Berlin? und Antwort vom 06. Juni 2018 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Jun. 2018) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Seite 1 von 4 Senatsverwaltung für Inneres und Sport Herrn Abgeordneten Niklas Schrader (LINKE) und Herrn Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei - G Sen - Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/15 081 vom 18. Mai 2018 über Politische Verfolgung von Carles Puigdemont in Berlin? ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die Zuständigkeit für das laufende Auslieferungsverfahren obliegt der Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein und dem Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein. Informationen zu Maßnahmen der in dieser Angelegenheit befassten Behörden anderer Bundesländer sowie des Bundes liegen dem Senat nicht vor. Die Beantwortung der nachfolgenden Fragen erfolgt daher ausschließlich für den Zuständigkeitsbereich des Berliner Senats. Darüber hinaus weist der Senat die Verwendung des Begriffs „politische Verfolgung“ im Zusammenhang mit Berliner Sicherheits- und Strafermittlungsbehörden mit Entschiedenheit zurück. Diese agieren im Rahmen ihrer Zuständigkeiten allein auf Grundlage der gesetzlichen Vorschriften. 1. Auf welche Weise und mit welchen Maßnahmen wird nach Kenntnis des Senats der ehemalige katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont von deutschen Behörden in Berlin überwacht? Zu 1.: Maßnahmen im Sinne der Fragestellung erfolgen nach Kenntnis des Senats nicht. Herr Puigdemont unterliegt einer Meldeauflage, nach der er sich wöchentlich auf einem Abschnitt der Polizei Berlin zu melden hat. Diese Maßnahme ist Bestandteil der Aussetzung des Vollzugs der Auslieferungshaft. 2. Wann und von wem erhielten Berliner Behörden Kenntnis, dass sich Carles Puigdemont in Berlin aufhält? Zu 2.: Durch die Rechtshilfestelle des Landeskriminalamtes (LKA) Schleswig-Holstein erhielt die zuständige Fachdienststelle des LKA Berlin (LKA 741) am 6. April 2018 fernmündlich darüber Kenntnis, dass Herr Puigdemont unter Auflagen vom Vollzug der Auslieferungshaft verschont worden sei und beabsichtige, sich in Berlin aufzuhalten. Am selben Tag wurde die Generalstaatsanwaltschaft Berlin durch die Polizei Berlin in Kenntnis gesetzt. Seite 2 von 4 3. Welche Delikte sind in dem 19-seitigen Europäischen Haftbefehl (EuHB) gegen Carles Puigdemont vermerkt? 4. Inwiefern trifft es zu, dass im EuHB ohne nähere Begründung außerdem „Korruption“ angekreuzt sowie Gewaltakte gegen Polizisten benannt werden? Zu 3. und 4.: Der Inhalt des Europäischen Haftbefehls ist dem Senat nicht bekannt. 5. Was ist dem Senat darüber bekannt, inwiefern die Festnahme Carles Puigdemonts das Ergebnis einer Kooperation zwischen deutschen Polizeibehörden und dem spanischen Geheimdienst Centro Nacional de Inteligencias (CNI) gewesen ist? 6. Mit welchen Behörden oder Ministerien Spaniens (auch Geheimdienste) sowie der Bundesregierung haben Berliner Behörden zu welchem Zeitpunkt über die mögliche Festnahme von Carles Puigdemont kommuniziert? Zu 5. und 6.: Dem Senat ist über eine etwaige Kooperation nichts bekannt. Die Festnahme Herrn Puigdemonts erfolgte ohne Kenntnis und Beteiligung von Berliner Sicherheits- und Strafermittlungsbehörden in Schleswig-Holstein. 7. Was ist dem Senat darüber bekannt, inwiefern Carles Puigdemont auch in Berlin durch das CNI oder Beamte der Comisaria Generat de Informacion (CGI), des Geheimdienstes der spanischen Nationalpolizei, überwacht wird? 8. Welche Angehörigen des CNI oder der CGI halten sich nach Kenntnis des Senats derzeit in Berlin auf und wann wurde hierfür eine Genehmigung beantragt bzw. erteilt? Zu 7. und 8.: Dem Senat liegen darüber keine Erkenntnisse vor. 9. Sofern öffentliche Hoheitsträger im Sinne von Frage 7 und 8 auf deutschem Staatsgebiet tätig werden, ohne dass die Bundesregierung oder das Land Berlin dies erlaubt oder davon Kenntnis hätten, welcher Straftatbestand wäre dadurch erfüllt? Zu 9.: In Berlin dürfen Bedienstete ausländischer Staaten mit polizeilichen Aufgaben nur unter den Voraussetzungen des § 8 Absatz (Abs.) 3 des Allgemeinen Sicherheitsund Ordnungsgesetz Berlin (ASOG) hoheitlich tätig werden. Soweit solche Bediensteten im Zuständigkeitsbereich der Polizei Berlin hoheitliche Handlungen vornehmen, ohne dass diese Voraussetzungen vorliegen, können sie sich bei vorsätzlichem Handeln nach § 132 Strafgesetzbuch (StGB) einer Amtsanmaßung oder wegen Nachstellung nach § 238 StGB strafbar machen. Darüber hinaus kann der Straftatbestand der geheimdienstlichen Agententätigkeit gemäß § 99 StGB erfüllt sein. Eine konkrete strafrechtliche Bewertung unterliegt jedoch den Umständen des Einzelfalls und ist dem Senat hier mangels Kenntnis belastbarer Fakten nicht möglich. 10. Was ist dem Senat darüber bekannt, inwiefern von Carles Puigdemont genutzte Fahrzeuge in Belgien oder Deutschland mit einem Peilsender ausgestattet worden waren und mithilfe von Überwachungstechnologie verfolgt wurden bzw. werden? Zu 10.: Hierzu ist dem Senat nichts bekannt. Derartige Maßnahmen sind durch Berliner Sicherheits- und Strafermittlungsbehörden nicht vorgenommen worden. Seite 3 von 4 11. Welche Strafanzeigen werden von Staatsanwaltschaft und Polizei hinsichtlich der politischen Verfolgung von Carles Puigdemont in Berlin bearbeitet? Zu 11.: Bei der Auskunftserteilung aus Ermittlungsverfahren der Strafverfolgungsbehörden sind die Interessen der beteiligten Personen besonders zu berücksichtigen. Die Rechte auf Auskunftserteilung oder Akteneinsicht sind in den §§ 474 fortfolgende sowie 491 Strafprozessordnung (StPO) abschließend geregelt. Die Beantwortung der Frage ist dem Senat daher nicht möglich. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 12. Inwiefern sind der Berliner Verfassungsschutz oder das Bundesamt für Verfassungsschutz in dieser Angelegenheit tätig? Zu 12.: Der Berliner Verfassungsschutz ist in dieser Angelegenheit nicht tätig. 13. Welche deutschen Ermittlungsmaßnahmen oder Gerichtsverfahren wegen Vornahme von Hoheitsakten auf fremdem Staatsgebiet sind dem Senat in den letzten zwei Jahren bekannt geworden und welche davon betreffen den spanischen Staat? 14. Welche deutschen Ermittlungsmaßnahmen oder Gerichtsverfahren wegen Ausspähung von Ausländern in der Bundesrepublik sind dem Senat in den letzten zwei Jahren bekannt geworden und welche davon betreffen den spanischen Staat? Zu 13. und 14.: Bei der Polizei Berlin erfolgt keine statistische Erfassung im Sinne der Fragestellung, weshalb sich weder die Ermittlungsmaßnahmen noch die Ermittlungsverfahren und deren Inhalte konkret identifizieren lassen. Für die Jahre 2016 bis 2018 konnten zumindest bei den Strafsenaten des Kammergerichts in Berlin die nachfolgenden vier dort verhandelten Verfahren identifiziert werden: 1) Ein Verfahren betraf das Tätigwerden der Angeklagten für den iranischen Geheimdienst und endete am 19. Juli 2016 mit der Verurteilung einer angeklagten Person wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit nach § 99 StGB. 2) In einem Verfahren ist eine angeklagte Person am 5. Januar 2017 wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit nach § 99 StGB zu Gunsten Indiens in Tateinheit mit 38 Fällen der Verletzung des Dienstgeheimnisses nach § 353b StGB verurteilt worden. 3) In einem weiteren Verfahren wurde dem Angeklagten geheimdienstliche Agententätigkeit nach § 99 StGB zu Gunsten der iranischen Quds-Kräfte vorgeworfen. Eine Verurteilung erfolgte am 27. März 2017. 4) Des Weiteren wird einem vietnamesischen Angeklagten die geheimdienstliche Agententätigkeit nach § 99 StGB für den vietnamesischen Geheimdienst in Tateinheit mit Beihilfe zur Freiheitsberaubung nach §§ 239, 27 StGB vorgeworfen. Beim Kammergericht sind darüber hinaus immer wieder Verfahren anhängig, in denen das Ausspionieren von Exiloppositionellen als nachrichtendienstliche Agententätigkeit angeklagt ist und abgeurteilt wird. Soweit eine statistische Auswertung möglich ist, lassen sich keine Bezüge zu Personen oder Behörden feststellen, die dem spanischen Staat zugerechnet werden können. Seite 4 von 4 15. Was ist dem Senat darüber bekannt, inwiefern spanische Behörden zur Verfolgung und Festnahme von Carles Puigdemont oder seiner Begleiter auch Maßnahmen nach Artikel 36 des Rahmenbeschlusses zum Schengener Informationssystems ergriffen haben („verdeckte Fahndung“, bitte mitteilen, ob es sich um eine Ausschreibung nach Absatz 2 oder 3 handelt)? Zu 15.: Dem Senat liegen diesbezüglich keine Informationen vor. Berlin, den 06. Juni 2018 In Vertretung Torsten Akmann Senatsverwaltung für Inneres und Sport